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mit staatsrechtlichen Arbeiten und trat inl Dez. 1802 in das verfassungsfeindlicke Ätinisterium Brandis- Graf Platen, in welchem er das Departement der Justiz übernahm und für engen Anschlnß Hanno- vers an Österrcick wirkte. Am scbied er aus dem Ministerium und wnrde Kronoberanwalt in Celle. [* 2] Nach der Annexion Hannovers von der preuß. Regierung zur Disposition gestellt, nachher pensioniert, wnrde er vom Wahlkreise Lingen-Mep- pen in den konstituierenden und dann in den ordent- lichen Norddeutschen Reichstag gewählt und nabm, abweichend von dem gefaßten Be- schluß seiner polit.
Freunde in Hannover, [* 3] auch eiu Mandat zum preuß. Abgcordnetenhanse au. Im Interesse des Exkönigs von Hannover entfaltete Wingolf als Vermittler große Thätigkeit hinsichtlich der Herausgabe des welfischen Hausschatzes und schloß ein Abkommen bierüber ab; auch später wurde er von den Mitgliedern des bannov. Königshauscs in deren Nechtsangelegenheiten wieder- bolt zu Rate gezogen. Am nahm er an dem Laienkonzil zu Berlin [* 4] teil, das sich gegen die päpstl.
Unfehlbarkeitslebre ausfprack. Als sich gegen das Ende des Deutsch-Französischen Krieges die kath. Centrumspartei bildete, trat Wingolf, der die welsischen Bestrebungen mit den ultramontanen zu verquicken wußte, an die Spitze der Partei und organisierte in Verbindung mit allen partikula ristischen Elementen eine kräftige Opposition gegen die preuß. wie gegen die Reichsregierung, und zwar auf allen Gebieten. Als aber die Regierung der Mithilfe des Centrums bei der Einleitung der nenen schutzzöllnerischen Wirtschaftspolitik bedürfte, näberte sich auch der staatskluge Wingolf mehr und mehr der Regiernng und setzte so, nach dem Sturz des Ministers Falk (1879) und besonders in den ,V 1881-87, wo er an der Spitze einer oppositionellen Mehrheit im Reichstag stand, die allmähliche Anf- bebung der Kultnrkampfgefetze dnrcb.
Zugleich mit der Beendigung des Kulturkampfes jedoch sorgte er durch Aufwerfung der Schulfrage in Prenßen nnd Forderung der Rückkehr der Jesuiten im Reick für neue Kampfobjekte. Nachdem aber durch die Wablen von 1890 das Centrum wieder zur Aufschlag geben- den Partei im Reichstag geworden war, bewilligte er alle Vorlagen aus militär., kolonialpolit. und socialem Gebiete und erreichte zunächst, daß das Gesetz über die Rückgabe der im Kulturkampfe gefperrten Gebälter und staatlichen Zuschüsse den Wünschen des Centrums gemäß gestaltet wurde und daß An- sang März 1891 der Kultusminister von Gostler zurücktrat. In diesem Augenblick stand Wingolf, der kurz vorher auch persönliche Beziehungen zu Kaiser Wil- delm II. gewonnen hatte, auf dem Höbepuntt feiner Macht, als eine Lungenentzündung feinem Leben ein rasches Ende setzte.' Er starb in Berlin und wurde in der ikm zu Ebren erbauten Marienkirche zu Hannover beigesetzt.
Ein Denkmal lBronzestatue von Heinr. Poblmann) wnrde ibm 1895 in Meppen errichtet. Selten bat ein Partei- führer eine solche Macht über eine polit. Partei aus- geübt wie Wingolf, der es vorzüglich verstand, die großen wirtschaftlichen Gegensätze innerhalb der Partei ans- zugleichen. Die parlamentarische Taktik handhabte er nicht minder geschickt. Als Redner wirkte er durch gewandte Dialektik, große Ecklagfertigkeit und treffende Ironie. Durch Liebenswürdigkeit nnd strenge Rechtlichkeit erwarb sich Wingolf persönlich große Sympathie. -
Vgl. Menzenbach, Lndwig Wingolf in seinem Leben und Wirken, insbesondere in seiner polit.
