mie, dann Medizin, wurde 1869 Assistenzarzt der innern Klinik in Heidelberg und ließ sich 1872 als praktischer Arzt in Neustadt
a. d. Hardt nieder. Von 1873 bis 1879 arbeitete er als Assistent M. von Pettenkofers im Hygieinischen Institut zu München und
trat 1879 als ordentliches Mitglied mit Rang und Titel eines kaiserl. Regierungsrats in das kaiserl.
Gesundheitsamt ein; 1887 wurde er ord. Professor der Hygieine und Direktor des Instituts für mediz. Chemie und Hygieine in Göttingen.
Seine zahlreichen Arbeiten über Ventilation, Heizung, Desinfektion, Wasserversorgung u. a. m. finden sich teils in der «Zeitschrift
für Biologie» und in der «Deutschen Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege», teils in
den «Arbeiten aus dem kaiserl. Gesundheitsamte»; seine größere Abhandlung über «Wasserversorgung» steht in von Pettenkofers
und von Ziemssens «Handbuch der Hygieine und der Gewerbekrankheiten», 2. Tl., 1. Abteil. (Lpz. 1882).
Eduard, Philolog, geb. 1. Jan. 1831 zu Basel,
studierte hier und in Göttingen, wurde nach einer Reise
nach Paris 1854 Unterbibliothekar und Gymnasiallehrer sowie 1856 Privatdocent in Basel,
1861 Gymnasialprofessor in Winterthur, 1869 außerord., 1870 ord.
Professor in Zürich,
1875 ord. Professor in Erlangen, 1880 in München. Wölfflin veröffentlichte eine Ausgabe des Ampelius (Lpz. 1854), die erste
der von ihm fälschlich einem Cäcilius Balbus zugeschriebenen Sprüche und Anekdoten (Bas. 1854), die kritische
des Polyän (Lpz. 1860; 2. Aufl. 1886) und die des Publilius Syrus (ebd. 1869). Es folgte die Abhandlung «Antiochos von Syratus
und Coelius Antipater» (Lpz. 1872),
die Ausgabe von Buch 21-23 des Livius (ebd. 1873 fg., z. T. in 4. Aufl. 1891),
Untersuchungen
über die Sprache des Tacitus (im «Philologus», Bd. 24 fg.),
und «C. Asini Polionis de bello Africo commentarius» (mit Miodoński, Lpz.
1889). Auch machte sich Wölfflin um die Erforschung der Geschichte der lat. Sprache bis zu deren Übergang in die roman. Sprachen
verdient. Dahin gehören die Schriften «Über das Vulgärlatein» (im «Philologus», Bd.
34),
«Lat. und roman. Komparation» (Erlangen 1879) und die Ausgabe der Regula Benedicti (Lpz. 1895). Seit 1884 giebt Wölfflin das
«Archiv für lat. Lexikographie und Grammatik» (Lpz. 1884 fg.) heraus und ist Mitglied der Direktion des Thesaurus linguae latinae.
TelegraphischesBureau, abgekürzt Wolffs Telegraphisches Bureau, Telegraphenbureau (s. d.) in Berlin, gegründet 1849 von
dem damaligen Besitzer der «National-Zeitung» Dr. B. Wolff,
ging 1865 an eine Kommanditgesellschaft und 1874 an eine Aktiengesellschaft, die Continental-Telegraphen-Compagnie, über.
Anfangs wurden nur kommerzielle, bald aber auch polit. Meldungen verbreitet. Wolffs Telegraphisches Bureau ist
zu einer der größten Unternehmungen dieser Art geworden. Es hat Agenten und Einzelvertreter in allen
Teilen der Erde, von denen es Nachrichten empfängt, und denen es solche liefert, ferner Agenturen in allen größern Städten
Deutschlands, die das Depeschenmaterial in ihrem Kreise an die Abonnenten weiter geben. Die Zahl der letztern in Deutschland
beträgt über 4000, der Aufwand an Telephon- und Telegraphengebühren jährlich 800000 M., der Kassenumsatz
2,5 Mill. M. Im Hauptbureau sind über 100, in den deutschen Agenturen 150 Personen beschäftigt. Das Aktienkapital
beträgt 1 Mill.
M., die Dividende in den letzten Jahren durchschnittlich 11 Proz., zumeist aus dem Gewinn im Ausland stammend.
Fürst zu Anhalt, geb. 1492, Sohn und mit 16 Jahren Nachfolger des Fürsten Waldemar, schloß sich seit
dem Wormser Reichstag 1521 Luther an und war Mitunterzeichner der Protestation auf dem Speyerer Reichstage sowie der Augsburger
Konfession und Teilnehmer am Schmalkaldischen Bund. Vom Kaiser im Jan. 1547 geächtet, fand er seine Zuflucht
im Harz, bis ihn der Fürstenaufstand gegen den Kaiser und der Passauer Vertrag aus seiner gefährlichen Lage befreite. 1562 übertrug
er die Regierung seinen Vettern. Er starb unvermählt 23. März 1566. In Bernburg wurde ihm ein Denkmal (von Henze) gesetzt. -
Vgl. Krummacher, Fürst Wolfgang zu Anhalt (Dess. 1820).
