Steueramtes, hat (1895) 5618 E., darunter 47 Katholiken, Postamt zweiter
Klasse,
Telegraph,
[* 2] evang. Stadtkirche, ein Schloß
(Tenneberg, 1392) auf dem Burgberg, jetzt Sitz der
Behörden, Rathaus, zwei
Bürgerschulen, Gewerbeschule, Mädchenpensionat,
Bezirkskrankenhaus, Hospital,
Gasanstalt, Wasserleitung,
[* 3]
Gewerbebank; bedeutende Fabrikation von
Spielwaren aus
Papiermaché,
Fleisch- und Wurstwaren,
Pfeifen und Cigarrenspitzen, Tierfiguren, Alabasterwaren, Schläuchen,
Bürsten
und Papier, Gerbereien und Mühlen;
[* 4]
Handel mit
Spielwaren und
Fleischwaren. Nahebei Schnepfenthal (s. d.).
(spr. wóllthämm),Stadt im County Middlesex im nordamerik.
Staate Massachusetts, 16 km westlich von
Boston,
[* 5] links am Charles-River und an zwei
Bahnen, hat (1890) 18707 E., die bekannte große Waltham-Taschenuhrenfabrik, welche 1854 errichtet,
zuerstUhren
[* 6] mit Hilfe von
Maschinen herstellte, zwei
Baumwoll- und Bleichwerke, Eisengießerei,
[* 7]
Papiermühle,
Fabrikation von Schmirgelrädern, Wagen u. s. w.
HolyCroß (spr. wólltämm), angelsächs. Wealdham, Stadt in der
engl.
Grafschaft Essex, links am Lea, an der Linie
London-Cambridge der Great-Eastern-Eisenbahn, hat (1891) 6066 E., eine teilweise
erneuerte Abteikirche, in welcher der letzte angelsächs. König Harald
begraben liegt;
genauer Waltharius manu fortis, eine lat.
Dichtung, die etwa 930 in Hexametern als
metrische Schulübung von dem St.
Galler Mönche Eckehart Ⅰ. (s. d.; gest. 973)
gedichtet und später von einem Mönche desselben
Klosters, Eckehart Ⅳ. (gest. um 1060), zum
Teil überarbeitet wurde. Die
Dichtung, die im letzten
Grunde sicher auf deutsche allitterierende Lieder zurückgeht, gehört dadurch trotz christl.
und gelehrter Einschiebsel zu den wichtigsten
Quellen für die
Kunde der alten deutschen
Heldensage.
Sie berichtet, wie ihr
Held, der vergeiselte Königsohn
Walther vonAquitanien, bei
Attila weilt, wie er mit Hildegunde, der
Tochter König
Heinrichs von
Burgund flieht, und wie er auf dem Wasgenstein
(d.
i. den
Vogesen) gegen den habgierigen König
Gunther und seine Recken siegreich kämpft. Dem Dichter, der
Virgil besonders plündert, glückt der einheitliche
Aufbau des
Ganzen und der wilde volksmäßige
Humor der Einzelkämpfe wunderbar gut. Der Waltharius wurde herausgegeben von Peiper (Berl.
1873), mit
Übersetzung von Scheffel und
Hölder (Stuttg. 1874), übersetzt von P. von Winterfeld (Innsbr.
1897). Von einem angelsächsisch allitterierenden und einem strophischen mittelhochdeutschen Walthergedicht
des 13. Jahrh. sind nur Bruchstücke da. In der
Thidrekssaga, die aus niederdeutschen
Quellen schöpft, und, wie es scheint,
in dem mittelhochdeutschen und bruchstückweise erhaltenen Gedicht von
Walther aus dem 13. Jahrh. mußte
Walther seinen Raub
gegen die verfolgenden Hunnen, unter ihnen
Hagen,
[* 9] verteidigen.
Auswüchse der
Walthersage zeigt die poln.
