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den Wahlen für die mit dem J. 1839 neu beginnende Landtagsperiode zogen sich die Vertreter der Opposition großenteils zurück, und es kam eine fast ganz aus Staats- und Gemeindedienern bestehende Kammer zusammen, die der Regierung keinerlei Schwierigkeiten bereitete. Die Februarrevolution 1848 gab auch in Württemberg [* 2] den Anstoß zu einer Reihe von Reformforderungen, welche die Regierung zunächst durch Gewährung der Preßfreiheit und durch Verheißungen zu beschwichtigen suchte.
Das bisherige bureaukratische Ministerium Schlauer, das seit 1833 mit kräftiger Hand [* 3] die Zügel gefübrt hatte, erschien jetzt unhaltbar, und der König entschloß sich 9. März, die Führer der Opposition, Pfizer, Römer, [* 4] Tuvernov und Goppelt, in das Ministerium zu berufen, das alsbald eine Reihe von radikalen Reformen und vor allem Mitwirkung zu einer deutschen Gesamtverfassung mit Nationalvertretung versprach. Mit dem eiligst einberufenen Landtage wurden die dringlichsten neuen Gesetze über Ablösung der Grundlasten und Volksbewaffnung vereinbart und 27. März die Kammer aufgelöst, um dem Lande Gelegenheit zu Geben, seine Gesinnung in neuen Wahlen auszusprechen. In die Deutsche [* 5] Nationalversammlung sandte Württemberg 28 Abgeordnete, die teils im linken Centrum, teils auf der äußersten Linken ihre Stelluug nahmen.
Die neue württemb. Abgeordnetenversammlung, die 21. Sept. zusammentrat und viele sehr demokratisch gesinnte Mitglieder hatte, beriet die Gesetze über Ablösungen, Ausdehnung [* 6] des Amts- und Gemeindeverbandes auf Privilegierte, höhere Besteuerung der Besoldungen, Pensionen und Apanagen, Abschaffung der Prügel- und Todesstrafe. Auch wurde ein neues Wahlgesetz für die einzuberufende konstituierende Versammlung angenommen und erlassen.
Die Autorität der deutschen Centralguwalt und der Nationalversammlung erkannte die württemb. Regierung rückhaltslos an, und sie war eine der ersten, welche die in Frankfurt [* 7] beschlossenen Grundrechte als Gesetz verkündete. Doch entstand wegen der Anerkennung der Reichsverfassung vom ein ernster Konflikt, da der König bestimmt erklärte, daß er sich dem Hause Hohenzollern nicht unterwerfen werde. Doch bewog ihn endlich die Entschiedenheit des Ministeriums und die steigende Aufregung des Volks, die Reichsverfassung anzuerkennen.
Als aber die Agitation für die Reichsverfassung in republikanische Bestrebungen umschlug, eine Volksversammlung in Reutlingen [* 8] 27. Mai Unterstützung des bad.-pfälz. Aufstandes verlangte und das Rumpfparlament von Frankfurt nach Stuttgart [* 9] übersiedelte, löste die württemb. Regierung die Trümmer der Nationalversammlung 18. Juni mit Waffengewalt auf. Am 28. Okt. sah sich auch das Märzministerium genötigt, der hereinbrechenden Reaktion zu weichen. Schlayer sollte nun das württemb.
Staatswesen wieder ins alte Gleis bringen. Dies gelang jedoch nicht. Die neu gewählte Landesversammlung geriet gleich im Beginn der Verhandlungen mit dem neuen Ministerium in Konflikt und wurde schon aufgelöst. Allein die neuen Wahlen ergaben noch ein entschiedeneres Übergewicht der demokratischen Partei. In einem Punkte jedoch wußte sich die Regierung im Einverständnis mit der Demokratie, in der Opposition gegen die Versuche Preußens, [* 10] einen deutschen Bundesstaat (Union) unter seiner Führung zu bilden. Die neue Kammer war aber mit den Versuchen, die Württemberg mit Bayern [* 11] zu einer neuen Föderativverfassung Deutschlands [* 12] eingeleitet hatte, ebenfalls nicht einverstanden. Auch in der Verfassungsrevision erzielte man keine Verständigung, daher 3. Juli die Auflösung der zweiten konstituierenden Versammlung erfolgte.
