wärmern Gebiete der
Alten Welt verbreiteten
Arten. Alpenvereine vulgaris Hack. und Alpenvereine australis R. Br.,
in
Australien
[* 2] als Kängurugras bekannt, bilden ein gutes Futtergras. Die jungen
Sprossen der erstgenannten Art werden auch
als Gemüse genossen.
Indem die Gegensätze von Bodengüte und
Klima
[* 3] schon auf den niedrigsten Kulturstufen tief einschneidende
Unterschiede der Lebensbedingungen hervorrufen, zwingen sie die Vergesellschaftungen der
Menschen zu verschiedenen
Arten des Wirtschaftslebens und damit der Daseinsform überhaupt; sie bedingen Wanderungen, d. h.
die Anfänge und Weiterentwicklung des Verkehrs. Die Siedelungen, und zwar ebensowohl das unscheinbarste Einzelgehöft wie
die größte Weltstadt, sind nach ihren Anfängen und nach der Art ihres Wachstums in erster Reihe durchaus
von den geogr. Verhältnissen der Örtlichkeit abhängig, die auch den Wert und die Bedeutung
einer bewohnten Erdstelle für die weitere Umgebung oder für eine größere Gesamtheit, einen
Stamm, ein
Volk, einen
Staat
bedingen.
Und schließlich verleiht jede Landschaft der in ihr ansässigen
Bevölkerung,
[* 4] deren Erwerbsleben, Thätigkeit
und Denkweise sie durch Generationen hindurch in ganz bestimmter
Weise beeinflußt, einen ausgeprägten Charakter, der z. B.
Gebirgsstämme von Küstenbevölkerungen, Tropenbewohner von Polarvölkern scharf unterscheidet. Freilich fällt hierbei
das nichtgeogr.
Moment der geistigen Veranlagung oder der kulturellen Entwicklungsstufe eines
Volks schwer in die Wagschale,
indem es selbstverständlich principiell unterscheidend wirkt, ob ein tief stehendes Naturvolk sich den
Einflüssen eines Erdraumes machtlos ausgesetzt sieht, oder ob ein
Volk mit vergleichsweise hoher Kultur diese Einflüsse
mehr oder weniger brach
zu legen im stande ist und so der Landschaft mehr seinen
Stempel aufdrückt, als von ihr abhängig
wird. Man vergleiche, um diesen Gegensatz in seinem ganzen Gewichte zu ermessen, z. B.
nur das geogr. Gesamtbild der
Vereinigten Staaten
[* 5]
Amerikas von heute mit dem ihres Gebietes
vor der Zeit der europ. Besiedelung.
Indem also die Anthropogeographie zeigt, in welcher
Weise die menschlichen Vergesellschaftungen von den natürlichen Zuständen der Wohnsitze
bedingt sind, und wie andererseits der
Mensch kleinere und größere Erdräume in tief einschneidender
Weise umzugestalten und sich auf diese
Weise erst dienstbar zu machen vermag, bedarf sie zu ihren Untersuchungen und Schlußfolgerungen
natürlich in ausgedehntester
Weise der Rücksichtnahme auf die Zeit, da nur in langen
Perioden der Prähistorie und der Geschichte
die in Rede stehenden Einflüsse ihre Wirkungen ausüben konnten und können. Die Bezeichnung historische
Geographie für Anthropogeographie ist daher wohl berechtigt; nur ist zu beachten, daß sie ab und zu auch in anderm
Sinne gebraucht wird, nämlich so, daß es sich um die geogr. Zustände bestimmter Epochen
handelt. In diesem
Sinne spricht man z. B. von einer Geographie
Italiens
[* 6] zur Zeit des röm. Kaiserreichs
oder allgemein von einer mittelalterlichen Geographie u. s. w. Das Wort Anthropogeographie ist
also jedenfalls vorzuziehen.
