die Dekretalen als Autoritäten für die Entscheidung streitiger Fragen hinzu.
Die Unfehlbarkeit der Kirche vertrat sonach den in den meisten Fällen überdies unmöglichen histor. Nachweis apostolischen
Ursprungs. Erst im Streite gegen den Protestantismus versuchte man, die Tradition als mündlich überliefertes Gotteswort der Heiligen Schrift
ebenbürtig zur Seite zu stellen. Indessen hat es niemals gelingen wollen, diese Tradition auf
einen klaren Begriff zu bringen. Der zu Trient gemachte Vorschlag einer vollständigen Kodifikation aller in der Kirche aufbewahrten
Tradition wurde zurückgewiesen, um künftigen kirchlichen Entscheidungen, für die man ebenfalls auf die Tradition sich berufen mußte,
nicht den Weg zu verlegen.
Dafür unterschied die kath. Dogmatik zwischen traditiones divinae, apostolicae
und ecclestiasticae, von denen nur die beiden ersten dem aufgestellten strengern Begriffe entsprechen, schwankte aber bis
auf den heutigen Tag über die Einreihung der kath. Dogmen und Bräuche unter die eine oder andere Kategorie. Auch die Unterscheidung
von traditiones universales und particulares, perpetuae und temporariae war vielfach eine willkürliche.
Gegenüber den unabweisbaren Zeugnissen der Geschichte für den spätern Ursprung vieler der wichtigsten kath.
Lehren und Bräuche ließ die Berufung aus die «kirchliche» Tradition immer einen Ausweg offen,
dessen entschlossene Betretung aber die ganze Traditionstheorie, sofern sie noch neben dem Satze von der Unfehlbarkeit
der Kirche aufgestellt wurde, im Grunde überflüssig macht, namentlich nachdem durch die Proklamierung der Unfehlbarkeit des
Papstes (s. Infallibilität) ohne Konzil die Mittel, die Ansicht der unfehlbaren Kirche zum Ausdruck zu bringen, im hohen Grade
vereinfacht sind.
Schon die kath. Dogmatiker Staudenmaier und Möhler waren dazu zurückgekehrt, den Traditionsbegriff überhaupt
als die stetige Leitung der Kirche durch den göttlichen Geist, also als eine unfehlbar vollkommene Entwicklung des kirchlichen
Bewußtseins, die alle Irrtümer und Mißgriffe ausschließt, zu fassen. Der ältere Protestantismus richtete seine Polemik besonders
gegen den tridentinischen Begriff der Tradition als eines ungeschriebenen Gotteswortes neben der Heiligen Schrift und zeigte
nicht nur die Unwahrscheinlichkeit und Unerweislichkeit einer unversehrten Bewahrung desselben durch die Jahrhunderte, sondern
lieferte auch für zahlreiche angeblich göttliche und apostolische Tradition den Nachweis ihres jüngern Ursprungs,
wogegen er nicht nur die histor.
Zeugnisse der Kirchenväter (traditio historica), namentlich die auf Entstehung und Sammlung der biblischen Bücher bezüglichen,
sondern auch die Schriftauslegungen der Väter (traditio exegetica) und die in den alten Bekenntnissen
und Zeugnissen der Väter niedergelegte dogmatische Überlieferung (traditio dogmatica), letztere freilich auch nur als richtige
Auslegung des echten Schriftsinns in Ehren hielt. Während aber der Katholicismus nach seinem weitern Begriffe von der Tradition die
Heilige Schrift selbst als Bestandteil derselben betrachtete und das Ansehen der Bibel mit Augustinus aus
das Ansehen der Kirche begründete, lehnte der Protestantismus diese Ansicht beharrlich ab, hob die Heilige Schrift als allein
zuverlässige Quelle des «Wortes Gottes» auf den Schild und behauptete, daß sie der Ergänzung und Erläuterung durch die Tradition nicht
bedürftig, noch weniger ihr ein- oder unterzuordnen sei.
In dem
Maße, als man protestantischerseits anfing, die menschliche Entstehung der biblischen Bücher anzuerkennen und sie als
erstes Glied in der Reihe kirchlicher Litteraturprodukte zu betrachten, schien auch der Gegensatz von Schrift und Tradition seine
Schärfe zu verlieren. Dennoch blieb auch so noch eine principielle Differenz, da der kath.
