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Befugnis, die Auslieferung (s. d.) und Ausweisung (s. d.) polit. Verbrecher und Agitatoren zu unter- lassen. Eine Beschränkung des Asylrechts andern Staaten gegenüber liegt nur bei Abschluß besonderer verpflichtender Verträge und außerdem so weit vor, als auch ohne Vertrag eine völkerrechtliche Ausliefe- rungs- und Ausweisungspflicht besteht. Sonst ist die Verweigerung eines genügend motivierten Er- suchens um Auslieferung oder Ausweisung nicht die Verletzung einer internationalen Rechts-, sondern nur einer internationalen Billigkeits- und Anstands- pflicht, die den andern Staat berechtigt, Retorsion zu üben, z. V. einen Vertrag zu kündigen.
Die Frage wurde 1889 zwischen Deutschland [* 2] und der Schweiz [* 3] strittig anläßlich des Falles Wohlgemuth. (S. Deutschland und Deutsches Reich, Geschichte, Bd. 5.) Die Anschauung der deutschen Neichsrcgie- rung, die schweiz. Behörden hätten nach dem Nic- derlassungsvertrag vom die Nechts- pflicht, von den Deutschen, die in der Schweiz Wohn- sitz nehmen wollen, die Vorlegung der Papiere zu verlangen, durch welche ihnen bescheinigt wird, daß sie sich im Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden und einen unbescholtenen Leumund genie- ßen, wurde von dem schweiz. Bundesrat unter Be- rufung auf den Wortlaut des Vertrages («um in der Schweiz Wohnsitz zu nehmen, müssen die Deut- schen mit einem Zeugnisse versehen sein, durch wel- ches bescheinigt wird, daß der Inhaber einen unbe- scholtenen Leumund genießt») bcstritten.
Die deutsche Regierung erklärte darauf trotzdem nicht ihren so- fortigen Rücktritt vom Vertrag wegen Nichterfüllung desselben von anderer Seite, sondern kündigte den Vertrag nur, was sie auf die nicht wegzuleugnende Verletzung einer Villigkeitspflicht seitens der Schweiz dem Völkerrecht gemäß jederzeit thun konnte. Nach- dem die Schweiz durch Aufstellung eines eidgenössi- schen Generalanwalts für Fremdenpolizei ein Ent- gegenkommen gezeigt hatte, wurde auf Anregung Deutschlands [* 4] ein neuer Niederlas- sungsvertrag abgeschlossen, aus dessen Art. 2 deut- licher nur ein Recht, keine Pflicht der schweiz. Be- hörden folgt, die Vorlegung von Leumundszeug- nissen zu verlangen, wenn es dort heißt: «um die ihnen eingeräumten Rechte beanspruchen zu können, müssen die Deutschen in der Schweiz und die Schwel- zer in Deutschland mit einem Zeugnis ihrer Gesandt- schaft versehen sein, durch welches bescheinigt wird, daß der Inhaber deutsche bez. schweiz. Staatsange- hörigkeit besitzt und einen unbescholtenen Leumund genießt».
Der neue deutsch-schweiz. Niederlassungs- vertrag ist zunächst bis zum abge- schlossen und soll, wenn kein Teil 12 Monate vor diesem Zeitpunkt ihn kündigt, weiterhin in Geltung bleiben, jedoch unter Vorbehalt jeweils einjähriger Kündigungsfrist. Außer mit Deutschlaud ist die Schweiz 1882 einen Niederlassungsvertrag mit Frankreich eingegangen. Hiernach muß der Franzose, der sich in der Schweiz niederlassen will, nicht auch ein Zeugnis über un- bescholtenen Leumund, sondern nur einen Immatri- kulationsschein besitzen, der ihm von der Gesandt- schaft der franz. Republik oder den von Frankreich in der Schweiz errichteten Konsulaten ausgestellt wird. Es ist eine Frage der Politik, wie weit ein Staat innerhalb der rechtlichen Grenzen, [* 5] d. h. soweit nicht Auslieferungs- oder Ausweisungspflicht besteht, in Ausübung seines Asylrechts gehen will.