Sucht man das Forschungsgebiet der Anthropogeographie genau zu umgrenzen, so wird man als ihre allgemeine
Aufgabe erkennen, den Einfluß der
Naturbedingungen, also z. B. der
Lage in einem Kontinent, auf einer
Insel oder Halbinsel, der
Größe des
verfügbaren Raumes, der Art seiner Umgrenzung, der Bodenunebenheiten, der
Flüsse,
[* 7]
Küsten, Seen,
des
Klimas, des Pflanzenkleides
der Erde, darzuthun, und zwar den Einfluß auf die Art,
Größe, Verteilung der Siedelungen, auf die räumliche
Ausdehnung
[* 8] der
Völker und ihrer Kulturkreise, auf den Verkehr und seine vielseitigen, besonders wirtschaftlichen
Wirkungen.
Man kann also Siedelungskunde, Verkehrs- und Wirtschaftsgeographie als wichtige Hauptteile der Anthropogeographie aufstellen.
Auch die politische Geographie, die sich mit den Besitzverhältnissen der menschlichen
Staaten und deren
Gliederung zu einer
bestimmten Zeit befaßt, ist ein Zweig der der für zahlreiche anthropogeogr. Untersuchungen die naturgegebene
Form ist, in welche sich alles der
Statistik zugängliche geogr. Material am bequemsten einfügt, da eben die
Zahlen der
Statistik
an die
Erhebungen innerhalb polit. Grenzen
[* 9] gebunden sind.
Wenn häufig gesagt wird, es falle der Geographie die schöne
Aufgabe zu, Vermittlerin und Bindeglied zu sein zwischen den
Welten der historischen und der Naturwissenschaften, so trifft das sicherlich ja allermeist zu für die
Anthropogeographie, welche eben das abgerundete länderkundliche
Bild einer Erdstelle nur dann vollständig vor
Augen führen kann, wenn sie
den jeweiligen geogr. Gesamtzustand des
Landes und seiner Bewohner als einen naturbedingten auffaßt.
Die moderne Anthropologie. gliedert sich in somatische Anthropologie.,
Urgeschichte und Ethnologie.
1)
Somatische Anthropologie.: die Kenntnis der naturhistorischen Charaktere der Menschheit, ihrer verschiedenen
Völker und
Stämme, Rasseneigentümlichkeiten,
deren wichtigste im Schädel- und Skelettbau, in den
Proportionen der
Gliedmaßen, in
Farbe und Beschaffenheit der
Haut,
[* 10]
Haare
[* 11] und Regenbogenhaut des
Auges gelegen sind. Aus den Resultaten dieser Untersuchungen ergiebt sich das wissenschaftliche
Urteil über die Fragen nach der Herkunft und
Stellung des
Menschen in der Natur, d. h. nach seinen
Beziehungen zu den nächstverwandten
Tieren; ferner über die Frage, ob ein genetischer Zusammenhang zwischen diesen und den
Menschen bestehe, und welcher Art dieser
sei.
Diese
Studien führen naturgemäß weiter 2) zur
Urgeschichte, zur Untersuchung über das erste Auftreten
des
Menschen auf der Erde und über seine etwaigen paläontologischen
Vorläufer (Paläontologie des
Menschen). Die
Urgeschichte
umfaßt zunächst die somatische Anthropologie., die Untersuchung über die naturhistor.
Stellung des
Urmenschen zu dem modernen
Menschen
wie zu den nächststehenden
Tieren. In letzterer
Beziehung sind namentlich die
Beweise der geistigen Superiorität
des
Urmenschen über
die Tierwelt von Wichtigkeit, die
Urgeschichte begreift daher auch die Untersuchung über die
Entwicklung
des menschlichen Kulturlebens von dem ersten nachweisbaren Auftreten der
Menschen bis zur geschichtlichen Zeit in sich, soweit
uns darüber die Manufakte der
Urmenschen Aufschluß erteilen; in diesem
Sinne wird die
Urgeschichte auch
als
Vorgeschichte, Prähistorie, bezeichnet,
und sie führt uns direkt über 3) zu der Ethnologie, deren Forschungsgebiet zunächst
die primären Elemente des
Geistes- und Kulturlebens der gesamten Menschheit sind. Die Prähistorie ist sonach urgeschichtliche
Ethnologie. Die Ethnologie als
Völkerkunde beschäftigt sich in erster Linie mit der Erforschung der
Elementargedanken der Menschheit, wie sie sich in
Religion, Weltanschauung, Rechtsbewußtsein, dem gesamten Kulturleben mit
Sitten und Gebräuchen, staatlicher und Familiengliederung
u.
v. anthropologie.
