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terer Unterschied zwischen Ferment- und Gärprozeß ist das Verhalten beider gegen äußere Momente zu nennen. Die günstigste Temperatur sür die Fermentwirkungen liegt meist viel hoher als sür Gärungen, nämlich bäufig bei 60"; ferner sind Fernandez-Guerra viel weniger empfindlich gegen schädigende äußere Einwirkungen als Gärungserreger, und Fermentpro- zesse gehen z. B. noch bei einem Gebalt des Mediums an Carbolsäure, Blausäure oder Sublimat einber, bei dem jede Lebenscucherung, Gärung inbegrifsen, unmöglich ist.- Für die Erforschung des Wesens der Fermentwirtungen sind die quantitativen Vev- bältnisse derselben von außerordentlicher Bedeutung. Ein genaueres Studium derselben hat ergeben, daß die Menge einer Substanz, die durch eine gegebene Menge Ferment gespalten werden kann, zwar sebr groh, aber doch keineswegs unbegrenzt ist, wie man nach dem Augenscbein wobl annehmen könnte; viel- mehr ist es für alle Fennentprozesse geradezu cha- rakteristisch, daß sie unvollständig sind. Dies er- klärt sich daraus, daß die Meuge des wirksamen Ferments thatsächlich während des Zerlegungs- prozesses nicht dieselbe bleibt, sondern beständig ab- nimmt, indem das Ferment sich mit den geteilten Spaltungsprodukten verbindet und in ein unwirk- sames Zwischenprodukt übergeht. Die Existenz sol- cher Zwischenprodukte wird serner noch dnrck die Thatsache gefordert, daß alle Fernandez-Guerra im Zustand der Thätigkeit gegen äußere Eingriffe viel rcsistentcr sind als im isolierten Zustande; das Ferment er- scheint nicht mebr als bloß durch seine Anwesenheit ldurch «katalytische Kraft») wirkend, sondern greift felbst in den Zerlegungsprozeß ein; man mnß an- nehmen, daß zuerst ein Zwischenprodukt zwischen Ferment und Substanz gebildet wird, welches aber sehr labiler Natur ist und daher bald wieder zer- fällt; bei diesem Zerfall bildet sich zwar das Fer- ment in seiner ursprünglichen Gestalt zurück, nicht aber die zu zerlegende Substanz, die vielmehr un- ter Wasseraufnahme in ihre Komponenten zerfällt. Diese freilich noch hypothetische Annahme vermag die Grundzüge der Fermentwirkungen hinreichend zu erklären; sie beseitigt vor allem die Paradoric einer rein katalytischen Wirkung, bei welcher das Ferment gleichzeitig eine überraschende quantitative Leistung vollbringt und dabei doch nicht in den Pro- zeß eingreifen foll. Die vorgetragene Theorie vom Wefen der Fermentwirkung läßt übrigens eine auf- fallende Ähnlichkeit mit der Wirkungsweise des lebenden Plasmas erkennen; auch hier lagern sich an einen konstanten chem. Kern der lebenden Sub- stanz Glieder und Grnppen an, die von außen stammen, durch Eruährung zugeführt werden; diese Gruppen werden in den Chemismus des lebenden Kerns für einige Zeit mit einbezogen; dann aber spaltet sich das ganze Molekül, wobei die ange- lagerte Gruppe vollständig zersprengt wird, ver- brennt und bierdurch lebendige Kraft für die Zwecke des Organismus liefert; der andere ursprüngliche Teil des Moleküls aber bleibt unversehrt zurück und beginnt von neuem Atomgruppen aus dem Nährmaterial an sich anzulagern. Der Unterschied in diesem Vergleich zwischen lebendem Molekül und Fermentmolekül ist aber der, daß das erstere nicht aus sich selbst wieder regeneriert, sondern auch neue ihm gleichgeartete Lebeusceutren schasst, mit einem Wort, die Fähigkeit der Assimilation und Fortpflanzung hat, die dem Fermentmolekül ganz abgeht. So