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erhielt er 1778 durch Übernahme des Rektorats zu Otterndorf im Hannoverschen.
Des seiner Gesund- heit nachteiligen Klimas wegen verließ er 1782 Ottern- dorf und ging als Rektor nach Eutin. 1802 begab er sicb mit einem Ruhegehalt nach Jena, [* 2] wo ihn Goetbe vergebens zu balten suchte, und folgte 1805 einem Rufe als Professor nach Heidelberg. [* 3] Er starb zu Heidelberg. Am wurde sein Denkmal von Träger [* 4] (Bronzebüste auf einem Sockel von schwed. Granit) vor dem Eutiner Gymnasium enthüllt. Voß' schroffer, uubeugsamer Charakter offenbarte sich befonders in dem Kampfe, den er durch seinen Ausfatz «Wie ward Fritz Etolberg ein Unfreier?» (im «Sophronizon», 18 19, Heft 3) entzüudete, als sein Iugendfreuud Friedrich von Stolberg [* 5] zum Katholicismus übertrat.
Doch fetzt diefelbe harte Vernünftigkeit, die ibn hier ungerecht und un- duldsam machte, seiuem geistigen Horizont [* 6] überall enge Schranken.
Trotzdem dankt Wissenschaft und Kunst ihm vieles.
Besonderes Verdienst erwarb sich Voß auf dem Gebiete der Altertumswissenschaft, die er zum Teil in ganz neue Bahnen lenkte. So ist hervorzuheben, daft er in seinen Untersuchungen über die älteste Geograplüe die Zeiten und Momente der geogr. Kenntnisse unterschied, die Quellen sich- tete und eine Fülle von Auffchlüssen über den Ver- kehr und die Produktionen der alten Länder gab. In der Behandlung der Mythologie drang er, im Widerspruch gegen Hcyne, gegen den er seine scharfen «Mytholog. Briefe» (2 Bde., Königsb. 1794; 2. ver- mehtte Aufl., 3 Bde., Stuttg. 1827) richtete, auf strenge hiftor.
Methodik mit Beweis und kritischer Sichtung der Mythenstoffe, daher er nicht nur die Gewähr der Schriftsteller und den histor.
Fortschritt jedes Mythus, soudern auch einen naturgemäßen Gang [* 7] der Geistesentwickluna, von Homer an als leitendes Princip aufstellte. Im Gegensatz zu Creu- zer schrieb Voß seine «Antisymbolik», in der er die sym- bolisch-mystische Auslegung der antiken Mythologie bekämpfte.
Als Übersetzer entwickelte er eine außerordentliche formale Gewandtheit. Er war ein feiner Kenner des Versbaues und zwang in unermüdlichem Ringen die Sprache [* 8] überraschend in seine Gewalt;
zumal in körniger Kraft [* 9] und würdevoller Pracht hat er Hohes erreicht.
Den ersten Rang uuter feinen ver- schiedenen Übersetzungen behauptet entschieden die der Werke Homers (zuerst vollständig, 4Vde., Altona [* 10] 1793; 5. stark verbesserte Aufl., Stuttg. 1833).
Es wird indessen die erste Ausgabe der Odyssee (Hamb. 1781; Neudruck, hg. von M. Bernays, Stuttg. 1881) wegeu größerer Treue und Natürlichkeit den spätern vorgezogen.
Außerdem übersetzte er von alten Dich- tern den Virgil («Landbau», Eutin und Hamb. 1789; «Ländliche Gedichte», 4 Bde., Altona 1797-1800; «Werke», 3 Bde., Braunschw. 1799; 2. verbesserte Ausg. 1821),
«Ausgewählte Verwandluugen» des Ovid (2 Bde., Braunschw. '1798; 2. Aufl. 1829), die Werke des Hesiod und des Orpheus [* 11] (Heidelb. 1806), den Horaz (2 Bde., ebd. 1800; 2. Aufl., Vraunschw. 1821),
den Theokrit, Bion und Moschus (Stuttg. 1808),
den Tibull und Lygdamus (Heidelb. 18 M), den Aristophanes, mit erläuternden Anmerkungen von seinem Sohne Heinrich (3 Bde., Vraunschw. 1821), die «Sternerschcinungcn und Wetterzeichen» des Aratus (Heidelb. 1824),
den Homerischen «Hym- nus an Demeter» [* 12] (ebd. 1826) und den Properz (Vraunschw. 1830).
