Gläubiger kann die Vertragserfüllung durch Klage erzwingen oder in den geeigneten Fällen auf
Schadenersatz wegen Nichterfüllung,
und wenn eine
Konventionalstrafe festgesetzt ist, auf diese klagen. Mit öffentlicher
Strafe wird der Vertragsbruch in der Regel nicht
bestraft. Zwei Ausnahmen kommen vor:
1) Die Nichterfüllung von Lieferungsverträgen über Kriegsbedürfnisse des
Heers oder der Marine oder
über Lebensmittel zur Beseitigung eines
Notstandes wird mit Gefängnis nicht unter 6
Monaten und fakultativem Ehrverlust bestraft,
fahrlässige Nichterfüllung mit Schadenserfolg geringer. Dieselben
Strafen treffen Unterlieferanten, Vermittler und Bevollmächtigte
des Lieferanten, wenn sie die Nichterfüllung mit Kenntnis des Zwecks der Lieferung vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit
herbeiführen
(Strafgesetzb. §. 329: zuständig
Strafkammer).
2) Der
Bruch des Heuervertrags ist strafbar, im Inlande und
Auslande, nach
Strafgesetzb. §. 298, wenn ein Schiffsmann mit der
Heuer entläuft oder sich verborgen hält, um sich dem Dienste
[* 2] zu entziehen, mit Gefängnis bis zu 1 Jahr
(Strafkammer), in
andern leichtern Fällen strafbar nach §. 81 der Seemannsordnung vom In Landesgesetzen ist
zuweilen der Vertragsbruch seitens des ländlichen
Gesindes unter
Strafe gestellt. So in
Preußen
[* 3] durch das Gesetz vom das
auch auf Schiffsknechte im Dienste von Stromschiffern Anwendung findet.
Neuerdings haben die seitens der
Arbeiter in großer Zahl unter
Bruch des
Arbeitsvertrags zur Ausführung
gebrachten
Arbeitseinstellungen (s.
Streik), die schwere Schädigung, die dadurch für die öffentlichen Interessen herbeigeführt
wurde, und die Wahrnehmung, daß das Verhältnis zwischen
Arbeitgebern und
Arbeitern eine allgemeine Verbitterung erfuhr, zu
der Erwägung geführt, ob nicht die öffentliche
Aufforderung zur widerrechtlichen
Arbeitseinstellung oder zur widerrechtlichen
Entlassung von
Arbeitern zu strafen sei.
Diese Erwägungen hatten zu einem entsprechenden
Vorschlage seitens der verbündeten Regierungen in der dem
Reichstage 1890 vorgelegten
Novelle zur Gewerbeordnung (dem sog.
Arbeiterschutzgesetz) geführt. Zum Gesetz ist dieser
Vorschlag nicht geworden. Die geltende
Gesetzgebung giebt unzweifelhafte
Mittel, die öffentliche
Aufforderung zum Vertragsbruch zu strafen, nicht an die
Hand,
[* 4] wenngleich das Reichsgericht gelegentlich ausgesprochen hat, daß diese
Aufforderung als
Aufforderung zum
Ungehorsam gegen
die Gesetze nach §. 110 des Strafgesetzbuchs unter Umständen strafbar sein könne. –
Vgl. Löning, Der Vertragsbruch und seine Folgen,
Bd. 1 (Straßb. 1876);
Sickel, Die Bestrafung des Vertragsbruch und analoger Rechtsverletzungen in
Deutschland
[* 5]
(Halle
[* 6] 1876);
Lueder,Über die kriminelle Bestrafung des Arbeitskontraktbruchs
(Erlangen
[* 7] 1875);
Dietz, Vertragsbruch im
Arbeits- und Dienstverhältnis
(1890);
Sachen,Aufdruck des Handelsgesetzbuchs von 1861 und 1897 und der Civilprozeßordnung
und des
Bürgerl. Gesetzb. §§. 91, 700, 706, 783 für Sachmengen, welche im Verkehr nach Gewicht, Zahl,
Maß bestimmt zu
werden pflegen, weil dem Empfänger regelmäßig nichts darauf ankommt, ob er dies oder ein anderes gleichwertiges
Stück
desselben erhielt,
römisch: quae pondere, numero, mensura constant, auch fungible Sachen,
Quantitätssachen
oder Gattungssachen genannt, also
Geld, Getreide
[* 9]
u. dgl.;
den Gegensatz bildet die konkrete und individuelle Bezeichnung einer
Sache.
