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zu bekleiden, erkennen. Der Überwiesene kann aber außerdem noch zur weitern Procedur den gewöhnlichen Gerichten übergeben werden. Der Kongreß muß alljährlich zusammentreten, am ersten Montag im Dezember, und wird mit einer Botschaft des Präsidenten eröffnet. Kein Mitglied desselben kann ein Staatsamt der Vereinigten Staaten [* 2] bekleiden, kein Beamter dieser letztern darf im Kongreß sitzen. Ein Gesetzentwurf, welcher in beiden Häusern genehmigt ist, wird dem Präsidenten zugeschickt: er kann ihn genehmigen, oder mit seinem Veto (s. d.) zurücksenden;
stimmen dann in beiden Häusern je zwei Drittel für den Entwurf, so erhält er ohne weiteres Gesetzeskraft.
Dasselbe gilt von Anträgen, gegen welche der Präsident nicht binnen zehn Tagen seine Einwendungen dem Hause übermacht. Zu den Befugnissen des Kongresses gehört die Auflage von Abgaben, Steuern und Zöllen, die Aufnahme von Anleihen und Tilgung von Schulden, die Prägung von Geld, überhaupt die Regelung des Finanzwesens sowie des Handels und Bankrottwesens, ferner des einheitlichen Maßes und Gewichts. Er errichtet Postämter und Poststraßen, sichert Patente auf Erfindungen, erhält die Land- und Seemacht, erklärt Krieg, stellt Kaperbriefe aus und regiert den Bundesdistrikt.
Der Präsident, die vollziehende Gewalt, vertritt den Bund nach außen und schließt Verträge. Er ist der höchste Befehlshaber der Armee, Seemacht und Milizen und übt namentlich dadurch eine bedeutende Macht aus, daß er die wichtigern Bundesbeamten ernennt, wie die auswärtigen Vertreter, Bundesrichter, höhern Befehlshaber, Postmeister der größern Städte und Hauptzollbeamte. Da er den Gesetzen des Kongresses gegenüber ein bedingtes Vetorecht besitzt, so hat er auch teil an der Gesetzgebung.
Andererseits hat er nicht das Recht, Krieg zu erklären; die auswärtigen Verträge müssen mit der Zustimmung des Senats geschlossen werden, und diese Körperschaft hat auch die vom Präsidenten ernannten wichtigern Beamten zu bestätigen und kann seine Ernennungen verwerfen. Die Amtsdauer des Präsidenten währt vier Jahre, er kann aber nach jedesmaligem Ablauf [* 3] derselben wieder gewählt werden. Jedoch ist es, nach dem Beispiel, das George Washington [* 4] gegeben hat, stets befolgter Gebrauch, daß der höchste Beamte der Union nicht mehr als zweimal amtiert. Der Präsident wird von Wahlmännern, diese wieder durch allgemeine Volksabstimmung am ersten Dienstag im November gewählt. (Näheres s. Electoral College.)
Stirbt der Präsident, so folgt ihm bis zur nächsten Wahl der Vicepräsident, der in ähnlicher Weise gewählt wird wie der Präsident; stirbt auch der Vicepräsident, so folgen die Minister in bestimmter Reihenfolge. Der Präsident giebt alljährlich in einer Botschaft dem Lande Rechenschaft über seine Thätigkeit und über seine Auffassung der polit. Lage. Die beiden höchsten Würdenträger der Union treten 4. März mittags nach der Wahl ihr Amt an; sie müssen eingeborene Bürger der Vereinigten Staaten, 35 J. alt und wenigstens 14 Jahre im Lande ansässig gewesen sein.
Der Präsident hat als Amtswohnung das Weiße Haus zu Washington und bezieht (seit 1873) 50000 Doll. jährliche Besoldung, der Vicepräsident 8000 Doll. Die Verwaltung wird durch ein Kabinett besorgt, das in die Abteilungen Auswärtiges (Staatssekretär), Finanzen, Krieg, Seewesen, Post, Landwirtschaft und Inneres zerfällt. Auch gehört der Generalstaatsanwalt (Attorney General) zum Kabinett. Die Vorstände der Departements heißen Sekretäre und werden vom Präsidenten nach Belieben entlassen; ernannt aber werden sie unter Zustimmung des Senats. Jeder dieser Minister bezieht 8000 Doll. Jahresgehalt. Über den dritten Zweig der Bundesregierung, die richterliche Gewalt, s. Court und Supreme Court.
