Wiederherstellung der Kirchenordnung und Rettung der bürgerlichen Gesellschaft von den sie bedrohenden Übeln. In der Hauptsache
jedoch handelte es sich um die Verwirklichung des Lieblingsgedankens
Pius’ IX., die Proklamation des Unfehlbarkeitsdogmas.
Von 1037 Stimmberechtigten waren 764 anwesend, die große Mehrzahl den päpstl. Wünschen geneigt. Eine
Bittschrift an den
Papst im
Sinn des neuen Dogmas trug 410
Unterschriften, die Gegenadresse nur 137. Diese Minorität vertrat
aber die größten Kulturländer der Erde; zu ihr standen die angesehensten und gelehrtesten
Bischöfe, unter ihnen auch die
deutschen.
Die deutschen
Bischöfe hatten bereits im Herbst zuvor auf einer Bischofskonferenz zu Fulda
[* 2] sich gegen dieUnfehlbarkeit
erklärt, unterstützt von dem bayr. Ministerpräsidenten Fürsten Hohenlohe, der sich vergeblich
bemüht hatte, die Regierungen zu diplomat. Schritten zu bewegen. Bevor aber die Opposition in
Rom
[* 3] sich organisiert hatte,
waren schon die
Kommissionen gewählt, und die
Jesuiten siegten auch hier. Ebenso schloß die dem
Konzil auferlegte Geschäftsordnung
die freieBeratung aus. Es war verboten, in
Rom etwas drucken zu lassen; Abänderungsvorschläge ließen
die
Kommissionen unberücksichtigt; schließlich durfte nur ohne
Debatte mit Ja und Nein (placet oder non placet) gestimmt
werden. Die neue Verkündigungsformel lautete: «Der Papst verordnet unter Zustimmung des
Konzils.»
Das
Konzil hatte nur vier öffentliche Sitzungen, davon waren zwei rein äußerlicher Natur; in der dritten,
wurden die neuen Glaubensgesetze angenommen und in der vierten, 18. Juli, feierlich verkündet. Es handelte sich um vier Punkte:
um die Verdammung des modernen Unglaubens als
Rationalismus, Pantheïsmus, Materialismus und
Atheïsmus;
ferner um die kirchliche
Disciplin, weiter um den päpstl.
Primat, und erst zuletzt, 6. März, wurde die
Vorlage wegen der
Unfehlbarkeit
eingeschoben. Bei der
Abstimmung, 13. Juli, erschienen nur 601
Väter zur
Abstimmung, sieben Kardinäle, unter denen Hohenlohe und
Antonelli, fehlten; 88 stimmten mit Nein, 62 mit bedingtem Ja. Zwei
Tage später beschwor eine Deputation den Papst fußfällig
um Zurückziehung der
Vorlage. Am 17. Juli verließ sodann die Minorität
Rom unter Zurücklassung eines
Protestes; 18. Juli hörte
man nur 2 non placet, dagegen 533 placet.
Zwei
Monate später besetzten die
ItalienerRom, womit die weltliche Herrschaft des Papstes aufhörte. Am wurde das
Konzil vertagt. Am erklärten die meisten deutschen
Bischöfe auf einer Konferenz in Fulda in
einem Hirtenbrief dem
Volke, daß die neuen Glaubensgesetze stets geglaubt worden seien; als der letzte der Oppositionsbischöfe
unterwarf sich
Hefele (s. d.) in Rottenburg. Nach
Annahme des Dogmas erhob sich die altkath.
Bewegung (s.
Altkatholicismus),
und es folgte der sog. Kulturkampf (s. d.).
-
Emerich von, Publizist, geb. zu Couvet im Fürstentun Neuchâtel, studierte
zu Basel
[* 8] und Genf
[* 9]
Philosophie nach
Leibniz und
Wolf, kam 1742 nach
Berlin,
[* 10] 1743 nachDresden
[* 11] und wurde 1749 sächs. Gesandter
in Bern.
[* 12] 1758 als Geheimrat nach
Dresden zurückberufen, starb er auf einer
Reise zu Neuchâtel Vattel ist berühmt geworden
durch sein Werk «Droits des gens, ou principes de la loi naturelle appliqués
à la conduite et aux affaires des nations et des souverains» (zuerst 2 Bde.,
Neuchâtel 1758; vermehrt und mit einer biogr.
Notiz über Vattel, 2 Bde., Amsterd.
1775; deutsch von
Schulin, Nürnb. 1760; Mitau
[* 13] 1771 u. s. w.; neue Ausg., 3 Bde.,
Par. 1863),
worin er die
Aufklärung gegen die Politik des Patrimonialstaates vertritt. Ferner schrieb er «Questions
de droit naturel et observations sur le traité du droit de la nature par
Wolf» (Bern
1762),
«Mélanges de morale,
de littérature et de politique» (Neuchâtel 1770),
(spr. wobáng),Sébastien le Prêtre de, franz.