Die Eigenschaft der Vertretbarkeit wird durch die Gepflogenheiten des Verkehrs bestimmt. Die Vertretbarkeit bewirkt,
daß der Schuldner auf
Unmöglichkeit der
Erfüllung sich nur berufen kann, wenn die Gattung untergegangen ist. Die
sind oft verbrauchbare Sachen, wie
Wein oder andere Getränke und Eßwaren,
Tabak
[* 10] u. s. w., doch decken sich beide
Begriffe
nicht.
(vom lat. vertĕre, wechseln), der altitalische Gott des Jahreswechsels, den
man sich in wechselnden Gestalten, vorzugsweise aber als Gärtner mit
Gartenmesser und
Früchten vorstellte.
Es wurde ihm ein Opfer am 13. Aug. dargebracht.
s.
Strafurteil. Unter bedingter Verurteilung versteht man ein Rechtsinstitut, kraft dessen dem
Richter die Befugnis
gegeben wird, bei erstmaligen Verurteilung, welche eine bestimmte
Dauer nicht übersteigen (z. B. 6
Monate), die
Aussetzung des
Strafvollzugs auf gewisse Zeit (z. B. 5 Jahre) unter der
Bedingung anzuordnen, daß der Verurteilte während
dieser Zeit keine strafbaren Handlungen oder keine solche bestimmter
Kategorie (z. B.
Vergehen) begeht. Wird die
Bedingung erfüllt,
so gilt die Verurteilung als nicht ergangen oder wenigstens
(Norwegen)
[* 11] die
Strafe als verbüßt.
Die bedingte Verurteilung soll als Ersatzmittel dienen für kurzzeitige
Freiheitsstrafen. Von diesen behauptet man, sie erfüllten den
Strafzweck nicht, namentlich insoweit derselbe auf Besserung gerichtet ist. Der Ernst des
Strafvollzugs sei in der Kürze
der Zeit dem Sträfling nicht zum
Bewußtsein zu bringen; die kleinen Gefängnisse, in denen die kurzen
Strafen vollstreckt würden, böten keine ausreichenden
Bürgschaften für eine geregelte, als
Strafe empfundene
Arbeit, selbst
nicht für eine genügende
Aufsicht; bei der oft vorkommenden Unzulänglichkeit der Isolierung sei die Gefahr eines schädlichen
Einflusses seitens gewohnheitsmäßiger Verbrecher auf erstmalig Verurteilte, namentlich jugendliche, nahe liegend.
Außer der bedingten Verurteilung sind daher noch als Ersatz- oder Ergänzungsmittel für
kurzzeitige
Freiheitsstrafen vorgeschlagen:
Zwangserziehung, Geldstrafe, Aufenthaltsbeschränkung, Friedensbürgschaft und
Verweis. Die bedingte Verurteilung ist eingeführt in
Belgien
[* 12] (Gesetz vom 31. Mai 1888 mit Novelle vom in
Frankreich
in Luxemburg in
Portugal
[* 13] in
Norwegen Der ständige Strafgesetzausschuß
für den Österr.
Strafgesetzentwurf von 1889 hatte die Einführung der bedingten Verurteilung vorgeschlagen. In
Italien
[* 14] hat der Minister Bonacci der
Deputiertenkammer den
Entwurf eines Gesetzes über die bedingte Verurteilung vorgelegt. Der Vorentwurf eines
Schweiz.
[* 15] Strafgesetzbuchs
von 1896 hat sie ebenfalls angenommen (Art. 50). Die amtlichen Rechenschaftsberichte
Belgiens und
Frankreichs
sprechen sich durchaus günstig über die Resultate aus. Im Durchschnitt machen die Gerichte erster Instanz in
Belgien bei 35 Proz.
aller Verurteilung zu
¶
mehr
Gefängnisstrafen von weniger als 6 Monaten (nur bis zu diesem Strafmaß ist bedingte Verurteilung zulässig) von der bedingten Verurteilung (sursis)
Gebrauch. Allein die Rückfallsstatistik zeigt seit Einführung des Gesetzes vom keine Rückgänge. 1883‒87
kamen 1 Rückfälliger auf 73,17 (35,1 auf 100000 E.), 1888‒92 auf 71,24 (41,7 auf 100000 E.) Verurteilte. 1884 wurden
19000, 1890: 36000, 1894: 42000 zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt, also hat die Einführung der bedingten Verurteilung die Zahl der
Verbrechen nicht seltener gemacht.