Die Verfassung der Einzelstaaten darf nichts enthalten, was der Unionsverfassung widerspricht. Obschon beträchtliche Verschiedenheiten in den Einzelheiten existieren, stimmen doch die Grundlagen ihrer Verfassungen miteinander überein und sind der Unionsverfassung nachgebildet. Jeder Staat hat einen Gouverneur, ein Repräsentantenhaus und einen Senat, eine polit. Hauptstadt und eine Einteilung in eine größere oder kleinere Anzahl Counties; (Grafschaften), von denen wiederum jedes einen polit.
Hauptort (county-seat) besitzt. In allen Beziehungen, die nicht unter die Kompetenz der Unionsgerichte fallen, ordnet jeder einzelne Staat sein Rechtswesen nach Belieben. (S. Court.) Die Grundlage des amerik. Rechts bildet das alte engl. Landrecht, mit mannigfachen, aus örtlichen Bedürfnissen hervorgegangenen Abänderungen. In Louisiana gilt auch noch altfranz., in Florida und Neumexiko span. Recht. Im allgemeinen läßt die Rechtspflege in den Vereinigten Staaten vieles zu wünschen übrig: sie ist kostspielig, verwickelt, vielfach schleppend.
Alle Verbrechen, die Anklagen vor dem Senat ausgenommen, kommen vor Geschworenengerichte, deren Verdikt einstimmig sein muß. In den spärlich bevölkerten Gegenden des Westens und auch in manchen Südstaaten ist die rohe Selbsthilfe der Lynchjustiz (s. d.) nichts Seltenes. Nach einer Statistik kamen in den zehn Jahren 1886-96 auf 48834 Morde und Totschläge aller Art 1030 gesetzliche Hinrichtungen und 1655 Lynchfälle. Die Todesstrafe existiert nicht in Rhode-Island, Marne, Michigan, Wisconsin, wahrend dieselbe in manchen Staaten auch für Brandstiftung gewisser Art, Notzucht und selbst für versuchte Notzucht (z. B. Virginien) eingesetzt ist, letzteres, um den Anfällen von Negern auf weiße Frauen, sowie den daraus fast ausnahmslos resultierenden Lynchfällen entgegenzuwirken.
Bürger der Vereinigten Staaten ist jeder, der in einem zu ihnen gehörenden Staate oder Gebiete geboren ist. Der vom Ausland Eingewanderte erwirbt das Bürgerrecht, wenn er der Behörde erklärt, daß er Bürger werden wolle, und später, nach mindestens fünfjährigem Aufenthalt im Lande, den Bürgereid leistet. Während die Erlangung des Bürgerrechts gleichmäßig für die ganze Union geregelt ist, entscheiden die Einzelstaaten über die Ausübung des Stimmrechts innerhalb ihres Gebietes. In der Mehrzahl der Staaten (z. B. in Neuyork) [* 5] verleiht erst der Besitz des Bürgerrechts das Wahlrecht, doch ist in mehrern den kürzlich Eingewanderten gestattet, am öffentlichen Leben direkt teilzunehmen, wenn sie erklärt haben, Bürger werden zu wollen (im Besitz «des ersten Papiers» sind). In 14 Staaten sind solche Einwanderer bei allen Wahlen stimmberechtigt.
