Biograph Sueton. Zu einer vollen Beurteilung des
Regenten reicht freilich die kurze Regierungszeit nicht aus. Unstreitig war
Titus ein tüchtiger
Soldat und ein feingebildeter, liebenswürdiger
Mensch, daneben finden sich aber Züge von Willkür, Härte,
Verschwendungssucht, die vermutlich bei längerm Leben und Regieren noch mehr zum
Durchbruch gekommen wären. -
Vgl.
Beulé, Titus und seine Dynastie (deutsch von Döhler,
Halle
[* 2] 1875).
Schüler und
Gehilfe des
ApostelsPaulus, wurde von
Paulus bekehrt und als Missionsgehilfe verwendet. Titus begleitete
Paulus auf der
Reise nach
Jerusalem
[* 3] zum Apostelkonvent. Später, als
Paulus sich von seinen ältern Genossen,
Barnabas und
Markus,
getrennt hatte, unterstützte er den
Apostel bei der Leitung der kleinasiat., macedon. und griech.
Gemeinden. Nach dem im
NeuenTestament enthaltenen
Briefe an ihn hätte er später im
Auftrage des
Paulus die christl. Gemeinden
auf
Kreta organisiert, daher ihn die
Tradition zum ersten
Bischof von
Kreta macht. Indessen ist der
Brief wie die andern
Pastoralbriefe (s. d.) unecht. -
Vgl. Lipsius, Die apokryphen
Apostelgeschichten und Apostellegenden, Bd. 2, 2. Hälfte
(Braunschw. 1884).
(spr. tiwwĕrt'n),Municipalborough in der engl.
GrafschaftDevon,
[* 4] am
Exe, mit
Taunton durch den Westernkanal
verbunden, an zwei Linien der Great-Western-Bahn, zählt (1891) 10 892 E. und hat eine got.
Kirche (15. Jahrh.), eine Lateinschule (1599);
Eisengießerei,
[* 5] Wollzeugweberei und eine große Spitzenfabrik.
das alte
Tibur (s. d.), Stadt in der ital.
Provinz und im
Kreis
[* 6]
Rom,
[* 7] links am
Teverone oder
Anio
(Aniene), 24 km
im ONO. von
Rom, an der Eisenbahn
Rom-Solmona-Castellammare-Adriatico und einer Dampfstraßenbahn nach
Rom, ist Bischofssitz,
eng gebaut und hat (1881) 9730, als Gemeinde 10 297 E., viele Reste aus dem
Altertum (s.
Tibur und
Tafel:
Römische Kunst
[* 8] II,
[* 1]
Fig. 2), ein von
Pius II. angelegtes Kastell, die 1549 von Pirro Ligorio im Renaissancestil erbaute prächtige Villa d'Este
mit herrlichem
Garten,
[* 9] eine Eisenfabrik und das Betriebswerk der elektrischen Stadtbeleuchtung in der
sog. Villa des Mäcenas, den öffentlichen
Garten Garibaldi und die berühmten Wasserfälle des
Teverone (s.
Anio).
eigentlich
Tiziāno
Vecellĭo (spr. wetsch-), geb. 1477 zu Pieve di
Cadore im Friaul, der
größte
Meister der venet. Malerschule, war wie
Palma Vecchio und
Giorgione aus der Schule des
GiovanniBellini hervorgegangen.
Seine öffentliche Wirksamkeit begann er in Gemeinschaft mit
Giorgione, indem er bei der Ausschmückung des im Anfang des 16. Jahrh.
wieder neu aufgebauten Kaufhauses der
Deutschen
(Fondaco dei Tedeschi) am
CanaleGrande in
Venedig
[* 12] mit beschäftigt
wurde; doch ist von den 1507-8 ausgeführten Malereien leider fast nichts übriggeblieben. Es folgte dann eine Reihe von
Madonnenbildern und sog.
HeiligenKonversationen und als Meisterwerk seiner Jugendperiode: Der Zinsgroschen
(Galerie zu
Dresden;
[* 13] hierzu Chromotafel), worin sich Hoheit der
Auffassung und
Tiefe der Charakteristik mit gediegener Schönheit
des malerischen Vortrags verbinden. 1511 erhielt Tizian einen größern
Auftrag und zwar für
Padua,
[* 14] wo er unter anderm in der
Scuola del Santo
[* 15] unter Beteiligung des Domenico
Campagnola einen Cyklus von Fresken zur Legende des heil.Antonius
ausführte, Malereien, welche bei großen koloristischen Vorzügen doch den eigentlich monumentalen
Stil vermissen lassen.
Sein Können lag aber auch mehr auf dem Gebiete der Staffeleimalerei; das zeigte sich zunächst an dem Altarbild zur Verherrlichung
des
Markus, des Schutzheiligen der Republik
Venedig (jetzt in Sta. Maria della Salute).
Gleichzeitig begann seine
Thätigkeit als Porträtmaler, die ihm Gelegenheit gab, diesen Zweig der Malerei zu einer bis dahin nicht erreichten Höhe
zu erheben. Wenn auch die meisten der Dogenbildnisse T.s beim
Brande des Markuspalastes 1577 zu
Grunde gegangen sind, haben
sich doch zahlreiche andere Porträte
[* 16] von seiner
Hand
[* 17] erhalten, welche zu den größten Leistungen ihrer
Gattung geboren. Auch wurde ihm Anteil (s.