1) Kreis im preuß. Reg.-Bez. Cassel, hat 408,16 qkm und (1895) 25197 (12175 männl., 13022 weibl.) E., 4 Städte, 28 Landgemeinden
und 14 Gutsbezirke. - 2) Kreisstadt im Kreis an der Nebenlinie Cassel-Volkmarsen der Preuß.
Staatsbahnen, Sitz des
Landratsamtes, eines Amtsgerichts (Landgericht Cassel) und Steueramtes erster Klasse, hat (1895) 2932 E., darunter 162 Katholiken
und 123 Israeliten, Post, Telegraph;
Sandsteinbrüche.
auch Scheelium (Scheel) und Katzenzinn genannt (chem. Zeichen W, Atomgewicht 184), ein metallisches chem.
Element, das als Wolframsäure an Eisen- und Manganoxydul gebunden im Scheelit (s. d.), an Bleioxyd gebunden
im Wolframbleierz (s. d.) vorkommt. Das Wolfram, durch Reduktion der
Wolframsäure mit Wasserstoff oder Kohle erhalten, bildet ein eisengraues, sprödes, sehr hartes Metall von 18,2 spec. Gewicht
und wird in neuerer Zeit vielfach als Legierung mit Stahl unter dem Namen Wolframstahl angewendet.
Auch die Oxydationsstufen des Wolfram, das Wolframoxyd, WO2, und das Wolframsäureanhydrid,
WO3, haben vielfache Verwendung gefunden; das wolframsaure Natrium als Schutz gegen die Leichtentzündlichkeit der Gewebe,
die Wolframsäure als Mineralgelb, wolframsaures Wolframoxyd als Mineralblau oder Mineralindig, wolframsaures Wolframoxydnatrium
als Safranbronze, wolframsaures Wolframoxydkalium als rote Magentabronze und wolframsaurer Baryt als Bleiweißsurrogat, das
ebenso gut wie Bleiweiß deckt und ebenso beständig ist wie Zinkweiß. Man stellt mittels Wolfram auch rote
und blaue Porzellan- und Glasfarben dar. Wolfram wurde wegen seines hohen specifischen Gewichts als Material für
Gewehrgeschosse vorgeschlagen; doch steht sein seltenes Vorkommen und hoher Preis dieser Verwendung im Wege.
von Eschenbach, neben Walther von der Vogelweide der größte mittelhochdeutsche Dichter ritterlichen Geschlechts,
nennt sich selbst einen Bayern und stammte aus Eschenbach (Mittelfranken), wo noch im Anfang des 17. Jahrh. sein Grabmal zu
sehen war. Seine Armut zwang ihn, herumziehend Herrengunst zu suchen; er hatte Beziehungen zu den Grafen
von Wertheim und fand spätestens 1203 eine dauernde Stellung am Hofe des kunstliebenden, freigebigen Landgrafen Hermann von
mehr
Thüringen; hier traf er auch mit Walther von der Vogelweide freundschaftlich zusammen. Aus Andeutungen seiner Werke hat man
mit Recht geschlossen, daß er in glücklicher, nicht kinderloser Ehe gelebt habe. Seinen Gönner, den Landgrafen Hermann (gest.
April 1217), scheint er nicht lange überlebt zu haben. - Wolfram war der letzte ungebildete große Dichter
der Weltlitteratur; er konnte nach seiner vielleicht übertreibenden Aussage weder lesen noch schreiben; doch wurde ihm durch
Vorlesen und Übersetzen eine nicht geringe Menge deutscher, franz. und auch lat.
Litteratur zugänglich, die er im Gedächtnis festhielt.
Außer acht Liedern, meist sog. Tageliedern, Balladen von leidenschaftlicher Glut, hat er nur Epen gedichtet.
Das älteste und bedeutendste ist der Parzival (s. d.), zwischen 1200 und 1210 gedichtet und stückweise (zuerst 6 von 16 Büchern)
veröffentlicht. In ihm verbindet sich die Sage vom heil. Gral (s. d.), der bei Wolfram der Inbegriff alles Menschenglücks ist,
mit einem kelt. Märchen vom glücklichen, schönen und guten Dümmling (Naiven), der schließlich das
Glück erwirbt, und mit den Sagen von Artus' Tafelrunde. Wolfram beruft sich auf ein franz. Gedicht des Provençalen Kyot; aber sein
Bericht ist so widerspruchsvoll und abenteuerlich, daß es mehr als wahrscheinlich ist, er habe diesen Kyot nur erfunden. (Vgl.