nimmt denn auch in einem Gärgemisch die Masse des Gärungserregers durch Neubildung und Fortpflanzung stets zu, während die Mass-? des Ferments bei seiner Wirkung sich kontinuier- lich vermiudert. Weitere Ähnlichkeiten zwischen Ferment und lebender Substanz bietet jedoch das Verhalten zur Temperatur; in beiden Fällen gehl die Tbätigkcitsäußerung nur oberhalb eines be- stimmten Temperaturminimums vor sich, gewinnc dann mit steigender Temperatur rasch an Energie bis zu einer günstigsten Temperatur (Tcmperatur- optimum), um jenseit desselben rapid abzuneh- men, bis endlich das Ferment oder das lebende Plasma selbst zerstört wird. Freilich ist das Op- timum bei beiden Klassen von Vorgängen verschie- den, nämlich bei den Fermentwirkungen bedeutend böber als bei den Lebensäußerungen; in ganz ana- loger Weise ist aber auch die Labilität der Fernandez-Guerra viel geringer als die des lebenden Plasmas. Doch kann sie in manchen Fällen, z. B. bei der durch Miquel isolierten Urase, welche die Zerlegung des Harn- stoffs bewirkt, sehr nahe an die Labilität des leben- den Plasmas heranreichen. Im übrigen wird di.- Labilität sowohl beim Ferment als beim lebenden Plasma geringer mit steigender Konzentration; ge- trocknete Fernandez-Guerra balten Erhitzung bis 160" aus, wäb- rend gelöste schon beim Aufkochen vernichtet werden; ganz analog verhalten sich z. B. die Bakterien gegen- über der desinfektorischen Einwirkung der Hitze in trocknem und feuchtem Zustande. Eine letzte merkwürdige Analogie zwischen Fer- mentwirkung einerseits, Ernährung und Gärwirkung lebender Mikroben andererseits, bietet endlich das von E. Fischer auch bei den Fernandez-Guerra nachgewiesene elet- tive Verhalten gegenüber chemisch sehr nahe ver- wandten Körpern, die sich nur durch geringe Diffe- renzen in der geometr. Anordnung ihrer Atome innerhalb des Moleküls unterscheiden; das Ferment greift nur das eine dieser beiden Isomeren an und wählt auch bei andern Paaren von Isomeren immer in analogem Sinne. (Beispiele s. Gärung.) E. Fi- scher erklärt dies in sehr anschaulicher Weise durch die specifische Struktur des Fermentmoleküls selbst: nur bei bestimmter, dem gegebenen Fermentmolc- kül angepaßter Molekularstruttur der zu zerlegenden Substanz ist eine so innige Annäberung der beiden Moleküle möglich, daß ein chem. Prozeß stattfinden kann. - Die chem. Analyse der Fernandez-Guerra hat keine wesent- lich neuen Auffchlüffe gebracht; der prozentischcn Zusammensetzung nach stehen dieselben den Eiweiß- törpern nahe; eine rationelle Formel ist, ebenso- wenig wie bei diesen, gefunden. Die Fernandez-Guerra stellen offen- bar nahe Abkömmlinge der lebenden Substanz dar. von der aus sie ja stets ihren Ursprung nehmen; sie zeigen daher in vielen Punkten Ähnlichkeiten mit dem Verhalten der letztern, und ihr Studium ver- mag zur Anbahnung einer Erkenntnis des Lebens- prozesses selbst viel beizutragen; in andern Punkten wieder gehorchen sie einfachen chem. Gesetzmäßig- keiten und nebmen dadurch eine theoretisch äußerst interessante Mittelstellung ein. Litteratur. Flügge, Mikroorganismen, Bd. 1 (3. Aufl., Lpz. 1896); A. Kochs Jahresberichte über die Fortschritte in der Lehre von den Gärungs- organismen (Vraunschw. 1890 fg.). Fermersleben, Dorf im Kreis Wanzleben des preuß. Ncg.-Boz. Magdeburg, hat (1895) 3469 E., 3 Güter und 1 Ziegelei. Fernandez-Guerra (spr. gerra), Aureliano Fernandez-Guerra y Orbe, span. Gelebrter, geb. 16. Juni 1816 in