forlaufend
427
Gemeinden. Im Kanton [* 2] geboren sind 202 582, in der übrigen Eidgenossenschaft 30 659, im Anslande 14414; Bürger ihrer Wohngemeinde sind 86 847, einer andern Gemeinde des Kantons 96 867, eines andern Kantons 46070, Ausländer 17 871. Der Muttersprache nach sind 218 358 Franzosen, 23 873 Teutsche, 3398 Italiener, 49 Romanen und 1977 andere. Die Zahl der Geburten (einschließlich Tot- geburten) betrug (1894) 7087, der Eheschließungen 1975, der Sterbefälle 5593. L and- und Forstwirtschaft.
Von der Fläche sind 2737,8 cikm, d. i. 84,7i Proz., produktives Land: 726,6 qkiu Waldungen, 65,7 Rebland und 1945,5 Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland. Von dem unproduktiven Lande sind 11,2 ^m Glet- scher, 405,5 Seen, 15,? Städte und Dörfer, 3,0 Flüsse [* 3] und Bäche, 29,5 Schienen- und Straßcnwege und 2,5 Felsen und Schutthalden. Haupterwerbsquellen sind Acker- und Weinbau, in den Alpen [* 4] und im Jura Alpwirtschaft. Die eigentliche Zone des Ackerbaues ist die Hochebene des Gros de Vaud zwischen den Seen.
Der Weinbau liefert namentlich zu L)vorne und Aigle im Rhönethal und am Genfer ^ee (Lavaur und Lacöte) geschützte Weihweine. Tabak [* 5] wird an der Broye, bei Payerne und Avenches gebaut. Nack der Zählung von 1896 besitzt der Kanton 15728 Pferde, [* 6] 99020 Stück Rindvieh, 61948 Schweine, [* 7] 19755 Schafe, [* 8] 18223 Ziegen, 25826 Bienenstöcke. Der Bergbau [* 9] liefert Kochsalz bei Ber, Marmor bei St. Triphon im Rhönethal, Braunkohlen im Lavaur, Bau- und Mühlsteine [* 10] am Iorat und im Jura.
Die Gegenden um deu Murten- und Neuenburger See sind reich an Torf. Von Mineralquell en sind die Schwefelthermen von Lavey und die Schwefelquellen von Alliaz und Dverdon zu erwähnen. Die Indu- strie, welche 27 Proz. der Bevölkerung [* 11] ernäbrt, ist vorzugsweise im Jura zu Hause und liefert Uhren [* 12] (Val de Ioux), Musikdosen (Ste. Croir), Eisenwaren (Vallorbe); außerdem sind zu erwähnen die Cigar- renfabrikation von Granson und Vevey, die Echoko- ladenfabrikation von Lausanne [* 13] und Vevey und die Milchverarbeitung von Vevey.
Dem Handel und Verkehr dienen die Kantonalbank, die Hypothekar- kasse und zahlreiche Privatbanken, ein reich entwickel- tes Straßen- und Eisenbahnnetz und die Dampfer- linien der Seen. Die Hauptausfuhrartikel sind Wein, Vieh, Käse, Holz, [* 14] Uhren, Spielwerke und Cigarren. Eine wichtige Erwerbsquelle ist der Fremdenverkehr des Genfer Sees und des Waadtländer Alpenlandes. Als klimatische Kurorte sind besonders bekannt Mon- treux und seine Umgebung, Vex und die Ormont- thäler.
Die wichtigsten Ortschaften sind die Hauptstadt Lausanne, die Städte Vevey, Rolle, Nyon, Morges am Genfer See, Averdon am Neuenburger See, Moudon, Payerne und Avenches in der Hochebene. Verfassung und Verwaltung. Die Ver- fassung (vom ist repräsentativ-demo- tratych mit fakultativem Referendum und Initiative für Gesetze u. s. w. und obligatorischen: Finanzrefe- rendum für Ausgaben von mehr als 500000 Frs. Der Große Rat/je ein Mitglied auf 300 Stimm- berechtigte, vom Volke gewählt, ist gesetzgebende, der Regierungsrat, vom Großen Rate gewählt, voll- ziehende Behörde.
