andern Völkern hat bisher nicht festgestellt werden können. Man kennt auch ihre Herkunft nicht; doch steht außer Zweifel,
daß sie schon vor Christi
Geburt die Ufer des Asowschen und
SchwarzenMeers bewohnt haben.
Bei den griech. Schriftstellern werden
sie erwähnt unter dem
Namen Zichi, Toreti und Kerketi (daraus ist wohl das ital. Circassi
und das Wort Tscherkessen entstanden). Im Frieden von
Adrianopel (1829) trat die
Türkei
[* 2] die tscherkessischen
Völker an
Rußland ab, aber
sie hielten sich für gänzlich unabhängig und bildeten eine Menge kleiner Republiken, die eine Art von
Bund miteinander
hatten.
Das war der größere
Teil derselben, die sog.
Freien Tscherkessen, im Gegensatz zu den Friedlichen Tscherkessen. Diese wurden
von Fürsten regiert, die
Rußland über sie setzte; jene mußten durch
Krieg überwunden werden. (S.
Kaukasische Kriege.) Dabei
wurden sie zu größerer Vorsicht aus ihren schwer zugänglichen
Thälern auf die fruchtbaren Ebenen des Kubanbassins übergesiedelt.
Dies hatte zur Folge, daß von 400000
Freien Tscherkessen gegen 300000 in die
Türkei auswanderten; von einzelnen
Stämmen, wie den Shapsugen und
Ubychen, ist fast niemand zurückgeblieben; von den Abadsechen und Bscheduchen weniger als
die Hälfte. Zu den auswandernden Tscherkessen gesellten sich noch die Bewohner der nordöstl. Ufer des
SchwarzenMeers, so daß 1864 wohl
gegen ½ Mill. kaukas.
Bergvölker in die
Türkei auswanderte. Die Übriggebliebenen wurden hauptsächlich
in den
Bassins der
Bjelaja und Laba, im Ober- und Mittellauf des
Kuban und seiner Zuflüsse Urup, dem
Großen und
Kleinen Selentschuk
angesiedelt und die einzelnen
Stämme vielfach mit andern vermischt. Nur wenige wurden in ihren alten
Wohnsitzen belassen. - Die Tscherkessen sind im allgemeinen von mittlerm Wuchs und kräftig gebaut; sie haben regelmäßige
und männliche
Gesichtszüge, oftmals mit wildem
Ausdruck.
Unter den Weibern findet man, besonders in den höhern
Ständen, wirkliche Schönheiten, doch vergeht die Schönheit bald,
da die Frauen schwere
Arbeit verrichten müssen. Das Familienleben trägt einen patriarchalischen Charakter;
für die Frau wird ein sog. Kalym (Brautkaufpreis) bezahlt;
Achtung vor dem
Alter und unbedingte Gastfreundschaft sind die
guten Seiten des Tscherkessen, doch giebt er sich wilder Blutrache hin. Das Kostüm
[* 3] (besonders den langen Rock, Tscherkeßka
genannt) der
Männer haben die kaukas.
Kosaken ebenso wie die
Bewaffnung und die Haltung zu
Pferde
[* 4] von den Tscherkessen entlehnt. Das weibliche Kostüm
ist sehr malerisch. Der kriegerische
Geist der Tscherkessen, ihre Waghalsigkeit und Gewandtheit haben sehr abgenommen, seitdem sich
das
Volk an ein friedliches Leben gewöhnt hat.
Alle bekennen sich zum
Islam und sind
Sunniten, doch giebt esBeweise,
daß sie einst
Christen gewesen sind, wie auch die Verehrung Christi, der
Mutter Gottes und des Kreuzes bei ihnen besteht,
freilich neben manchen heidn. Gebräuchen. Um die
Verbreitung des
Christentums unter diesen Völkern hat sich besonders
Kaiser
Justinian verdient gemacht, dessen
Name in Liedern fortlebt.
Über dieSprache
[* 5] der (s.
Kaukasische Sprachen)
vgl. L'huilier, Russ.-tscherkess. Wörterbuch mit
Grammatik (Odessa
[* 6] 1846); Löwe, Circassian dictionary (Lond. 1854).
