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Michelangelo griff auf den Grundriß Bramantes zurück, verstärkte die Kuppelpfeiler, führte die Außenfaçaden der Querschiffe und den Tambour der Kuppel auf und hinterließ für die Kuppel selbst Zeichnungen, nach welchen sie Giacomo della Porta und Domenico Fontana unter Sixtus Vatikan (1585-90) ausführten. Seit 1604 leitete Carlo Maderna den Bau, ließ sich aber durch Paul Vatikan bestimmen, das Mittelschiff zu verlängern; dadurch erhielt der Grundriß die Form des lat. Kreuzes; die Wirkung der Kuppel ist sehr beeinträchtigt. 1612 wurde die Façade (s. Tafel: Rom [* 2] I, [* 1] Fig. 5) vollendet, 1626 die Kirche von Urban VIII. geweiht.
Doch dauerte die Vollendung der Innendekoration, bei der namentlich Bernini thätig war, noch Jahrzehnte lang. Bernini entwarf (1629) auch zwei Glockentürme zu den Seiten der Façade, von denen der eine ausgeführte bald wegen des unsichern Baugrundes wieder abgetragen werden mußte, der andere nie in Angriff genommen ist. Unter Alexander VII. (1655-67) führte Bernini die großartigen vierfachen Kolonnaden um den elliptischen Vorplatz der Kirche auf, welche den Eindruck der Front wesentlich heben. Pius VI. baute 1776-84 den Palazzo della Sagrestia an der Südseite nach Carlo Marchionnes’ Entwurf hinzu. Die Kosten des Baues betrugen bis Ende des 17. Jahrh. über 200 Mill. M., die der Unterhaltung und Ausbesserung belaufen sich auf etwa 150000 M. jährlich.
Die Peterskirche ist mit einem Flächeninhalt von 15160 qm die größte der Welt; die Länge beträgt mit Einschluß der Vorhalle 211,5 m, die Breite [* 3] der Façade 112,6 m. Die Façade ist 44,3, das Mittelschiff 46,2, die Kuppel innen 123,4, außen bis zur Höhe des Kreuzes 132,5 m hoch; der Durchmesser der Kuppel ist 42 m, 1,5 m weniger als der des Pantheons. Die fünf Eingänge der Front führen in die 71 m breite, 13,5 m tiefe und 20 m hohe Vorhalle, mit prachtvoller Stuckdecke und anderm Schmuck; in der Eingangswand ein Mosaik nach Giotto (1298): La navicella (das «Schifflein» Petri). Über der Vorhalle liegt die sog. Loggia della Benedizione, ein mächtiger saalartiger Raum (Höhe 22 m), der früher öfter zur Abhaltung des Konklaves für die Papstwahl diente; vom Mittelbalkon dieses Saales wurde der Neuerwählte dem Volke gezeigt, und spendete (bis 1870) am Osterfeste den Segen urbi et orbi.
Von der Vorhalle führen fünf Thüren ins Innere der Kirche (s. Tafel: Italienische Kunst III, [* 1] Fig. 2), die mittelste mit schönen Bronzereliefs von Antonio Filarete (1439-45). Die Kirche hat 3 Schiffe, [* 4] 10 Kapellen (je 3 neben dem Langhaus, 4 um die Kuppelpfeiler) und außer dem Hauptaltar 29 Altäre. Der Hochaltar unter der Kuppel wird von dem ungeheuern barocken Tabernakel Berninis (29 m hoch; s.Tafel: Altäre II, [* 1] Fig. 5) überragt; darunter das von 89 ewigen Lampen [* 5] umgebene Grab des Petrus. Unter den Kunstwerken sind hervorzuheben: die sitzende Bronzestatue des Petrus, wohl ein Werk des 13. Jahrh., mit Unrecht für altchristlich gehalten (s. Tafel: Altchristliche Kunst I);
die herrliche Pietà Michelangelos (s. Tafel: Italienische Kunst V, [* 1] Fig. 4) und zahlreiche Papstgräber (besonders das Sixtus’ IV. von Antonio Pollajuolo, Innocenz’ VIII. von Antonio und Pietro Pollajuolo, Pauls III. von Guglielmo della Porta, Urbans VIII. und Alexanders VII. von Bernini, Clemens’ XIII. von Canova, Pius’ VII. von Thorwaldsen [* 1] [Figur davon s. Tafel: Thorwaldsen, [* 1] Fig. 2]).
