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sachlicher Agitation gegen einen fremden Staat durch Fremde liegt keine Verletzung einer Rechts-, wohl aber einer internationalen Anstandspsticht. Der andere Staat ist dann zu Retorsionen berechtigt. Das dentsche Socialistengesetz hat die Folge ge- habt, daß viele deutsche Socialdemokraten in der Schweiz [* 2] ihren Aufenthalt nahmen, um von da aus den Ausnahmezustand zu bekämpfen. Schlechthin war die Schweiz zur Verhinderung die- ser Agitation nicht verpflichtet.
Insbesondere er- giebt sich in dieser Richtung keine besondere Rechts- pflicht aus der neutralisierten Stellung der Schweiz. Diese legt der Schweiz im Gebiete der polit. Fremden- Polizei keine höhcrn Rechtspstichten auf, wohl aber ein größeres Maß polit. Vorsicht in Ausübung des Asylrechts. Die Schweiz wies, wie Nihilisten und fremde Anarchisten, eine Reihe deutscher Social- demokraten und Anarchisten aus. Am bekanntesten ist die der vierSocialdemokratenVernstein,Motteler, Schlütter und Taucher im 1.1888. Der in Zürich er- [* 3] scheinende «Socialdemokrat» und eine Reihe von auf- reizenden Flugschriften, insbesondere der «Rote Teu- fel», warcnnach Anschauuug des schweiz. Vuudesrats geeignet, die guten Beziehungen zu Deutschland [* 4] zu stören.
Bernstein [* 5] war Chefredacteur des «Social- demokrat», Schlütter Chef der Expedition und Her- ausgeber des «Roten Teufels», Motteler Spediteur der Publikationen, Tauscher Faktor der Druckerei und Miturheber des «Roten Teufels». Alle vier waren vorher gemahnt worden, sich emer ruhigen, objektiven Diskussion zu befleißigen. Ebenso ging die Schweiz aber auch gegen die Spione ausläudischer Regie- ruugen vor, die sich nicht auf bloße Beobachtung und Auskundschaftung beschränkten, sondern unter dem Deckmantel von Socialdemokraten u. s. w. provoka- torisch aufreizten. So wurde 1888 Haupt ausgewie- sen, der feit sieben Jahren im Dienst der Berliner [* 6] Polizei stand, 1889 der Polizeikommissar Wohlge- :nuth von Mülhausen [* 7] (s. Deutschland und Deutsches Reich, Geschichte, Bd. 5). Es erregte in der öffentlichen Meinung peinliches Aufsehen, daß der Polizeispion Schröder 1888 nicht ausgewiesen werden konnte, weil er schweiz. Bürgerrecht erworben hatte. Er stand gegen ein Monatsgehalt von 240 M. im Dienst der deutschen Polizei, unterhielt enge Beziehungen mit den Anarchisten, nahm teil an der Herausgabe von Mosts «Freiheit» iuZürich und trat bei allen Arbeitcr- unruhen und polit.
Versammlungen hervor. Unter der Herrschaft der alten Bundesverfassung wäre seine Automat möglich gewesen. 1873 wurde der schweizer Kaspar Mermillod vom Bundesrat ausgewiesen, als er die Stellung des apostolischen Vikars in Genf [* 8] gegen den Willen der schweiz. Behörden übernahm, die in der Errichtung dieses Amtes durch die Kurie eine nachteilige Abtrennung der kath. Kirche Genfs von der schwciz. Diöcese sahen. Mit der Ernennung Mcrmillods zum Bischof von Freiburg-Lausanne siel diese Automat dahin, 1890 wurde Mermillod vom Bundesrat im Bundesratshaus zu Veru als Kar- dinal feierlich begrüßt. Eine andere berühmte Automat war die der Herzogin von Madrid [* 9] im I. 1873. Die Gemahlin des Kronprätendenten Don Carlos, hatte sie, in Genf weilend, den von ihrem Gemahl ins Werk gesetzten Bürgerkrieg in Spanien [* 10] durch An- werbung und Beförderung von Teilnehmern an dem Aufstand und durch Beschaffung von Kriegsmaterial unterstützt. -
Vgl. Langhard, Das Recht der polit. Fremdenausweisung mit besonderer Berücksichtigung der Schweiz (Lpz. 1891).
