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reizte das Handwerk zur Nachahmung. Um ähnliche Kompositionen wiederzugeben,war der schmale Raum, den die Schale bot, nicht geeignet, man hatte hohe Flächen nötig, wie sie die großen Gesäße, die Amphora [* 2] und der Krater, [* 3] boten und diese beiden Gefäßformen kamen nun mehr als früher in Aufnahme. Es ist charakteristisch, daß in dieser auf die Blüte [* 4] der Schalenmalerei folgenden Periode die Künstlerinschriften auf den Vasen [* 5] fast ganz verschwinden. Eine größere Gleichmäßigkeit des Stils macht sich geltend.
Auch in der Auswahl und in der Auffassung der dargestellten Gegenstände tritt ein Wechsel ein. Während die Schalenmaler darauf bedacht gewesen waren, in ihren Darstellungen möglichst viel Handlung zu geben, fing man jetzt an, Stimmungsbilder, Abschiedsscenen, Schilderungen trauten Beisammenseins u. dgl. zu malen; auch bei den mythischen Stoffen ging man mehr darauf aus Situationen zu schildern, als die Geschehnisse, wie früher, in anschaulicher Ausführlichkeit zu erzählen.
Die Periode dieser Entwicklung fällt in die zweite Hälfte des 5. Jahrh. v. Chr. (Vgl. Winter, Die jüngern attischen Vasen, Berl. und Stuttg. 1885.) Die Gefäße dieser Zeit sind leichter und schlanker gebaut, die Ornamentstreifen feiner und reicher gestaltet; alles drängte mehr auf eine äußerliche dekorative Wirkung hin. Dabei begann die Gewohnheit sich herauszubilden, die eine Seite des Gefäßes durch die bildliche Darstellung als Hauptseite zu betonen. Man begnügte sich, die Rückseite mit ein paar flüchtig hingeworfenen bedeutungslosen [* 1] Figuren zu bemalen.
Was den Inhalt der Darstellungen anlangt, so wurden die epischen Schilderungen von dem Genrebilde nun fast völlig verdrängt. Mädchen beim Spiel, bei der Toilette, in häuslicher Beschäftigung, Blumen und Früchte pflückend, zieren in anmutigem Wechsel den Raum der Gefäße, immer ist Eros [* 6] unter ihnen und alles, was auf Schönheit und Liebe Bezug hat, wird jetzt der Gegenstand des Interesses: es ist die gleiche Richtung, die in der großen Kunst jener Zeit die Werke des Praxiteles bezeichnen.
Das Streben nach Zierlichkeit und Eleganz gab nun auch Anlaß, durch Zusetzen farbiger Töne den Reiz der Zeichnung zu erhöhen. Man liebte es, namentlich auf zierlichen Toilettegefäßen Vergoldung anzubringen, und suchte außerdem durch weiße und blaue Farbe an einzelnen Teilen der [* 1] Figuren dem Bilde eine Buntheit zu geben, die der rotfigurigen Malerei im strengen Sinne fremd war. (Vgl. Otto Jahn, Über bemalte Vasen mit Goldschmuck, Lpz. 1865.) Eine wirklich farbige Behandlung ist für die fast ausschließlich dem Gräberkult dienenden Lekythen bis in das 4. Jahrh. hinein beibehalten worden. (Vgl. Benndorf, Griech. und sicil. Vasenbilder, Berl. 1869‒77: Murray, White Athenian Vases in the British Museum, Lond. 1896.) In der zweiten Hälfte des 4. Jahrh. v. Chr. bricht die attische Vasenmalerei ab. Noch kurz vor ihrem Aufhören entstanden in einzelnen der Absatzgebiete lokale Fabriken, so die in Südrußland (in der Krim), [* 7] wohin im 4. Jahrh. v. Chr. ein starker Vasenexport von Athen [* 8] aus stattgefunden und wo sich auch attische Vasenmaler selbst angesiedelt hatten.
In größerm Umfang als dort ist die Fabrikation in den griech. Kolonien von Unteritalien aufgenommen worden. Die Hauptfundstätten sind in Campanien Capua und Cumä, in Lucanien Anzi und Pästum, in Apulien Ruvo und Canosa. Gemeinsam ist allen hier entstandenen Vasen, die in der Technik mit den rotfigurigen attischen übereinstimmen, im Gegensatz zu den letztern der gröbere Thon, die nachlässige Ausführung der Malerei und eine Überladung der Gefäße mit bildlichem und ornamentalem Schmuck. In letzterm kommen sie der Art der ältern Vasen wieder näher, während die attische Ware durch geschmackvolles Maßhalten in der Dekoration ausgezeichnet war.
Kunstvoller als die übrigen sind die apulischen Vasen, unter denen namentlich eine Sorte Prachtamphoren, sehr großer Gefäße mit Schwanenhälsen, bemerkenswert ist. Die Fabrikation dieser Art von Vasen reicht nicht über das Ende des 3. Jahrh. v. Chr. hinab. In den folgenden Zeiten ist das Aufmalen der Dekoration auf die Vasen aus der Mode gekommen. Es machte sich in der spätern Thonware vielmehr ein engerer Anschluß an Metallgefäße bemerklich, in den Formen und Ornamenten, in den meist in Relief ausgeführtem figürlichen Darstellungen wie auch in der Tönung der Oberfläche, für die durch die Erfindung der Glasur ganz neue Wege gewiesen wurden.
In der neuern Kunst spielt die Vase eine minder wichtige Rolle. Ihre Grundform und Dekorierungsart ist eine völlig willkürliche. Vorzügliches in der Herstellung von Vasen leistet das moderne europ. Kunstgewerbe, vornehmlich die berühmten Porzellanfabriken Deutschlands [* 9] und des Auslandes (s. Tafel: Vasen Ⅱ); ferner auch der Orient, insbesondere Japan, [* 10] China und Indien (s. Japanische Kunst, Chinesische Kunst, Indische Kunst und die diesen Artikeln beigegebenen Tafeln).
Von Publikationen sind die ältern bei O. Jahn, Beschreibung der Vasensammlung des Königs Ludwig Ⅰ. (Münch. 1851), aufgezählt. Von jüngern sind außer den im Text erwähnten zu nennen: Lau, Die griechischen Vasen, ihr Formen- und Dekorationssystem (44 Tafeln mit Text von Krell, Lpz. 1877);
Dumont und Chaplain, Les céramiques de la Grèce propre (Par. 1882‒90);
Sammlung Sabouroff, hg. von Furtwängler (Berl. 1883‒87);
Pottier, Vases antiques du Louvre (Par. 1897).
Zusammenfassende Darstellungen geben Birch, History of ancient pottery (2. Aufl., Lond. 1873); Genick, Griech. Keramik [* 11] (Berl. 1883);
Rayet und Collignon, Histoire de la céramique grecque (mit zahlreichen Abbildungen, Par. 1888);
von Rohden (in den «Denkmälern des klassischen Altertums», hg. von Baumeister, Münch. 1885‒88);
Masner, Die Sammlung antiker Vasen und Terrakotten [* 12] im k. k. österr.
Museum für Kunst und Industrie (Wien [* 13] 1892). Um die Veröffentlichung der Vasenbilder hat sich besonders Eduard Gerhard (s. d.) verdient gemacht.