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144 Sparkassen mit 448,5 Mill. Fl. Einlagen. Die größte ist die Erste Böhmische Sparkasse in Prag [* 2] mit (1893) 106,5 Mill. Fl. Einlagen. Die Zahl der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in Böhmen [* 3] be- trug (1893) 063 mit 205288 Mitgliedern und einer Mn?f von 184,18 Mill. Fl. Verkehrswesen. Böhmen hatte Ende 1893 ein Straßen- netz von 26656,9 km, wovon 4292,5 vom Staate unterhalten wurden. Eisenbahnen bestanden (1893) 4760,46 km, flößbare Wasserstraßen 806 km, schiff- bare 354,9 km. Der Wasserverkehr V.s nimmt stark zu; auf der österr.
Elbstrecke Aussig-Deutsche Grenze stieg er in den 1.1891-95 von etwa 2158000 auf 2 350000 t pro Kilometer. Wenn zwischen der cis- lcithanischen Gesamt-und der böhnl. Landesregierung eine Einigung über die Tragung der auf 12,9 Mill.F!. veranschlagten Kosten der Kanalisierung der Moldau zwischen Prag und Aussig erfolgt (im Febr. 1896 sind vom böhm. Landtage 4316000 Fl. aks Veitrag an- geboten worden), so soll mit dieser Kanalisierung schon 1897 begonnen werden. Gleichzeitig wird dav Projekt der Kanalisierung der Moldau von Prag bis hinauf nach Budweis und des Baues eines Ka- nals von Vudweis bis zur Donau eifrig betrieben. An größern Fahrzeugen besahen Ende 1895 böhm. Privatreeder 96 Stück mit 27121t Ladefähigkeit, die in Wien [* 4] domizilierende, aber ausschließlich im Elbegebiet Schiffahrt betreibende Dampsschleppschiff- fahrts-Gesellschaft «Nordwest» 168 Schleppkähne mit 54481 t Ladefähigkeit.
Die Elbe wurde 1893 auf der Thalfahrt von 11102 Fahrzeugen (2429 Dampfer) und 2660 Flößen mit 18,96 Mill. Doppel- [* 5] centnern, auf der Bergfahrt von 10975 Fahrzeugen (2435 Dampfer) mit 2,69 Mill. Doppelcentnern dei dem österr. Grenzzollamt Schandau befahren. Die Länge der Telegraphenlinien betrug (1893) 6726,oi km, der Drähte 18044,7 km, die Zahl der Postämter 1247, der Telegraphenstationen 574. Verfassung und Verwaltung. In das Abgeord- netenhaus der Monarchie entsendet Böhmen auf Grund des neuen Wahlgesetzes (1896) 110 Mitglieder und zwar 23 Vertreter des Großgrundbesitzes, 32 der Städte, 7 der Handelskammern in Prag, Eger, [* 6] Reichenberg, [* 7] Pilsen [* 8] und Budweis, 30 der Land- gemeinden und 18 der allgemeinen Wühlerklasse (durch allgemeines Stimmrecht).
Das Königreich zerfällt in 2 Städte mit eigenem Statut und 92 Be- zirkshauptmannschaften. Städte und Bezirkshaupt-mannsch asten Häuser Wohn-parteien Einwohner pro Städte Prag 13,79 4274 36023 182530 13236 Neichenbcrg . . 6,16 1787 7103 30890 5015 Vezirkshaupt" Mannschaften Asch 141,83 3486 7624 34264 242 Aussig 355,83 8233 18674 78517 221 Beneschau . . . 888,94 8927 14610 69712 78 Bischofteinitz . . 637,84 6423 10355 44900 70 Blatna 680,40 7668 10328 50091 74 Vöhmisch-Brov . 689,43 9013 14270 66813 97 Böhmisch-Leipa. 640,63 11547 17922 71996 112 Braunau 407,79 7793 13006 53696 132 Vrür 312,35 5000 11925 53725 172 Vudweis 1015,27 10731 20122 92894 92 Caslan 598,73 7672 13005 63654 106 Chotebor 539,10 6317 9217 45893 85 Chrudim 706,30 11461 19243 87191 123 Dauba 430,44 5246 7108 28215 66 Dcutsch-Vrod . . 902,06 9482 15478 75372 84 Dux 394,13 6696 13968 60695 154 Eger 455,32 6031 11911 56790 125 Städte und Bezirlshaupt-mannschaften Häuser Wohn-parteien Einwohner pro Falkeuau 506,49 9234 15468 71789 142 Friedland . 401,09 7529 10916 45761 114 Gabel . . . 261,09 5853 8303 33221 127 Gablonz . . 210,26 8968 16085 71195 339 Graslitz . . 336,14 5914 10219 48483 144 Hohenelbe . 359,64 5564 9083 42803 119 Hohenmauth 553,22 9953 14100 62721 113 Horovic . . 574,99 7745 13015 60560 105 Iicin . . . 818,60 14512 23435 102486 125 Ioachimsthal 277,02 3160 5205 26996 97 Iung-Bunzlau . 567,93 8155 13754 64972 114 Kaaden 617,05 8923 14802 66955 109 Kaplitz 905,78 8547 12094 53746 59 Karlsbad 448,12 7014 14831 66672 149 Karolinenthal. . 518,54 8198 20710 96524 186 Kladno 289,20 5722 12891 59444 205 Klattau 823,90 9647 14427 70255 85 Kolin 489,31 8421 14621 68491 140 Komotau 504,03 6537 12776 55774 111 Königgrätz [* 9] . . . 701,91 11898 21226 94671 135 Köniqinhof . . . 550,85 7819 14086 63808 116 Kgl.