Zu weite
Ausdehnung
[* 6] der
Asyl
gewührung bringt die Gefabr der Verletzung internationaler Anstandspflichten mtt sich. An freie
staatliche Institutionen gewöhnt, setzt das
Schweizer
Volk seit Jahrhunderten seinen
Stolz darein, weitherzig
im Asyl
geben zu sein. Die öffent- liche Meinung ist gegen eine Verkümmerung dieses
Asylrechts durch Polizeimaßregcln dort
sehr einge- nommen. In jüngster Zeit (1888) war es besonders die schweiz.
Arbeiterpartei, welche zum Schutz des
Asylrechts gesetzliche Regelung der
Ausweisungs- gründe und Übertragung des Ausweisungsrechts
an die Gerichte verlangte und sich andererseits der Auf- stellung eines besondern Bundesorgans für polit.
ssrcmdenpolizei widersetzte.
Allein die notwendige Ergänzung einer weitgehenden Asyl
gewährung ist eine gute Fremdenpolizei. Die
Schweiz macht seit Jahrhunderten
die Erfahrung, daß zu parteipolit. Feiudseligkeiten und
Angriffen gegen die.Heimat von außen mit Vorliebe das Gebiet solcher
Staaten be- nutzt wird, die ihr
Territorium den Fremden weit- herzig öffnen. Daraus erklärt sich die
gegenüber andern
Ländern große Zahl polit.
Ausweisungen aus der
Schweiz, das dort hervorgetretene Bedürf- nis der Einrichtung
eines besondern Vundesorgans zur Ausübung der polit.
Fremdenpolizei durch Ein- setzung eines eidgenössischen Gencralanwalts und der Umstand, daß die geltende schweiz. Bundesver- fassung von 1874 als einen Grund der Fremdenaus- weisung ausdrücklich die Gefährdung der äußern Sicherheit der Eidgenossenschaft hervorhebt (Art. 70). In früherer Zeit hatten die Gesandten für ihr Hotel ein Asylrecht. Nach heutigem Völkerrecht muß der Gesandte in sein Hotel Flüchtende herausgeben. Ebenso verleiht das ital. Garantiegesetz dem Papst für seine Residenz kein Asylrecht, wenn es dieselbe auch für unverletzlich erklärt.
Vgl. Langhard, Das Recht der polit.
Fremden- ausweisung mit besonderer Berücksichtigung der Schweiz (Lpz. 1891).
«'Athen [* 7] (das neue). Nachdem im StadtteilPlaka an den nördl. und östl. Abhängen der Akropolis [* 8] die albanes. Sprache [* 9] erloschen ist, ist sie nur noch in der wcitern Umgegend A.s zu hören. Ein neuer schöner großer Park hat sich in den letzten Jahren gebildet; er dehnt sich zwischen dem Ausstellungs- gebäude (dem sog. Zappeion) und den Überresten des Tempels des olympischen Zeus [* 10] aus. Das Aka- demiegcbüudc wird vorläufig nur als Münzkabinett benntzt. Den großen schönen Gebäuden der Stadt schließt sich das in seinem alten Marmorschmuck auf Kosten von Averof errichtete Panathenäische Stadion an, dessen Vollendung in zwei Jahren bevorsteht. Es wird im ganzen etwa 4 Mill. Drach- men kosten. In demselben fanden im April 1896 die ersten sog. Olympischen Spiele (s. d.) statt. - Die Uni- versität hat (Sommersemcster 1896) 140 Docenten und 3120 Studenten, worunter 4 Mädchen. Die technische Hochschule hat (1895/96) 35 Lehrer und 260 Schüler und Schülerinnen, die 5 Gymnasien haben 1009 Schüler, 1 Realschule 241 Schüler, die 7 öffentlichen hellenischen Schulen 1108 Schüler, die 45 öffentlichen Volksschulen der Gemeinde Athen 7169 Schüler und Schülerinnen, das Lehrerseminar 122 Schüler, die Vilduugsschule für Theologen (die sog. Rhizarische Schulc) 15 Docenten und 69 Schü- ler, die höhere mit einem LehrerinnenMÜnar ver- bundene Töchterschule (nach dem Stifter Arsakeion genannt) hat (1894/95) 1186 Schülerinnen im gan- zen. Außerdem hat die Stadt mehrere Privatschulen mit vielen Tausenden Schülern und Schülerinnen. ¶