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Aufschwung. Doch erst als nach dem Dreissigjährigen
Kriege
Spanien
[* 2] zurücksank
, seine Machtstellung in
Italien
[* 3] zu schwanken
anfing und sich
Österreich
[* 4] von ihm unabhängig machte, blühte die neue Zeit eines glorreichen Kampfes im
Orient auch für
Venedig
[* 5] voll wieder auf. Zwar ging
Candia trotz heldenmütigen Kampfes 1669 verloren; aber als vor
Wien
[* 6] die
Kraft
[* 7] der
Osmanen gebrochen war, ging an
Österreichs Seite siegreich vor; Sta. Maura, einige Plätze in
Dalmatien,
Morea,
Ägina
wurden wiedergewonnen, und wenn auch durch den
Spanischen Erbfolgekrieg die
Osmanen Gelegenheit bekamen,
Morea wieder zurückzuerobern,
so erhielt dafür Venedig im Paßarowitzer Frieden wenigstens
Korfu
[* 8] und
Dalmatien.
Nach dieser Anstrengung zog sich die Republik in sich selbst zurück und ließ sich auch nicht durch den österr.-türk. Krieg von 1738 bis 1740 aus dieser Politik der bloßen Erhaltung des Besitzes und der Beschränkung auf den Schutz seiner Handelsinteressen herauslocken; ebenso überließ es Italien sich selbst und den aufstrebenden Savoyern. Als dann die Heere der Französischen Revolution in Italien einbrachen, suchte die Republik in äußerlicher Erhaltung der Neutralität bei thatsächlicher Begünstigung der Gegner Frankreichs ihr Heil.
Aber Napoleon erklärte der Republik 1797 den Krieg, die nun durch Abschaffung der aristokratischen Verfassung und Aufrichtung einer Demokratie sich zu retten suchte; aber umsonst. Der Doge Manin sah die Unmöglichkeit des Widerstandes ein und dankte 12. Mai ab; am 16. Mai rückte der corsische Kriegsherr ein, errichtete an Stelle des Großen Rates eine provisorische Regierung, lieferte aber dann Venedig im Frieden von Campo-Formio an Österreich aus; nur das Gebiet jenseit der Etsch wurde zur Cisalpinischen Republik geschlagen. 1805 gab Napoleon jedoch Venedig und Dalmatien an das franz.-ital. Vicekönigreich Eugène Beauharnais’, und 1809 wurde Passerino und Istrien [* 9] zu den illyrischen Provinzen des franz. Kaiserreichs geschlagen.
Durch den ersten
Pariser Frieden von 1814 und die
Wiener Kongreßakte ward Venedig mit seinem Gebiet an
Österreich zurückgegeben
und mit der
Lombardei zu dem sog. Lombardisch-Venetianischen Königreich (s. d.) vereinigt.
Bei allen diesen Regierungswechsel hatte die Stadt an
Handel und Reichtum mehr und mehr verloren, und in dem
Maße, wie ihre
Nebenbuhlerin
Triest
[* 10] gewann, sank
die ehemalige Königin des
Adriatischen
Meeres herab. Erst als Venedig 1830 einen
Freihafen erhielt, begann es sich wieder zu heben. Am kam es in Venedig zu einem
Aufstande; der Stadtkommandant
Graf
Zichy
überlieferte die Stadt ohne Schwertstreich den Aufständischen, eine provisorische Regierung wurde gebildet, und 23. März erfolgte
die Proklamation einer
Venetianischen Republik (Republik
San Marco), an deren
Spitze
Daniele
Manin (s. d.)
und Tommaseo traten. Am 4. Juni erklärte man sich fast einstimmig für den Anschluß an
Sardinien,
[* 11] worauf
Manin und Tommaseo
zurücktraten und ein neues Ministerium, mit
Castelli an der
Spitze, die Regierung übernahm.
Die Niederlage Sardiniens brachte indessen bald wieder die demokratische Partei zur Herrschaft. Am 10. Aug. erhob sich ein neuer Aufstand, der abermals Manin und Tommaseo ans Ruder brachte. Schon 13. Aug. trat wieder eine Assamblea zusammen, die sofort eine Diktatur in Form eines Triumvirats errichtete, in welchem Manin in thatsächlich unabhängiger Stellung das Civil-, Cavedalis das Militär-, Graziani das Marinewesen übernahmen. Der Widerstand gegen die Österreicher, welche die Stadt bereits blockierten, ward mit Energie fortgesetzt.
Dagegen bewirkte 5. März ein Pöbeltumult die formelle Beseitigung der Diktatur und die Einsetzung eines verantwortlichen Ministeriums. Manin, zu dessen Präsidenten gewählt und mit der Exekutivgewalt betraut, trieb die Verteidigung der Stadt aufs äußerste, obwohl nach der Niederlage Sardiniens bei Novara keine Hoffnung mehr war. Nach tapferster Gegenwehr, während deren die Bevölkerung durch das Bombardement, Hunger und Cholera furchtbar litt, trat endlich Manin in Unterhandlungen, denen zufolge sich Venedig 22. Aug. auf milde Bedingungen hin ergab. Am hielt Radetzky seinen Einzug in die Stadt. Es gelang nicht, die Venetianer mit der österr.
