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beschloß Abschaffung der Todes- und Prügelstrafe. Die reaktionären Verordnungen über Presse [* 2] und Vereinswesen wurden 1864 (24. Dez.) aufgehoben und im Aug. 1805 ein Entwurf vorgelegt, der eine großartige Erweiterung des württemb. Eisenbahnnetzes in Aussicht stellte. Als im Frühling 1866 der Ausbruch des Krieges zwischen Preußen [* 3] und Österreich [* 4] drohte, forderte das Ministerium einen Kredit vou nahezu 8 Mill. Fl., der mit 82 gegen 8 Stimmen bewilligt wurde. Am 14. Juni stimmte Württemberg [* 5] für den österr. Mobilmachungsantrag; am 16. Juni wurde ein Teil der Armee nach Frankfurt [* 6] a. M. zum Schutz der Bundesversammlung befördert; bald darauf stieß fast das ganze württemb. Bundeskontingent zu dem 8. Armeekorps. Eine württemb. Truppenabteiluug besetzte die hohenzollernschen Fürstentümer. Als die württemb. Truppen 24. Juli bei Tauberbischofsheim geschlagen waren (s. Deutscher Krieg von 1866) und das Land der preuß. Besetzung offen lag, sah sich Varnbüler genötigt, einen Waffenstillstand auszuwirken, der dann auch 1. Aug. zu Eisingen bei Würzburg [* 7] zu stande kam. Infolgedessen wurde der nördl. Teil W.s von preuß. Truppen besetzt, und die Württemberger mußten das hohenzollernsche Gebiet räumen.
Gleichzeitig begannen die Friedensunterhandlungen zu Berlin, [* 8] die 13. Aug. zum Abschluß kamen. Württemberg trat dem zwischen Preußen und Österreich abgeschlossenen Prager Frieden bei und verpflichtete sich, 8 Mill. Fl. Kriegskostenentschädiguug zu bezahlen. Zugleich schloß es, auf Antrieb Varnbülers, einen vorläufig geheimgehaltenen schutz- und Allianzvertrag mit Preußen, wodurch für den Kriegsfall der Oberbefehl über das württemb. Heer dem König von Preußen übertragen und seitens Preußens [* 9] die Unverletzbarkeit des württemb.
Gebietes garantiert ward, erklärte sich auch für Verlängerung [* 10] des Zollvereins. Die Kammer genehmigte 11. Okt. den Friedensvertrag, sprach sich aber gegen den Anschluß an Preußen und für die Errichtung eines süddeutschen Bundes aus. Auf den Ministerkonferenzen zu Berlin 3. und erfolgte der Beitritt W.s zum erneuerten Zoll- und Haudelsverein. Die süddeutschen Staaten schlossen nun 8. Juli einen Vertrag mit dem Norddeutschen Bunde, wonach sie an dem mit dem Reichstage verbundenen Zollparlament teilnehmen und dasselbe nach dem für den Reichstag geltenden Wahlgesetz dnrch Abgeordnete beschicken sollten.
Nach der Anwesenheit Napoleons III. in Stuttgart [* 11] wurden in der ultramontanen und demokratischen Presse die mit Preußen abgeschlossenen Verträge angegriffen, die Verwerfung derselben durch die Stände verlangt und darauf im Landtag erst nach leidenschaftlichen Debatten 31. Okt. angenommen. Der vom Kriegsminister von Wagner eingebrachte Entwurf eines Kriegsdienstgesetzes, welches das württemb. Kriegswesen nach preuß. Vorbild umgestalten sollte, wurde nur mit erheblichen Abänderungen angenommen.
Aus den weitern Beratungen dieses Landtags ging, als einzige Verfassungsreform, ein neues Wahlgesetz hervor, welches für die Wahlen in die Zweite Kammer das allgemeine Wahlrecht mit direkter und geheimer Wahl einführte. Bei den Zollparlamentswahlen vom wurde, infolge der Allianz der Regierungspartei mit den Großdeutschen, Ultramontanen und Demokraten, kein einziges Mitglied der Deutschen Partei gewählt. Die 17 württemb. Abgeordneten zum Zollparlament vereinigten sich in Berlin mit bayr. und bad. Ultramontanen und Partikularisten zu einem süddeutschen Klub und stimmten gegen jede Kompetenzerweiterung des Zollparlaments.
