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ihre Muttersprache sprechen. Ihre Muttersprache! haben auch die Ahom verloren, die zu den Schan- oder Thaivölkern Hinterindiens gehören. Als eine dritte Gruppe sondern sich die Nāga und Mīkir ab, zusammen 193144. Außerdem sitzen in den Bergen [* 2] und an den Grenzen [* 3] noch zahlreiche kleinere Stämme.
Die Sprache [* 4] der arischen Bevölkerung [* 5] in Assam ist das Assāmī (1414285) und in dem südl. Teile das Bengali (2741947). Im ganzen wird Assami in Indien gesprochen von 1435820 Menschen. In Bengalen ist die arische Sprache das Bengali, gesprochen von 41343672, in Orissa das Urija von 9010957 Menschen. Im ganzen Centrum des nördl. Indiens von Bengalen im Osten bis zum Pandschab im Westen spricht die arische Bevölkerung Hindi, ein zusammenfassender Ausdruck für eine große Zahl von Dialekten, gesprochen von 86966573 Menschen. Im Süden, im Dekhan von Nagpur im Osten bis südlich von Goa im Westen, sitzt die Marathi sprechende arische Bevölkerung, 18892875 Menschen, nordwestlich davon die Gudscharati sprechende, 10619789 Menschen.
Nördlich davon folgen sich Sindhi mit dem südl. Dialekt Katschi, 3032038 Menschen, und Pandschabi, 17724610 Menschen, alle nach dem Lande benannt, in dem sie gesprochen werden. Zählt man dazu noch die 3669390 Inder, die das Urdu als Muttersprache angegeben haben, so ergiebt sich als Gesamtzahl der arischen Inder 195426069. Nicht eingerechnet in diese Zahl sind die wandernden Stämme, die der Census von 1891 als Gipsy Tribes, «Zigeunerstämme», zusammengefaßt hat und deren Zahl er auf 401125 angiebt, eine Schätzung, die begreiflicherweise nur annähernd sein kann. Diese Wanderstämme sind nur zum Teil Arier; zum Teil sind sie Draviden, und ihre Dialekte wechseln außerordentlich, je nach dem Lande, in dem sie sich aufhalten. Der zahlreichste und bekannteste dieser Wanderstämme sind die Bandschara, die auf ihren Ochsen Lasten fortschaffen und sich von Radschputana über ganz Centralindien bis nach Madras [* 6] hinab finden. (Vgl. Cumberledge, Some account of the Bunjarrah Class, Bombay [* 7] 1882.)
Als Ureingeborene des nördl. Indiens mit Ausnahme der Himalajaländer muß man die Völker ansehen, die man als Kolarier (s. d., Bd. 10) zusammenzufassen pflegt. Sie gliedern sich geographisch in drei Gruppen, eine östliche, westliche und südliche. Zur östlichen gehören die Kol, richtiger Kolh, ein Name, der «Schweinetöter» (Sanskrit kōlaha) bedeutet und ihnen als Schimpfname von den Hindu beigelegt worden ist wegen der Vorliebe einiger Stämme für das Schweinefleisch, das den Hindu ein Greuel ist.
Die Kolh zerfallen in mehrere Stämme mit verschiedenen Dialekten. Man unterscheidet:
1) Mūndāri-Kolh, gewöhnlich fälschlich Mūnda genannt. Sie nennen sich selbst Horo, «Mensch», oder Mundahoro, d. h. «Menschen, die unter einem Munda (= Dorfschulzen) leben». Sie sitzen im südwestl. Bengalen, südlich von Rantschi, der Hauptstadt von Tschutia-Nagpur. Südlich von ihnen im Distrikt Singbhum sitzen 2) die Larka-Kolh, die sich selbst Ho (dasselbe Wort wie Horo),
«Menschen», nennen und so auch meist von andern genannt werden. Nordöstlich von ihnen sitzen 3) die Bhūmidsch und nördlich von allen diesen Stämmen 4) die Santal, der zahlreichste und auch außerhalb seiner Wohnsitze über ganz Bengalen und in Assam verbreitete Stamm, da sie als tüchtige Arbeiter gesucht sind. Andere Stämme der östl. Gruppe sind die Kharria und Birhor. Zur westl. Gruppe gehören die Baiga oder Bhūndschia, die Kūr, Kōrwa oder Muāsī in Mirsapur und vor allem die Bhil (s. d., Bd. 2), die sich zerstreut über weite Gebiete in Mewar, Gudschrat, Khandesch, Malwa bis zur Narbada im Osten in Berar erstrecken und südlich in den Westghats bis gegen Puna und Daman vorkommen.
