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sind. Im Wetteifer mit Palma Vecchio und Pordenone lieferte er 1530 das Bild: Tod des Petrus Martyr für die Kirche San Giovanni e Paolo, welches 1867 verbrannte. Zur erhabenen Auffassung des Vorgangs gesellte sich hier aufs wirkungsvollste das Gefühl für die landschaftliche Schönheit und ihre bedeutsame Verwendung im Historienbilde. Daneben enthüllen Gemälde, wie die Grablegung Christi (um 1523 für den Herzog von Mantua [* 2] gemalt, jetzt im Louvre) oder die heilige Jungfrau mit dem Kaninchen [* 3] (sog. Madonna del Coniglio; 1530, im Louvre), die Macht und Unerschöpflichkeit seiner Palette, während andere Kompositionen, wie die Darstellung Maria im Tempel [* 4] (Akademie zu Venedig), [* 5] bei aller Größe noch durch ein gemütvoll genrehaftes Motiv ausgezeichnet sind.
Von Wichtigkeit für T.s Stellung im Leben war sein Verhältnis zu dem Schriftsteller Pietro Aretino, der wirkliches Verständnis für T.s Kunst hatte und sich zum Herold seines Ruhmes machte. Entscheidend aber wurde die Huld, die Kaiser Karl V. dem Meister entgegenbrachte. Er erteilte Tizian das ausschließliche Vorrecht, sein Bildnis zu malen, und bekräftigte die hohe Meinung von dessen Kunst durch Erteilung des Adelsbriefs und Erhebung in den Pfalzgrafenrang (1533). Die Folge war, daß nun alle einflußreichen Großen wetteifernd den Maler auszeichneten. Am inhaltsvollsten wurde sein Verhältnis zum Herzogspaar von Urbino, ausgiebiger gestalteten sich die Beziehungen zu Ippolito de' Medici, Davalos, den Granvella u. a. Als eine der Epochen seines Lebens betrachtete Tizian selbst den Aufenthalt in Rom [* 6] 1515, wo er als Gast des Papstes Paul III. im Vatikan [* 7] wohnte.
Von belebender Wirkung für ihn war hier der Verkehr mit Michelangelo und seinen Gesinnungsgenossen sowie die Bekanntschaft mit den Werken Raffaels. 1518 und 1550 porträtierte er in Augsburg [* 8] die Mehrzahl der zu dem großen Reichstage versammelten Fürsten und hohen Würdenträger. In den letzten Jahren hat er vorwiegend für König Philipp II. von Spanien [* 9] gearbeitet. Die noch zahlreich in Madrid [* 10] bewahrten Werke (40 im Pradomuseum) verraten allerdings stellenweise ein Sinken seiner künstlerischen Kraft [* 11] und sind überdies in der Mehrheit Wiederholungen, teilweise mit Veränderungen, bei denen seine Schüler mit thätig waren.
Zur Beurteilung des Alterstils T.s kommen daher vor allem in Betracht die zwischen 1540 und 1550 ausgeführten Deckengemälde (jetzt in Sta. Maria della Salute zu Venedig), Darstellungen alttestamentlicher Vorgänge, die an Wucht mit der [* 1] Figurenbildung Michelangelos wetteifern und vollkommene Meisterschaft der Verkürzung mit jener Breite [* 12] des malerischen Vortrags verbinden, die für die monumentale Dekorationsmalerei der spätern Venetianer vorbildlich wurde.
Aus dem 80. Jahre T.s stammt das große im Dogenpalast befindliche Votivbild zum Gedächtnis des Dogen Antonio Grimani (gest. 1523), genannt La Fede, d. i. der Glaube, und noch später entstanden Werke wie die Dornenkrönung Christi (um 1560), die Venus del Pardo, d. i. Jupiter und Antiope (1571; letztere beide jetzt im Louvre), ein Votivbild zum Gedächtnis des Sieges bei Lepanto (1571), außerdem eine Reihe von Bildnissen, unter denen sein eigenes und das seiner Tochter Lavinia am meisten fesseln. T.s Haus bei Biri Grande wurde von allen hervorragenden Männern besucht, die Venedig berührten. Bis ins 99. Lebensjahr war er thätig; er erlag der Pest. Sein 1852 von Kaiser Ferdinand I. errichtetes kolossales Grabdenkmal aus weißem Marmor befindet sich in Sta. Maria dei Frari zu Venedig; sein Bronzestandbild zu Pieve di Cadore (modelliert von Dal Zotto) wurde 1880 enthüllt.