In der Tribuna die kostbare, aber geschmacklose Cathedra Petri von Bernini, ein Bronzegehäuse, das den alten hölzernen Bischofsstuhl des Petrus umschließt, mit den Kolossalfiguren der vier großen Kirchenlehrer. Gemälde enthält die Peterskirche sehr wenige; die großen Altarbilder (u. a. Raffaels Transfiguration, Guercinos Beisetzung der heil. Petronella, Domenichinos Kommunion des heil. Hieronymus, Guido Renis Erzengel Michael) sind seit dem vorigen Jahrhundert durch meisterhafte Mosaikkopien (von Cristofani) ersetzt, da die Originale durch Feuchtigkeit zu leiden begannen. - Die Krypten (sog. Grotte Vaticane) unter der Kuppel und dem Langhause enthalten zahlreiche Kunstwerke aus der alten Kirche, Papst- und Fürstengräber (u. a. des deutschen Kaisers Otto II., gest. 983, und Gregors Vatikan, des Vetters Ottos III., gest. 999). - Der Palazzo della Sagrestia, ein sechsstöckiger Prachtbau, enthält außer den Sakristeiräumen die Wohnungen der Domherren, das Archiv und den Schatz der Basilika [* 6] (in letzterm schöne Kandelaber, [* 7] angeblich von Michelangelo und Benvenuto Cellini, eine kostbare Dalmatica, die Karl d. Gr. getragen haben soll, u. a.).
[* 1] ^[Abb.]Peterskirche (Grundriß).
1. Statue des Petrus. 2. Statue Pius’ VI. 3. Grabmal Pauls III. 4. Pietà von Michelangelo. 5. Kapelle des heiligen Sakramentes. 6. Grabmal Sixtus’ IV. 7. Gregorianische Kapelle. 8. Madonna del Soccorso. 9. Denkmal Clemens’ XIII. 10. Kapelle des Erzengels Michael. 11. Cappella della Colonna. 12. Clementinische Kapelle. 13. Grabmal Pius’ VII. 14. Chorkapelle. 15. Grabmal Innocenz’ VIII. 16. Sagrestia comune. 17. Sagrestia dei canonici. 18. Stanza capitolare. 19. Sagrestia de’ beneficiati. 20. Kirchenschatz. ¶
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Zu den Nebengebäuden der Basilika gehörten schon im frühen Mittelalter Wohnungen für den Bischof von Rom (episcopia, zuerst erwähnt unter Papst Symmachus, 498-514), die aber mehr den Charakter eines Absteigequartiers hatten. Erst unter Eugen III. (1145-53) und Nikolaus III. (1277-81) werden größere Bauten erwähnt. Da der lateranische Palast durch die große Feuersbrunst von 1308 zerstört war, verlegten die Päpste nach der Rückkehr aus Avignon ihre Residenz nach dem Vatikan Johann XXIII. verband (etwa 1410) den Vatikan durch einen bedeckten Gang [* 9] mit der Engelsburg.
Nikolaus Vatikan (1447-55) faßte den Plan eines großartigen Neubaues, der die Wohnungen sämtlicher Kardinäle und die Geschäftsräume aller päpstl. Behörden in sich begreifen sollte; doch kam in seiner kurzen Regierungszeit wenig davon zur Ausführung. Sixtus IV. baute dann (1473) die Sixtinische Kapelle, daneben Alexander VI. ein festes Wohnhaus [* 10] (Torre di Borgia: im Mittelgeschoß die Appartementi Borgia, mit reichem Freskenschmuck, namentlich von Pinturicchio, im Oberstock die Wohnzimmer, stanze, Julius II. mit den berühmten Fresken Raffaels). Auf einem 300 m nördlich von diesen Bauten gelegenen Hügel ließ Innocenz VIII. nach den Plänen Antonio Pollajuolos eine Gartenvilla (il Belvedere) anlegen.