¶
mehr
offenbaren; als Volkskunde mit den entsprechenden Überlebseln der Vorzeit bei den Kulturvölkern aus einer Periode, in welcher
diese der primitiven Kulturstufe noch näher standen. R. Wagner hat einen weitern Hauptteil der Ethnologie als historische
Anthropologie. bezeichnet: Ergründung des ethnolog. Zusammenhangs, der zwischen den Völkern des Altertums unter sich und den
jetzt lebenden Völkern besteht. Die historische Anthropologie. unterliegt großen Schwierigkeiten. Infolge der wiederholten,
zum Teil in die graue Vorzeit fallenden, geschichtlich nur unsicher oder gar nicht verbürgten Wanderungen der Völker, durch
ihr abwechselndes Verschwinden und späteres Wiederauftauchen an entfernten Orten und unter veränderter Gestalt, findet
sich hier ein so kompliziertes Durcheinanderwirken der Erscheinungen, es gilt so verdeckte und oft verwischte
Beziehungen aufzudecken, daß die Ergebnisse der Untersuchung oft unsicher sind.
Die Hilfsmittel sind hier neben der naturhistor. Kenntnis der lebenden Völker die Geschichtsforschung, namentlich die Urgeschichte.
Ein wichtiges, doch oftmals trügerisches Zeichen für die Abstammung und den Zusammenhang der verschiedenen
Völker ist die Sprache
[* 13] (s. Sprachwissenschaft, Bd. 15). Gleichheit oder Verwandtschaft derselben berechtigt keineswegs ohne
weiteres zum Schlusse auf gleiche Abstammung. Oft haben besiegte Völker die Sprache der Sieger oder auch die Sieger die Sprache
der Besiegten angenommen.
Die Anthropologie. hat in neuerer Zeit große Fortschritte gemacht. Nachdem sie in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrh., angeregt durch die Erneuerung der Zoologie durch Linné, Cuvier u. a., durch PeterCamper, Sömmerring
und ganz vorzüglich durch Blumenbach begründet worden war, hatte sie in der Folge durch Morton, Retzius, Meigs, C. G. Carus,
van der Hoeven, Huschke, Owen, Virchow u. a. viele Bereicherung gewonnen. Am Ende des vorigen Jahrhunderts
waren es einerseits die großartigen geogr.-ethnogr.
Entdeckungen, namentlich in der Südsee, und der schon damals lebhaft geführte Streit um die volle Menschenwürde der farbigen
Sklaven, namentlich der «Neger», andererseits die nähere Bekanntschaft mit den zwar schon längst entdeckten, aber bis dahin
von zahllosen Mythen umwobenen menschenähnlichen Affen:
[* 14] Orang-Utan und Schimpanse, wodurch die Anregung
zur Entwicklung der Anthropologie. zu einer eigenen wissenschaftlichen Disciplin gegeben wurde. Ganz ähnlich war
es um die Mitte unsers Jahrhunderts wieder das blutige Ringen um die Emancipation der Schwarzen zwischen Norden
[* 15] und Süden der
Vereinigten Staaten von Amerika
[* 16] und fast gleichzeitig die Entdeckung eines neuen und zwar bis dahin menschenähnlichsten
Anthropoiden, des Gorilla, die der Anthropologie. neue Anregung gaben.
Dazu kam bald die Konstatierung des so lange vergeblich gesuchten Diluvialmenschen in Europa
[* 17] und die Entdeckung der Pfahlbauten,
[* 18] zuerst in den Schweizer Seen, auf denen sich, im Anschluß an die ältern vorgeschichtlichen Untersuchungen
und Funde namentlich im Norden Europas, unter der Einwirkung des durch Lyell hervorgerufenen Umschwungs der geolog. Anschauungen
und nicht ohne Hinblick auf die TheorieDarwins, als neue anthropol. Abteilung die Urgeschichte der Menschheit, die Prähistorie,
ausbildete.
