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gewerbliche Fortbildungsschulen, wovon 208 selb- ständig und 49 mit Realschulen verbunden waren, an 169 Schulen ist der Besuch auf Grund Orts- statuts ein obligatorischer, die Zahl der Lehrkräfte beträgt 1647, der Schüler 32 286; ferner 447 land- wirtschaftliche Fortbildungsschulen mit 700 Lehrern und 8280 Schülern, hiervon treffen 13 Schulen mit 112 Lehrern und 526 Schülern auf die Winter- schulen, 5 Anstalten mit 24 Lehrern und 252 Schü- lern auf die Waldbauschulcn.
Kirchenwesen. In der Finanzperiode 1896/97 betrug der jährliche Zuschuß des Staates 4235225 M. sür den kath., 2302651 M. für den prot. und 14000 M. für den israel. Kultus und außerdem 954533 M. für sonstige Zwecke des Kultus (Kirchen- bau u. s. w.). Für Ku'ltuszwecke bestehen 9811 Stif- tungen mit einem Vermögen von 168961661 M., davon 8550 Stiftungen mit 148780843 M. für den kath. und 1193 Stiftungen mit 19603107 M. für den prot. Kultus, außerdem sonstige Kultusstif- tungen 68 mit einem Gefamtvermögen von 577 711 M. An geistlichen Orden [* 2] bestehen 38 Männerklo'stcr mit 50 Filialen und 1463 Ordensmitglicdern.
Die (weiblichen) Frauenorden haben 61 Klöster mit 816 Filialen und 8735 Ordcnsmitgliedern. Von den Ordensniederlassungen befassen sich 6 männliche und 321 weibliche mit Krankenpflege, 10 männliche und 472 weibliche mit Erziehung und Unterricht. Vereinswesen. Der landwirtschaftliche Haupt- verein hatte 1895: 227 landwirtschaftliche Bezirks- komitees mit 64377 Mitgliedern (dieVezirkskomitees eines Regierungsbezirks bilden je einen Landwirt- schaftlichen Kreisvercin);
ferner giebt es 3134 land- wirtschaftliche Specialvereine mit 232 844 Mitglie- dern, nämlich 27 Pferde-, 418 Rindvieh-, 84 Ge- flügel-, 305 Bienenzucht-, 31 Molkerei-, 85 Fi- scherei-, 14 Hopfenbau-, 4 Weinbau-, 362 Obst- und Gartenbauvereine, 402 Dreschmaschinenge- nossenschaften, 430 Viehversicherungsvcrcine, 705 Hredit-, Darlehns-, Spar- und Vorschußvereine, 183 Konsumvereine, 26 landwirtschaftliche Lehr- und Kreditvereine und 58 sonstige landwirtschaftliche Specialvereine.
Das gesamte Vermögen der land- wirtschaftlichen Specialvereine beträgt 4790163 M. An gewerblichen Vereinen bestanden 1895: 226 In- nungen und zwar 190 neuerrichtete, 17 reorgani- sierte und 19 nicht reorganisierte mit zufammen 11073 Mitgliedern und 3 gemeinsamen Innungs- ausschüssen;
ferner 84 Gewerbevercine, 10 Gewerbe- genossenschaften, 45 Meisterfachvereine und 19 Handwerkerv creme. Litteratur. Götz, Geogr. - histor. Handbuch von V. (Bd. 1, Münch/1895); Köstler, Handbuch der Ge- biets- und Ortskunde des Königreichs Bayern [* 3] (ebd. 1895); Veck, B.s Großindustrie und Großhandel, Tl. 1 (Nürnb. 1895). Geschichte. Am trat der Landtag wieder zusammen. Im Finanzausschuß der Kammer wurde 14. Okt. eine Vorlage im Betrage von 40 Mill. M. zur Herstellung von Doppelgleisen und Beschaf- fung von Fahrmaterial genehmigt. Am31. Okt. einig- ten sich die Parteien über einen Antrag bezüglich des Militärstrafverfahrens; die bayr. Bevollmächtigten zum Bundesrate sollten angewiesen werden, bei Be- ratung einer deutschen Militärstrafprozeßordnung nur einem Entwürfe zuzustimmen, in welchem ins- besondere die Selbständigkeit der Gerichte sowie die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens wirk- sam gewahrt seien. Am 4. Nov. gab der Kriegs- minister von Safferling entsprechende, wenn auch nicht umfassende Zusagen. Am 27. Nov. genehmigte die Abgeordnetenkammer die Novelle zum Hcimats- und Verchelichungsgesetz. In derReichsratskammcr trat Prinz Ludwig 18. Dez. für Kanalisierung des Mains bis Vamberg ein. Die