Das Ministerium Schlayer trat ab, und Freiherr von Linden bildete ein neues Ministerium von noch entschiedenerm reaktionärem Charakter. Am hatte der König in Bregenz [* 13] eine Zusammenkunft mit dem Kaiser von Österreich [* 14] und dem König von Bayern und stellte sich und die Streitkräfte W.s für einen Kampf gegen Preußen [* 15] zur Verfügung. Die 4. Okt. zusammengetretene dritte konstituierende Landesvertretung verweigerte die geforderte Summe zu den Kriegsrüstungen und wurde deshalb 6. Nov. aufgelöst.
Die Verfassungsrevision war hiermit beseitigt und die Verfassung von 1819 in vollem Umfang für gültig erklärt. Die neu gewählte Versammlung bestand größtenteils aus Staats- und Gemeindebeamten und ging bereitwillig auf die reaktionären Wünsche der Regierung ein; nur die angesonnene Entschädigung des Adels für die durch Ablösung der Grundlasten erlittenen Verluste wies sie ab. Das von der Regierung 1857 mit dem päpstl. Stuhl abgeschlossene Konkordat (s.d.) legte sie erst nach langer Zögerung den zusammentretenden Landständen vor. Nach lebhaften Debatten erfolgte die Ablehnung des Konkordats mit 63 gegen 27 Stimmen, und die Regierung sah sich nach dem Vorgange Badens (s. d., Geschichte) genötigt, den Vertrag wieder aufzukündigen und die Rechte der kath. Kirche auf dem Wege der Gesetzgebung zu ordnen.
In der deutschen Frage nahm die Regierung konsequent eine oppositionelle Stellung gegen die preuß. Führung ein und beteiligte sich im Nov. 1859 an den Würzburger Konferenzen (s. Würzburg) [* 16] und später an den verschiedenen Versuchen, eine deutsche Bundesreform zu stande zu bringen, in welcher Österreichs Einfluß und die Selbständigkeit der Mittelstaaten gewahrt bliebe. Auf dem im Aug. 1863 von Österreich berufenen Fürstenkongreß in Frankfurt vertrat der Kronprinz seinen Vater und erklärte sich mit den österr.
Vorlagen einverstanden. In der schlesw.-holstein. Frage erklärte sich Württemberg durch das Londoner Protokoll nicht mehr für gebunden und geneigt, das Erbrecht des Herzogs von Augustenbnrg anzuerkennen. Die Kammer bot mehrmals die Mittel zur Mobilmachung der württemb. Truppen an, um für das Erbrecht des Augustenburgers einzutreten, und bewilligte im Febr. 1861 einen Kredit von 1 ½ Mill. zu event. Kriegsrüstungen. Doch starb König Wilhelm; ihm folgte sein Sohn Karl I. (s. d.). Am 22. Sept. erfolgte der Rücktritt des Ministers Linden und die Neubildung des Ministerinms, in welchem Freiherr von Varnbüler das Auswärtige und das vom Finanzministerium abgetrennte Verkehrswesen, Staatsrat Geßler das Innere übernahm. Eine Änderung des Systems brachte dieser Ministerwechsel nicht. Am erfolgte der Beitritt zu dem von Preußen im Namen des Zollvereins mit Frankreich abgeschlossenen Handelsvertrag.