Die ursprünglichsten Stämme sitzen im Vindhja, dem Satpuragebirge und den Adschantabergen. Sie sind schwarz, klein, aber wohlgebaut, mit hohen Backenknochen und weiten Nasenlöchern, so daß sie zum Teil fast negerartigen Charakter tragen. Die Bhil der Ebene haben sich stark mit Hindu vermischt; sie sind ein träges und dem Trunk ergebenes Volk, das stark verschuldet ist und von den Hindu ausgenutzt wird. Körperlich unterscheiden sie sich oft gar nicht mehr von den niedrigen Hindu.
Die Bhil sind wohl einst der größte Stamm der Kolarier gewesen. Die Sanskritschriftsteller erwähnen sie als Bhilla und bezeichnen sie als Nishada, ein Name, der vor dem jetzt üblichen, aber wenig passenden Namen Kolarier den Vorzug verdient. Heute haben die Bhil, wie auch andere kolarische Stämme, ihre Sprache und Sitten zum größten Teile gegen die des Volks eingetauscht, unter dem sie leben. Der südl. Gruppe gehören an die Dschuang in Orissa, die Gadaba und Sawara in der Provinz Madras, die letzten als Sabara den Sanskritschriftstellern wohl bekannt.
Der Census von 1891 giebt die Zahl der Kolarier auf 2959006 an. Alle Kolarier haben dunkle Hautfarbe; die Färbung wie die Gesichtsbildung schwankt aber sehr je nach dem Grade der Mischung mit Hindu. Während die Bhil im Satpuragebirge fast negerartig sind, zeigen andere Stämme fast arischen Typus. Unter den Ho finden sich neben dunklen, kurzen auch viele große, kupferfarbige Gestalten, manche mit hohen Nasen und ovalen Gesichtern, namentlich die Mädchen. Die Mūndāri und Ho sind vorwiegend Ackerbauer und fest ansässig; die Santal verlassen ihre Wohnsitze leicht und gehen als Arbeiter gern außer Land. Die Ho züchten mit Vorliebe Geflügel und sind große Freunde von Hahnenkämpfen, die an allen Markttagen auf dem Marktplatze und an andern festbestimmten Tagen an andern Orten stattfinden.
Die Männer gehen mit Vorliebe fast nackt; auch die Frauen tragen in den entferntern Dörfern nur einen Lappen zwischen den Beinen, der durch einen Faden [* 8] um die Taille vorn und hinten befestigt ist. Die Nationaltracht aber ist ein langer Tuchstreifen, der als Gürtel [* 9] um die Lenden getragen wird; er wird hinten zusammengeknüpft; die Enden werden zwischen die Beine gebracht und vorn an dem Gürtel befestigt. Die Frauen lieben es, sich mit Blumen zu schmücken, die sie in ihr eigenartig geflochtenes Haar [* 10] stecken.
Wie die Santalfrauen tragen auch die der Ho sehr massive Arm-, Hand- und Fußspangen, deren Anlegung schmerzhaft ist, da sie sehr eng zu sein pflegen. Die Frauen werden gekauft. Da der Vater einen hohen Preis verlangt, ist die Zahl der unverheirateten Mädchen eine auffallend große, was auf die Sittlichkeit schlechten Einfluß gehabt hat. In neuerer Zeit ist durch die Einwirkung der Engländer der Preis herabgesetzt worden. Nach der Geburt eines Kindes gelten die Eltern acht Tage lang für unrein. Alle Familienglieder werden aus dem Hause geschafft, und der Mann muß für seine Frau kochen. Nach Ablauf [* 11] der acht Tage kehren die Angehörigen zurück, und es wird ein Fest gefeiert, bei dem das Kind einen Namen erhält. Die Ho lieben es, in ihre ¶
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Familien Namen oder Titel solcher Personen einzuführen, die ihnen Gutes gethan haben und die sie lieben. So sind nach Dalton gewöhnliche Namen unter ihnen Major, Kapitän, Doktor, Tickell, Name eines engl. Obersten, der sich um sie verdient gemacht hat. Die Frauen werden sehr gut behandelt; abgesehen von ihrem Wuchse sind sie eher häßlich als schön. Die MundarI werden als ein arbeitsames und gutherziges Volk geschildert, das freilich zur Lüge neigt und nicht sehr keusch ist.