Julius II. hat das Verdienst, wie für die Peterskirche so auch für den Palast großartige Neuschöpfungen geplant und die Ausführung in die Hand [* 11] Bramantes gelegt zu haben. Dieser verband das Belvedere mit den Bauten Alexanders VI. durch zwei riesige Langbauten, die einen in Terrassen aufsteigenden Garten [* 12] einschließen sollten; ferner baute er, östlich an die Torre Borgia anschließend, die Hallen (loggie), welche den sog. Hof [* 13] des heil. Damasus einschließen und deren oberstes Geschoß [* 14] Raffael und seine Schüler mit reizenden, ornamentalen Wand- und Deckenfresken schmückten.
Durch Bramantes Bauten war Form und Ausdehnung [* 15] des Palastes im wesentlichen gegeben, doch bauten die meisten folgenden Päpste weiter daran. Sixtus Vatikan durchschnitt den großen Garten Bramantes durch den Bibliotheksflügel und erbaute an der Ostseite des Damasushofs den großen, den Petersplatz beherrschenden Palast, in dem noch jetzt der Papst residiert; für das Antikenmuseum erbaute Pius VI., anschließend ans Belvedere, die Sala delle Muse, Sala Rotonda und Sala a croce greca, später Pius VII. den Braccio nuovo (parallel der Bibliothek). So ist der Vatikan mit einer bebauten Fläche von etwa 28000 qm (ausschließlich der großen Höfe und Gärten) der größte Palast der Welt, wenn auch die oft wiederholte Angabe, daß er 11000 Räume enthalte, eine Fabel ist (in Wahrheit dürfte die Zahl 1000 kaum erreicht werden). -
Vgl. Fontana, Templum Vaticanum (Rom 1694);
Platner und Bunsen, Beschreibung Roms, Bd. 2 (Stuttg. 1832);
Geymüller, Les projets primitifs pour la basilique de S. Pierre (Par. 1875);
Letarouilly und Simil, Le [* 16] Vatican (2 Bde., ebd. 1882).
Das Vatikanische Museum gehört, was den Antikenbesitz anlangt, zu den ersten Sammlungen der Welt. Schon Julius II., Leo X. und Paul III. hatten im Belvedere und im Garten des Vatikan antike Skulpturen aufgestellt; dieselben waren aber in den Zeiten der Gegenreformation, unter Paul IV. und Pius Vatikan, bis auf einzelne hervorragende Stücke (Laokoon, Apollon, [* 17] schlafende Ariadne u. dgl.) zerstreut und verschenkt worden. Erst Clemens XIV. und Pius VI. gründeten 1770-80 die jetzige Antikensammlung (Museo Pio-Clementino), welche rasch wuchs und durch den berühmten Archäologen E. Q. Visconti geordnet wurde.
Dieselben begründeten auch die Galleria lapidaria, die größte existierende Sammlung antiker, besonders röm. Inschriftsteine. Pius VII. fügte das Museo Chiaramonti und den Braccio nuovo hinzu, Gregor XVI. das ägypt. und etrusk. Museum, Pius IX. das christl. Museum unter Leitung G. B. de Rossis; die Bildung einer Sammlung mittelalterlicher Kunstwerke und kunstgewerblichen Arbeiten ist zur Zeit im Werke. Die Sammlungen nehmen die mittlern Geschosse der großen Bramanteschen Korridore, ferner den Braccio nuovo, das Belvedere und mehrere anschließende, eigens dafür erbaute Säle ein. Beschrieben sind die vatikanischen Sammlungen von E. Q. Visconti (s. d.) in den Prachtwerken Museo Pio-Clementino und Museo Chiaramonti; von Platner, Bunsen und Gerhard im 2. Bande der «Beschreibung Roms»; vgl. auch Michaelis im «Jahrbuch» des Archäologischen Instituts (1890) und Helbig, Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom (Bd. 1, Lpz. 1891).
Die von Pius VII. gegründete Gemäldegalerie bereichert durch die 1816 von den Franzosen zurückgegebenen Bilder, die diese aus allen Kirchen Roms zusammengebracht hatten, ist neben der Galerie Borghese die wichtigste Roms.
Das zuerst unter Damasus I. erwähnte päpstl. Archiv wurde aus dem Lateran in den Vatikan verbracht, wo es 11 Zimmer einnimmt. Seine 2016 Bände Register, Urkunden und Akten bilden eine unvergleichliche Fundgrube für die Geschichte der ganzen Welt, namentlich seit 1198; ihre Benutzung wurde durch Leo XIII. auf Veranlassung des Kardinals Hergenröther in rühmlichster Weise freigegeben.