Marschall und Verbesserer des Ingenieurwesens, geb. zu St. Léger
de Foucherets bei
Avallon in
Burgund, trat in seinem 17. Jahre bei der span.
Armee im Regiment Condé als
Kadett ein und wurde
von Condé, dem er durch seine mathem. Kenntnisse auffiel, als Ingenieur benutzt. 1653 gefangen, wurde Vauban als
Offizier im franz. Ingenieurkorps angestellt. Er zeichnete sich bei mehrern
Festungsangriffen aus und leitete schon 1658 als
General die
Belagerungen von Gravelingen,
Ypern und Oudenaarde selbständig.
Nach dem Frieden begann er 1662 die
Anlagen zur Neubefestigung von Dünkirchen.
[* 14] Im ersten
KriegeLudwigs XIV. zwang er 1667 mehrere
belg. Festungen zur Kapitulation. 1669 wurde er Generalinspektor sämtlicher franz.
Festungen und bald der berühmteste Kriegsbaumeister seiner Zeit; er hat 33 feste Plätze neu erbaut
und 300 alte verbessert, hat 53
Belagerungen geleitet, 140
Gefechten beigewohnt, aber nie Gelegenheit gehabt, eine Festung
[* 15] zu verteidigen. Der
Angriff machte durch ihn große Fortschritte und überflügelte die Verteidigung.
Dies bewirkte Vauban vorzüglich durch die systematisch angeordneten
Parallelen (s. FörmlicherAngriff), die
er 1673 vor Maastricht,
[* 16] und den Rikoschettschuß (s. d.), den er 1697 vor
Ath zuerst anwandte. Im Festungsbau verstand es
Vauban meisterhaft, die Befestigungen dem Gelände anzupassen; nirgends findet man bei ihm ein peinliches Streben
nach regelmäßigen Formen. Im Grundriß ist den Forderungen desDéfilements, im Profil der Örtlichkeit
aufs scharfsinnigste
Rechnung getragen.
Nach V.s
Tode hat man aus seinen Bauten drei sog. Vaubansche
Manieren abgeleitet, die sämtlich dem von den
Italienern überkommenen
Bastionärsystem angehören (s.
Französische Befestigungsmanier). Die Befestigungsweife V.s und seiner Nachfolger blieb über
ein Jahrhundert in Europa
[* 17] maßgebend und ist es in
Frankreich bis 1870 gewesen. Auch in andern Bauten
zeichnete sich Vauban aus, wie die Schleuse von Gravelingen und der
Hafen von
Toulon
[* 18] beweisen. Der Vaubansche Festungsangriff hat
durch die Ausbildung der gezogenen
¶
mehr
Geschütze
[* 20] in artilleristischer Hinsicht wesentliche Änderungen erlitten, liegt aber dem Ingenieurangriff auch gegenwärtig
noch in gewisser Hinsicht zu Grunde.
V.s Einfluß im Heerwesen bewirkte 1703 die Abschaffung der Piken und die allgemeine Einführung des Steinschloßbajonettgewehrs
bei der franz. Infanterie. 1699 wurde Vauban Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften, und 1703 erhielt er
den Marschallsstab. Doch zog ihm seine Denkschrift «Projet d'une dime royale» (1707; neue Aufl.,
Par. 1877), worin er auf die enorme Steuerlast, durch die das franz.
Volk bedrückt wurde, hinwies und alle die vielfachen Abgaben durch eine einzige Steuer zu ersetzen vorschlug, die Ungnade des
Königs zu, so daß er in Ruhestand versetzt wurde. Er starb und hinterließ nur Handschriften,
von denen ein Teil später u. d. T. «Oisivetés de M.
de Vauban» (3 Bde., Par.
1842-43) herausgegeben wurde. Auch ist seine Wirksamkeit in den «Œvres militaires»,
hg. von Foissac (3 Bde., Par. 1793),
in dem «Traité de l'attaque des places» von Augovat (ebd. 1829: deutsch von Zastrow u.d. T. «Angriff und
Belagerung fester Plätze», Berl. 1841) und in dem «Traité de la defense des places», nach einer von ihm selbst durchgesehenen
Handschrift, mit einer Vorrede des Generals Valazé (Par. 1829),
und in mehrern andern Werken niedergelegt. Ferner
wurden nach seinen Handschriften bearbeitet «Mémoires pour servir d'instruction
dans la conduite des sièges et dans la défense des places» (Leid. 1740; deutsch Berl. 1744). Seine «Mémoires
militaires» wurden von Favé herausgegeben (Par. 1847); auch erschienen «Mémoires
inédits du maréchal Vauban sur Landau,
[* 21] Luxembourg etc.» (ebd. 1841). Die unter seiner Leitung
verfertigten Modelle der franz. Festungen wurden von den Verbündeten 1815 mit fortgenommen
und befinden sich zum Teil in der Ruhmeshalle (Zeughaus) zu Berlin. -
Vgl. Chambray, Notice historique sur Vauban (Par. 1845);