Eine Fülle grandioser Schöpfungen ist es, die dem Pinsel des Meisters während dessen langer Lebenszeit entstammt. Seine Kompositionen sind von einer wahrhaft großen Auffassung und ruhig schönen Abgemessenheit, die Gestalten von lauterer, anmutiger Schönheit und von einer wunderbaren Kraft und Tiefe des Ausdrucks, die Farbengebung ist breit, glutvoll und durch den Glanz des goldigen Lichts zu unübertrefflicher Harmonie verschmolzen. Von seinen Darstellungen religiösen Inhalts sind außer den oben erwähnten noch hervorzuheben die Jugendwerke: Zigeunermadonna, d. i. Maria mit dem auf einer Steinbrüstung stehenden Jesuskinde (gestochen von J. L. Raab), [* 13] Kirschenmadonna, d. i. Maria mit dem Jesuskinde und Johannes, der der heiligen Jungfrau Kirschen und Erdbeerblüten reicht, nebst dem heil. Zacharias und Joseph, Maria mit dem Kinde und den heil. Hieronymus, Stephan und Georg (sämtlich im Hofmuseum zu Wien; [* 14] letzteres wiederholt mit geringen Veränderungen im Louvre zu Paris); [* 15] sodann: Maria Heimsuchung (Venedig, Akademie), Heilige Familie mit anbetenden Hirten (London, [* 16] Nationalgalerie), Christus erscheint der Maria Magdalena (ebenda).
Aus der mittlern Zeit: Auferstehung Christi (in fünf Abteilungen; 1522, in San Nazzaro e Celso zu Brescia), Madonna von San Niccolo (1523 vollendet; jetzt in der Vatikanischen Galerie zu Rom), Verkündigung (1525; Scuola di San Rocco zu Venedig), Heiliger Hieronymus (um 1533; Paris, Louvre);
aus dem letzten Drittel seines Schaffens: das berühmte große Eccehomo-Bild von 1513 (für die Familie d'Anna in Venedig gemalt, dann bis 1618 im Besitz des Herzogs von Buckingham, jetzt im Hofmuseum zu Wien), ein Hauptwerk von packender Wirkung und prächtiger Farbenharmonie;
ferner Himmelfahrt Mariä (um 1513; im Dom zu Verona), [* 17] Ausgießung des heil. Geistes (1513; in Sta. Maria della Salute zu Venedig), Christus und die beiden Jünger in Emmaus (1517; Paris, Louvre), Marter des heil. Laurentius (eins der bedeutendsten Altarblätter, 1558; in Gesuiti zu Venedig), Der heil. Hieronymus in schöner Waldlandschaft (um 1560; Mailand, [* 18] Brera), Verkündigung Mariä (1560; San Salvatore zu Venedig), das große Gloriabild, d. i. Die heilige Dreifaltigkeit mit der Jungfrau Maria und der Familie Kaiser Karls V. (Pradomuseum in Madrid), Grablegung Christi (ebenda; veränderte Wiederholungen im Hofmuseum zu Wien und in der Eremitage zu Petersburg), [* 19] Ehebrecherin vor Christus (letzterer in Typus und Geberde wie im «Zinsgroschen»; Hofmuseum zu Wien); endlich als die letzten Bilder: Der heil. Sebastian (Eremitage zu Petersburg) und Die Kreuzabnahme Christi (unvollendet; Akademie zu Venedig).
Mit besonderer Vorliebe wählte Tizian Stoffe aus der griech. Mythologie für seine Bilder, da er hier mehr als anderswo Gelegenheit fand, seine Meisterschaft in der Wiedergabe der sinnlichen Schönheit der menschlichen Gestalt zu üben. Zu den frühesten Darstellungen dieser Gattung gehört das 1514 für den Herzog von Ferrara [* 20] gemalte Bild: Bacchus und Ariadne (jetzt in der Londoner Nationalgalerie);
sodann ist zu nennen: Diana ¶
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entdeckt den Fehltritt der Kallisto (in Madrid; Wiederholungen in Wien und in der Bridgewater-Galerie zu London), Das Bacchanal (in Madrid und im Palast Pitti zu Florenz), [* 22] Danae auf ihrem Lager [* 23] (mehrfach wiederholt: im Museum zu Neapel [* 24] [1545], Madrid, Wien, Petersburg), Diana und ihre Nymphen im Bade von Aktäon [* 25] überrascht (1559; London, Bridgewater-House). Sodann gehören hierher die Venusbilder T.s, deren Hauptmotiv gewöhnlich die ganz oder teilweise unbekleidete weibliche Gestalt ist, aber dargestellt in einer verklärten Sinnlichkeit, Hoheit der Auffassung und einer Absichtslosigkeit, daß die Vorwürfe dem Schönheitsideal der Antike während der klassischen Epoche gleichkommen, und in einer so zarten Farbenbehandlung, daß die schwellenden Formen von glühendem Leben durchpulst erscheinen.
