(lat. animal). Nach einer uralten
Einteilung gehören sämtliche Naturkörper zu einem der
drei
Reiche: Mineral-,
Pflanzen- und
Tierreiche. Unter diesen sondern sich wieder Tier und
Pflanzen als organische Wesen von den
Mineralien
[* 12] als anorganischen. Während diese als starre, nur durch
Ansetzen von außen wachsende
Massen und, mit Ausnahme der
Krystalle, auch ohne bestimmte Form in allen
Teilen gleichartig sind, bestehen Tier und
Pflanzen als Einzelwesen
oder als
Kolonien,
Stöcke oder Kormen, deren Existenz durch mannigfaltige Lebenswerkzeuge (Organe) vermittelt wird.
Sie zeigen sowohl Anfang als Ende ihres
Daseins und ersetzen sich durch eine aus ihnen entwickelte Nachkommenschaft, sie entwickeln
unter
Verbrauch ihrer
Stoffe Kraft
[* 13] und müssen die verloren gegangenen
Stoffe durch
Ernährung wieder ersetzen.
Der Körper der
Pflanzen wie der Tier baut sich auf aus gemeinsamen Formelementen, den Zellen (s. d.),
nur die niedersten bestehen aus einer einzigen Zelle,
[* 14] wodurch es oft schwer wird zu entscheiden, ob man es in einem besondern
Falle mit einer
Pflanze oder einem Tier zu thun hat, und man hat für diese zweifelhaften Wesen ein besonderes
Reich, das der
Urtiere (s. d.), aufgestellt.
Alle Tier haben freie willkürliche
Bewegung, sei es im ganzen als Ortsbewegung
[* 15] oder in einzelnen
Teilen, sie haben Empfindung,
ernähren sich von organischen oder von an diesen gebundenen anorganischen
Stoffen, wachsen und pflanzen sich fort.
Bei den niedersten Tier besteht der Leib aus einer einzigen Zelle, die alle Funktionen des tierischen Lebens verrichtet.
Ihre nicht in allen
Teilen gleichmäßige
Substanz ist kontraktil und vermittelt durch ihre Zusammenziehungen die Ortsbewegung,
reagiert gegen äußere Einflüsse, empfindet mithin, und ernährt sich durch Austausch der
Stoffe der Außenwelt mit
ihren eigenen.
Bei den höhern Tier besteht der Körper aus mehrern, aus der ursprünglichen
Eizelle durch fortgesetzte
Teilung hervorgegangenen
Zellen, die, zufolge der
Arbeitsteilung, meist partienweise (Gewebe),
[* 16] den besondern Funktionen dienstbar sind. Die Zellen
bleiben entweder, aber seltener, frei
(Blutzellen,
Eier,
[* 17] Samenzellen, Skelettkörper der
Kiesel- und
Kalkschwämme u. s. w.),
oder sie bilden
Aggregate als Epithelien,
Bindegewebe
(Gallertgewebe, faseriges und genetztes
Bindegewebe,
Hyalin- und Faserknorpel,
Knochen),
[* 18]
Muskelgewebe (glattes unwillkürliches oder vegetatives und quergestreiftes, willkürliches
oder animales) und
Nervengewebe.
Das
Nervengewebe und die äußern Epithelien gehen aus dem äußersten, die innern Epithelien aus dem innersten,
Binde- und
Muskelgewebe,
Blut, meist auch die Geschlechtszellen aus dem mittelsten der drei Keimblätter hervor. Die
Gewebe vereinigen sich in verschiedenem
Umfange zu Organen
und Organkomplexen. Die Organe unterscheiden sich nach ihren Funktionen
als Organe der
Erhaltung der Art, Fortpflanzungsorgane und Organe der
Erhaltung des Individuums. Diese letztern zerfallen wieder
in vegetative, vom
Bewußtsein nicht abhängige und animale, vom
Bewußtsein abhängige, mit ihm verbundene.
Die erstern sind:
Verdauungs-, Cirkulations- (inkl.
Blut-), Secernierungs- und
Atmungsorgane, die letztern
Bewegungs- und Empfindungsorgane.
Die Bewegungsorgane setzen sich aus aktiven, den die
Muskeln
[* 19] innervierenden und den Willen vermittelnden Bewegungsnerven und
passiven, dem Willen gehorchenden
Muskeln und Nährorganen zusammen. Die Empfindungsorgane bestehen aus den
äußern Reiz aufnehmenden und aus vermittelnden
Teilen (Sinnesorgane und Empfindungsnerven).
Die
Sinne kommen in verschiedenem
Umfange bei den Tier vor. Entweder es ist nur ein
Sinn, der Gefühlssinn, in der ganzen Körperoberfläche
vorhanden, oder es tritt eine
Arbeitsteilung ein, indem sich zunächst der Gefühlssinn an besondern, oft über die Körperoberfläche
hervorragende
Teile (Tastwerkzeuge) stärker als
Tastsinn lokalisiert, an andern zur Wahrnehmungsfähigkeit von hell und dunkel,
weiter von
Farben als Sehorgane (s.