Die Staatseinnahmen betrugen 11890) 7,i33, die Staatsausgaben 6,99, die Staats- schulden 12,106, das Staatsvermögen 6,353 Mill. Frs. In administrativer Hinsicht zerfällt der Kan- ton in 19 Bezirke (s. oben). Jeder Wahlkreis besitzt ein Friedensrichteramt, jeder Bezirk ein Bezirks- gericht von fünf Mitgliedern. Letzte Instanz ist das Kantonsgericht; über Kriminalfälle urteilen die Ge- schworenen. Die Landeskirche ist reformiert; daneben besteht eine ebenfalls reformierte pietistische Freie Kirche den Bischöfen von Lausanne (Freiburg) [* 15] und Sitten. Für Unterricht sorgen (1892) 970 Primär- schulen mit 40255 Schülern und Schülerinnen, 160 Kleinkinderschulen, 6 Sekundärschulen mit 226 Schü- lern und Schulkindern, serner 3 Mittelschulen mit Anschluß an das Universitätsstudium, 19 Mittel- schulen ohne Anschluß an das Universitätsstudium, 2 öffentliche Lehrerbildungsanstalten, 4 gewerbliche und industrielle Schulen, 3 Fortbildungsschulen, endlich die Universität in Lausanne mit theol., jurist., mediz., pbilos. und mathem.-naturwissenschaftlicker Fakultät sowie eine höhere Industrieschule. In militär. Beziehung gehört der Kanton zu den Stammbezirken der 1. und 2. Division.
Das Wappen ist ein weiß-grün quergeteilter Schild [* 16] mit der goldenen Inschrift «I^idei-t6 6t ?Ätri6» im weißen Felde. Geschichte. Wie die vielen Pfahlbauten [* 17] der Seen beweisen, war die Waadt schon vor der Römer- zeit besiedelt; 58 v. Chr. kam sie mit dem übrigen Hclvetien unter die Herrschaft der Römer. [* 18] Im 3. und 4. Jahrh, mehrmals von Alamannen ver- wüstet, kam die Waadt im 5. Jahrh, an das burgund. Königreich und mit diesem 534 unter frank. Herr- fchaft, 888 an Hochburgund und 1032 an das Deutscke Reich.
Nach dem Aussterbcn der Zähringer (s. Zubringen) wurde sie, außer Lausanne, von Graf Peter von Savoyen erobert und blieb unter savoyischer Herrschaft bis zu den Burgunderkriegen (s. Schweiz, [* 19] Geschichte), in denen Bern [* 20] die Waadt er- oberte, aber wieder zurückgeben mußte, jedoch mit Frei- burg 1476 Orbe, Echallensund Granson als gemeine Herrschaft erwarb. Der Rest der Waadt kam 1536 durch Eroberung an Bern, wurde von da an durch ber- nische Landvögte regiert und völlig der Reformation gewonnen, die schon 1526 durch Farel und Viret teilweise eingeführt war.
Der Vcrfuch des Majors Davel (s. d.) 1723, die Waadt von der bernischen Herr- sckaft zu befreien, scheiterte an der Abneiguug der Bevölkerung in der privilegierten Hauptstadt, und erst 1798, als die Franzosen, durch Laharpe und andere Waadtländer gerufen, einrückten, riß sich das Land von Bern los und erklärte sich zu einem eigenen Freistaat, der Lem anischen Republik, die aber noch in demselben Jahre als Kanton Leman der Helvetischen Republik beitrat. Durch die Mediations- akte von 1803 wurde die Waadt, unter Herstellung des alten Namens, als selbständiger Kanton der schweiz. Eidgenossenschaft einverleibt und gab sich eine reprä- sentativ-demokratische Verfassung, die in demokratischem Sinne revidiert wurde.
Die schwankende Haltung der Behörden in der Frage der Iesuitcnausweisung führte 1845 zu einer unbluti- gen Revolution, wodurch die Regierung gestürzt und die Verfassung revidiert wurde. Als darauf viele Geistliche sich weigerten, eine polit. Pro- klamation der neuen Regierung von der Kanzel zu verlesen, wurden sie entlassen, und es bildete sich neben der Staatskirche noch eine «freie waadtlän- dische Kircbc» unter der Leitung Alex. Vinets (s. d.). Weitere Verfafsungsrevisionen, stets in demokra- tischem Sinne, fanden 1861,1872 (fakultatives Re- ferendum) und 1885 (Progressivsteuer) statt. In: I Sonderbundskriege 1847 stand die W. auf der ¶