Auch gab er eine kritische Bear- beitung des Tibull nach Handschriften (Heidelb. 1811), fowie er fast sämtliche von den genannten Über- setzungen mit gediegenen kritischen und erläutern- den Anmerkungen ausgestattet hat.
Seine Über- setzungen der Schauspiele Shakespeares, die er zu- gleich mit seinen Söhnen Heinrich und Abraham vollendete (9 Bde., Lpz. und Stuttg. 1818-29), zeug- ten von der immer noch rüstigen Kraft des Greifes. Seine selbständigen Gedichte zeigen keine ur- sprüngliche Dichtertraft;
Härten, Schwulst und Plattheiten stören sehr oft;
aber auch in ihnen be- währt sich der männliche Geist des Dichters, seine nahe Fühlung mit Volksleben und Volksrede, ge- paart mit einem an der Antike geschulten Geschmack. Das beste waren die zum Teil niederdeutschen Idyllen (eine Auswahl derselben bietet Reclams «Universalbibliothek»),
zu denen auch sein berühm- testes Werk die «Luise» (Königsb. 1795; vollendete Ausg., Tüb. 1807; in der «Bibliothek der deutschen Nationallitteratur des 18. und 19. Jahrh.», mit Eiuleitung hg. von Gocdeke, Bd. 26, Lpz. 1869; auch in Reclams «Universatbibliothek») gehört. In ihr hat er Geist und Stil der antiken Idylle mit Nachklängen des Homerischen Epos auf deutsches Land- und Familienleben zu übertragen gesucht und bat damit glänzenden Erfolg errungen.
Voß' «Sämt- liche Gedichte» erschienen in 6 Bänden (Königsb. 1802; hg. von Abraham Voß, Lpz. 1835 u. ö.; eine Auswahl von Sauer in Bd. 1 des «Göttinger Dichterbundes» in Kürschners «Deutscher National- litteratur»).
Seme kleinern Schriften erschienen u. d. T. «Kritische Blätter, nebst geogr. Abhand- lnngen» (2 Bde., Stuttg. 1828).
Die «Briefe von Johann Heinrich Voß, nebst erläuternden Beilagen» (3 Bde., Halberft. 1829-33) sowie die «Anmertuu- gen und Randglossen zu Griechen und Römern» (Lpz. 1838) gab'Abraham Voß heraus. -
Vgl. Pau- lus, Lebeus- und Todeskunden über Johann Hein- rich Voß (Heidelb. 1826);
Herbst, Johann Heinrich Voß (2 Bde., Lpz. 1872-76).
Sein ältester Sohn Heinrich, geb. zu Otterndorf, studierte zu Halle [* 13] Philologie, wurde 1804 Lehrer am Gymnasium zu Weimar, [* 14] folgte 1806 feinem Vater nach Heidelberg als Professor der Philologie und unterstützte ihn in den Über- setzuugen des Aristophanes und Shakespeare.
Mit einer an Leidenschaft grenzenden Verehrung und Liebe schloß er sich in den letzten Jahren seines Lebens an Jean Paul an, der ihn zum Heraus- geber seines litterar.
Nachlasses bestimmte. Voß starb ledoch schon zu Heidelberg.
