Turkis Sohn Faißal ihn bald wieder stürzte. Aber auch Faißal mußte (1832) die Flucht ergreifen, als der ägypt.
General Khurschid Pascha in
Arabien einrückte. Ein großer
Aufstand brachte Faißal wieder auf den
Thron,
[* 2] aber er wurde von
Khurschid gefangen genommen und in
Ketten nach
Ägypten
[* 3] geschickt, wo er bis zum Regierungsantritt des
Abbâs Pascha eingesperrt blieb. Um diese Zeit entkam er von neuem. Er soll um 1870 gestorben sein. Sein Sohn
Abdallâh folgte
ihm in der Regierung; ihn verdrängte später sein
Bruder Saûd. Das Gemeinwesen der Wahhâbiten mit der dasselbe charakterisierenden
religiösen und socialen
Richtung besteht noch heute auf seiner ursprünglichen puritanisch-zelotischen
Grundlage. An
Umfang ist das
Reich der Wahhâbiten auf seine nedschdische
Heimat eingeschränkt, wo es noch 316 Ortschaften im
Umfang
von 523098 qkm mit etwa 1133000 Seelen umfassen mag. -
AußerArabien ist der Wahhâbismus als religiöses
System auch nach
Indien eingedrungen. Gegen 1826 verkündete Sejjid
Ahmed (geb. 1786 in
RaiBareli in der
Provinz Oudh) die
religiösen Principien der Wahhâbiten und predigte den Religionskrieg gegen die Sikh. Sein
Schüler und Genosse Mohammed Ismail (geb. 1781 in
Dehli) gab der neuen
Lehre
[* 4] weitere
Begründung in seinen Werken: «Stärkung des
Glaubens» (Takwijat al-îmân) und «Der gerade
Weg» (Sirât mustakîm). Im südl.
Indien ist das
Bekenntnis der Wahhâbiten noch heute vertreten. -
Vgl. Histoire
des Wahabis depuis leur origine jusqu’à la fin de 1809 (Par. 1810);
Burckhardt,
Notes on the Bedouins and Wahabys (Lond.
1830; deutsch Weim. 1830-31);
Wahhâbiten G.
Palgrave, Narrative of a year’s journey through
Central and Eastern
Arabia 1862-63 (2 Bde., Lond. 1865;
deutsch, 2 Bde., Lpz. 1867-68);
und
Wahlrecht. Die Idee der Wahl ist, unter mehrern Befähigten den Geeignetsten in die zu besetzende
Stellung
zu berufen.
Schon im
Altertum erfolgte die
Stellen- und Ämterbesetzung vielfach durch Wahl; das kanonische
Recht hat für gewisse
Ämter das Wahlsystem mit Sorgfalt rechtlich ausgebildet.
In den Republiken erfolgt die Ernennung des
Staatsoberhauptes durch Wahl (s.
Frankreich
[Verfassung], ferner für die Nordamerikanische
Union s. Electoral College; die
evang.
Kirche, besonders der reform. Zweig derselben, besetzt in weitem
Umfange ihre
Ämter durch Wahl (s.
Synodalverfassung);
durch Wahl seitens der Domkapitel (s. d.) werden vielfach die Bischofsstühle
besetzt;
auf Wahl beruht der großartige
Aufbau der sog. Selbstverwaltung in der Neuzeit, insbesondere in
Preußen
[* 6] seit 1872 (s.
Kreisordnung und Provinzialordnung), für die
Städte schon aus früherer Zeit (s.Städteordnung);
durch
Wahl erfolgt die
Berufung in die zahlreichen Interessenvertretungen und deren Organe, wie
Handels- und Gewerbekammern (s. d.),
Innungen (s. d.),
Landwirtschaftskammern (s. d.)
u. dgl. Ganz besondere Bedeutung aber haben in unsern
Tagen, unter der Herrschaft
des konstitutionellen Princips, die Wahlen für die staatlichen
Volksvertretungen, in denen gleichsam die öffentliche Meinung
zu einem in den wichtigsten Staatsangelegenheiten entscheidenden und nebenbei kontrollierenden, anregenden
Organ verfassungsmäßig geordnet erscheint.
Zur
Bildung dieses Organs bedarf es der Wahlen durch das
Volk, und je mehr unsere
Zeit in dem konstitutionellen Organismus
das wichtigste
Mittel der aktiven Bethätigung der staatsbürgerlichen Persönlichkeit
erkennt, eine um so größere Bedeutung mußten natürlich die
Wahlgesetze erhalten, welche auch, in ihrer
Stetigkeit wie in ihrem Wechsel, die
Dauer und den Wechsel der herrschenden polit.