Gustav, Mineralog, geb. zu Littau bei
Olmütz,
[* 7] studierte zu
Wien
[* 8] und veröffentlichte 1858 seine
erste
Abhandlung über das Trachytgebirge bei Banow; er habilitierte sich 1861 in
Wien, wurde 1862 Kustos
am Hofmineralienkabinett und bereiste 1863-66 die
Alpen
[* 9] und Karpaten, um
Beobachtungen und Materialien für sein preisgekröntes
Werk «Die Porphyrgesteine
Österreichs» zu sammeln, welches 1869 erschien. Tschermak wurde 1868 zum Direktor des kaiserl.
Hofmineralienkabinetts sowie zum Professor an der
Universität ernannt, 1875 zum Wirklichen Mitglied der
WienerAkademie gewählt.
Die Direktorstelle am Hofmineralienkabinett legte er 1877 nieder. Tschermak ist der Verfasser einer großen Anzahl
von zumeist in den «Sitzungsberichten» der
WienerAkademie erschienenen
Abhandlungen mineralog. und petrogr.
Inhalts, die sich
sowohl durch Sorgfalt als durch Gedankenreichtum auszeichnen. So hat er 1865 die Feldspatgruppe, 1872 die
Familie von Hornblende
[* 10] und
Augit,
[* 11] 1877 die Glimmergruppe bearbeitet und geordnet, 1883 ferner die Skapolithgruppe, 1891 die
Chloritgruppe.
Sein «Lehrbuch der Mineralogie» erschien in vierter
Auflage
(Wien 1894). Ferner ist Tschermak einer der hervorragendsten Kenner und
Forscher auf dem Gebiete der Meteoritenkunde; aus diesem veröffentlichte er das umfassende Werk «Die
mikroskopische Beschaffenheit der
Meteoriten, erläutert durch photogr. Abbildungen», mit 25
Tafeln (3 Lfgn., Stuttg. 1883-85).
Seit 1871 gab er die Zeitschrift «Mineralog. Mitteilungen» heraus, die 1878 zu
den «Mineralog. und petrogr. Mitteilungen» erweitert wurde; 1889 übertrug
er deren Redaktion an Friedr.
Becke.
(spr. tschór-), auch
Tschorgun,
Fluß im
Kreis
[* 13] Jalta des russ. Gouvernements
Taurien, auf der Halbinsel Krim,
[* 14] mündet bei Inkerman ins östl. Ende der
Bucht von Sewastopol
[* 15] (s. d. nebst Textkarte) und ist bekannt durch den
Angriff vom
den die in Sewastopol belagerten
Russen (74000 Mann) gegen die
Deckung der Verbündeten an der Tschernaja (39 630 Mann)
richteten, aber mit einem
Verlust von 260 Offizieren und 8010 Mann gegen 1750 Mann geschlagen wurden.
Michael Grigorjewitsch, russ.
General, geb. 1828, nahm am türk.
Kriege in der Krim und an den Kämpfen
im
Kaukasus teil, kam 1864 als Generalmajor nach
Turkestan und eroberte
Taschkent, wurde 1867 verabschiedet,
trat in
Moskau
[* 16] als Rechtsanwalt auf, wurde aber bald wieder im
Heere angestellt, ohne indessen ein Kommando zu erhalten, und
nahm 1875 den
Abschied. Tschernajew gründete hierauf in
Petersburg
[* 17] die
Zeitung «Ruskij Mir». Im Juli 1876 übernahm er denBefehl
über das serb.
Heer an der Morava und wurde 29. Okt. bei
Alexinac von den
Türken geschlagen. 1877 unternahm Tschernajew eine Agitationsreise
nach
Österreich,
[* 18] wurde zu
Prag
[* 19] ausgewiesen, lebte dann in
Frankreich und beteiligte sich dort an deutschfeindlichen
Demonstrationen.
Anfang 1879 versuchte in Rumelien einen
Aufstand der
Bulgaren zu organisieren, wurde im März zu
Adrianopel
verhaftet und nach
Rußland gebracht. 1882-84 war er
Generalgouverneur des turkestan. Militärbezirks in
Taschkent. Seitdem
steht er
à la suite des Generalstabs und ist Mitglied des Kriegsrats.
1) Gouvernement im südwestl.
Teil des mittlern
Rußlands (s. Karte: Südrußland
^[Artikel, die man unter
Tsch vermißt, sind unter Cz aufzusuchen.]