Die Frauen stehen sittlich tiefer als die Männer; Abtreibung der Leibesfrucht ist häufig, der Verkehr der Knaben mit Mädchen untereinander sehr leichtfertig und unsittlich. Die Verlobung, die sehr umständlich vor sich geht, wird äußerlich symbolisch dadurch bestätigt, daß die Braut Wasser für die Verwandten des Bräutigams holt, das ihr diese vom Kopfe nehmen. Daher ist «Wasserabnahme» (argu daa) das Wort für Verlobung. An der Wasserquelle des Dorfes sieht der Bräutigam auch zum erstenmal seine Braut, die meist aus einem andern Dorfe und stets aus einem andern Clan stammt wie er selbst, eine weit verbreitete Sitte unter den Kolariern.
Die Ehescheidung ist leicht. Die Eltern der Frau zahlen den Kaufpreis zurück, und als Zeichen der Scheidung wird ein Blatt [* 13] zerrissen. Der Mann muß aber für die Frau sorgen. Ehebruch ist im ganzen selten, ebenso wie Bigamie, die meist nur stattfindet, wenn die erste Frau kinderlos ist. Die Toten werden verbrannt, oft mit ihren Kleidern und Gerätschaften. Die Überreste werden gesammelt, zusammen mit etwas Reis und Geld in ein irdenes Gefäß [* 14] gelegt und nach dem Begräbnisplatze des Dorfes gebracht, wo der Verstorbene heimatsberechtigt war.
Dort nimmt einer der Verwandten einen Halm einer bestimmten Grasart, teilt ihn in zwei Stücke zu 6 und 4 Zoll, bindet diese in Gestalt eines geraden, stehenden Kreuzes zusammen und setzt dasselbe oben in die Urne. [* 15] Dieses Kreuz [* 16] wird mit einem Hindiworte mūrt, «Götzenbild», genannt. Das einzelne Familiengrab besteht aus einem 4-5 Fuß breiten und langen, flachen Steine, der etwa einen Fuß hoch über der Erde auf andern Steinen ruht. Mit der Zeit sinkt er meist ein und wird so umwachsen, daß er auf ebener Erde zu ruhen scheint.
Von diesen Begräbnissteinen verschieden sind die Gedenksteine, die zum ehrenden Gedächtnis des Verstorbenen im Dorfe selbst errichtet werden, eine Sitte, die bei vielen Völkern der Erde sich findet. Besonders errichtet man sie solchen Personen, die von einem Tiger zerrissen worden sind, mitten im Walde oder Felde, wo der Mord stattgefunden hat. Da die Aufstellung solcher Gedenksteine kostspielig und zeitraubend ist, werden sie nur reichen oder besonders beliebten Leuten gesetzt, oft gerade am Tanzplatze des Dorfes.
Eine am Fuße hingelegte Steinplatte dient dann den Tänzern oder ältern Zuschauern als Ruheplatz. Bei der Verbrennung und Beisetzung des Toten werden alle Verwandten und Nachbarn bewirtet, so daß ein Todesfall eine kostspielige Sache ist, die mancher Familie den vierten Teil ihres beweglichen Vermögens kostet. Um sich vor zu großen Ausgaben zu retten, pflegen manche die Speisen zu verpfeffern. Musik und Tanz sind außerordentlich beliebt; beim Tanz wird ein Reisbranntwein getrunken, den jede Kolhfrau zu brauen versteht, und Lieder von oft obscönem Inhalt gesungen, wie auch der Tanz selbst meist unsittlich ausartet.