Weinberge . 364,36 6266 34475 135363 372 Kralowitz. . . . 472,21 5191 7623 35053 74 Krumau 1056,81 7427 12493 58308 55 Kuttenberg. . . 375,86 8028 14060 64037 170 Lands krön . . . 657,86 9313 14330 62845 96 Laun 358,10 5012 7896 35389 99 Ledetsch 656,31 7133 10132 50267 77 Lcitmeritz . . . 623,12 12428 18346 81972 131 Leitomischl . . . 491,8? 7716 12351 51615 105 üuditz 498,25 5006 6475 29536 59 Melnil 413,42 6179 7718 40664 93 Mies 869,02 8146 13765 64691 74 Moldautein . . 254,64 2692 3826 17533 69 Mühlhausen . . 608,85 5720 7975 38787 64 Münchengrätz. . 438,84 5406 8288 36234 83 Neubydzow . . . 491,15 7823 12223 54728 111 Neuhaus. 711,27 7237 11611 53392 75 Neustadt [* 10] . 670,13 13586 19 991. 95107 142 Pardubitz 785,82 10555 19830 86745 110 Pilgram . 1185,71 12016 17283 88763 75 Pilsen . . 649,18 8786 21744 102706 158 Pisek . . 973,99 9939 16542 75707 78 Plan . . 494,04 5290 7908 35697 72 Podöbrad 694,27 10203 16902 74809 108 Podersam 579,19 6380 9724 41737 72 Polikka . 320,42 4999 7142 33063 103 Prachatitz 1094,91 9850 15691 73289 67 Preslih . 517,64 6391 9178 42351 82 Pnbram. 693,68 7804 14026 68895 99 Rakonitz . 646,44 6388 10295 47084 73 Raudnitz . 459,34 7139 10305 45212 98 Reich enau 412,87 7540 11663 50259 122 Neichenbcrg 314,10 6496 18434 74297 237 Nokitzan . 728,37 7890 13965 63039 86 Rum bürg 164,19 6983 16032 63133 384 Saaz . . 403,34 5017 9833 43655 108 Schlan. . 766,28 11487 20845 93507 122 Schlnckenau . . 190,84 6708 13282 49669 260 Schüttenhofen . 864,89 6686 11359 59246 69 Selcan. 744,74 8236 12397 59465 80 Semil 313M 7989 14049 57120 182 Senftenbcrg . . 600,10 10412 14580 64024 107 Smichow 500,33 7892 23168 109039 217 Starkenbach . . 338,14 7145 10458 50402 149 Strakonitz . . . 863,25 10344 13910 74370 86 973,24 10405 15936 78930 81 61501 6365 9243 41277 67 Taus 492,^17 6549 10497 46461 94 Tepl. . . 574,57 5115 7824 36410 63 Teplitz 197,26 5241 15823 62877 319 Tetschen . 602^90 13791 22701 97818 162 Trautenau 516,23 9404 16151 76984 149 Turnau . 330,75 7185 13136 47698 144 Wittwgau 800,81 6015 10125 46665 58 Geistige Kultur. hat (1895 19 deutsche, 23 böhm. Obergymnasien, 2 deutsche, 2 böhm. ! Untergymnasien, 4 deutsche, 7 böhm. Realgym- ^ nasion, 9 deutsche, 12 böhm. Ober-, 1 deutsche Unter- i realschule und 7 deutsche, 8 böhm. Lehrer-, 3 deutsche, ! 3 böhm. Lehrerinnenbildungsanstalten. 1893 gab ! es 5078 (2227 deutsche, 2851 böhm.) Volksschulen, , darunter 271 Bürgerschulen mit 21502 Lehrern und ¶
