(frz., spr. tĭährsetà,d. i. dritter
Stand), im öffentlichen
Recht des Feudalzeitalters in
Frankreich,
wie überall, die ganze große
Masse des bürgerlichen
Volks, vornehmlich der Mittelstand aus den
Städten gegenüber den beiden
privilegierten
Ständen, dem
Adel und der Geistlichkeit. Der Tiers-état machte in allen
Ständeversammlungen die dritte
Abteilung aus;
da nach
Ständen abgestimmt wurde, unterlag er fast immer den zwei andern
Ständen. Deshalb sagte er sich 1614 auf den letzten
États généraux der alten Monarchie von diesen Formen los, und bei der Neuberufung der Generalstände bildete 1789 die
Frage nach der Abstimmungsweise den äußern
Anlaß zum
Bruche. (S.Frankreich, Geschichte). -
Vgl.
Thierry,
Essai sur l'histoire du Tiers-état (Par. 1853);
ders., Recueil des monuments inédits de l'histoire du Tiers-état (4 Bde.,
1850-70).
(frz., spr. tĭähr,d. i. dritte Partei), unter
Ludwig Philipp in der franz. Deputiertenkammer eine
Fraktion
des Centrums, die zwar nicht zur Opposition gehörte, aber auch nicht für die Politik des Ministeriums
der Doktrinärs (s. d.) stimmte. Tiers-parti nennt man daher zuweilen
auch jede polit.
1) Gouvernement im russ. Generalgouvernement
Kaukasien, südlich vom
Kaukasus
(Transkaukasien), grenzt im N. an das
Terekgebiet, im
NO. an
Dagestan, im SO. und
S. an Jelisawetpol und Eriwan, im
SW. an Kars und im
W. an Kutais und umfaßt 44 607,4
qkm mit (1897) 1 071 414 E.,
d. i. 24 auf 1 gkm. Es umfaßt das
Bassin des Mittellaufs und teilweise des Oberlaufs der
Kura. Der nordwestl.
Teil fällt nach
SW. in einigen langen und waldreichen
Ausläufern des
GroßenKaukasus zur Ebene ab und
ist ein großes Gebirgsland, durchschnitten von tiefen Schluchten der linksseitigen Zuflüsse der Kura. Im nordöstl., ziemlich
öden
Teil fällt der
Kaukasus ungemein steil zur Ebene des Alasan ab. VonFlüssen sind außerdem noch
zu erwähnen die
Aragwa und die Jora.
Mineralquellen sind in Menge vorhanden, namentlich in Tiflis (heiße Schwefelquellen),
Borshom (ähnlich den
Quellen von Vichy),
Abastuman (Schwefelquellen von 33-48° C.); ferner wird gewonnen
Glaubersalz 1,2 Mill. kg, Naphtha (0,89 Mill.),
Eisen- und
Kupfererz. Die
Kreise
[* 4] von Gori, Tiflis, Duschet und der größte
Teil der
KreiseTelaw und Signach sind sehr
fruchtbar und dicht bevölkert.
Das Klima ist in den Niederungen warm, in den Gebirgsgegenden kühl und rauh; die mittlere
Jahrestemperatur beträgt in Tiflis 12,6° (im
Gebirge 6-9,5°), im Juli 24,3° im Januar 0,5° C.
Die Bevölkerung besteht aus 400000
Georgiern, 197000 Armeniern, 80000
Tataren, 72000 Osseten, 45000
Russen, 20000 Griechen, 7000
Juden, 4000
Deutschen, endlich Persern,
Türken, Kurden u. s. w.; dem
Bekenntnis nach sind 520000 griechisch-orthodox, zur grusinischen Eparchie gehörig,
80000 Mohammedaner
u. s. w. Die Hauptbeschäftigung ist
Acker-, Obst-,
Wein-, stellenweise auch Tabakbau.
Das Weinland beträgt 51 400 ha und liefert jährlich einen Ertrag von 8-10 Mill. Rubel. Der
Wein wird
meist in thönernen Krügen in der Erde aufbewahrt und in
Büffel- und Ziegenschläuchen transportiert. An Vieh gab es 1891: 98000
Pferde,
[* 5] 533 900
Stück
Hornvieh, 1,19 Mill. Schafe
[* 6] und Ziegen, 77 700 Schweine.
[* 7] 154 Seidenzüchtereien liefern jährlich 25000 kgSeide.