Version von Walczerz wdały, die neben alten Zügen ganz junge Motive enthält. –
Vgl. Müllenhoff (in der «Zeitschrift
für deutsches
Altertum», Bd. 12, S. 264);
vonderVogelweide, mittelhochdeutscher Dichter, wurde um 1165‒70 geboren, wahrscheinlich in
Österreich
[* 11] (nach
anderer
Ansicht in der Gegend von
Bozen),
[* 12] aus niederm Adelsgeschlecht, lernte in
Österreich, wo Reinmar der
Alte gefeierter
Modedichter war, «singen und sagen». Als sein junger
Gönner,
HerzogFriedrich der
Katholische, auf
einer Kreuzfahrt starb, verlor Walther von der Vogelweide seine bis dahin sehr günstige
Stellung in
Wien und begann ein Wanderleben, das ihn von der
Seine bis zur Mur, vom Po bis zur
Trave brachte. Im Dienste
[* 13] König Philipps besang er im Sept. 1198 dessen Krönung; im nächsten
Jahre erscheint er in seinem oder im Gefolge
Hermanns von
Thüringen auf dem Weihnachtsfest zu
Magdeburg.
[* 14]
Damals etwa wird er am
ThüringerHofeWolfram von
Eschenbach, später in Meißen
[* 15]
Heinrich von Morungen kennen gelernt haben.
Schon im Mai 1200 und nach urkundlichem Zeugnis im Nov. 1203 war er wieder in
Österreich und machte vergebliche
Versuche in
Wien, bei
HerzogLeopold dem Glorreichen dauernde
Aufnahme zu finden. Von neuem bot ihm der
Thüringer und zeitweise
der meißnische
Hof
[* 16] eine Zuflucht (etwa 1203 bis
Sommer 1211). Als der Papst den einst begünstigten
KaiserOtto Ⅳ., der nach
Philipps
Tode allgemein anerkannt war, in denBann that
(Frühling 1211), loderte W.s Zorn gegen
Roms treulose
Politik auf; für
Otto sang er seine mächtigsten, leidenschaftlichsten, polit.
Sprüche, die nach dem Zeugnis eines Zeitgenossen Tausende dem Papste abwendig machten. Aber schon im Herbst 1213 ging
Walther von der Vogelweide, dessen innerste Neigung immer den
Staufern gehörte, mit der egoistischen Sorglosigkeit des Fahrenden
von dem geizigen
Welfen zu
Friedrich Ⅱ. über, der ihn durch ein kleines
Lehn belohnte.
Neue Wanderungen führten ihn nach
Kärnten,
Aquileja,
Mödling,
Tegernsee, besonders nach
Österreich (Anfang 1217), wo er bis etwa 1220 blieb und den vom Kreuzzug
heimkehrenden
Herzog begrüßte. Im
AuftrageFriedrichs Ⅱ. und seines nächsten
Rates, des Erzbischofs
von Köln,
[* 17] spätern Reichsverwesers Engelbert, dem Walther von der Vogelweide sehr nahe stand, war er dann für die
WahlHeinrichs Ⅶ. und für den Kreuzzug thätig; dagegen ist er wohl nicht der Erzieher des jungen Königs
Heinrich gewesen.
Nach 1220 ward ihm zum Dank ein neues reicheres
Lehn zuWürzburg
[* 18] zu teil, das dem armen Sänger endlich
gesicherte Existenz gab. Engelberts Ermordung beklagte er in zorniger
Trauer auf dem
NürnbergerTage (Nov. 1225). Noch einmal
erhob er grollend seine
Stimme, als wiederum
Rom
[* 19] seinen
Kaiser bannte (Nov. 1227); aber sein Pathos mischt sich mit elegischen
müden
Tönen. Den Kreuzzug von 1228 hat er nicht mitgemacht. Er starb um 1230, wahrscheinlich in
Würzburg,
wo er im neuen
Münster
[* 20] begraben sein soll.
