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auch das wichtigste Gesetz, das 1890 unter Harrisons Regierung zu stande kam, die nach ihrem Urheber benannte MacKinley-Bill (s. d.), ein neuer hochschutzzöllnerischer Tarif, der einen fast prohibitiven Charakter trug und bestimmt war, die Einfuhr aus Europa [* 2] möglichst zu beschränken und die Zolleinkünfte zu vermindern.
Neue Zwistigkeiten entstanden mit England, nachdem in der Fischereifrage kaum ein modus vivendi geschaffen war, über die Berechtigung des Robbenschlages im Beringmeer (s. d.); nach mehrjährigen Verhandlungen einigte man sich endlich dahin, die Angelegenheit einem internationalen Schiedsgericht zu unterbreiten, das 1893 in Paris [* 3] zusammentrat und dahin entschied, daß den Vereinigten Staaten [* 4] nur innerhalb der gewöhnlichen Grenzen, [* 5] drei Seemeilen vom Lande entfernt, das ausschließliche Schutz- und Eigentumsrecht auf die Robben [* 6] zustehe.
Unter den Gesetzen, die in der Wintersession 1890/91 zu stande kamen, ist eins erwähnenswert, das die Zahl der Mitglieder des Repräsentantenhauses auf 356 erhöhte, eine Folge der steigenden Bevölkerungszahl. Schon 1889 waren die Territorien Montana, Washington, [* 7] Nord- und Süddakota als Staaten in die Union aufgenommen worden, 1890 folgten Idaho und Wyoming, und nachdem allmählich auch der Widerstand der Mormonen (s. d.) gegen das Verbot der Polygamie gebrochen war, fanden auch die wiederholten Gesuche Utahs Gehör; [* 8] seine Aufnahme als Staat erfolgte 1891.
Zu den wichtigsten Angelegenheiten, die das Wirtschaftsleben der Vereinigten Staaten betreffen, gehört nächst der Zollpolitik auch die Silberfrage, da Nordamerika [* 9] als eins der am meisten Silber produzierenden Länder sehr empfindlich von dem Preissturz dieses Metalls betroffen wird. Vergebens hatte man durch große Silberkäufe von seiten des Staates (s. Blandbill) dem fortwährenden fallen des Silberpreises Einhalt zu thun gesucht; und auch eine 1892 auf Anregung der Vereinigten Staaten in Brüssel [* 10] tagende internationale Münzkonferenz hatte keine Abhilfe schaffen können.
Diese Mißstände sowie die drückend hohen Zölle riefen Unzufriedenheit gegen die herrschende Republikanische Partei hervor, so daß sie bei den Neuwahlen zum Repräsentantenhause eine vernichtende Niederlage erlitt und von den 356 Mandaten nur etwa 90 zu erringen vermochte. So konnte die Demokratische Partei mit gutem Mut der Präsidentenwahl des folgenden Jahres entgegensehen, zu der sie von neuem den frühern Präsidenten Cleveland nominierte, während auf seiten der Republikaner wieder Harrison kandidierte.
Die neu gebildete Volkspartei (Populist party) stellte als ihren Kandidaten Weaver auf. In der That wurde Cleveland im Nov. 1892 mit großer Majorität gewählt. Die kurze Zeit seiner Amtsführung gab Präsident Harrison noch Gelegenheit, die auf den Sandwichinseln ausgebrochene Empörung zu benutzen und über die neue Republik, wenn auch nur provisorisch, das Protektorat zu übernehmen. Als Cleveland 4. März sein Amt antrat, machte er jedoch sofort diesen Schritt seines Vorgängers rückgängig.
Dagegen eröffnete er 1. Mai die unter
Harrison vorbereitete große «Columbische» Weltausstellung in
Chicago, die Zeugnis
ablegte
von der großartigen
Entwicklung der nordamerik.
Industrie (s.