Altkatholikenfrage wurde dahin entschieden, daß das bayr. . Kultusministerium den Altkatholiken definitiv die An- ! erkennung als öffentliche Korporation versagte und ! ihnen den Gebrauch der äußern Insignien des kath. Kultus verbot. Am genehmigte die ! Reichsratskammer die Novelle zum Heimats- und ^ Verehelichungsgesetz, einen Entwurf über Bestrafung des Geschäftsbetriebes der in Bayern nicht zugelassenen Versicherungsgesellschaften und den Beschluß der ! Zweiten Kammer über die bei Einführung einer ^ deutschen Militärstrafprozeßordnung zu berücksich- tigenden Punkte. Die Regierung lieh ihre Überein- stimmung mit diesen Wünschen ausdrücken. Am , 20. Febr. genehmigte die Abgeordnetenkammer den Gesetzentwurf wegen 4 Proz. Zinsgarantie für die ! von den Pfälzer Bahnen zu Erweiterungen zu ver- ! ausgabenden 7 889000 M. und setzte 24. Febr. im ! Zollctat den Anteil V.s an den Reichszöllen auf ! 22100000 M. fest. Am 9. März wurde das Gesetz ^ wegen Entschädigung für an Milzbrand gefallene Tiere genehmigt, desgleichen 30. März die von der Regierung geforderten 20770000 M. für Erweite- rungs- und Neubauten auf den Staatsbahnen. [* 4] Am 29. April genehmigte die Zweite Kammer die Auf- ! besferung der Staatsbeamtengehälter in der höhe ! von 2487000 M. Jahreszulagen, bewilligte also ! der Regierung 187000 M. jährlich mehr, ass sie gc- , fordert hatte.
Ebenso erhöhte die Kammer die vorge- ! schlagene Aufbesserung der Lehrergehalte 2. Mai auf ! 891000 M. Am 17. Ätai bewilligte sie 1100000 M. als erste Rate für den Neubau eines National- ^ museums, dann 18. Mai das Gesetz über Ausführung - des Krankenvcrficherungsgesetzes und 23. Mai wurde ^ der Finanzetat in Einnahme und Ausgabe auf ! 306292271 M. festgesetzt, worauf 28. Mai beide Kammern verabschiedet wurden. Bei der 19. Okt. im Kreise [* 5] Kehlheim vorgenom- menen Rcichstagscrsatzwahl zeigte sich die erste Spal- tung der bayr. Ultramonwnen, indem der Cen- trumskandidat Rauchenecker nur mit sehr geringer Mehrheit (4218 Stimmen gegen 4094) über Dr. Sigl, den Redacteur des ultramontanen «Bayr. Vater- land», siegte.
Die von der Reichsregierung in Aussicht genom- menen Handelsverträge entfesselten in ganz Deutsch- land eine mächtige Bewegung der Landwirte. Schon hatte das «Landwirtschaftliche Kränz- chen von Unterfranken und Aschaffenburg» [* 6] Stellung genommen gegen einen Handelsvertrag mit Nuß- land; 16. Febr. tagte in Markt-Heidenfeld in Nnter- franken eine sehr große Bauernversammlung, welche die Gründung eines Fränkischen Vauernbundes be- ! schloß; 10. April sprach sich eine Versammlung der Landwirte Nicderbayerns in Straubing [* 7] für Bildung eines niederbayr. Vauernbundes aus,der sich an keine der bestehenden polit. Parteien anzuschließen habe. ! Die Vauernbewegung floß in V. mit der Agita- ! tion für die Ncichstagswahl (15. Juni) zusammen ! und erwies einen immer entschiedenem Charakter der ! Opposition gegen die Centrumspartei; es wurden in ! liberale, 3 Socialdemokraten, 4 Vauernbündler und ! je 1 Freisinniger, Konservativer und Demokrat. Am ¶
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Die ^ Schlußwahlen 12. Juli brachten folgendes Resultat: ! 3 Konservative, 73 Mtramontane, 9 Vaucrnbündler, 68 Liberale, 1 Demokraten und 5 Socialdemokraten. Die Liberalen verloren im ganzen sieben Mandate, darnnter die vier Nürnberger an die Socialdemo- kraten und drei weitere an die Baucrnbündlcr. Das Centrum büßte fünf seiner bisherigen Mandate ein, davon eins an die Socialdemokratie und vier weitere an den Vauernbund. Die Socialdemokraten kamen mit dieser Wahl zum erstenmal in den bayr. Landtag, der eröffnet wurde.