Berühmt ist die Venus auf einem Ruhebett mit Amor und einem Lautenspieler (Fitzwilliam-Museum zu Cambridge, Kopie in der Dresdener Galerie); sodann ragen hervor: die sog. Venus von Urbino (wahrscheinlich die Herzogin Eleonora von Urbino, um 1537; Tribuna der Uffizien zu Florenz), Venus und Adonis (Madrid, Pradomuseum; alte Kopie in der Londoner Nationalgalerie), das obengenannte Venusfest, Ausrüstung Amors durch Venus und die Grazien (um 1560; Rom, Galerie Borghese), Toilette der Venus (1563; Eremitage zu Petersburg), endlich auch Venus mit Bacchantin und Satyrn [* 26] (Alte Pinakothek zu München). [* 27] An diese Werke reihen sich einige poet. Bilder allegorischen Inhalts, wie: Himmlische und irdische Liebe, d. i. zwei auf dem Rande eines Marmorsarkophags sitzende weibliche Gestalten, von denen die eine nackt, die andere ganz bekleidet (Galerie Borghese zu Rom) und die Drei Menschenalter (London, Bridgewater-House).
Mit seiner Meisterschaft in der würdevollen und ruhigen Darstellung menschlicher Schönheit hängt es auch zusammen, daß Tizian eine der ersten Stellen unter den Bildnismalern aller Zeiten einnimmt. Berühmte Gemälde, wie die sog. «Maitresse du Titien», d. i. Junge Frau am Putztisch, hinter ihr ein Mann mit zwei Spiegeln (um 1520; im Louvre), die sog. Flora, d. i. Venetianerin beim Ankleiden, mit Blumen in der Hand [* 28] (Uffizien in Florenz), die sog. Bella di Tiziano (um 1535; im Palast Pitti zu Florenz; Stich von Perfetti), beweisen ebenso wie auch die genannten Venusbilder, in welch hohem Grade Tizian es verstand, die ideale Schönheit mit dem Reize des Persönlichen auszustatten.
Unter den wirklichen Porträten stehen obenan T.s Selbstbildnis (unfertig; im Berliner [* 29] Museum) und die Bildnisse seiner Tochter Lavinia: mit der Fruchtschale auf erhobenen Händen (Berliner Museum), als Tochter der Herodias (Pradomuseum zu Madrid), als Büßende Magdalena (Eremitage zu Petersburg), als Neuvermählte (1555 vermählt mit Cornelio Sarcinelli) und als reifere Frau (letztere beide in der Dresdener Galerie), etwa 40 J. alt (im Hofmuseum zu Wien). Sodann interessieren die Bildnisse der kaiserl. Familie, zunächst: Kaiser Karl V. zu Pferde [* 30] in der Schlacht bei Mühlberg, stehend mit Dogge (beide im Museum zu Madrid), alt im Lehnstuhl sitzend (1548; Münchener Pinakothek), dann seine Gemahlin Isabella von Portugal (Museum in Madrid), König Philipp II. (ebenda).
Ferner sind unter den Bildnissen hervorzuheben: Francesco Maria della Rovere, Herzog von Urbino und seine Gemahlin Eleonora Gonzaga (1537; Uffizien zu Florenz), Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige von Sachsen, [* 31] T.s Arzt Parma [* 32] (beide im Hofmuseum zu Wien), Pietro Aretino (1545; Palast Pitti zu Florenz). Endlich sind zu nennen der sog. L'homme au gant, d. i. junger Mann in schwarzer Tracht mit Handschuhen (Louvre zu Paris), das nach demselben Modell wie die berühmte Venus und die Bella gemalte Bildnis eines Mädchens im Pelz (Hofmuseum in Wien), die sog. Eitelkeit des Irdischen, d. i. schönes Weib eine verglimmende Kerze [* 33] haltend (Alte Pinakothek zu München).
Noch mehrere Angehörige der Familie widmeten sich der Malerei, so T.s Sohn Orazio Vecellio, der sich an vielen der spätern Werke des Vaters beteiligte und gleichzeitig mit ihm 1576 der Pest erlag;
Francesco Vecellio, T.s Bruder, der in verschiedenen Städten des Friaul thätig war;
Cesare Vecellio, T.s Vetter, der mit ihm in Augsburg war und ein interessantes Trachtenbuch: «Abiti antichi e moderni», zusammenstellte;
endlich Marco Vecellio, ein jüngerer Atelierschüler des großen Meisters. - Von Einfluß war Tizian insbesondere auf Paris Bordone, Schiavone, Tintoretto, Paolo Veronese und Bassano. -
Vgl. Crowe und Cavalcaselle, Biographie T.s (deutsch von M. Jordan, 2 Bde., Lpz. 1877);
Jordan in Dohmes «Kunst und Künstler», Bd. 3 (ebd. 1879);
Lafenestre, La vie et l'œvre du Tizian (Par. 1886);
Knackfuß, Tizian (Bielef. 1897).