In England (Probation of first Offenders Act, 1887) und seinen KolonienCanada, Neuseeland, Queensland, Victoria
[* 17] (Australien),
[* 18] Westaustralien, Neusüdwales und seit Gesetz vom im ganzen Staate Massachusetts besteht das
zuerst (1878) in Boston
[* 19] eingeführte Probationssystem, nach dem gewisse Personen, die sich einer strafbaren Handlung (besonders
Trunkenheit, Prostitution, Störung der öffentlichen Ordnung, auch Diebstahl und Betrug geringern Grades) zum erstenmal schuldig
gemacht haben, unter die Aufsicht besonderer Beamten gestellt werden, welche die Aufgabe haben, zu prüfen,
ob ihre Schützlinge sich bewähren, und im Fall das nicht der Fall ist, die nachträgliche Verurteilung zu einer
dann meist erheblich höher bemessenen Freiheitsstrafe herbeiführen. Im Gegensatz zum belg.-franz. System wird hier also der
Urteilsspruch ausgesetzt und sich der unter Probezeit (probation) Gestellte nicht selbst überlassen,
sondern unter Staatsaufsicht gestellt. Auch wird der Begünstigte der Gunst nicht erst verlustig, wenn er während der Probezeit
kein neues Verbrechen oder Vergehen begeht, sondern schon, wenn er sich während der Bewährungsfrist überhaupt schlecht führt.
In Deutschland haben sich die preuß. Oberlandesgerichte und Oberstaatsanwälte, amtlich aufgefordert, 1890 fast einstimmig
gegen die Einführung der bedingten Verurteilung ausgesprochen. Ihnen zur Seite stehen in der wissenschaftlichen Litteratur die Professoren
Wach in Leipzig,
[* 20] Birkmeyer in München,
[* 21] Strafanstaltsdirektor Krohne in Moabit. Andererseits ist die bedingte Verurteilung von namhaften
Praktikern (Wirth, Direktor der Strafanstalt Plötzensee bei Berlin,
[* 22] Amtsrichter Aschrott ebd.) und Theoretikern, voran Professor
von Liszt in Halle und Professor Seuffert in Bonn,
[* 23] lebhaft befürwortet worden.
Auch in der Tagespresse, auf Kongressen und Versammlungen von Gefängnis- und ähnlichen Vereinen (in Brüssel,
[* 24] Petersburg,
[* 25] Halle,
Hamburg,
[* 26] Köln)
[* 27] ist die Frage vielfach erörtert. Die Reichsjustizverwaltung hält nach Erklärung im Reichstag 1896 noch weitere
Erfahrung für nötig. Dagegen ist von Landes wegen derselbe Zweck durch bedingte Begnadigung, d. h. dadurch
zu erreichen versucht worden, daß unter Gewährung von Strafaufschub durch die Strafvollstreckungsbehörde bei Wohlverhalten
während längerer Zeit Begnadigung in Aussicht gestellt wird.
Die Gunstgewährung geschieht hier also nicht durch den Richter, und es besteht kein Recht auf Straferlaß im
Falle des Wohlverhaltens. Die bedingte Begnadigung wurde eingeräumt erstmalig verurteilten, jugendlichen (12‒18 J. alten)
Personen, gegen welche nicht auf eine längere als 6- (manchmal 3-) monatige Strafe erkannt ist, zuerst in Sachsen
[* 28]
dann in PreußenBayern
[* 29] Württemberg
[* 30] Baden,
[* 31] Hessen,
[* 32] Mecklenburg-Schwerin,
Elsaß-Lothringen,
[* 33] Coburg-Gotha, Meiningen,
[* 34] Hamburg,
Bremen.
[* 35] Die bedingte Verurteilung selbst kann nur vom Reiche eingeführt werden, weil
sie eine Abänderung von Strafgesetzbuch und Strafprozeßordnung darstellen würde.
Vgl. von Liszt in der «Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft»,
Bd. 9 u. 10 (1889 u. 1890);
Krohne im «Nordwestdeutschen Verein für Gefängniswesen»,
Heft 20 (1890) und die dort angegebene Litteratur; Rosenfeld, Welche Strafmittel können an die Stelle der kurzzeitigen Freiheitsstrafe
gesetzt werden? (Berl. 1890);
von Kirchenheim, Der internationale Kongreß für Gefängniswesen in Petersburg 1890 (im «Gerichtssaal»,
Bd. 44, 1891);
Verhandlungen des ⅩⅩⅠ. deutschen Juristentages (10. und zu Köln);
L.George, Du sursis
conditionnel à l’exécution de la peine et de la liberté conditionnelle (Par. 1895);
Zusammenstellung ausländischer
Gesetze durch das Reichsjustizamt (Drucksachen des DeutschenReichstags 1895/97, Nr. 90 im 2. Anlagenband).
An weitere Volkskreise wendet sich die Schrift von Bachem, Die bedingte Verurteilung (2. Aufl. Köln 1895).