Das 3. Okt. vorgelegte Budget balancierte in Einnahmen und Ausgaben mit 323276922 M. Der Anteil B.s an den Rcichscinnahmen betrug 39912 750 M., der an den Rcichsausgaben 46711280 M. Die zweijäh- rige Vnan^eriode von 1890 bis 1891 ergab einen Überschuß von 59921855 M., wovon 12110360 M. auf Grund von Beschlüssen des letzten Landtags verausgabt wurden. Von dem Neste wurden 21164700 M. zur Annullierung von Eisenbahn- anlcihen und 14101165 M. zu Staatsbauten an- gewiesen.
Aus dem Überschuß 1890-91 rührten 22^2 Mill. von Mehreinnahmen des Ncicbs, 22^,, Mill. aus den Staatsbetrieben und nur 14^ Mill. aus dem Malzaufschlag, den Stempelgebührcn und den Staatssteuern her. Ein Antrag der Socialdcmo- traten auf Abänderung des Wahlgesetzes, worin na- mentlich auf Neueinteilung der Wahlkreise (1 Ab- geordneter auf 35000 E.), Feststellung derWahl-und Wählbarkeitsberechtigung, Verlegung der Wahl auf einen Sonntag oder Landesfeiertag, Unmittclbar- keit und Geheimhaltung der Wahl gedrungen wurde, wurde nebst cincmZusatzantrag derLiberalcn 12. Okt. von der Kammer abgelehnt.
Äm 24. Okt. genehmigte die Kammer eine Regierungsvorlage betreffend die aegen die Futtcrnot zu ergreifenden Maßregeln. Ein Antrag Ratzingers, betreffend die bedrohlich wach- sende Verschuldung des Bauernstandes (7. Nov.), wurde vom Minister Feilitzsch zurückgewiesen, da- gegen ein Gesetzentwurf betreffend den Nachlaß der diesjährigen Grundsteuer im Notstandsgebiete ange- nommen. Die Kammer der Abgeordneten lehnte 22. Nov. den Antrag der Liberalen, die Steuerfrei- heit der ^tandesherren aufzuheben, mit 76 gegen 67 Stimmen ab, nahm dagegen den Antrag des Cen- trums nach lebhafter Debatte an, wonach eine En- quete vorgenommen werden folle über den fiskalischen Umfang dieser Steuerfreiheit, um den Betrag festzu- stellen, der für die event. Ablösung erforderlich wäre. Zu Anfang 1894 erregte die Frage der Auf- hebung der Staffeltarife auf den preuß. Eisenbah- nen, an welche V. offiziell im Bundesrate die Zu- stimmung zu dem deutsch-russ. Handelsverträge ge- knüpft habe, eine lebhafte Diskussion in der Presse. [* 9] Nach einer wcitern Diskussion über die Tarife im preuß. Herren- und Abgeordnetenhaus erfolgte 17. März die Aufhebung der Staffeltarife zum Am beriet die Abgeordnetenkammer über den russ. Handelsvertrag und nahm mit knapper Mehrheit den von der Majorität der Centrumsfrak- tion eingebrachten Antrag an, an den Prinz-Regen- ten die Bitte zu richten, die Bevollmächtigten B.s zum Bundesrat anzuweisen, mit aller Energie dahin zu wirken, daß 1) bei etwaigem Abschluß eines Zoll- und Handelsvertrags mit Rußland die bis 1893 bestandenen GetreideschrchMlc aufrecht erhalten blei- ben' 2) der Identitätsnachweis, welcher für die land- wirtschaftlichen Verhältnisse Süddcutschlands von außerordentlicher Wichtigkeit sei, nicht aufgegeben werde.