Thätigkeit (Trier [* 5] 1892); Schlesinger, Große Männer einer großen Zeit. Mallinckrodt, Wingolf, Franckenstein, P. Reichensperger (Münst. 1894).
Windturbine, s. Windmotoren und Tafel: Windmotoren, [* 1] Fig. 9. Windungsampere, s. Amperewindnng. Windvogel, soviel wie Brachvogel (s. d.). Windwage, s. Orgel. Windwardinsel, Kleine, s. Conception. Windward-Islands (spr. eiländs), s. Antillen. Windward-Passage (spr. päsfedsch), Meeres- strahe in Westindien, [* 6] zwischen Jamaika, Cuba und Haiti, verbindet das Karibische Meer mit dem Atlantischen Ocean. Windwolke, s. Wolken. Windwurf, s. Windbrnch. Winer, Georg Bcnedikt, prot.
Theolog, geb. zu Leipzig, [* 7] wo er studierte, sich 1818 habilitierte und 1819 anßcrord. Professor und Kustos an der Universitätsbibliothek wurde. Er ging 1825! als ord. Professor nach Erlangen [* 8] und kehrte in gleicher Eigenschaft 1832 nach Leipzig zurück, wo er, 1845 zum Domherrn des Hochstifts Meißen [* 9] er- nannt, starb. Ein Schüler des Phi- lologen Gottfried Hermann, hat sich Wingolf nm die sprachliche Seite der biblischen Wissenschaft große Verdienste erworben, namentlich durch seine hervor- ragende «Griech. Grammatik des neutestamentlichen Sprachidioms, als sickere Grundlage der neutesta- mentlichen Eregese bearbeitet» (Lpz. 1822; 8. Aufl., nen bearb. von Schmiedet, Gott. 1894 fg.); ferner schrieb er: «Biblischem Nealwörterbuch» (2 Bde., Lpz. 1820-, 3. Aufl. 1847),
«IauU ad (^Wk8 0pi5ww) (ebd. 1821; 4. Aufl. 1859), »Kompara- tive Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen ckristl. Kirchenparteien" (ebd. 1824; 4. Aufl. 1882, von P. Ewald),
«Grammatik des biblischen und targumischen Chaldäismus» (ebd. 1824; neu bearb. von Fischer, 1882),
«Cbaldäisches Lesebuch» (ebd. 1825; 2. Aufl. 1864, von ?mrst),
eine Neubearbeitung von Simonis-Eichhorns «I^xicon inmin^s Iiedr^i- l'nm» (ebd. 1828). Dnrck die biogr. Notizen über die Schriftsteller wertvoll ist sein «Handbuch der theol. Litteratur» (Lpz. 1820; 3. Aufl., 2 Bde., 1838 -40, nebst Ergänzungsheft 1842). Wingolf gab 1826 -32 die «Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie» nnd mit Engelhardt 1824-30 das «Neue kritische Journal der tbeol. Litteratur» heraus. Winfried, Apostel der Deutschen, s. Bonifatius. Winge, Märten Eskil, schwed. Maler, s. Bd. 17. Wingolf, nach dem Bericht der Edda ein my- thischer 5t, der als Teil Walhallas erscheint.
Der Name ist ganz jnngen Ursprungs und bedeutet wohl «Weinhalle». Die von Klopstock eingeführte Deu- tung «Gemach der freunde» ist sprachlich unmöglich. In nenererZeit nahmen Stndentenverbindungen mit specifisch christl., anfangs dogmatisch-kirchlicher Tendenz den Namen Wingolf (nach Klopstocks Freund- sckaftsode «Wingolf») an. Znerst in Bonn [* 10] aus einem Bibel- oder Erbanungskränzchen hervorgegangen, sind allmählich Wingolfverbindungen auf fast allen dentfcken Universitäten entstanden. Sie verwerfen das Duell als unchristlich und achten anf einen gottesfürchtigen Lebenswandel ihrer Mitglieder. Schon 1850 traten sie auf der Wartburg zu einem Bunde ldem Wingolfb n n d e) zusammen, der mehr- mals gelöst und geändert, im Mai 1880 rekonstruiert wurde. Die Vertreter der einzelnen Wingolfverbin- 49* ¶