Tintoretto) an den Wandmalereien im
Saale des
GroßenRates des Dogenpalastes eingeräumt,
wo in Ölgemälden die Ruhmesthaten der Republik verherrlicht werden sollten; jedoch ist alles, was Tizian dort gemalt
hat, durch
Brände zerstört worden.
Von der gesamten geistigen und polit.AristokratieVenedigs, namentlich aber von den
Höfen der
Este in Ferrara
[* 18] und der Gonzaga in Mantua,
[* 19] wurde ihm jetzt große Verehrung entgegengebracht. Für den
Herzog Alfonso I. von Ferrara (s.
Este)
komponierte er um 1520
Bilder aus dem Dionysosmythus und aus dem
Kultus der
Venus (Bacchanal und Verehrung der
Venus durch
Liebesgötter, sog. Venusfest, beide im Pradomuseum zu Madrid),
[* 20] welche eine meisterhafte
Darstellung des Gegenstandes mit dem Reiz übermütiger Lebensfrische verbinden.
Fast zu derselben Zeit war Tizian mit einer Anzahl
Kompositionen religiösen
Inhalts beschäftigt, unter denen die 1518 für den
Hochaltar der
Kirche Sta. Maria dei Frari vollendete Himmelfahrt Mariä (sog.
Assunta; jetzt in der
Akademie zu
Venedig; gestochen von N. Schiavoni) als die bedeutendste hervorragt. Durch dieses Werk begründete
er einen neuen kirchlichen Monumentalstil, der durch die Macht der
Farbe und des Lichts eine übernatürliche Wirkung hervorbringt.
Ein ebenso großartiges Erzeugnis dieses
Stils ist die sog.
Madonna des HausesPesaro, ein Votivbild der
Familie dieses
Namens, in Sta. Maria dei Frari zu
Venedig, von 1526.
Gleichzeitig entstanden daneben jene Gemälde, welche der
Verherrlichung der Frauenschönheit gewidmet
¶
mehr
sind. Im Wetteifer mit Palma Vecchio und Pordenone lieferte er 1530 das Bild: Tod des Petrus Martyr für die KircheSan Giovanni
e Paolo, welches 1867 verbrannte. Zur erhabenen Auffassung des Vorgangs gesellte sich hier aufs wirkungsvollste das Gefühl
für die landschaftliche Schönheit und ihre bedeutsame Verwendung im Historienbilde. Daneben enthüllen
Gemälde, wie die Grablegung Christi (um 1523 für den Herzog von Mantua gemalt, jetzt im Louvre) oder die heilige Jungfrau
mit dem Kaninchen
[* 22] (sog. Madonna del Coniglio; 1530, im Louvre), die Macht und Unerschöpflichkeit seiner Palette, während
andere Kompositionen, wie die Darstellung Maria im Tempel
[* 23] (Akademie zu Venedig), bei aller Größe noch durch
ein gemütvoll genrehaftes Motiv ausgezeichnet sind.
Von Wichtigkeit für T.s Stellung im Leben war sein Verhältnis zu dem Schriftsteller Pietro Aretino, der wirkliches Verständnis
für T.s Kunst hatte und sich zum Herold seines Ruhmes machte. Entscheidend aber wurde die Huld, die KaiserKarl V. dem Meister
entgegenbrachte. Er erteilte Tizian das ausschließliche Vorrecht, sein Bildnis zu malen, und bekräftigte die hohe Meinung von
dessen Kunst durch Erteilung des Adelsbriefs und Erhebung in den Pfalzgrafenrang (1533). Die Folge war, daß nun alle einflußreichen
Großen wetteifernd den Maler auszeichneten. Am inhaltsvollsten wurde sein Verhältnis zum Herzogspaar von Urbino,
ausgiebiger gestalteten sich die Beziehungen zu Ippolito de' Medici, Davalos, den Granvella u. a. Als eine der Epochen seines
Lebens betrachtete Tizian selbst den Aufenthalt in Rom 1515, wo er als Gast des Papstes Paul III. im Vatikan
[* 24] wohnte.
Von belebender Wirkung für ihn war hier der Verkehr mit Michelangelo und seinen Gesinnungsgenossen sowie
die Bekanntschaft mit den Werken Raffaels. 1518 und 1550 porträtierte er in Augsburg
[* 25] die Mehrzahl der zu dem großen Reichstage
versammelten Fürsten und hohen Würdenträger. In den letzten Jahren hat er vorwiegend für König Philipp II. von Spanien
[* 26] gearbeitet. Die noch zahlreich in Madrid bewahrten Werke (40 im Pradomuseum) verraten allerdings stellenweise
ein Sinken seiner künstlerischen Kraft
[* 27] und sind überdies in der Mehrheit Wiederholungen, teilweise mit Veränderungen, bei
denen seine Schüler mit thätig waren.