¶
mehr
u. s. w., beim ArtikelRußland), zu den kleinruss. Gouvernements gehörig, grenzt im NW., N. und NO. an die Gouvernements Mohilew,
Smolensk und Orel, im SO. an Kursk, im S. und SW. an Poltawa und Kiew
[* 21] und im W. an Minsk und hat 52 402,3 qkm mit (1897) 2 322 007 E.,
d. i. 44,3 auf 1 qkm. Die Oberfläche ist eine große Ebene,
stellenweise von Hügeln oder tiefen Schluchten und Flußthälern durchzogen und von NO. nach SO. von der Desna durchschnitten.
Den südl. Teil der Westgrenze bildet der Dnjepr von der Mündung des Sosh an. Der nördl. Teil ist morastig und
war früher stark bewaldet, der mittlere TeilSteppe, der Süden fruchtbare Niederung. An Mineralien
[* 22] finden sich Porzellanerde,
Salpeter, Mühlsteine,
[* 23] Steine zu Fliesen
[* 24] und Sockeln, Kalk, Sumpfeisen.
Der Norden
[* 25] und Osten ist rauher als der Süden und der Westen. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 6¼°, im Sommer
20°, im Winter -6¼° C. Die Bevölkerung besteht zum größten Teil aus Kleinrussen; dann Weißrussen (im
N.), Großrussen und Juden (4,4 Proz.). Südlich vom Sejm und Desna wiegen Ackerbau und Viehzucht
[* 26] vor; nördlich davon Waldindustrie
und Zuckerrübenbau, sowie ganz im N. (dem ärmsten Teil T.s) Hanfbau. Die Vieh-, darunter Pferdezucht,
[* 27] ist nur im S. von
Bedeutung; es gab (1893) 577 286 Pferde, 480 780 Rinder,
[* 28] 983 200 Schafe
[* 29] und 480 768 Schweine.
[* 30]
Die Waldindustrie besteht im Sieden von Teer, Anfertigung von Holzwaren (auch Wagen), Schiffbau. Ferner werden betrieben Weberei,
[* 31] Töpferei, Kalkbrennerei, Flußschiffahrt. Es giebt 1077 Fabriken mit 21,67 Mill. Rubel Produktion, darunter 13 Zuckerfabriken
(15,4 Mill.), 73 Branntweinbrennereien. Geerntet wurden (1889-93) im Jahresdurchschnitt: Roggen 2,67,
Weizen 0,05, Hafer
[* 32] 1,26, Buchweizen 1,63, Kartoffeln 1,58 Mill. Tschetwert;
Neben schiffbaren
Flüssen (Dnjepr, Sosh, Desna) sind 804 km Eisenbahnen vorhanden; ferner 12 Mittelschulen für Knaben, 8 für Mädchen, 3 Special-
und 1153 niedere und Elementarschulen. Das Gouvernement, seit 1809 in jetzigem Zustand, besteht aus 15 Kreisen:
Borsna, Gluchow, Gorodnja, Koselez, Konotop, Krolewez, Mglin, Njeshin, Nowgorod-Sjewersk, Nowosybkow, Oster, Sosniza, Starodub, Surash
und Tschernigow. - 2) Kreis im westl. Teil des Gouvernements Tschernigow, östlich am Dnjepr und im Gebiet der Desna, hat 3672 qkm, 130 188 E.;
Getreide- (nur Roggen, Gerste,
[* 34] Hafer) und Hanfbau, Viehzucht und Waldindustrie. - 3) Hauptstadt des Gouvernements
und des Kreises Tschernigow, rechts an der Desna und an der Linie Kruty-Tschernigow (81 km) der Eisenbahn Kiew-Woronesch, besteht
aus 5 Stadtteilen, ist Sitz des Gouverneurs und des Bischofs von Tschernigow und Rjeshin und hat (1897) 25 580 E.,
darunter 33 Proz. Juden; Reste eines alten befestigten Schlosses, 21 russ. Kirchen, darunter die Kathedrale der Verklärung
Christi (im Bau begonnen 1024) und der HeiligenBoris und Gljeb (seit 1120), 1 kath. Kirche, 6 Synagogen, 1 Mönchskloster, 1 Knaben-, 1 Mädchengymnasium, 1 Geistliches
Seminar, 1 Feldscherschule, Theater,
[* 35] 3 Zeitungen, 3 Buchdruckereien, 5 Buchhandlungen, Filialen der RussischenReichs- und Orelschen Handelsbank, Stadtbank, Flußhafen, Handel und Industrie (17 Fabriken).