Chicagoer Weltausstellung). Weniger erfreulich waren die Wirkungen,
die das wirtschaftliche Daniederliegen infolge
der Silberkrisis auf
die Finanzen der
Vereinigten Staaten
hervorbrachte. War schon seit 1890 allmählich der Überschuß im
Staatsschatz immer mehr gesunken, so daß er sich 1893 nur
noch auf 2 Mill. Doll. belief, so zeigte das
Budget 1894 zum erstenmal seit dem Bürgerkriege ein Deficit und
zwar von 70 Mill. Infolge der großen Silberankäufe, die gemäß der
Blandbill von 1878 und der Shermanbill von 1890 von
den
Vereinigten Staaten fortwährend gemacht wurden, war die Goldreserve des Schatzamtes derartig gesunken, daß Präsident
Cleveland sich veranlaßt sah, den
Kongreß auf den 7. Aug. zu einer außerordentlichen Sitzung zu berufen
und die Aufhebung der Shermanbill zu beantragen.
Nach langen Debatten gab der Kongreß endlich seine Zustimmung. Während dieser Kämpfe war eine Handelskrisis hereingebrochen, wie sie die Vereinigten Staaten seit 1873 nicht erlebt hatten. Zahlreiche Banken, besonders im Süden und Westen, mußten den Bankrott erklären, und eine große Anzahl von Eisenbahngesellschaften sahen sich genötigt, ihre Zahlungen einzustellen. Im Gefolge dieser wirtschaftlichen Depression [* 11] entstanden eine Reihe von Streiks und eine Arbeitslosigkeit, die wieder Unruhen und Aufstände zur Folge hatten.
Ein Agitator Corey forderte im April 1894 alle Arbeitslosen auf, von allen Seiten nach Washington zu ziehen und dem Kongreß ihre Beschwerden vorzutragen. Sein Vorschlag wurde mit Beifall aufgenommen, und an verschiedenen Orten bemächtigten sich die Arbeitslosen der Eisenbahnzüge und mußten von den aufgebotenen Milizen mit Gewalt zur Ruhe gezwungen werden. Großartige Dimensionen nahm zu derselben Zeit ein Kohlenarbeiterstreik an, bei dem etwa 200000 Mann die Arbeit niederlegten. Er endigte mit einem Vergleich, bei dem die Arbeiter eine geringe Lohnerhöhung erzielten. Zu den ärgsten Ausschreitungen kam es im Juni und Juli bei einem Ausstand der Eisenbahnarbeiter. Weitgehende Verkehrsstörungen traten ein, da die Ausständigen den Abgang der Eisenbahnzüge gewaltsam hinderten; namentlich in Chicago und in Sacramento herrschte einige Tage völlige Anarchie, so daß der Belagerungszustand verhängt und die Aufständischen durch Militär zur Ordnung zurückgeführt werden mußten.
Während dieser tumultuarischen Vorgänge wurde auch im Kongreß ein heftiger Kampf um die Tarifreform ausgefochten. Im Jan. 1894 hatte der demokratische Abgeordnete Wilson dem Repräsentantenhause einen Zolltarifentwurf vorgelegt, der die MacKinley-Bill einer durchgehenden Revision unterwarf und eine große Anzahl von Rohstoffen, namentlich Wolle, Eisen, [* 12] Kohle und Holz, [* 13] auf die Freiliste setzte sowie eine Einkommensteuer in Vorschlag brachte. Der Entwurf wurde 1. Febr. vom Repräsentantenhause angenommen, stieß aber im Senat auf Widerstand, wo sich einige demokratische Senatoren den schutzzöllnerischen Republikanern anschlossen und die Tarifsätze für Eisen, Kohle und Zucker [* 14] sowie für Verschiedene andere Gegenstände wesentlich erhöhten, wenn auch der MacKinley-Tarif noch eine bedeutende Herabsetzung erfuhr. Nach langem Widerstreben nahm das Repräsentantenhaus den Entwurf endlich in der Fassung des Senats an, und wurde er Gesetz. Den heftigsten Widerstand fand das Einkommensteuergesetz, das als verfassungswidrig bekämpft wurde, und da der Oberste Gerichtshof (s. Supreme Court) im Mai ¶
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1895 entschied, daß der Kongreß nur befugt sei, eine nach der Bevölkerungszahl bemessene Einkommensteuer zu beschließen, so kam das Gesetz zu Fall.