Zarncke in den «Beiträgen zur Geschichte der deutschen
Sprache und Litteratur», Bd. 3, Halle 1876.) Dagegen benutzte er sicher den unvollendeten «Perceval»
des Chrétien de Troyes; aber er gestaltete ihn mit selbständiger Künstlerhand um und fügte eine Einleitung in zwei Büchern
hinzu, die Parzival an das Geschlecht von Anjou anknüpft (vielleicht ein Kompliment für Otto IV., der mütterlicherseits
mit den Anjous verwandt war), sowie einen Schluß von vier Büchern, der den christl. Gralsritter Parzival mit dem Weltkinde
Gawan, dann mit seinem Halbbruder, dem Heiden Feirefiz, kämpfen, endlich die Gralskrone erwerben läßt und die Sage von Lohengrin
(s. d.) anschließt. Ein Vergleich mit Chrétiens flachem Abenteuerroman (vgl. Kupp in der «Zeitschrift
für deutsche Philologie», Bd. 17) lehrt, wieviel höher W.s eminent
symbolische Dichtung steht.
Aus dem bunten, liebenswürdigen, aber äußerlichen weltlichen Rittertum, dessen Hauptvertreter Gawan ist, hebt sich Parzivals
Gestalt bedeutend hervor, der sich aus naiver Kindlichkeit durch Glück und Pein, ja durch den Zweifel
an Gott selbst dank seiner staete (Beharrlichkeit des Charakters) zum Ziele durcharbeitet; der Sieg der reinen Menschlichkeit
über den Unterschied von Religionen und Rassen, der Sieg des Herzens, des Mitgefühls über gesellschaftliche Konvention, das
Lob treuer Ehe sind Themata, die Wolfram allein schon damals so warm verficht: und das alles ist mit einer kühnen
Sprachgewalt, einem bald liebenswürdigen, bald grotesken Humor, einem Reichtum lebendigster Anschauung, einer Macht der Charakteristik
so interessant und packend dargestellt, daß man dem genialen Manne übermütige Geschmacklosigkeiten gern verzeiht.
Eine Episode desselben Stoffs, die Liebe Schionatulanders und der Sigune, behandelt der sog. «Titurel» in zwei Liedern,
deren künstliche Strophenform, die Titurelstrophe, aber nur dem Glanz der lyrischen Partien günstig war; sie erfuhren 50-60
Jahre später im «Jüngern Titurel» eine ungeheure, gelehrte Fortsetzung, die unter W.s Namen viel Bewunderung und Nachahmung
fand.
Auch sein drittes Epos, der unvollendete «Willehalm» (vgl.
San-Marte, Über Wolframs Rittergedicht Wilhelm von Orange, Quedlinb. 1871),
der die Kämpfe des heil. Wilhelm von Orange gegen die Heiden und episodisch die Schicksale seines Schwagers, des kindlichen,
aber ungeschlachten Naturburschen Rennewart, in freiem Anschluß an die franz. chanson «La
bataille d'Alichanz» (hg. von Rolin, Lpz. 1894) erzählt, wurde später durch Ulrich von Türheim und Ulrich von
dem Türlin fortgesetzt; auch an diesem Stoffe fesselte Wolfram die menschliche Lösung des Gegensatzes von Christen und Heiden.
W.s originelle gedankenschwere Dichtung wurde von Gottfried von Straßburg im «Tristan» als seltsam und dunkel verspottet. Aber
die Nachwelt urteilte alsbald anders: «Laienmund nie baß gesprach», sagt
schon sein Zeitgenosse Wirnt von Grafenberg, und im Wartburgkrieg ist Wolfram das Urbild ungelehrter
Gottesweisheit im Gegensatz zu dem Zauberer Klinschor und dem Teufel selbst.
Eine meisterhafte Ausgabe der Werke veranstaltete Lachmann (Berl. 1833; 5. Ausg. 1891);
eine Auswahl gab Piper (in Kürschners «Deutscher Nationallitteratur», Stuttg. 1891 fg.),
den «Parzival» und «Titurel» Bartsch
mit Anmerkungen heraus (3 Bde., 2. Aufl.,
Lpz. 1875-77). Den «Parzival» übersetzten Simrock (Stuttg. 1842; 6. Aufl. 1883),
San-Marte (2 Bde., 3. Aufl., Halle 1886),
Pannier
(in Reclams «Universalbibliothek») und auszugsweise Bötticher (2. Aufl., Berl. 1893),
französisch Grandmont; den «Willehalm»
San-Marte (Halle 1873). -
Vgl. G. Bötticher, Die Wolframlitteratur seit Lachmann (Berl. 1880);
San-Marte,
Leben und Dichten W.s von Eschenbach (2 Bde., Magdeb.
1836-41);
Kant, Scherz und Humor in W.s Dichtungen (Heilbr. 1878);
Bötticher, Das Hohelied vom Rittertum (Berl. 1886);
Sattler,
Die religiösen Anschauungen W.s von Eschenbach (Graz 1895);
Panzer, Bibliographie zu Wolfram von Eschenbach (Münch. 1897).
Richard Wagners Bühnenweihfestspiel «Parsifal» veranlaßte
eine umfängliche Litteratur, die meist auch W.s Gedicht in Betracht zog.