In der schlesw.-Holstein. Frage sprach sich die Kammer gegen Einverleibung der Herzogtümer in Preußen und gegen die preuß. Februarvorschläge aus. Auch nahm sie den Hölderschen Antrag auf Verfassungsrevision an und ¶
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beschloß Abschaffung der Todes- und Prügelstrafe. Die reaktionären Verordnungen über Presse [* 18] und Vereinswesen wurden 1864 (24. Dez.) aufgehoben und im Aug. 1805 ein Entwurf vorgelegt, der eine großartige Erweiterung des württemb. Eisenbahnnetzes in Aussicht stellte. Als im Frühling 1866 der Ausbruch des Krieges zwischen Preußen und Österreich drohte, forderte das Ministerium einen Kredit vou nahezu 8 Mill. Fl., der mit 82 gegen 8 Stimmen bewilligt wurde. Am 14. Juni stimmte Württemberg für den österr. Mobilmachungsantrag; am 16. Juni wurde ein Teil der Armee nach Frankfurt a. M. zum Schutz der Bundesversammlung befördert; bald darauf stieß fast das ganze württemb. Bundeskontingent zu dem 8. Armeekorps. Eine württemb. Truppenabteiluug besetzte die hohenzollernschen Fürstentümer. Als die württemb. Truppen 24. Juli bei Tauberbischofsheim geschlagen waren (s. Deutscher Krieg von 1866) und das Land der preuß. Besetzung offen lag, sah sich Varnbüler genötigt, einen Waffenstillstand auszuwirken, der dann auch 1. Aug. zu Eisingen bei Würzburg zu stande kam. Infolgedessen wurde der nördl. Teil W.s von preuß. Truppen besetzt, und die Württemberger mußten das hohenzollernsche Gebiet räumen.
Gleichzeitig begannen die Friedensunterhandlungen zu Berlin, [* 19] die 13. Aug. zum Abschluß kamen. Württemberg trat dem zwischen Preußen und Österreich abgeschlossenen Prager Frieden bei und verpflichtete sich, 8 Mill. Fl. Kriegskostenentschädiguug zu bezahlen. Zugleich schloß es, auf Antrieb Varnbülers, einen vorläufig geheimgehaltenen schutz- und Allianzvertrag mit Preußen, wodurch für den Kriegsfall der Oberbefehl über das württemb. Heer dem König von Preußen übertragen und seitens Preußens die Unverletzbarkeit des württemb.
Gebietes garantiert ward, erklärte sich auch für Verlängerung [* 20] des Zollvereins. Die Kammer genehmigte 11. Okt. den Friedensvertrag, sprach sich aber gegen den Anschluß an Preußen und für die Errichtung eines süddeutschen Bundes aus. Auf den Ministerkonferenzen zu Berlin 3. und erfolgte der Beitritt W.s zum erneuerten Zoll- und Haudelsverein. Die süddeutschen Staaten schlossen nun 8. Juli einen Vertrag mit dem Norddeutschen Bunde, wonach sie an dem mit dem Reichstage verbundenen Zollparlament teilnehmen und dasselbe nach dem für den Reichstag geltenden Wahlgesetz dnrch Abgeordnete beschicken sollten.
Nach der Anwesenheit Napoleons III. in Stuttgart wurden in der ultramontanen und demokratischen Presse die mit Preußen abgeschlossenen Verträge angegriffen, die Verwerfung derselben durch die Stände verlangt und darauf im Landtag erst nach leidenschaftlichen Debatten 31. Okt. angenommen. Der vom Kriegsminister von Wagner eingebrachte Entwurf eines Kriegsdienstgesetzes, welches das württemb. Kriegswesen nach preuß. Vorbild umgestalten sollte, wurde nur mit erheblichen Abänderungen angenommen.
Aus den weitern Beratungen dieses Landtags ging, als einzige Verfassungsreform, ein neues Wahlgesetz hervor, welches für die Wahlen in die Zweite Kammer das allgemeine Wahlrecht mit direkter und geheimer Wahl einführte. Bei den Zollparlamentswahlen vom wurde, infolge der Allianz der Regierungspartei mit den Großdeutschen, Ultramontanen und Demokraten, kein einziges Mitglied der Deutschen Partei gewählt. Die 17 württemb. Abgeordneten zum Zollparlament vereinigten sich in Berlin mit bayr. und bad. Ultramontanen und Partikularisten zu einem süddeutschen Klub und stimmten gegen jede Kompetenzerweiterung des Zollparlaments.
