eigentümliche krampfhafte, nach abnormen
Richtungen erfolgende
Bewegungen, die bei
Menschen und
Tieren
nach einseitigen Verletzungen des Mittelhirns (besonders des
Sehhügels, des Hirnschenkels, der
Brücke)
[* 2] eintreten. Hierher
gehören die Reitbahn- oder Manègebewegung, bei der das verletzte
Tier unausgesetzte
Bewegungen in der Peripherie eines Kreises
ausführt;
die Wälz- oder Rollbewegung, wobei es sich beständig um seine Längsachse wälzt;
die
Zeigerbewegung,
wobei das
Tier sich als Radius eines Kreises bewegt, in dessen Centrum die Hinterbeine bleiben;
endlich krampfhaftes
Vorwärts-
oder Rückwärtseilen.
Auch
Verdrehungen
(Strabismus, s.
Schielen)
[* 3] und unwillkürliche Schwankungen
(Nystagmus, s.
Augenzittern)
der
Augen werden als Zwangsbewegungen beobachtet. Während die einen Forscher annehmen,daß es
sich bei diesen
Bewegungen nur halbseitige, unvollkommene
Lähmungen handle, infolge deren der Patient bei der
Tendenz, sich
fortzubewegen, mit der gelähmten Seite etwas zurückbleibe, glauben andere gerade im Gegensatz hierzu, daß eine Reizung
durch den
Akt der Verletzung die
Ursache einer übermäßigen Thätigkeit der einen Körperseite sei. Wahrscheinlich
handelt es sich aber bei den Zwangsbewegungen nur um abnorme Schwindelempfindungen, die durch die stattgefundene Verletzung
erregt wurden.
diejenige Maßregel, wodurch auf
Grund gesetzlicher Bestimmungen den Eltern oder sonstigen Fürsorgern
sittlich verwahrloster jugendlicher
Personen das ihnen zustehende Erziehungsrecht entzogen und der zuständigen Staatsbehörde
übertragen wird. Die Zwangserziehung ist geboten, wenn das sittliche Wohl der verwahrlosten
Kinder durch
Mißbrauch
oder durch grobe Vernachlässigung des Erziehungsrechts gefährdet ist, oder wenn sich die Erziehungsgewalt der Eltern und
die Zuchtmittel der Schule als unzulänglich erwiesen haben. Die Zwangserziehung kann also zur Anwendung gebracht
werden bei schon bestraften jugendlichen Verbrechern oder bei solchen, die wegen
Strafunmündigkeit (s. d.)
überhaupt nicht strafrechtlich verfolgt werden oder wegen mangelnder Erkenntnis freigesprochen sind, oder auch bei noch
nicht bestraften jugendlichen
Personen, deren sittliche Verwahrlosung aber schon einen hohen
Grad erreicht hat.
1) Gegen strafunmündige
Kinder, d. h. solche unter 12 Jahren, verzichtet das
Strafgesetz (§. 55) auf
Strafe überhaupt, gestattet aber (Novelle vom Maßregeln zur Besserung und
Beaufsichtigung, insbesondere Unterbringung
in einer Erziehungs- und
Besserungsanstalt, nachdem die Vormundschaftsbehörde die Unterbringung für zulässig erklärt hat.
Die nähern Vorschriften enthalten die Landesgesetze
(Preußen
[* 4] vom und die Altersgrenze nach
unten ist in der Regel das 6. Lebensjahr; die Unterbringung in der Anstalt ist in
Preußen Sache des
Provinzial-Kommunalverbandes,
in
Berlin
[* 5] und
Frankfurt
[* 6] a. M. der Stadt, auf deren Kosten auch die Anstalten unterhalten werden.
Hinsichtlich der
Personen von 12 bis 18 Jahren, welche wegen
Mangels der zur Erkenntnis der Strafbarkeit
erforderlichen Einsicht freigesprochen sind, kann nach §. 56 des Strafgesetzbuchs im
Urteil bestimmt werden, daß solche
in einer Erziehungs- oder
Besserungsanstalt unterzubringen seien. Die
Staatsanwaltschaft giebt dann die
Akten an den
Landrat,
dieser an den Regierungspräsidenten ab; letzterer trifft die Vollzugsanordnung. Die Kosten trägt regelmäßig der
Staat.
- 2)Können auch ohne strafrechtliche Unterlage
Kinder den Eltern zum Zwecke der Zwangserziehung weggenommen werden.