Das Wappen besteht in einem dunkelbraunen Adler, [* 6] der in der einen Klaue [* 7] ein Bündel Pfeile, in der andern einen Ölzweig hält und dessen Brust ein Schild [* 8] bildet, dessen oberer Teil blau ist und dessen unteres rotes Feld sechs senkrechte silberne Balken durchschneiden. Im Schnabel hält dieser Adler ein Band [* 9] mit der Inschrift «E pluribus unum»; über seinem Kopf 13 Sterne (die ursprüngliche Zahl der ¶
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Staaten) oder so viel Sterne, als die Union zur Zeit Staaten zählt. Nach diesem Adlerwappen
führen die nordamerik. Hauptgoldmünzen
den Namen Eagle (s. d.). Die Flagge ist von Rot und Weiß 13mal horizontal gestreift; in der obern Ecke sind in blauem Viereck
[* 11] so viel Sterne, als die Union Staaten hat. (S. Tafel: Flaggen
[* 12] der Seestaaten, beim Artikel Flaggen.)
[* 2] ^[Abb.]
Das Finanzwesen ist gut geregelt. Die Union hat stets die Verpflichtungen gegen ihre Gläubiger erfüllt und erfreut sich deshalb großen Kredits; bis zum Bürgerkriege legte sie keine direkten Steuern auf, ihre Einnahmen flossen vorzugsweise nur aus den Eingangszöllen und dem Verkauf von Kongreßland. Nach 1861 aber mußten die Steuerkräfte des Landes scharf angespannt und alle Hilfsquellen geöffnet werden, um die ungeheuren Mittel für den Krieg zu schaffen.
Die Bundesschuld betrug 1791 über 75 Mill. Doll., 1812: 45 Mill. und stieg durch den Krieg 1815 wieder auf 170 Mill.;
1835 war sie so gut wie getilgt, erreichte aber durch den mexikanischen Krieg 1851 die Summe von 68 Mill.;
beim Ausbruch des Bürgerkrieges belief sie sich auf etwa 80 Mill., schwoll dann aber 1866 auf 2773 Mill. an.
Von da wurde sie beträchtlich reduziert, so daß sie 1894 635 Mill. Doll. war. Durch Bondausgaben zur Deckung von Deficits und zur Erhaltung der Goldreserve stieg sie wieder, so daß am die verzinsbare Bundesschuld 847 Mill. Doll. betrug. Hierzu kamen an demselben Tage als allgemeine Schuld 346 Mill. Doll. Bundespapiergeld (legal tender notes), 171 Mill. Doll. Schatzamtsnoten und Certifikate, 39 Mill. Doll. Goldcertifikate, 371 Mill. Doll. Silbercertifikate, so daß diese und kleinere Posten die allgemeine Schuld auf 1802 Mill. Doll. brachten.
Hiergegen hielten die Schatzämter und Münzen [* 13] 853 Mill. Doll., darunter Gold [* 14] und Goldmünzen 175 Mill. Doll., Silber und Silberdollars 495 Mill. Doll. Obgleich es eigentlich nicht gesetzlich bestimmt ist, so sucht man doch den Goldbestand des Schatzamtes auf wenigstens 100 Mill. Doll. zu erhalten, und die Bondausgaben der letzten Jahre dienten hauptsächlich diesem Zweck. Bundesschatzämter sind in Washington, Baltimore, [* 15] Neuyork, Philadelphia, [* 16] Boston, [* 17] Cincinnati, Chicago, St. Louis, Neuorleans, San Francisco.
Die Bundeseinnahmen (ohne Post) beliefen sich bis auf 327 Mill. Doll. (gegen 298 Mill. im J. 1893/94 und 403 Mill. Doll. im J. 1889/90), darunter Inlandsteuern 147 Mill., Zölle 160 Mill. Doll. (gegen 131 Mill. im J. 1893/94). Die Ausgaben betrugen 352 Mill. Doll. (also ein Deficit von 25 Mill.), darunter für Kriegspensionen 139 Mill., allgemeine Administration 87 Mill., Heer und Befestigungen 51 Mill., Marine 27 Mill., Zinsen der Bundesschuld 35 Mill., für die Indianer 12 Mill. Unter den Inlandsteuern waren drei Viertel auf destillierte Spirituosen und auf Biere, ein Fünftel auf Tabaksfabrikation. Die sehr hohe Steuer auf Whiskyfabrikation reizt vielfach zur heimlichen Destillation [* 18] desselben an, namentlich in Wald- und Gebirgsgegenden, wo auch das Rohmaterial, der Mais, gebaut wird. Die Kriegspensionen haben jetzt ihren Höhepunkt (1892/93: 158 Mill. Doll.) überschritten. Von 1861 bis 1896 sind vom Bunde 2 Milliarden Doll. für Kriegspensionen ausgegeben worden. - Die Einzelstaaten haben im allgemeinen nur eine geringe Verschuldung; bei manchen existiert eine solche eigentlich nur zur Schulerhaltung und für ähnliche Zwecke.