Bei den 8. und durch allgemeines Stimmrecht vollzogenen Wahlen zur württemb. Abgeordnetenkammer erlangten die Gegner der Verträge von 1866 einen vollständigen Sieg. Am nahm die Zweite Kammer das von der Regierung vorgeschlagene sehr liberale Dissidentengesetz und 18. März ein dem norddeutschen vollständig entsprechendes Genossenschaftsgesetz an. Kurz vorher, 11. März, hatten die 45 Abgeordneten der vereinigten Linken den Antrag gestellt, die Regierung um Herabsetzung der Präsenz und Verminderung der militär. Ausgaben zu bitten, den auch die Finanzkommission mit 8 gegen 7 Stimmen der Kammer zur Annahme empfahl. Aber schon 21. März boten sämtliche Minister ihre Entlassung an; jedoch nur die der Minister des Krieges, des Innern und des Kultus wurde vom König 24. März angenommen; die Kammern wurden 24. März zunächst auf unbestimmte Zeit vertagt.
Dem innern Hader und der Verlegenheit der Regierung machte die franz. Kriegserklärung ein Ende. Die von der Deutschen Partei 16. Juli in Stuttgart veranstaltete Volksversammlung, welche den Krieg für einen nationalen erklärte und die Zukunft des deutschen Volks als von dessen Ausgang abhängig darstellte, riß das ganze Land mit sich fort. Am 17. Juli befahl der König die Mobilmachung des Heers und die Einberufuug des Landtags. Auf Antrag der Finanzkommission genehmigte die Zweite Kammer 22. Juli mit allen gegen eine Stimme, die Erste Kammer einstimmig den verlangten Kredit von 5900000 Fl. Die Mitglieder der Volkspartei und die Großdeutschen begnügten sich mit einer ihre Grundsätze wahrenden Erklärung.
Die württemb. Division wurde der unter dem Oberbefehl des Kronprinzen von Preußen vereinigten Dritten Armee zugeteilt, nahm an den Schlachten [* 21] von Wörth [* 22] und von Sedan [* 23] teil, rückte dann in den südöstl. Teil des Cernierungskreises von Paris [* 24] ein und verteidigte bei den Ausfällen vom 30. Nov. und ihre Stellungen an der Marne, bei Villiers und Champigny mit großer Tapferkeit. Nachdem der Minister des Auswärtigen, von Varnbüler, 31. Aug. seine Entlassung erhalten hatte (sein Nachfolger, Freiherr vou Wächter, wurde erst im folgenden Jahre ernannt), führte Vorzugsweise der Justizminister von Mittnacht in Versailles [* 25] die Verhandlungen über die Bundesverfassung, worauf 25. Nov. in Berlin der Verfassungsvertrag und eine Militärkonvention unterzeichnet wurden.
Nach ersterm erhielt Württemberg vier Stimmen im Bundesrat, nahm teil an dem sog. diplomat. Ausschuß und behielt sich die besondere Verwaltung der Post, der Telegraphen, [* 26] der Eisenbahnen und die besondere Besteuerung des Biers und Branntweins vor; nach letzterer bildeten die württemb. Truppen als Teil des deutschen Bundesheers ein in sich geschlossenes Armeekorps (das 13.), dessen neue Organisation binnen drei Jahren vollendet sein sollte. Die Ernennung der Offiziere und Beamten des Korps sollte durch den König von Württemberg, die des Korpskommandanten nur nach vorgängiger Zustimmung des Königs von Preußen als Bundesfeldherrn erfolgen.
Nachdem der auf den einberufene Landtag das Steuerprovisorium auf drei Monate ¶