Seine Übersetzung des Aschylos, fortgefetzt von feinem Vater, erschien nach beider Tode (Heidelb. 1826). Der «Briefwechsel zwischen Heinrich Voß und Jean Paul» (Hoidclb. 1833) und die «Mitteilungen über Goethe und Schiller, in Briefen von Heinrich Voß» (3 Bde., ebd. 1833-38; auch in Neclaras «Universal- bibliothek») sind herausgegeben worden von seinem jüngern Bruder, Abraham Voß, geb. 1785 zu Eutin, seit 1810Professor am Gymnasium inRudolstadt,seir 1821 am Gymnasium in Kreuznach, [* 15] gest. zu Düsseldorf. [* 16]
Nach feinem Tode erschienen von ihm «Deutschlands [* 17] Dichterinnen» (Düsseld. 1848). Voß, Julius von, Schriftsteller, geb. iu Brandenburg, [* 18] trat 1782 in preuß. Militär- dienste und nahm 1793 als Lieutenant seinen Ab- schied. Er durchreiste dann Deutschland, [* 19] Frankreich, Schweden [* 20] und Italien [* 21] und lieft sich zuletzt in Berlin [* 22] nieder, wo er 1. Nov. 18Z2 an der Cholera starb. ¶
Voß,
Richard, Dichter, geb. zu Neugrape in Pommern, [* 23] widmete sich philos. Studien in Jena und München [* 24] und lebt jetzt teils in Frascati bei Rom [* 25] (Villa Falconieri), teils auf seinem Landsitz bei Berchtesgaden. 1882 wurde er zum Bibliotbekar der Wartburg ernannt. Von seinen Dramen, die meist in Reclams «Universalbibliothek» erschienen, seien genannt: «Savonarola» (Wien [* 26] 1878),
«Magda»'(Zür. 1879),
«Die Patricierin» (Frankf. 1881),
«Luigia Sanfelice» (ebd. 1882),
«Pater Modestus» (Lpz. 1883),
«Der Mohr des Zaren», nach einem Fragment von Puschkin (Frankf. 1883),
«Unehrlich Volk» (Dresd. 1885),
«Treu dem Herrn» (ebd. 1885),
«Alexandra» (ebd. 1886),
«Eva» (Lpz. 1889),
«Wehe den Besiegten» (ebd. 1889),
«Die neue Zeit» (ebd. 1890),
«Malaria» (ebd. 1891),
«Schuldig» (ebd. 1892),
«Unebenbürtig» (ebd. 1892),
«Der Zugvogel» (1892),
«Jürg Jenatsch» (1893),
«Zwischen zwei Herzen» (1893),
«Daniel Danieli» (1893),
«Arme Maria» (1894),
«Die blonde Kathrein», «Bei Sedan», [* 27] «Die Streberin», «Der König» (1895) u. a. Die Dramen von Voß zeugen von energischem Darstellungstalent, gehören aber zum Teil der Sensationsdramatik an. Den meisten Bühnenerfolg hatten «Die Patricierin», «Eva» und «Alexandra». Auf erzählendem Gebiete veröffentlichte er «Bergasyl» (Frankf. 1882),
«Röm. Dorfgeschichten» (ebd. 1884; 4. Aufl. 1897),
«Frauengestalten» (Bresl. 1879),
«.Helena» (Zür. 1874),
«Messalina» (ebd. 1881),
«Rafael» (Frankf. 1883),
«Rolla. Die Lebenstragödie einer Schauspielerin» (2 Bde., Lpz. 1883),
den Roman «Die neuen Römer» [* 28] (2 Bde., Dresd. 1885),
«San Sebastian» (Stuttg. 1883),
«Scherben, gesammelt vom müden Manne» (anonym; 1. Sammlung, 2. Aufl., Zür. 1884; Neue Folge 1879),
«Die neue Circe» (Dresd. 1885; 3. Aufl. 1889),
«Der Sohn der Volskerin» (Stuttg. 1885),
«Michael Cibula» (ebd. 1880),
«Die Auferstandenen» (Dresd. 1886),
«Kinder des Südens» (Stuttg. 1888),
«Dahiel, der Convertit» (ebd. 1888),
«Sabinerin» (ebd. 1888),
«Erlebtes und Geschautes» (Jena 1889; 2. Aufl. 1890),
«Nubia» (Stuttg. 1889),
«Novellen» (Berl. 1889),
«Der Mönch von Berchtesgaden» (Stuttg. 1891),
«Villa Falconieri» (ebd. 1895),
«Unter den Borgia» (Berl. 1897). Besonders anziehend sind Voß' Schilderungen des ital. Volkslebens und Volkscharakters. -
Vgl. K. Goldmann, Richard Voß (Berl. 1890).