Die Mundari sind sehr musikalisch und haben schöne Stimmen. Die Dschuang sind bekannt unter dem Namen «Blattträger» oder «Blätterleute». Ihre Frauen nämlich gehen nackt und binden sich nur, wenn sie in Verkehr mit Europäern oder Hindu kommen, einen Blätterschurz vor, der nach wenigen Stunden vertrocknet. Den Frauen der unter engl. Herrschaft stehenden Dschuang wurde 1871 von seiten der Regierung ein Baumwollstreifen als Kleidung überwiesen, den aber viele bald wieder ablegten. Die Dschuang haben noch Steinwaffen und leben in auffallend kleinen und engen Hütten, [* 17] die nicht viel größer als Hundehütten sind. Die Kolhsprachen gehören zur Klasse der agglutinierenden; sie sind sehr wohlklingend und in ihrem Baue einfach, unter sich aber weit abweichend.
Der ganze Süden Indiens, das Dekan, mit Ausnahme der wenigen von Kolariern bewohnten Striche und des Gebietes der Marathen im Westen, wird von dem vierten großen Volksstamme Indiens, den Draviden (s. Drâviḍa, Bd. 5) bewohnt. Seit Caldwell (A comparative grammar of the Dravidian or South-Indian family of languages, 2. Aufl., Lond. 1875) ist es üblich, die dravidischen Sprachen in zwei Gruppen zu teilen, eine von sechs kultivierten und eine von sechs unkultivierten Sprachen. Zur ersten Gruppe werden gerechnet: Tamil, Malajalam, Telugu, Kanaresisch, Tulu und Kudagu oder Kurg;
zur zweiten Tuda oder Toda, Kota, Gond, Ku oder Kondh, Oraon und Radschmahal.
Trumpp (Grammatische Untersuchungen über die Sprache der Brāhūīs, Münch. 1881) hat auch das Brahui in Belutschistan, das schon Caldwell hierher zog, als echt dravidisch erweisen wollen. Aber seine Darlegungen bedürfen noch weiterer Beweise, und es ist besser, die Brahui vorläufig noch aus der Reihe der dravidischen Völker zu streichen. Auch die ganze zweite Gruppe ist keineswegs als feststehend anzusehen. Sicher dravidisch sind darin allein die Toda und Kota; die übrigen haben so viele Abweichungen von dem Typus der dravidischen Sprachen und neigen zum Teil so sehr zu den kolarischen, daß man sie richtiger als kolarische ansehen wird, auf die frühzeitig die dravidischen starken Einfluß ausgeübt haben.
Das macht auch ihre geogr. Lage wahrscheinlich. Der größte und wichtigste dieser Stämme sind die Gond (s. d., Bd. 8), die Gonda der Sanskritschriftsteller. Sie sitzen in dem weiten Gebiete, das man Gondwana nennt, zerstreut finden sie sich auch in Orissa und im Westen in Khandesch und Malwa. Der Census von 1891 giebt ihre Zahl auf 1379580 an. Die Gond sind von dunkler, fast schwarzer Hautfarbe und von verschiedener Statur, je nach dem Grade ihrer Vermischung mit Hindu und je nachdem sie in den Bergen oder der Ebene leben.
Die Berg-Gond, die allein als typisch für das Volk angesehen werden können, aber noch wenig bekannt sind, haben platte Nasen, dicke, wulstige Lippen, dickes, langes schwarzes Haar, das auch im Alter nicht bleicht, starke, gesunde Zähne. [* 18] Sie sind kräftige, untersetzte Gestalten. Die Gond der Ebene sind meist ganz hinduisiert; sie sind zum Brahmanismus bekehrt, ein Teil sind Mohammedaner; nach dem Vorbild der Hindu zerfallen sie in viele Stämme und Kasten. Ihr Typus ist mehr negerartig als bei allen andern Stämmen der Ureingeborenen. Von den echten Gond sind die Kolam in den Centralprovinzen und vor allem die Maria in Bastar etwas besser bekannt. Die Kolam heiraten nicht unter die andern Gond, und die Ehe durch Raub ist bei ihnen üblich. Die Maria werden als sehr scheu geschildert. Wenn sie ihre jährlichen Steuern zahlen sollen, so schlägt der ¶