Walther von der Vogelweide dichtete Lieder und
Sprüche. Er begann im
Geschmack Reinmars des Alten mit modischen, reflektierenden Liebesliedern; als
er aber genötigt war, sich an den
Höfen und auf der
Straße sein
Brot
[* 21] zu ersingen, da überwand er das
adlige Vorurteil, dem nur das höfische Minnelied und der Ritterroman standesgemäß schien. Dadurch, daß er die vollendete
Kunstform der höfischen Dichter mit der erquickenden Frische des
Volksliedes, mit dem ausgelassenen
Humor der Vagantenlyrik
verband, schuf er unerreichte
Perlen des
Minnesanges, so das berühmte Lied «Unter der
Linde».
Deutschlands
[* 22] Lob sang er
¶
mehr
in dem Liede «Ihr sollt heißen willekommen» mit demselben glühenden Patriotismus, der ihn in seiner polit. Dichtung zum Kampf
gegen das welsche Rom trieb. Die demagogische Macht seiner polit. Sprüche, die er mit allen Künsten rücksichtslos leidenschaftlicher
Rhetorik ausstattete, machte den armen Dichter zu einem begehrten Bundesgenossen des Kaisertums in seinem
Weltkampfe. Daß Walther von der Vogelweide, obwohl Gegner Roms, nicht unfromm war, beweist sein kunstvoller, farbenprächtiger Leich; freilich fehlt
es sonst nicht ganz an frivolen und trotzigen Äußerungen. Auch in seinen Klagen über persönliche Not, seinen Lob- und
Scheltsprüchen, seinen Bitten und Drohungen an Gönner tritt eine sichere, des eigenen Wertes bewußte
Männlichkeit hervor. Lehrhaften Betrachtungen über Minne und Zucht widmet er geistvolle, belebte Lieder; schwächer ist
die allgemeine Sittenlehre seiner Sprüche.
Ohne große Schule zu machen, galt er doch der Zeit, wie uns das UrteilGottfrieds von Straßburg
[* 24] beweist, als erster Meister
der Lyrik. Im Wartburgkrieg (s. d.) spielt er eine Rolle,
die Meistersinger nahmen ihn unter ihre zwölf alten Meister auf, und Hugo von Trimberg rief ihm nach: «Herr Walther von der Vogelweide von der Vogelweide,
wer des vergäß, der thät’ mir leide.» Im 16. Jahrh. hat Goldast manches von ihm veröffentlicht; im 18. Jahrh. verfaßte
Gleim «Gedichte nach Walther von der Vogelweide von der Vogelweide» (Halberst. 1779); dauernd wurde sein Andenken neu
belebt durch Uhlands schönes Buch «Walther von der Vogelweide von der Vogelweide, ein altdeutscher Dichter» (Stuttg. 1822; neu gedruckt in Uhlands«Schriften
zur Geschichte der Dichtung und Sage» und im 1. Bd. der Uhland-Ausgabe von FriedrichBrandes) und durch Lachmanns meisterhafte
kritische Ausgabe (Berl. 1827 u. ö.). Denkmäler wurden ihm errichtet in Würzburg, Innsbruck
[* 25] und Bozen
Neben Lachmanns Ausgabe sind zu nennen die vortreffliche von Wilmanns (2. Aufl., Halle
[* 26] 1883), von Pfeiffer (Lpz. 1864 u. ö.)
und von H. Paul (Halle 1882 u. ö.). Die beste Übersetzung ist noch immer die von Simrock (Berl. 1833 u. ö.); andere
von Pannier (in Reclams «Universalbibliothek») und von AdalbertSchröter (Jena
[* 27] 1881); einzelne Gedichte in Samhabers «Walther von der Vogelweide von
der Vogelweide» (Laibach
[* 28] 1882). Die umfängliche Litteratur stellte zusammen Leo (Wien 1880). Von Biographien vgl. außer UhlandsBuch: Menzel, Leben W.s von der Vogelweide (Lpz. 1865);