Richtung reflektieren. Bisweilen ist ihnen
sogar der Charakter von Verfassungsgesetzen beigelegt worden.
Als wichtigste Differenzpunkte der verschiedenen
Wahlgesetze dürften erscheinen:
1) ob die Wahl auf dem allgemeinen
Stimmrecht (frz. suffrage universel) beruht, von dem nur Frauen (s.
Frauenfrage), Bevormundete, Verbrecher ausgeschlossen sind, oder ob die Wahl außer vom Staatsbürgerrecht noch von andern
Gesichtspunkten, so besonders von einem Vermögens- oder Bildungscensus abhängig gemacht ist;
2) ob die Wahl sich direkt auf die Bezeichnung der für die
Stelle zu berufendenPerson richtet oder ob
zuerst
Wahlmänner bestellt werden, durch die sodann die wirkliche Wahl zu geschehen hat (direkte oder indirekte Wahlen);
3) ob die Wahl geheim, durch verdeckte Stimmzettel oder öffentlich, sei es mündlich, sei es zu
Protokoll erfolgt. Zur bessern
Sicherung des Wahlgeheimnisses hat man in
Australien
[* 7]
(Australisches System) und vielen nordamerik. Einzelstaaten
vor dem Wahllokal einen kleinen Raum hergerichtet, in dem der einzelne Wähler seinen Stimmzettel in eins der dort befindlichen
amtlichen Couverts stecken kann. Als typisch für diese Unterschiede dürfen das
Wahlrecht zum
DeutschenReichstag einerseits,
zum preuß. Abgeordnetenhause andererseits betrachtet werden.
Zum
DeutschenReichstag wählen können alle selbständigen männlichen Reichsangehörigen, welche das 25. Lebensjahr
zurückgelegt haben, wenn sie nicht in Konkurs, unter
Vormundschaft oder in der durch strafrechtliches
Urteil erkannten bürgerlichen
Ehrlosigkeit sich befinden, am Orte ihres Domizils. Behufs genauer
Kontrolle werden
vor der Wahl amtliche Wahllisten aufgestellt,
welche alle Wahlberechtigten ausweisen und das
Wahlrecht formell fixieren.
Ausgeschlossen vom
Wahlrecht sind aus
Gründen der militär. Disciplin Militärpersonen des aktiven Dienststandes, doch sind
dieselben wählbar. Die Wahl erfolgt in der
Weise, daß jede
Stimme gleichen Wert hat, der
Abgeordnete durch verdeckte Stimmzettel
direkt gewählt wird und mangels einer absoluten Mehrheit,
d. i. einer die Hälfte der gültig Abstimmenden
übersteigenden Zahl für einen Kandidaten, ein zweiter Wahlgang, engere oder
Stichwahl, zwischen den beiden Kandidaten stattfindet,
welche die höchste Stimmenzahl erreicht haben. Bei Stimmengleichheit in der engern Wahl entscheidet das durch den
Wahlkommissar
zu ziehende Los. Die Feststellung des Resultats erfolgt durch einen vom
Staat bestellten
Wahlkommissar, die definitiveEntscheidung
über die
Gültigkeit der Wahl durch den
Reichstag (s. d.) selbst. - Im Gegensatz hierzu besteht das preuß.
System aus zwei Wahlakten: der Wahlmännerwahl und der Abgeordnetenwahl. Der oder die
Abgeordneten des Wahlkreises werden gewählt
durch
Wahlmänner in öffentlichem Wahlakt unter Leitung eines staatlichen
Wahlkommissars. Die
Wahlmänner gehen hervor aus
Urwählerwahlen, die nach Maßgabe eines sehr komplizierten
Systems vorzunehmen sind. Das
Wahlrecht der
Urwähler beruht neben den oben für das
Wahlrecht zum
Reichstag angegebenen Erfordernissen auf einem sehr
¶
Über den Vorzug der einen oder der andern dieser Wahlarten wird gestritten. Der überwiegende Zug
unserer Zeit geht noch
nach möglichster Erweiterung der Wahlfähigkeit. Fast alle Kulturstaaten haben in den letzten Jahrzehnten neue Wahlgesetze
erlassen oder durchgreifende Revisionen der vorhandenen vorgenommen. Dabei hat neuestens das Problem
der sog. Minoritätsvertretung eine große Rolle gespielt (s. Pluralwahlsystem,
Proportionalwahlsystem, Listenskrutinium) und zu Versuchen veranlaßt, z. B. in Belgien
[* 9] und Österreich.
[* 10]