Auswinterung, s. Bienenzucht [* 11] ^ntooar, s. Motorwagen. Autographie (grch.) oder Autographismus, richtiger Dermographie oder Dermato- graphie, nach Mesnet Bezeichnung für eine an der äußern Haut [* 12] des menschlichen Körpers, selten bei Gesunden, häufiger bei Nervenkranken zu beobach- tende eigentümliche Erscheinung. Streicht man bei ge- eignetenPersonen mit einer Bleistiftspitze oder dem Fingernagel über die Haut, oder zeichnet man ganze [* 1] Figuren in dieser Weise auf, so entsteht trotz der leisen Berührung ziemlich rasch, oft momentan, eine stächen- förmige lebhafte Nöte, innerhalb deren sich die auf- getragene Zeichnung längere Zeit, bis zu mehrern Minuten, durch eine blahrote Farbe von der leb- haften übrigen Rötung deutlich abhebt. Der ganze Vorgang erinnert vielfach an Nesselsucht (s. d., Bd. 12) und beruht auf einer außergewöhnlichen Erregbar- keit der Blutgefäßnerven (oder deren Centralorgane) der Haut.
Durch den mechan. Reiz wird zunächst eine Gefäßerweiterung, kenntlich in der flächenhaften Rötung, erzeugt; an diese schließt sich dann eine blaßrote Schwellung der von den gezeichneten Strichen direkt getroffenen Hautstellen an, ein Vor- gang, der durch einen umschriebenen Gefäßkrampf und einen wahrscheinlich erfolgenden Flüssigkeits- erguß in das Gewebe [* 13] bewirkt wird. Es handelt sich also um eine erhöhte Reizbarkeit der gefäßerweitern- den und in zweiter Linie der gefäßverengernden und event, auch trophischer Nerven [* 14] und deren Centren im verlängerten Mark. Von dieser typischen Form der Automat finden sich zahlreiche Übergänge bis zu der häusig vorkommenden Empfindlichkeit der nervösen Appa- rate der Hautblutgefäße, wie sie bei leicht erreg- baren Individuen in Form raschen Errötens und Erblassens u. s. w. zu Tage tritt.
Die Automat tritt ent- weder als einziges Symptom auf oder bildet eine der vielen Nebenerscheinungen bei gewissen Nerven- krankheiten (bei traumatischer oder gewöhnlicher Hysterie und Neurasthenie, Syringomyelie, Menin- gitis u. s. w). Einer speciellen Behandlung bedarf sie weder in dem einen noch in dem andern Falle. ^Automat. Automatische Wagen und Ver- kauf sap parat e sind, wennzumGewerbebetrieb be- nutzt, uicht selbständige Gewerbe, sondern nur be- sondere Betriebsmittel.
Ihre Aufstellung als solche ist also nicht besonders anzumelden. Etwas anderes ist es, wenn in der Aufstellung der Beginn eines Gewerbebetriebs liegt; dann kann je nach dem Ge- werbe sogar Konzession erforderlich sein. Nur in Österreich [* 15] wird durch Ministerialverordnung vom unter allen Umständen Anzeige von In- oder Ausbetriebsetzung und uon Standorts- wecksel der Automat verlangt. Im Deutschen Reich ist die Aufstellung und der ^tandortswechsel nur dann an- zuzcigeu, wcun der Gewerbetreibende diese Ver- pflichtung hinsichtlich seines Gewerbelokals hat; dies gilt demgemäß für Vertrieb von Preßerzeug- nissen durch Automat. Für die Automat gelten als Betriebs- bestandteile die Bestimmungen über Sonntagsruhe. Die Inhaber müssen also dafür forgen, daß zur be- treffenden Zeit Entnahme von Gegenständen aus denselben uumoglich ist. Für Gast- und Schank- wirte gilt das Gebot der Sonntagsruhe nicht; sie können also solche Waren, welche zum Betrieb ihres Gewerbes gehören (Speisen, Cigarren, aber nicht Schokolade oder Bonbons) und zum Genuß auf der Stelle bestimmt sind, durch Automat auch an Sonn- und Festtagen uneingeschränkt verkaufen. Doch macht ¶