Begriff einer unfehlbaren Kirche und die unbedingte Autorität derselben gegenüber dem Einzelnen mit der Forderung der prot.
Wissenschaft, die kirchliche Entwicklung als eine echt menschlich-geschichtliche, also niemals absolut vollkommene zu betrachten,
in einem unversöhnlichen Gegensatze steht. Die moderne prot. Orthodoxie hat dagegen nicht nur für das
Schriftwort, sondern auch für die Kirchenlehre die Anerkennung unbedingter, also göttlicher Autorität wieder beansprucht.
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Vgl. H. Holtzmann, Kanon und Tradition (Ludwigsb. 1859).
(vom lat. tradux, Absenker, Ableger), im Unterschied von den Kreatianern (s. d.) diejenigen,
welche die Lehre, daß die menschlichen Seelen ebenso wie die Körper auf dem Wege der physischen Zeugung entstanden seien,
verteidigen.
ein Sandsteinvorgebirge in der span. Provinz Sevilla, am 100-260 m hohen Felsufer des Atlantischen Meers,
zwischen der Straße von Gibraltar und Cadiz, ist besonders durch die Seeschlacht bei T.vom berühmt.
Die franz. Flotte unter Admiral Villeneuve war mit der spanischen unter Admiral Gravina vereinigt im Hafen zu Cadiz vor Anker gegangen.
Nun segelte auch Nelson vor Cadiz und lockte die feindliche Flotte durch einen scheinbaren Rückzug aus dem Hafen heraus. In
zwei Kolonnen segelte seine 27 Linienschiffe starke Flotte gegen die französisch-spanische von 33 Schiffen,
die eine 15 km lange Linie bildeten und bei Annäherung der Engländer sich in einen Halbkreis ordneten.
Allein Nelson durchbrach die feindliche Linie an zwei Punkten. Auf Pistolenschußweite lagen die Schiffe aneinander, mehrere
wurden geentert, andere in den Grund gebohrt. Nach drei Stunden war der Kampf geendet. Villeneuve wurde
gefangen, Gravina starb an seinen Wunden; 19 Schiffe waren verloren. Nelson selbst fiel in der Schlacht. Nach seinem Tode übernahm
Admiral Collingwood den Oberbefehl. Nur 10 Schiffe blieben von der Flotte, die Napoleon I. in sechs Jahren geschaffen
hatte.
(lat. Tragacantha oder Gummi Tragacanthae), der erhärtete Schleimsaft verschiedener Arten
von Astragalus (s. d.). Er fließt entweder freiwillig aus dem Holz oder wird
durch Einschnitte oder Stiche am untern Teil des Stämmchens zum Fließen gebracht, erhärtet in 3-4 Tagen und bildet nach der
Art der Austrittsöffnung band- oder blätterartige Stücke (der Smyrnaer oder Blättertragant, die beste
und teuerste Sorte), oder wurm-, oder faden-, oder nudelförmige gewundene Körper
mehr
(der Moreatragant oder Vermicell), oder klumpige Massen (der persische Kugeltragant, eine ordinäre Sorte). Eine Mittelsorte
bildet der syrische oder Aleppotragant. Der Farbe nach sind die besten Stücke des Tragant milchweiß und schwach gelblich, und
gehen dann abwärts auf gelblich, bräunlich bis braun. Die Masse selbst ist hornartig fest und starr,
mehr zähe als spröde. Ihren Hauptbestandteil bildet das Adragantin oder Bassorin, das im Wasser zu einer großen Menge Schleim
aufquillt, aber ausgetrocknet wieder die frühere Festigkeit annimmt.
Der Tragantschleim bildet daher ein gutes Bindemittel, das vielseitige Verwendung findet zur Anfertigung von Pastillen, Konditoreiwaren
(Tragantfiguren oder Tragantblumen, s. d.), Farben, zum Appretieren von Zeugen, endlich, vermischt mit Kreide,
Bleiweiß u. a., zur Herstellung bildsamer Massen für Abdrücke u. s. w., in der Kattundruckerei zum Verdecken der Farbe und bei
der Herstellung von Cigarren. Die Ernte Kleinasiens betrug (1894) 480000 kg, wovon etwa 20 Proz. nach Smyrna und 80 Proz.
nach Konstantinopel gehen. Je nach dem Aussehen kostet das Kilogramm 3-7 M. - Afrikanischer s. Sterculia.