in 124 Hexametern; die sog. «Catalecta» (oder
«Catalepta», d. h. Kleinigkeiten?),
eine Sammlung von 14 kleinen Gedichten gemischten
Inhalts. Indessen ist die Echtheit fast
aller dieser
Dichtungen, auch des «Culex» in der jetzigen Gestalt, bestritten; von
den größern hat das «Moretum» allein
Anspruch auf Virgilianischen Ursprung.
Als Dichter wurde Virgil im
Altertum und auch noch später vielfach überschätzt; die neuere Zeit urteilt nüchterner; doch stellen
Sprache
[* 2] und Versbau und der
Glanz derDarstellung in vielen Erzählungen in der «Aeneis» und
Schilderungen in den «Georgica»
den Virgil immer in die vorderste Reihe der klassischen Dichter. Kurz nach seinem
Tode waren seine Werke bereits
neben
Homer das beliebteste Schulbuch. Kommentatoren und
Grammatiker wie C. Julius
Hyginus,
Valerius Probus, Donatus,
Servius,
Macrobius u. a. erklärten ihn sachlich und sprachlich und beschrieben sein Leben.
Die Verse seiner
Dichtungen verwendete man in andern Zusammenstellungen zu neuen Gedichten (s.
Cento) und
benutzte sie sogar als Orakelquelle
(Stichomantie). Virgil selbst ward im Volksglauben zum Zauberer. (S.
Virgilius der Zauberer.)
Eins der ersten mittelhochdeutschen
Heldengedichte, die «Eneit» des
Heinrich (s. d.) von
Veldeke, ist einer altfranz.
Dichtung,
die auf der «Äneide» des Virgil beruht, nachgebildet, und überhaupt
ist Virgil für die
Dichtung des Mittelalters, namentlich der roman.
Völker, insbesondere auch für
Dante,
von größter Bedeutung. Damit steht im Zusammenhange, daß eine große Anzahl von Handschriften von Virgil erhalten
ist, darunter mehrere aus sehr früher Zeit, wie der Mediceus in
Florenz
[* 3] aus dem 5., der durch seine Miniaturen berühmte
Vaticanus
(Romanus) in
Rom
[* 4] aus dem 5. oder 4. Jahrh. Die ältesten
Blätter im
Vatikan
[* 5] sind sogar dem 2. Jahrh.
n. Chr. zugeschrieben worden. Sie stammen aus einer Handschrift mit Bildern.
Neuere
Ausgaben von Virgil besorgten außer vielen andern: Heyne (4. Aufl. von
Wagner, 5 Bde., Lpz. 1830-41),
Forbiger (4. Ausg., 3 Bde., ebd. 1872-75),
Ladewig (1. Bdchn., 7. Aufl. von Schaper, Berl.
1882; 2. Bdchn., 11. Aufl. 1891; 3. Bdchn., 8. Aufl. 1886), Benoist
(zum
Teil 2.
u. 3. Aufl., Par. 1872-84), Conington und Nettleship (4. Aufl., 3 Bde.,
Lond. 1881-83), Kappes (4. Aufl., Lpz. 1887),
Thilo (ebd. 1886), Güthling (ebd. 1886). Die kritische Hauptausgabe ist die von Ribbeck (4 Bde.,
Lpz. 1859-68), von der auch ein
Auszug erschien (Bd. 1-3, ebd. 1894-95).
Übersetzungen lieferten: J. H.
Voß (2. Aufl., 3 Bde.,
Braunschw. 1821), Neuffer und Osiander (6 Bdchn., Stuttg. 1830 fg.),
Osiander und Hertzberg (ebd. 1853 fg.). -
Vgl.
Sonntag, Vergil als bukolischer Dichter (Lpz. 1891).
derZauberer, die nach mittelalterlicher Auffassungsweise sagenhaft verherrlichte Gestalt
des röm. Dichters
Virgil. Sehr früh machte sich die Meinung geltend, daß in seinen
Schriften eine ganz besondere Weisheit
verborgen sei. Christl. Schriftsteller schon des 3. und 4. Jahrh., wie Minutius Felix, Lactantius
und
Augustinus, gaben sogar ihrer Verehrung für
Virgil eine christl.