Ausgenommen sind jedoch die meisten Südstaaten, die durch den Bürgerkrieg und namentlich die darauf folgende Periode eine große Schuldenlast aufgebürdet bekamen. Davon herrührend hatte 1890 Virginia noch eine Schuld von 34 Mill. Doll., Tennessee von 19 Mill., Louisiana von 16 Mill., Alabama 12 Mill. Doll. u. s. w. Die Gesamt-Nettoschuld der Einzelstaaten ist von 297 Mill. im J. 1880 auf 229 Mill. Anfang 1890 herabgegangen, zum Teil allerdings durch Repudiation (s. d.), während die Gesamt-Countyschulden (z. B. in Kansas) in diesem Zeitraum von 125 Mill. auf etwa 145 Mill. gestiegen sind.
Geldwesen. Münzen sind in Philadelphia, San Francisco, Neuorleans; Scheideämter (assay offices) in Carson und Denver, ferner in Neuyork, Helena, Charlotte, Boise City, St. Louis. Nach Münzen und Scheideämtern senden Minenbesitzer, Juweliere u. s. w. Gold und Silber in roher Form zur Raffinierung; im Fiskaljahr 1894 wurden so 7 ½ Mill. Unzen Gold und 25 Mill. Unzen Silber deponiert. Die Geldeinheit bildet der Dollar (s. d.). Außer den Münzen, Bundesnoten, Schatzamtsnoten, (Gold- und Silbercertifikaten cirkulieren noch als Geld die Noten der Nationalbanken (s. d.). Letztere sind zwar Privatunternehmen, unterliegen aber der Bundesaufsicht und müssen ihre Banknoten nahezu zum vollen Wert durch Schuldscheine der Vereinigten Staaten decken, welche im Schatzamt zu hinterlegen sind. Abgesehen von dem Bestand der Schatzämter und Münzen belief sich die Gesamtcirkulation 1896 auf 1650 Mill. Doll. und zwar 517 Mill. Goldmünzen, 38 Mill. Goldcertifikate, 58 Mill. Silberdollars, 356 Mill. Silbercertifikate, 261 Mill. Legal Tender Notes (s. Greenbacks), 84 Mill. Schatzamtsnoten, 50 Mill. Currency Certificates, 62 Mill. Silberscheidemünze und 221 Mill. Doll. Nationalbanknoten. - In den Angriffen auf die gegenwärtigen Währungsverhältnisse obenan steht die Agitation für die freie Silberprägung, welche durch die Wahl von 1896 durchaus nicht aus der Welt gebracht ist.
Öffentliches Leben. Im öffentlichen Leben treten besonders hervor die Republikanische und die Demokratische Partei (s. diese Artikel). Außer diesen beiden macht sich namentlich noch die National Farmers' Alliance (s. d.) geltend, die in der neu entstandenen Populist Party (s. Volkspartei) ihre Vertretung findet. Eine andere polit. Strömung vertreten die Temperanzgesellschaften (s. d.). Die Arbeiter der Vereinigten Staaten haben sich zur Förderung ihrer Interessen in besonders ausgedehntem Maße zu Vereinen zusammengethan, von denen einer der bekanntesten der Knights of Labor (s. d.) ist. Die sog. Nationalisten (s. d.) erstreben einen Staat socialistischer Art. (S. auch Socialdemokratie.) Die Anarchisten scheinen meist aus Fremdgeborenen zu bestehen. Seit 1888 zeigt sich in einigen Staaten eine halbgeheime Agitation gegen die kath. Kirche (American Protective Association). In dem nichtpolit. öffentlichen Leben ist erwähnenswert ¶