Bei den 8. und durch allgemeines Stimmrecht vollzogenen Wahlen zur württemb. Abgeordnetenkammer erlangten die Gegner der Verträge von 1866 einen vollständigen Sieg. Am nahm die Zweite Kammer das von der Regierung vorgeschlagene sehr liberale Dissidentengesetz und 18. März ein dem norddeutschen vollständig entsprechendes Genossenschaftsgesetz an. Kurz vorher, 11. März, hatten die 45 Abgeordneten der vereinigten Linken den Antrag gestellt, die Regierung um Herabsetzung der Präsenz und Verminderung der militär. Ausgaben zu bitten, den auch die Finanzkommission mit 8 gegen 7 Stimmen der Kammer zur Annahme empfahl. Aber schon 21. März boten sämtliche Minister ihre Entlassung an; jedoch nur die der Minister des Krieges, des Innern und des Kultus wurde vom König 24. März angenommen; die Kammern wurden 24. März zunächst auf unbestimmte Zeit vertagt.
Dem innern Hader und der Verlegenheit der Regierung machte die franz. Kriegserklärung ein Ende. Die von der Deutschen Partei 16. Juli in Stuttgart veranstaltete Volksversammlung, welche den Krieg für einen nationalen erklärte und die Zukunft des deutschen Volks als von dessen Ausgang abhängig darstellte, riß das ganze Land mit sich fort. Am 17. Juli befahl der König die Mobilmachung des Heers und die Einberufuug des Landtags. Auf Antrag der Finanzkommission genehmigte die Zweite Kammer 22. Juli mit allen gegen eine Stimme, die Erste Kammer einstimmig den verlangten Kredit von 5900000 Fl. Die Mitglieder der Volkspartei und die Großdeutschen begnügten sich mit einer ihre Grundsätze wahrenden Erklärung.
Die württemb. Division wurde der unter dem Oberbefehl des Kronprinzen von Preußen vereinigten Dritten Armee zugeteilt, nahm an den Schlachten [* 12] von Wörth [* 13] und von Sedan [* 14] teil, rückte dann in den südöstl. Teil des Cernierungskreises von Paris [* 15] ein und verteidigte bei den Ausfällen vom 30. Nov. und ihre Stellungen an der Marne, bei Villiers und Champigny mit großer Tapferkeit. Nachdem der Minister des Auswärtigen, von Varnbüler, 31. Aug. seine Entlassung erhalten hatte (sein Nachfolger, Freiherr vou Wächter, wurde erst im folgenden Jahre ernannt), führte Vorzugsweise der Justizminister von Mittnacht in Versailles [* 16] die Verhandlungen über die Bundesverfassung, worauf 25. Nov. in Berlin der Verfassungsvertrag und eine Militärkonvention unterzeichnet wurden.
Nach ersterm erhielt Württemberg vier Stimmen im Bundesrat, nahm teil an dem sog. diplomat. Ausschuß und behielt sich die besondere Verwaltung der Post, der Telegraphen, [* 17] der Eisenbahnen und die besondere Besteuerung des Biers und Branntweins vor; nach letzterer bildeten die württemb. Truppen als Teil des deutschen Bundesheers ein in sich geschlossenes Armeekorps (das 13.), dessen neue Organisation binnen drei Jahren vollendet sein sollte. Die Ernennung der Offiziere und Beamten des Korps sollte durch den König von Württemberg, die des Korpskommandanten nur nach vorgängiger Zustimmung des Königs von Preußen als Bundesfeldherrn erfolgen.