[* 8] Fabriken sind gegen 500 mit einer Produktion von 5 Mill. Rubel Wert, darunter
Eisen-, Kupferhütten,
Spinnereien, Leder-, Seifen-
und Licht-, Öl-, Filzfabriken;
Branntweinbrennereien, Bierbrauereien und Ziegeleien. Es giebt 240 km Eisenbahnen; 9 Mittelschulen
für
Knaben, 7 für Mädchen, 7 Specialschulen für
Knaben, 1 für Mädchen. Das Gouvernement zerfällt in 9
Kreise:
Tiflis, Achalzich, Achalkalaki, Bortschalo, Duschet, Gori, Signach,
Telaw und Tioneti sowie in den
Bezirk (okrug) Sakataly. - 2)
Kreis
[* 9] im mittlern
Teil des Gouvernements Tiflis, hat 4197,6 qkm mit (außer der Stadt Tiflis) 68 811 E.- 3) Tiflis, georgisch
Tbilisi
(d. i. Stadt der warmen
Quellen) oder Kalaki
(d. i. Stadt), Hauptstadt des Generalgouvernements
Kaukasien, des Gouvernements und des Kreises Tiflis, unter 41° 43' 37" nördl.
Br. und 44° 47' 40" östl. L. von Greenwich, in 390 m
Seehöhe, in einem nach Norden
[* 10] offenen Gebirgskessel zu beiden Seiten der Kura und an der Linie
Batum-Baku der Transkaukas.
Eisenbahn.Das Klima ist gemäßigt, doch im
Sommer sehr heiß, mit häufigem schroffen Temperaturwechsel
sowie kalten und heftigen Nordwinden, die
Fieber, Erkrankung der Atmungswerkzeuge und (durch den
Staub) der
Augen erzeugen.
Die Häuser und
Straßen bauen sich terrassenförmig an den Bergabhängen auf, was in Gemeinschaft mit den, namentlich auf dem
linken Kuraufer, sehr zahlreichen
Wein- und Obstgärten der Stadt ein sehr malerisches Ansehen verleiht.
Durch die Kura wird in zwei Hälften geteilt; auf dem rechten Ufer liegen: der
Vorort Wera mit Obst- und Weingärten, mit
der Olgastraße und Neuholland, dann Mtazminda mit der
Kirche des heil.
David, ferner Garetubani, dann Sololaki
(der schönste und aristokratische Stadtteil), Charpuchi und Ortotschala (ebenfalls mit vielen Gärten);
auf dem linken Ufer
liegt die frühere deutsche
Kolonie mit dem öffentlichen
Garten
[* 11] Muschtajd und dem neuen Stadtteil Didube,
Neu- und Altkuki,
Tschugureti mit Peski, der Awlabar mit der Festung
[* 12] Metechi, einst Residenz der Könige von
Georgien, jetzt
Civilgefängnis und der
Vorort Naphthlug mit dem Militärhospital.
Andere teilen die Stadt in die
Alt- und Neustadt
[* 13] oder den
asiat. und europ. Stadtteil, von denen ersterer die südl.
und südöstl. Hälfte zu beiden Seiten der Kura einnimmt, der letztere die nordöstl. und nördl.
Hälfte. Von den alten Festungswerken haben sich noch
Mauern und
Türme auf dem Sololakiberg, auf dem Awlabar
und Maidan erhalten. Am südl. Fuße der Sololakibefestigung in wildromantischer Schlucht breitet
sich der botan.
Garten aus. An öffentlichen
Anlagen hat Tiflis außerdem noch den Alexanderpark im Centrum der Stadt, einen
Square
auf dem Eriwanschen Platz, den
Park Muschtajd im äußersten Norden auf dem linken Kuraufer. Mitten in der
Stadt bei der Woronzowbrücke bildet die Kura die große Madatowinsel.
Über den
Fluß führen fünf
Brücken
[* 14] und einige Fähren.
Die bedeutendsten
¶
mehr
Straßen sind der Golowinskijprospekt auf dem rechten, die Michaelsstraße auf dem linken Ufer.
Bevölkerung.
[* 16] Tiflis hatte 1830: 25 290, 1850: 34 888, 1885: 89 551, 1897: 159 862 E. Die Bevölkerung besteht vorwiegend aus Armeniern,
Russen, Georgiern, Tataren sowie daneben aus Vertretern der verschiedenartigsten europ. und asiat. Völkerschaften.