Desgleichen kam es 22. Jan. zu einer großen Debatte über die Reichssteuerreform inl Finanzaus- schuß. Finanzminister von Riedel sprach für die Annahme der Tabaksteuer, da alsdann der Abschluß des bayr. Budgets, das durch die Mehrforderungen der Militärvorlage alteriert werde, keine Schwierig- keiten mehr biete. Am 14. April beendete die Kammer die Beratung des Kultusetats und bewilligte die For- derungen der Regierung einschließlich der für Kunst .und Wissenschaft mit geringfügigen Änderungen. Am 9. Mai genehmigte sie eine Vorlage wegen Auf- besserung der Gebälter der prot. und kath. Geistlichen. Am 22. Mai beschloß die Kammer ein Gesuch um Einführung einer allgemeinen, direkten, progressiven Einkommensteuer in Verbindung mit einer Ver- mögenssteuer oder eine Reform der bestehenden direkten Steuern. Am 31. Mai genehmigtesiedenMi- litäretat für 1894-95, einschließlich der Forderung für einen Truppenübungsplatz des 2. Armeekorps, 10. Mai einen Antrag auf Änderung des Heimats- gesetzes, und 16. Mai bewilligte sie 4 Mill. M. für die Mainkorrektion von Aschafsenburg bis Kitzingen [* 10] und 2 777000 M. für die Einrichtung der Ketten- schleppsckiffahrt auf dieser Strecke.
Dagegen lehnte sie 17. Mai die Forderung der Regiernng auf 300000 M. für die Ausarbeitung eines Projettes zur Herstellung einer für die Großschisfahrt geeigne- ten Main-Donau-Wasscrstraße ab. Am 4. Juni er- folgte der Schluß des Landtags. In der Kammer der Reichsräte besprach 14. März Prinz Ludwig die bisherigen Leistungen für die bayr. Wasserstraßen. Dem von der Zweiten Kammer ge- nehmigten Antrag Dallers gegen das Duellwesen trat die Reichsratskammer nicht bei (15. März), und umgekehrt lehnte die Abgeordnetenkammer 13. Febr. den Beitritt zu dem Beschlusse der Reichsratskammer ab, die Regierung um einen baldigen Gesetzentwurf zu bitten, laut dessen die Bestimmungen des Neichs- gesetzes vom betreffend die unter Aus- schluß der Öffentlichkeit stattfindenden Gerichtsver- handlnngen auch auf die Militärstrafgcrichtsordnung vom 29. April entfprechende Anwendung finden sollen. Am 16. Mai trat die Kammer der Reichsräte dem von der Abgeordnetenkammer 15. März gefaß- ten Befcklusse auf Revision der Statuten sämtlicher 26 in V. zugelassenen Vrandversicherungsgesell- schaftcn bei. Die Bauernbcwegung nahm ihren Fort- gang und dehnte sich über Oberbayern aus. Der Charakter einer Opposition gegen die bayr. Cen- trumsmitgliedcr blieb auch hier der Grundzug. Am 14. Juli wurden 20 Ortschaften der Amts- bezirke Ebersberg und Erding durch einen Cyklon teilweife zerstört. Großes Aufsehen weit über V. hin- aus erregte die Vauernrevolte vom in Fuchsmühl (s. d.). Die in Nürnberg [* 11] tagende Wander- oerfammlung bayr. Landwirte sprach sich für Förde- rung landwirtschaftlicher Genossenschaften und Er- richtung kleiner Lagerhäuser mit Staatshilfe aus. Mitte September vereinigten sich die kath. Bauern- vereine B.s zu einem Landesverband und bekannten sich zu folgenden Grundsätzen: Abänderung des Strafgesetzes, Gründung einer landwirtschaftlichen Kreditbank, Herabsetzung des Hypothekenzinsfußes, Gewähr von Hypothekenkredit aus den Versiche- rungsanstalten (Alters- und Invalidenversicherung) zu 3^/2 Proz., Herabsetzung des Zinsfußes für ¶