Die Botschaft, mit der Präsident Cleveland den Kongreß eröffnete, beschäftigte sich hauptsächlich mit wirtschaftlichen und finanziellen Fragen, doch wurde darin auch schon die Grenzfrage zwischen Großbritannien [* 16] und Venezuela [* 17] (s. d., Geschichte) erwähnt, zu deren Schlichtung die v. A. ein Schiedsgericht vorgeschlagen hatten. Als wenige Tage darauf eine ablehnende Antwort Englands einlief, erließ Cleveland 16. Dez. eine neue Botschaft an den Kongreß, worin er es auf Grund der Monroe-Doktrin für das Recht der v. A. erklärte, nun ihrerseits Maßnahmen zu treffen, um die richtige Grenzlinie festzustellen. Zu diesem Zweck beantragte er die Einsetzung einer parlamentarischen Commission, die von dem Kongreß mit großem Enthusiasmus bewilligt wurde.
Dieser energischen Haltung gegenüber wich England zurück und schloß mit den v. A. einen Vertrag, wonach zur Entscheidung der venezuel. Grenzfrage eine aus Vertretern beider Staaten bestehende Kommission eingesetzt werden soll. Zugleich enthielt der Vertrag eine Bestimmung, daß auch alle künftigen Gebietsstreitigkeiten zwischen englisch redenden Völkern einer schiedsgerichtlichen Entscheidung zu unterbreiten seien, doch wurde ein Specialvertrag, der nähere Bestimmungen über diese Schiedsgerichte enthielt, 1897 von dem amerik.
Senat abgelehnt. In der cuban. Frage (s. Cuba, Geschichte) steht die Mehrheit der Bevölkerung [* 18] namentlich in den Südstaaten entschieden mit ihren Sympathien auf seiten der Aufständischen, und zweifellos erhielten diese bedeutende Unterstützungen an Waffen [* 19] und Munition aus den v. A., ohne daß die Regierung dies zu hindern vermochte. Denn, wenn auch der Senat sowie das Repräsentantenhaus in einer Resolution den Präsidenten aufforderten, die Aufständischen als kriegführende Partei anzuerkennen und bei der span. Regierung auf die Anerkennung der Unabhängigkeit Cubas hinzuwirken, so beobachtete dieser doch die strengste Neutralität.
Im Innern stand besonders die finanzielle Lage im Vordergrunde, da es nicht gelungen war, das Deficit zu beseitigen, und zwei ökonomische Maßregeln, Hochschutzzoll und Bimetallismus, waren es besonders, die zur Besserung der wirtschaftlichen Lage in Vorschlag gebracht wurden, und die in entscheidender Weise die Präsidentenwahl beeinflußten, die im Herbst 1896 stattfand. Während die Republikaner MacKinley (s. d., Bd. 17), den Vater der hochschutzzöllnerischen MacKinley-Bill als Kandidaten nominierten, stellten die Demokraten Bryan (s. d., Bd. 17), einen Anhänger der freien Silberprägung und Gegner des Hochschutzzolls, auf.
Die Volkspartei beschloß ebenfalls für Bryan zu stimmen, während die Mitglieder der Demokratischen Partei, die für Goldwährung waren, als dritten Präsidentschaftskandidaten General Palmer proklamierten. Der Wahlkampf entbrannte mit außerordentlicher Heftigkeit, da es sich nicht nur um die Währungsfrage allein handelte, sondern die Bewegung sich zu einem Feldzug gegen den Großkapitalismus und die Plutokratie der hauptsächlich den Osten beherrschenden Goldpartei erweitert hatte.