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Lehrerinnen. Die Zahl der scbulbesuchenden Kinder betrug (1893) 1000 704 (d. i. 98,4 Proz. der schul- pflichtigen Kinder) gegen 1875: 787 419 Kinder liche Landeslehranstalten in Tetschen-Liebwert» identsck) und Tabor (czechisch), 10 Haudels-, 44 kauf- männische Fortbildungsschulen, 5 Staatsgewerbe- schulen, 45 gewerbliche Fachschulen, 5 Haudwerker- scbulen, 233 gewerbliche Fortdildnngssckulcn, 133 Gesang- und Musik-, 43 land- und forstwirtschaft- liche, 45 weibliche Arbeitsschulen und 56 sonstige Lebr- und Erziehungsanstalten.
Geschichte. In Böhmen dauerte der Streit zwischen den beiden Nationalitäten fort. Die Abneigung der Czc- chen, besonders der Iungczechen, gegen alle Wünsche der Deutschen rnachte sich in schroffster Weise auf dem Landtage des 1.1893 geltend. Als der Oberstland- marjchaü 17. Mai die Vorlage betreffend die Er- richtung eines für die deutschen Bezirke des östlichen V.s bestimmten Kreisgerichts in Trautcnau gegen den Willen der jungczech. Abgeordneten auf die Tagesordnung setzte, erregten diese einen solchen Tumult, dasi die Sitzung und dann auch der Land- tag geschloffen wurde.
Zugleich wurden im ganzen Lande systematische Agitationen ins Werk gesetzt und in Prag am Vorabende des Geburtstags des Kaisers (17. Aug.) Demonstrationen veranstaltet, die sich auch gegen die Person des Monarchen rich- teten. Diese wiederholten sich 12. Sept. bei der Feier des kaiserl. Reskriptes vom worauf 13. Sept. die Art. 12 und 13 des Staats- grnndgesetzes betreffend das Vereinsreckt und die Freiheit der Presse [* 12] für Prag und deffen Umgebung suspendiert und die Wirksamkeit der Geschworenen- gerichte bezüglich der Preßvergehm und der polit. und einiger andern Verbrechen im Sprengel des Prager Landesgerichts für ein Jahr außer Kraft [* 13] ge- setzt und 17 Vereine in Prag unterdrückt wurden. Bei den czech. Demonstrationen waren besonders die Mitglieder eines von jungen Leuten gegründeten Geheimbundes Omladina (s! d., Bd. 12) thätig ge- wesen.
Eins ihrer Häupter, Mrva, der in den Ver- dacht gekommen war, ^ent provocatsui- zu sein, wurde 24. Dez. von zwei Genossen ermordet, woranf zn Anfang des folgenden Jahres 78 Omladinisten, teilweife wegen Hochverrats, Majestätsbclcidigung, Ruhestörung und Gründung eines Geheimbundcs, angeklagt und größtenteils verurteilt wurden. Dies hinderte nicht, daß die radikale Richtung auch außer- halb Prags sich immer mehr ausbreitete und bei einzelnen Nachwahlen Erfolge errang.
Das Umsichgreifen der radikalen Strömung, das auch die Iungczechen immer weiter nach links drängte, und deren heftige Angriffe auf den Stattbalter Gra- fen Thun hatten die Folge, daß die feudalen Groft- grundbesiner sich auf den Landtagen der I. 1894 und 1895 einigermaßen den Deutschen näbcrten, frei- lich nicht so weit, daß diese einen wesentlichen Erfolg errungen hätten. Die Feudalen wollten eben keiner der nationalen Parteien zum ^)iege verhelfen, um -immer zwischen beiden den Ausschlag geben zu kön- nen.