Wendung, indem sie dem
Heidentum aus
seinem Hauptdichter die Nichtigkeit des Polytheismus und die Wahrheit des
Christentums zu beweisen suchten, namentlich dadurch,
daß sie den Anfang der vierten
Ekloge als eine messianische
Weissagung deuteten.
Diese Deutung setzte sich so fest, daß
Virgil mit der Sibylle
neben den alttestamentlichen messianischen
Propheten in die kath. Liturgie Eingang fand und auch in den
Mysterien des Mittelalters häufig unter den prophetischen Zeugen
für den künftigen Messias erscheint. Bibelausleger brauchten nicht selten Virgilische Verse zur Erläuterung von Bibelstellen,
und die Scholastiker der spätern Zeit suchten sogar der ganzen «Aeneis»
eine moralische Ausdeutung zu geben; ja selbst die biblische Schöpfungsgeschichte ward in einen Virgilischen
Cento (s. d.) gebracht.
Ein anderer aus gleicher
Quelle
[* 6] entsprungener Gebrauch der Virgilischen Gedichte erhielt sich sogar bis weit über das Mittelalter
hinaus: die sortes Virgilianae, eine Schicksalsbefragung
(Stichomantie), bei der man die ersten sich darbietenden Verse des
aufs Geratewohl aufgeschlagenen
Buchs als Orakel annahm. Eigentliche, für diesen besondern Zweck verfaßte
Losbücher kamen aber erst gegen Ende des Mittelalters in
Übung und fanden während des 15. und 16. Jahrh. große
Verbreitung.
Aus solcher
AuffassungVirgils ist es erklärlich, daß sich an ihn allerlei Sagen knüpften. Diese lehnen sich vorzugsweise
an Orte, die in dem Leben des Dichters eine hervorragende Rolle spielen: Neapel,
[* 7]
Rom und Mantua.
[* 8] Veranlassung zur Ausbildung
der neapolit. Volkssage scheint ein engl. Gelehrter gegeben zu haben, der um die Mitte des 12. Jahrh.
das
Grab des Dichters aufsuchte. Die früheste positive
Kunde gab
Johannes von Salisbury in dem «Policraticus»
(1159),
dann 1211 der Engländer Gervasius von
Tilbury in den «Otia imperialia» und Konrad von Querfurt in einem Schreiben
an Propst und
Konvent von Hildesheim
[* 9] (1194). Diesen folgten der gleichzeitige Helinandus, dessen Erzählung Vincentius Bellovacensis
in das sechste
Buch seines
«Speculum historiale» aufnahm, und der ebenfalls gleichzeitige engl.
Mönch
Alexander Neckam in seinem
Buche«De naturis rerum», woraus die betreffenden
Stellen übergingen in des Gualterus Burläus
wiederholt gedruckte «Vitae philosophorum» und die 1382 zum
Abschluß gebrachte «Cronia di Partenope».
Aus diesen Hauptquellen haben die Spätern vorzugsweise geschöpft, selbst die beiden
Italiener Buonamente Aliprando (in seiner
zu Anfang des 15. Jahrh. in
Terzinen abgefaßten
Chronik von Mantua) und der sog. Pseudo-Villani («Le
[* 10] croniche dell'inclita città di Napoli», Neap. 1526). Zu einem Ganzen wurden die Sagen vereinigt
in dem seit dem Anfang des 16. Jahrh. wiederholt gedruckten franz.
Volksbuche «Faitz merveilleux de Virgille», zuerst bei Jehan Trepperel
zu
Paris,
[* 11] aus welchem bald darauf das englische hervorging (deutsch durch Spazier, Braunschw.
1830),
und das niederländische (deutsch in von der
Hagens «Erzählungen und
Märchen», Prenzl. 1838),
dem dann die noch ungedruckte
isländ. «Virgilius-Saga» sich anschloß.
Vgl. Zappert,Virgils Fortleben im Mittelalter
(Wien
[* 12] 1851);
Siebenhaar,De fabulis, quae media aetate de Virgilio circumferebantur
(Berl. 1837);
E. Duméril,
DeVirgile l'enchanteur (in dessen
«Mélanges archéologiques et littéraires», Par. 1850);
Graesse,
Zur Sage vom Zauberer Virgilius (in dessen «Beiträgen zur Litteratur und Sage
des Mittelalters»,
Dresd. 1850);