Herrschaft auszusöhnen; andererseits gingen aber die Hoffnungen, welche Napoleon III. beim Ausbruch des Krieges von 1859 erweckte, nicht in Erfüllung. Venedig mit dem Gebiete bis jenseit des Mincio blieb bei Österreich; die Stimmung verschlimmerte sich seitdem immer mehr. Deshalb erhielt bei den konstitutionellen Reformen seit 1860 unter allen österr. Kronlanden Venedig allein keine Landesvertretung; andererseits erschien kein venet. Abgeordneter im österr. Reichsrat.
Endlich erfüllte der Krieg von 1866 auch die Wünsche der Venetianer. Zwar wurden die Italiener, als sie den Mincio überschritten, bei Custozza [* 12] zurückgeschlagen; aber nach den Niederlagen in Böhmen [* 13] trat Kaiser Franz Joseph 4. Juli an Napoleon III. ab und rief seine Truppen aus der Provinz zurück. Der österr.-ital. Friedensvertrag zu Wien 3. Okt. bestätigte diese Abtretung, die österr. Truppen räumten die Festungen und 17. Okt. die Stadt Venedig. Am 18. Okt. übergab der Kommissar des franz. Kaisers, General Leboeuf, die Stadt im Namen seines Kaisers einer Kommission des Gemeinderates, und die ital. Truppen rückten ein. In Gemäßheit der Verabredungen zwischen Frankreich und Italien fand in ganz Venedig eine allgemeine Volksabstimmung 21. und 22. Okt. statt, wobei sich 651758 Stimmen für den Anschluß an das Königreich Italien und nur 69 dagegen erklärten. Darauf vollzog König Victor Emanuel II. 4. Nov. das Besitzergreifungs-Dekret und zog in die Stadt Venedig ein.
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Daru, Histoire de la république de Venise (7 Bde., Par. 1819-21 u. ö.; deutsch im Auszuge von Bolzenthal, 3 Bde., Lpz. 1825-27);
Romanin, Storia documentata di Venezia (10 Bde., Vened. 1853-61);
Cicogna, I dogi di Venezia (3. Aufl., 2 Bde., ebd. 1867);
Romanin, Lezioni di storia veneta (2 Bde., Flor. 1875);
P. G. Molmenti, La storia di Venezia nella vita privata (bis 1797; 2. Aufl., Tur. 1880);
E. Lentz, Das Verhältnis V.s zu Byzanz nach dem Fall des Exarchats bis Ende des 9. Jahrh. (Bd. 1, Berl. 1892);
Zwiedineck-Südenhorst, Die Politik der Republik Venedig während des Dreißigjährigen Krieges (2 Bde., Stuttg. 1882-85);
P. Molmenti, La grandezza di Venezia (14. Jahrh.; Vened. 1892);
L. von Ranke, Über die Verschwörung gegen Venedig im J. 1618 (Berl. 1831);
Hain, Der Doge von Venedig seit dem
Sturze der Orseoler 1032 bis zur Ermordung Vitale
Michiels
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Venedig Marchesi, Settant’ anni di storia di Venezia, 1798-1866 (Tur. 1892);
Venedig Malamani, Il settecento a Venezia (ebd. 1892);
Memoriale storico della dominazione ¶
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austriaca nella Venezia, 1797‒1859 (ebd. 1860);
E. A. Cicogna, Delle iscrizioni veneziane (6 Bde. und 1 Heft, 1824‒59);
B. Cecchetti, La Repubblica di Venezia e la corte di Roma [* 15] nei rapporti della religione (2. Aufl., Vened. 1890);
Alb. Errera, Storia dell’ economia politica nei sec. ⅩⅦ e ⅩⅧ negli stati della Repubblica veneta (ebd. 1877);
H. Simonsfeld, Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig (Stuttg. 1887);
Gamba, Galleria dei letterati ed artisti più illustri delle prov. austrovenete nel sec. 18 (2 Bde., Vened. 1822‒24);
E. A. Cicogna, Saggio di bibliografia veneziana (ebd. 1847);
G. Soranzo, Bibliografia veneziana, continuazione del Cicogna 1848‒84 (ebd. 1885);
Battistella, La repubblica di Venezia dalle sue origini alla sua caduta (Bologna 1896);
Musatti, La storia politica di Venezia (Padua [* 16] 1897);
Lenel, Die Entstehung der Vorherrschaft V.s an der Adria mit Beiträgen zur Verfassungsgeschichte (Straßb. 1897).