Nachdem der auf den einberufene Landtag das Steuerprovisorium auf drei Monate ¶
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und einen weiiern außerordentlichen ^cilitärkredil von 3 700000 Fl. genehmigt hatte, wurde 22. Okt. dic Zweite Kammer aufgelöst und Nenwahlen ange- ! kündigt. Dieselben erfolgten 5. Dez. mit einer be- deutenden Niederlage der Partei der Großdentschen und der Volkspartei. Der Vertrag W.s mit dem Norddeutschen Bunde und dic Militärkonvention wurden von beiden Kammern mit großer Mehrheit genehmigt. Die Verkündigung der Bnndesverträge erfolgte an welchem Tage ein Glied [* 19] des neuen Deutschen Reichs wurde.
Vei den Reichstagswahlen vom wurden in deu 1.7 Wahlbezirken 16 national gesinnte Männer und ein Ultramontaner gewählt. Die ans kurze Zeit einberufene Kammer genehmigte 28. Juni dic von z der Regiernng geforderte Steuererhöhung. In der ! Wintersession wurde 7. und entgegen einem Antrag der Großdeutschen, mit 60 gegen 29 Stimmen beschlossen, daß sowohl zu Linderungen der Dentschen Reichsvcrfassung mit Einschlnß der Kompetenzerweiterungen als znm etwaigen Verzicht auf württemb.
Reservatrechtc nicht ein Beschluß der württemb. Stände erforderlich fei, sondern Znstim- mnng von Bundesrat und Reichstag der allein vor- geschriebene Weg sei. Ans kirchlichen! Gebiet waren der Negierung Kon^ flikts erspart, nicht aber den Bischöfen. Als der vom Domkapitel zum Bischof ge- wählte und 22. Nov. von der päpstl. Knric als solcher bestätigte Hefelc den Beschlüssen des Vatikanischen Konzils, gegen welche er in Rom [* 20] 13. Juli gestimmt hatte, im folgenden Jahre wie alle andern deutschen Bischöfe sich unterwarf und feiner Diöeese dies mit- teilte, lieh die Regierung bekannt machen, daß sie dem Dogma von der persönlichen Unfehlbarkeit des Papstes keinerlei Rechtswirkung auf staatliche oder bürgerliche Verhältnisse zugestehe und zur Durcb- sührung der Konzilsbeschlüsse den weltlichen Arm nicht leihe.
Der Landtag vom bic hatte hauptsächlich das Budget und dic Eisen- bahnvorlagen zu beraten und aus dem Anteil W.s (85176303 M.) an den Kriegskontributionsgeldern die für die Wiederherstellung des Armecmaterials nötigen Summen zu bewilligen. Ein von der Re- gierung auf das wiederholte Ersucben der Zweiten Kammer vorgelegtes Verfafsungsgesetz, die auf die Geschäftsordnung fich beziehenden Verfassungsbe- stimmungen (Urlaub der Beamten, selbständige Be- stellung des Präsidiums der Zweiten Kammer, Ini- tiative der Kammern bei Gesetzesvorschlägen u. s. w.) betreffend, wurde von der Zweiten Kammer und, nach Verständiguug mit der Ersten Kammer, 29. Jan. definitiv angenommen.
Die Neu- bildung des württemb. Armeekorps war vollendet. Bei den Reichstagswahlen vom 10. )an. 1874 wurden 13 Nationalliberale, 3 Klerikale und 1 Demokrat gewählt. In der Landtagssession vom 15. März bis veranlaßte die Schul- schwesternfrage eine Kulturkampfdebatte in der Zwei- ten Kammer. In der Debatte über das Rcichseiscn- bahnprojekt sprach sich die Zweite Kammer mit 78 gegen 8 Stimmen für Erlaß eines Reichseisenbahn- gesetzes und gegen Überlassung der dentschen.