An der Wende unsers Jahrhunderts hat die dritte Abteilung der Anthropologie., die Völkerkunde, durch Erschließung
der letzten Geheimnisse der Kontinente und Inseln und durch Ausbildung der Ethnographie
[* 19] zur Ethnologie,
zur Wissenschaft von
den Völkern der Erde und zur Völkerpsychologie, durch Anthropologie. Bastian die größten Fortschritte gemacht. Und schon ist wieder
der Wissenschaft ein neuer, leider ausgestorbener, menschengroßer, nach Virchow zu den Langarmaffen (Hylobates) gehöriger
Anthropoide signalisiert, von dem E. Dubois 1894 in Java, freilich noch recht spärliche Skelettreste (einen Teil eines Schädeldachs,
einen krankhaft veränderten Oberschenkel, zwei Backzähne) in diluvialen Schichten aufgefunden und mit dem Namen Anthropithecus
(Pithecanthropus) erectus Haeckel bezeichnet hat. Der Einfluß auf die Weiterausbildung der Anthropologie. kann nicht
ausbleiben. Nach der Erneuerung der Anthropologie. wurden die Studien namentlich durch die neugegründeten anthropol.
und ethnolog. Gesellschaften, von denen die in Paris
[* 20] und London
[* 21] die ersten waren, zusammengefaßt.
Um das J. 1860 begann in Deutschland
[* 22] eine erhöhte Thätigkeit in diesem Fache. 1869 wurde die Berliner,
[* 23] wenig später die
Münchener und Wiener Gesellschaft für Anthropologie., Ethnologie und Urgeschichte begründet, und schon 1870 folgte
die Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Anthropologie., Ethnologie und Urgeschichte, welche durch ihre alljährlich abgehaltenen
Wanderversammlungen das Interesse für die Anthropologie. über das ganze Deutschland ausgebreitet und eine große Anzahl von höchst
rührigen Lokalvereinen ins Leben gerufen hat.
Der internationale Verkehr der Anthropologen wird durch die in mehrjährigen Zwischenräumen stattfindende
Abhaltung eines Congrès international d’Anthropologie et d’Archéologie préhistoriques unterhalten. Die Anthropologie. hat
seit 1886 in München
[* 24] einen ordentlichen Lehrstuhl an der Universität (Inhaber Joh. Ranke); mit der Errichtung von Lehrstühlen
waren die UniversitätenParis, Florenz,
[* 25] Budapest
[* 26] vorausgegangen, neuerdings folgte Rom.
[* 27] Als Organ der Berliner
Gesellschaft für Anthropologie. erscheint seit 1869 die von Anthropologie. Bastian und R. Hartmann begründete, jetzt von ersterm mit Virchow und Voß
redigierte «Zeitschrift für Ethnologie», als Organ der Deutschen Gesellschaft wurde das bereits 1861 von Ecker und Lindenschmit
begründete «Archiv für Anthropologie.» (jetzt hg. von Ranke) übernommen; seit 1877 veröffentlicht
die Münchener Anthropologische Gesellschaft (unter der Redaktion von Ranke und Rüdinger) «Beiträge zur und UrgeschichteBayerns»,
die Wiener Anthropologische Gesellschaft seit 1878 «Mitteilungen»; seit 1896 erscheint
in Breslau
[* 28] ein «Centralblatt für Anthropologie., Ethnologie und Urgeschichte», hg. von G. Buschan.
Außer den genannten deutschen Zeitschriften sind als Centralorgane der Anthropologie. zu erwähnen: «The Journal of
the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland» (Lond. 1872);
Von Rankes Werk «Der Mensch» erschien 1893-94 die 2. Auflage.
Die anatom.-anthropol. Fragen, die sog. somatische Anthropologie., behandelt
umfassend P. Topinard in den «Éléments d’anthropologie
générale» (Par. 1885).