Nach Deutschem
Bürgerl. Gesetzbuch (Einführungsgesetz Art. 135) ist dies zulässig: a. wenn
das geistige oder leibliche Wohl des
Kindes durch die elterliche Erziehung gefährdet wird (§. 1666), b. bei Mündeln, wenn
das Vormundschaftsgericht es für zweckmäßig hält (§. 1838), c. allgemein, wenn die Zwangserziehung zur
Verhütung des völligen sittlichen Verderbens notwendig ist. Im Übrigen ist die Regelung der Zwangserziehung dem
Landesrecht überlassen. In
Bayern,
[* 7]
Sachsen
[* 8] und
Württemberg
[* 9] hat man sich bisher mit Vorschriften begnügt, die ein Einschreiten
der Polizei oder Vormundschaftsbehörde in den dringendsten Fällen zulassen. Das preuß.
Gesetz von 1878 ist das älteste, aber deshalb unzureichend, weil es die Zwangserziehung von dem Vorliegen einer Strafthat
abhängig macht. Dagegen legt das bad. Gesetz vom den Schwerpunkt
[* 10] auf die sittliche
Verwahrlosung, ohne zwischen Bestraften und Nichtbestraften einen Unterschied zu machen. Dem letztern sind die Gesetze
in Hessen,
[* 11]
Braunschweig
[* 12] und Elsaß-Lothringen
[* 13] nachgebildet. - Darüber, ob verwahrloste
Kinder in Familien oder in besondern
Anstalten unterzubringen seien, gehen die
Ansichten und die gesetzlichen Vorschriften auseinander; jedenfalls müssen, falls
man sich für letzteres entscheidet, die Anstalten selbständig und von den für die strafrechtliche Nachhaft
(Strafgesetzb.
§. 362) bestehenden Korrigendenanstalten streng gesondert sein. So auch die Gesetze. - Die Landesgesetze
können die
Entscheidung darüber,
ob der Minderjährige, dessen Zwangserziehung angeordnet ist, in einer Familie oder in einer Anstalt
unterzubringen sei, einer Verwaltungsbehörde übertragen, wenn die Unterbringung auf öffentliche Kosten zu erfolgen hat.
Neben den staatlichen oder kommunalen
Besserungsanstalten stehen in weitem
Umfange in
Deutschland
[* 14] die privaten
Rettungshäuser (s. d.). In
Hamburg
[* 15] besteht eine besondere
Behörde für Zwangserziehung, gebildet aus
Beamten und
Bürgern, in
Preußen haben
die Waisenräte die Überwachung der Zwangserziehung. Die Altersgrenze ist teils das 16., teils das 18. Lebensjahr,
teils ist eine solche überhaupt nicht bestimmt; die Gesetze sind in diesem Punkt sehr verschieden,
Preußen
hat als äußerste Grenze der Zwangserziehung verwahrloster
Kinder den
Termin der Großjährigkeit; allgemein ist auch eine vorläufige
Entlassung auf
Probe vorgesehen und endlich haben die Gesetze teilweise noch Bestimmungen über Fürsorge auch nach der endgültigen
Entlassung. -
Vgl.
Artikel Zwangserziehung in
Stengels «Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts»
(2 Bde., Freib. i. Br.
1889-90; Aschrott, Die Behandlung der verwahrlosten und verbrecherischen
Jugend (Berl. 1892);
Appelius, Die Behandlung jugendlicher
Verbrecher und verwahrloster
Kinder (ebd. 1892).
Judizialhypothek, die
Hypothek, welche der
Gläubiger, der ein
Urteil oder einen andern vollstreckbaren
Titel für sich hat, dadurch erlangt, daß auf seinen
Antrag die Forderung auf das Grundstück des Schuldners
im Grundbuch (s. d.) eingetragen wird
(Code civil Art. 2117, 2148; preuß. Subhastationsgesetz vom §§. 1, 6-12;
bayr. Gesetz vom Art. 40 fg.; Sächs.
Bürgerl. Gesetzb. §. 394; Österr. Exekutionsordnung vom §§. 87 fg.).
eine meist aus Segeltuch gefertigte Jacke mit sehr langen, die Armlänge um das
¶
mehr
Doppelte übertreffenden, nach vorn sich verengenden Ärmeln, bestimmt zur Beschränkung der Armbewegungen heftig um sich
schlagender oder ihren eigenen Körper verletzender Geisteskranker. Die Arme werden bei der Anlegung über die Brust gekreuzt
und die freien Enden der Ärmel über dem Rücken zusammengeknotet. Die Zwangsjacke wurde gegen Ende des 18. Jahrh.
durch den ältern Pinel in die Psychiatrie eingeführt an Stelle der Ketten, die damals zur Unschädlichmachung
aufgeregter Geisteskranker dienten. Gegenwärtig wird die Zwangsjacke in den bessern Irrenanstalten entweder gar nicht oder nur ausnahmsweise
angewandt.