Dennoch gelang es 3. Nov. den Republikanern, bei den Wahlmännerwahlen den Sieg davonzutragen, und wurde MacKinley mit 271 gegen 176 Elektorenstimmen als gewählt proklamiert; Vicepräsident wurde Hobart. MacKinley, der 4. März sein Amt antrat, berief sofort den Kongreß zu einer außerordentlichen Sitzung und legte ihm den Entwurf eines neuen Zolltarifs, die sog. Dingley-Bill, vor, die eine entschiedene Rückkehr zu der MacKinley-Bill bedeutete, ja für manche Gegenstände noch höhere Zollsätze aufstellte und vielfach sogar einen völlig prohibitiven Charakter trug.
Der Tarif wurde nach längern Verhandlungen vom Kongreß angenommen und 24. Juli vom Präsidenten bestätigt. Ein zweites wichtiges Ereignis, das bald nach MacKinleys Amtsantritt stattfand, war die Annexion der Sandwichinseln, die nach einem im Juni 1897 abgeschlossenen Vertrage erfolgte. Danach werden die Sandwichinseln ein Bestandteil der v. A., doch bleibt die bisherige Regierung im Amt, bis der Kongreß eine neue Verfassung ausgearbeitet hat. Freilich hat dieser Vertrag bisher (Jan. 1898) noch nicht die Bestätigung des amerik. Senats gesunden, doch wird diese trotz des Protestes, den Japan [* 20] erhob, voraussichtlich nicht ausbleiben.
Litteratur zur Geschichte. Sparks' (s. d.) Sammlungen von Biographien und Dokumenten, sodann Bancrofts (s. d.) Werke, darunter besonders seine History of the United States (Bd. 1-10, Bost. 1840-74; Supplement, 2 Bde., 1882, bis 1789 reichend; deutsch Lpz. 1845-75);
Hildreth, History of the United States (6 Bde., Neuyork [* 21] 1849-56 u. ö., bis 1821 gehend);
Holst, Verfassung und Demokratie der v. A. (Berl. 1873-91; englisch Chicago 1876-92);
Neumann, Geschichte der v. A. (3 Bde., Berl. 1863-66);
Laboulaye, Histoire des États-Unis (6. Aufl., Par. 1876; deutsch, 2. Aufl., 3 Bde., Heidelb. 1881);
Higginson, Geschichte der v. A. (deutsch, Stuttg. 1876);
J. ^[Justin] Winsor, Narrative and critical History of America 1492-1850 (8 Bde., Bost. 1884-89);
R. Frothingham, Rise of the Republic of the United States (3. Aufl., ebd. 1874);
J. B. ^[John Bach] McMaster, History of the people of the United States 1784-1820 (4 Bde., Neuyork 1883-95);
James Schouler, History of the United States 1783-1861 (5 Bde., Washingt. und Neuyork 1880-91);
E. Stanwood, History of presidential elections (4. Aufl., Bost. 1892);
F. W. Taussig, Tariff History of the United States (Neuyork 1892);
Nippold, Amerik. Kirchengeschichte seit der Unabhängigkeitserklärung (Berl. 1892);
Moireau, Histoire des États-Unis de l'Amérique du Nord (2 Bde., Par. 1892);
Andrews, History of the United States (2 Bde., Neuyork 1895);
Wilson, Presidents of the United States 1789-1894 (ebd. 1895).
Einzelne Perioden behandeln: Talvj, Geschichte der Kolonisation von Neuengland (Lpz. 1847);
Thwaites, Epochs of American History.
The colonies 1492-1750 (Lond. 1890);
E. Schmidt, Die Vorgeschichte Nordamerikas im Gebiet der Vereinigten Staaten (Braunschw. 1894);
J. ^[John] Fiske, The beginnings of New England (Bost. 1889);
ders., The critical period of American History 1783-89 (ebd. 1888);
ders., The American revolution (3 Bde., ebd. 1891);
Hart, Formation of the Union 1750-1829 (Lond. 1892);
Francis Parkman, France and England in the new world (11 Bde., ebd. 1867-92; teilweise deutsch Stuttg. 1875-78);
Henry Adams, History of the United States 1801-17 (9 Bde., Neuyork 1889-91).
Den mexik. Krieg behandelten besonders Ripley, Thorpe, Jenkins, Mansfield und Henry. ¶