Bauten. Tiflis hat 25 griech.-kath., 26 armenisch-gregorianische, 2 evang.
und 1 kath. Kirche, 1 griech.-kath. und 1 armenisches Kloster, 2 Synagogen, 2 Moscheen. Am ältesten ist die Zionskathedrale
im georgischen Stil (zum Teil aus dem 5. Jahrh.) mit dem Kreuz
[* 17] der heil. Nina, Gräbern
fürstl. Familien und den Fresken des Fürsten Gagarm; die Davidskirche mit dem Grabmal des russ.
Dichters Gribojedow. Alt sind die Kirche in Metechi (5.), die armenische Antschischatische Kirche (7. Jahrh.) und die Wankkirche.
Eine Militärkirche in byzant. Stil auf dem Gunibplatz ist im Bau. Von weltlichen Bauten sind zu nennen: das Stadthaus auf dem
Eriwanischen Platz, der Palast des Generalgouverneurs, die Paläste der Schloßstraße, die Ruhmeshalle,
das Gebäude des Ersten Gymnasiums, das neueTheater
[* 18] im maur. Stil, das Kaukasische Museum.
Behörden, Verwaltung. Tiflis ist Sitz des Chefs der Militär- und Civilverwaltung (Generalgouverneur) von Cis- und Transkaukasien,
des Gouverneurs des Gouvernements Tiflis, des Kurators des kaukas. Lehrbezirks, des Erzbischofs der grusinischen
Eparchie u. a. An der Spitze der Stadtverwaltung steht der Stadtrat (duma) mit dem Stadthaupt. Das Budget beträgt 8-900000
Rubel. Vorhanden ist eine beständige Feuerwehr und eine Wasserleitung;
[* 19] die Beleuchtung
[* 20] mit Photogenlaternen ist mangelhaft.
Die Schwefelquellen (bis 46° C.) liegen am Fuße der Festung in einem schmutzigen Stadtteil, wo es an
Gasthäusern und Gartenanlagen fehlt.
Bildungswesen. Außer einer Menge von Elementar- und Stadtschulen (russische, armenische, eine deutsche) hat Tiflis 3 klassische
Gymnasien, 1 Adelsschule, 1 Realschule, 4 Mädchengymnasien, 1 armenische höhere Mädchenschule, 1 Institut für adlige Fräulein, 1 Kadettenkorps, 1 Junkerschule, 1 Geometerschule, 1 technische
Eisenbahnschule, 1 Gartenbauschule, 1 Schullehrerseminar, 1 Geistliches Seminar, 1 Hebammenschule, 2 Feldscherschulen, 1 Konservatorium
für Musik. Dazu kommen 1 physikal. Observatorium, 1 Seidenbauversuchsstation und eine Menge
gelehrter Gesellschaften: die geographische, die technologische, die landwirtschaftliche, die juristische, medizinische,
pharmaceutische u. s. w. Tiflis hat 1 Oper, 2 russ., 1 armenisches und 1 georgisches Theater: 3 russ., 2 armenische, 1 georgische, 2 tatar.
Zeitungen und einige armenische und georgische Zeitschriften.
Industrie und Verkehr. Hauptsächlich blühen die Lederfabrikation (Adelchanow & Cie.) mit 800000 Rubel Umsatz, die Tabakfabrikation
mit 560000 Rubel (6 Fabriken), eine Baumwollspinnerei (Tschitachow) mit 350000 Rubel, drei Bierbrauereien, eine Branntweinbrennerei.
In Galanterie- und Kolonialwaren werden jährlich umgesetzt 3 Mill. Rubel, in Manufakturen 5 Mill., in
Thee 1 Mill. Im ganzen beträgt der Umsatz der verschiedenen Gewerbe und Magazine mehr als 31 Mill. Rubel. Der Handel ist in neuerer
Zeit etwas zurückgegangen. Den Kredit vermitteln eine Filiale der Russischen Reichsbank, eine Adelsbank, eine Kommerzbank,
eine Kreditgesellschaft, eine Bodenkreditbank, eine Stadtbank und
verschiedene Bankhäuser (Tschitachow,
Pridonow u. a.). Durch Konsuln sind vertreten: Persien
[* 21] und die Türkei
[* 22] (Generalkonsulate), Deutschland,
[* 23] Frankreich, Belgien,
[* 24] die
Schweiz
[* 25] und Italien.
[* 26] - Die Länge der Pferdebahn beträgt etwa 25 km, die Zahl der Droschken 560, der Transportfuhrwerke 880;