Daber wiesen sie auch bei den im Nov. 1895 stattfindenden Wahlen für den böhm. Landtag jedco Kompromiß mit den deutsch-liberalen Groftgnuld- bcsitzern zurück, so daß diese ohne Vertretung blieben. Andererseits stellten die Deutsch-Nationalen al «Deutsche [* 14] Volkspartci» zum erstenmal in einer großen Anzahl von städtischen und ländlichen Wahl- bezirken gegen die Deutsch-Liberalen selbständige Kandidaten auf, von denen allerdings nur 10 durch- drangen, die sich als selbständige Partei konstituier- ten.
Während so die bisherige Einheit der Dcut- scken zerrissen wurde, siegten die Iungczechen fast in allen Wahlbezirken und wurden nur vereinzelte An- hänger der Altczcchen und der czech. Bauernpartei gewühlt. Die Iungczechen traten denn auch auf dem Landtage, der 28. Dez. zusammentrat, noch selbstbewußter als früher auf. Während einige Reden ibrer Vertreter im Neichsrate der Hoffnung auf Herstellung des nationalen Friedens in Böhmen Raum zu geben schienen, fanden die Wünsche, die der Oberstlandmarschallstellvertrcter Lippert bei der Eröffnnng des Landtages in dieser Beziehung aus- sprach, kein Entgegenkommen.
Die Iungczechen er- klärten sich entschieden gegen den Antrag der deut- schen Abgeordneten, daß für die Vornahme der Wablen in den Landcsausfchuß, die Direktionen der Hypotheken- und Landesbank und den Verwal- tungsausschuß des Museums der Landtag in die drei Knrien des großen Grundbesitzes, der böhm. und der deutschen Wahlbezirke geteilt und von jeder dieser Kimen eine gleiche Anzahl von Personen ge- wählt werden sollte, was das einzige Mittel wäre, den Deutschen, die in keiner der bisherigen Kurieu die Majorität haben, eine Vertretung in diesen Aus- schüssen zu sichern.
Dagegen beantragten die Iung- czechen den Erlaß einer Adresse an den Kaiser, worin mit Ignorierung der Änderungen, die schon die «Vernewerte Landesordnung» von 1627 in der böhm. Verfassung eingeführt hatte, die Aufhebung der böhm. Hofkanzlei im I. 1749 und die Verfassung von 1807 und 1873 für eine schwere Verletzung der Rechte der Länder der böhm. Krone erklärt, die legis- lative und administrative Selbständigkeit für sie in Ansprnch genommen und gesagt wurde: «einzig und allein die Landtage der drei Länder der böhm. Krone könnten im Einverständnisse mit dem Kaiser rechts- gültig die Bewilligung dazu geben, was aus ihrer Gesetzgebung und Verwaltung zur gemeinsamen Beratung und Durchführung mit den übrigen Erb- ländern abgetreten werdensolle».
Die Vertreter des Großgrundbesitzes sprachen sich zwar im Adreßaus- schusse, dem die Deutschen fern blieben, gegen die Erlasfung einer Adresse aus, ehe man sich über die staatsrechtlichen Principien geeinigt hätte; aber Prinz Friedrich Schwarzenberg, ihr Wortführer, stellte eine Reihe von Grundsätzen auf, die von denen, welche die Iungczechen vertraten, sich nicht wesentlich unterschieden. Auch er bezeichnete als anzustrebendes Ziel die Wiederherstellung des sog. Böhmischen Staatsrechts (s. d.) und sprach es aus, daß dies die Beseitigung aller gesetzgeberischen Akte erheische, die mit der selbständigen Indivi- dualität des Königreichs Böhmen sich als unvereinbar darstellten.
Da aber der Kaiser durch die Sanktion der neuern Verfassungsgesetze, besonders jener von 1861 und 1807, Verpflichtungen übernommen habe, die nicht einfach beseitigt werden könnten, so solle der Versuck gemacht werden, jene unter Mitwlrkung sämtlicher beteiligterFaktoren mit demböhm. Staats- rechte in Einklang zu bringen. Endlich wurde noch der Wunsch nach der Königskrönung ausgesprochen. Diesen Grundsätzen, die von einem Subkomitee ge- nauer formuliert werden sollten, traten auch die Iung- czechcn bei. Zu weitern Verhandlungen darüber ist es zwar wegen der erfolgten Schlie- ßung des Landtags nicht mehr gekommen. Aber es war von den Feudalen wie von den Czechen der ¶