Zur Beurteilung des Alterstils T.s kommen daher vor allem in Betracht die zwischen 1540 und 1550 ausgeführten Deckengemälde
(jetzt in Sta. Maria della Salute zu Venedig), Darstellungen alttestamentlicher Vorgänge, die an Wucht
mit der
[* 21]
Figurenbildung Michelangelos wetteifern und vollkommene Meisterschaft der Verkürzung mit jener Breite
[* 28] des malerischen
Vortrags verbinden, die für die monumentale Dekorationsmalerei der spätern Venetianer vorbildlich wurde.
Aus dem 80. Jahre T.s stammt das große im Dogenpalast befindliche Votivbild zum Gedächtnis des Dogen
Antonio Grimani (gest. 1523), genannt La Fede, d. i. der Glaube, und noch später entstanden Werke wie die Dornenkrönung Christi
(um 1560), die Venus del Pardo, d. i. Jupiter und Antiope (1571; letztere beide jetzt im Louvre), ein Votivbild zum Gedächtnis
des Sieges bei Lepanto (1571), außerdem eine Reihe von Bildnissen, unter denen sein eigenes und das seiner
Tochter Lavinia am meisten fesseln. T.s Haus bei Biri Grande wurde von allen hervorragenden Männern besucht, die Venedig berührten.
Bis ins 99. Lebensjahr war er thätig; er erlag
der Pest. Sein 1852 von Kaiser Ferdinand I. errichtetes
kolossales Grabdenkmal aus weißem Marmor befindet sich in Sta. Maria dei Frari zu Venedig; sein Bronzestandbild zu Pieve
di Cadore (modelliert von Dal Zotto) wurde 1880 enthüllt.
Eine Fülle grandioser Schöpfungen ist es, die dem Pinsel des Meisters während dessen langer Lebenszeit entstammt. Seine
Kompositionen sind von einer wahrhaft großen Auffassung und ruhig schönen Abgemessenheit, die Gestalten
von lauterer, anmutiger Schönheit und von einer wunderbaren Kraft und Tiefe des Ausdrucks, die Farbengebung ist breit, glutvoll
und durch den Glanz des goldigen Lichts zu unübertrefflicher Harmonie verschmolzen. Von seinen Darstellungen religiösen Inhalts
sind außer den oben erwähnten noch hervorzuheben die Jugendwerke: Zigeunermadonna, d. i. Maria mit dem
auf einer Steinbrüstung stehenden Jesuskinde (gestochen von J.L.Raab),
[* 29] Kirschenmadonna, d. i. Maria mit dem Jesuskinde und
Johannes, der der heiligen Jungfrau Kirschen und Erdbeerblüten reicht, nebst dem heil. Zacharias und Joseph, Maria mit dem
Kinde und den heil. Hieronymus, Stephan und Georg (sämtlich im Hofmuseum zu Wien;
[* 30] letzteres wiederholt mit
geringen Veränderungen im Louvre zu Paris);
[* 31] sodann: Maria Heimsuchung (Venedig, Akademie), Heilige Familie mit anbetenden Hirten
(London,
[* 32] Nationalgalerie), Christus erscheint der Maria Magdalena (ebenda).
aus dem letzten Drittel seines Schaffens: das berühmte große Eccehomo-Bild von 1513 (für
die Familie d'Anna in Venedig gemalt, dann bis 1618 im Besitz des Herzogs von Buckingham, jetzt im Hofmuseum
zu Wien), ein Hauptwerk von packender Wirkung und prächtiger Farbenharmonie;
ferner Himmelfahrt Mariä (um 1513; im Dom zu
Verona),
[* 33] Ausgießung des heil. Geistes (1513; in Sta. Maria della Salute zu Venedig), Christus und die beiden Jünger in Emmaus
(1517; Paris, Louvre), Marter des heil. Laurentius (eins der bedeutendsten Altarblätter,
1558; in Gesuiti zu Venedig), Der heil. Hieronymus in schöner Waldlandschaft (um 1560; Mailand,
[* 34] Brera), Verkündigung Mariä
(1560; SanSalvatore zu Venedig), das große Gloriabild, d. i. Die heilige Dreifaltigkeit mit der Jungfrau Maria und der Familie
KaiserKarls V. (Pradomuseum in Madrid), Grablegung Christi (ebenda; veränderte Wiederholungen im Hofmuseum
zu Wien und in der Eremitage zu Petersburg),
[* 35] Ehebrecherin vor Christus (letzterer in Typus und Geberde wie im «Zinsgroschen»;
Hofmuseum zu Wien); endlich als die letzten Bilder: Der heil. Sebastian (Eremitage zu Petersburg) und Die Kreuzabnahme Christi
(unvollendet; Akademie zu Venedig).
Mit besonderer Vorliebe wählte Tizian Stoffe aus der griech. Mythologie für seine Bilder, da er hier mehr
als anderswo Gelegenheit fand, seine Meisterschaft in der Wiedergabe der sinnlichen Schönheit der menschlichen Gestalt zu
üben. Zu den frühesten Darstellungen dieser Gattung gehört das 1514 für den Herzog von Ferrara gemalte Bild: Bacchus und
Ariadne (jetzt in der Londoner Nationalgalerie);