Eisen- bahnen an das Reich aus, welchem Votum die Erste Kammer einstimmig beitrat. Das Ge- setz über Bildung eines Staatsministeriums wurde von der Zweiten Kammer 27. Juni, das überVildnng eines Verwaltungsgerubtshofs, der aus Mitgliedern des obersten Landesgerichts und des Geheimen Rates bestehen sollte, von der Zweiten und Ersten Kammer 31. Okt. und 3. Nov. angenommen. Zum Präsidenten des Staatsministeriums wurde der Minister von Mittnacht ernannt. Bei den Neuwahlen für die Zweite Kammer 13. Dez. setzte die nationale Partei 26, die Regie- rungspartei 29, dic Demokraten 14, dic Klerikalen 11 Kandidaten durch.
Die Zweite Kammer nahm das Stencrgesetz an, wodurch die Landwirtschaft auf Kosten des Gewerbes begünstigt wnrde, und ge- nehmigte das Beamtengesetz, das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Volksschullehrer und das Gesetz über die Rechtsverhältnisse, der Lehrer und Lehrerinnen an höhern Mädchenschulen. Der vom bis 22. Febr. und vom 16. Juli bis tagende Landtag genehmigte das Bud- get, die zur Ausführuug der Reichsjustizgesetze vor- gelegten Entwürfe und das Forststrafgcsetz und Forst- polizeigesetz.
In der Session vom bis wurde von den Kammern das ^portelgcsetz beraten und angenommen, die Ver- legnng des forstlichen Unterrichts von Hohenheim nach Tübingen [* 21] beschlossen und mit 56 gegen 16 Stim- men die Bitte an die Regierung gerichtet, im Bun- desrat auf Einführung des Tabaksmonopols hinzu- wirken. Durch Vcrorduung vom wurde dem Ministerium des Auswärtigen und der Verkehrsanstalten ein aus Vertretern des Handels, der Gewerbe und der Landwirtschaft gebildeter Bei- rat der Vcrkehrsanstalten beigegeben, welcher jähr- lich cinbernfen wnrde, nm über verschiedene Fragen des Eisenbahnwesens gutachtliche Äußerungen ab- zugeben.
Der Veschlnß der Ersten Kammer, welcher in der Zusammensetzung derselben eine Ändernng beantragte, veranlaßte die Zweite Kammer und das Ministerium, sich in der Session von 1886 sür eine zeitgemäße organische Umgestaltung der Zusammen- setzung der Ständeversammlung ansznsprcchcn. Auck wurden in der Session von 1886 die Gesetze über Feldbereinignng und über die Kosten der Stell- vertretung für Beamte, welche Kammermitglieder sind, angenommen. Dem 25. 'Nov. neu eröffneten Landtag wurden Gesetzentwürfe über die Ver- tretung der evang. Kirchengemeinden und der kath. Pfarrgemeinden und über dic Verwaltung ihrer Vermögensangclegenbeitcn vorgelegt und 14. nnd 17. Dez. mit großen Mehrheiten angenommen.
Der wiedereröffnete Landtag hatte hauptfächlich den Etat für die Finanzperiode bis zu beraten. Dem mit Bayern [* 22] 10. Febr. abgeschlossenen Vertrag über Herstellung der Verbindungsbahnen Memmingen-Leutkirch und Wangen-Hergatz wurde die Zustimmung erteilt, die Foncrhebung von örtlichen Verbrauchsabgaben seitens der Gemeinden, dic Vorlage über die fernere Nirkfamkeit des allgemeinen Sportelgesetzes vom die Gesetzentwürfe über land- wirtschaftliches Nachbarrecht, über Grund-, Gc- bäude- und Gewerbesteuer und über dic Rechtsver- hältnisse der Staatsbeamten genehmigt. Dic im Dez. 1886 von der Zweiten Kammer angenommenen Gefetzentwürfe über die Vertretung der evang. Kirchengemeinden und der kath. Pfarrgemeinden und über dic Verwaltung ihrer Vermögensangelegen- beiten wurden von der Ersten Kammer mit einigen Modifikationen angenommen. Nach dem mit der Neichsregicrnng abgeschlossenen Vertrag vom 11. März hatte Württemberg im Interesse dcr ¶