Auge),
[* 20] an wieder andern in Gestalt eingestülpter, Feuchtigkeit, öfter auch feste Körper
enthaltender
Bläschen als Gehörorgane (s.
Gehör)
[* 21] differenziert.
Während man Gefühl,
Gesicht
[* 22] und
Gehör als physikalische, aufBewegung der
Stoffe reagierende
Sinne bezeichnen
kann, sind
Geruch und
Geschmack chemische, d. h. es muß sich ihnen der wahrzunehmende
Stoff unmittelbar als solcher mitteilen.
Das Gefühl setzt sich eigentlich aus mehrern
Sinnen zusammen
(Sinn für
Temperatur, Druck,
Schwere u. s. w.) und ist teilweise
auch ein chemischer, indem es z. B. auf Ätzungen reagiert. Zur
Ernährung des tierischen Körpers wirken
Verdauungs-, Cirkulations-,
Atmungs- und Abscheidungsorgane zusammen.
Viele Tier nähren sich bloß von
Pflanzen und Pflanzenteilen, andere bloß von lebendig gefangenen Tier, andere von
Aas, von
Knochen,
Federn,
Haaren, von Säften der
Pflanzen und Tier, vom Kot (Koprophagen) anderer Tier, wieder andere genießen gemischte Kost.
Tier, die auf ein einziges Nahrungsmittel
[* 23] angewiesen sind, nennt man monophag, solche, die allerlei fressen, polyphag
oder häufiger omnivor (alles fressend), fleischfressende heißen carnivor, pflanzenfressende phytophag oder herbivor.
Carnivore Tier können länger hungern als herbivore. In der Regel sind bei mehrzelligen Tier besondere
Verdauungsorgane vorhanden,
nur gewissen, im Nahrungsbreie lebenden, auf osmotischem Wege sich ernährenden fehlen sie (z. B.
Bandwürmern). Im einfachsten Falle ist der Verdauungsapparat ein sackartiger Hohlraum des Körpers, dessen Öffnung
als Mund und
After zugleich funktioniert, der seine Wandungsoberfläche durch seitliche
Nischen, selbst radiär verlaufende
Kanäle (s. Cölenteraten) vergrößern kann; bei Schwämmen (s. d.)
durchbrechen die
Kanäle die äußere Oberfläche des Körpers und die so entstandenen Öffnungen (Poren)
dienen zur
Aufnahme von Wasser nebst in ihm enthaltener Nahrung und Sauerstoff. Meist indessen erscheinen die Verdauunqsorgane
von dem übrigen Körper durch einen Zwischenraum (Leibeshöhle, Cölom) getrennt und besitzen eine besondere, die Nahrung
aufnehmende (Mund) und die unverwertbaren
Stoffe abgebende Öffnung
(After). So stellen die
¶
mehr
Verdauungsorgane ein sehr verschieden langes, im einfachsten Falle gerade verlaufendes, meist aber, da es länger als der
Körper ist, in mannigfachen Schlingen zusammengelegtes Rohr (Verdauungstraktus) dar. Sehr allgemein lassen sich an diesem
unterscheiden: eine mit Apparaten zum Aufnehmen und Zerkleinern (Zähne,
[* 25] s. d.) der Nahrung ausgestattete Mundhöhle,
[* 26] ein bisweilen
mit einer Art Aufbewahrungsort für die Nahrung (Kropf, ingluvies) versehene Speiseröhre, die sich zu
einem öfters mehrteiligen Magen
[* 27] erweitert, in dem die genossene Nahrung chemisch (durch den Magensaft), bisweilen auch mechanisch
(Kaumagen der Insekten,
[* 28] Muskelmagen der Vögel)
[* 29] verarbeitet wird.
Die eigentliche Verdauung, d. h. die Aufnahme der Nahrung in die Säfte des Tier, geht in dem auf dem Magen
folgenden Mitteldarm vor sich. Dieser geht in den End- oder Afterdarm über, der mit dem After nach außen mündet. Mit dem
Verdauungsrohr sind vielfach Drüsen verbunden, d. h. besondere durch Ausstülpung gebildete Partien desselben, die
zufolge von Arbeitsteilung besondere Funktionen haben, nämlich meist zur Verdauung nötige Säfte aus
ihren Zellen abzuscheiden. Solche Drüsen sind: die Speichel-, Magen-, Bauchspeichel-, Darmdrüsen und die Leber. Auch die Spinndrüsen
und Malpighischen Gefäße der Insekten (s. d.) gehören hierher. Zum Herbeischaffen und Ergreifen der Nahrung
dienen häufig Hilfsorgane, um den Mund stehende oder zu ihm hinführende Strudel-(Wimper-) Apparate, Tentakeln (s. d.), Gliedmaßen
(Glieder- und Wirbeltiere), Rüssel (Elefanten) u. s. w.
Der durch die Verdauung zubereitete Nahrungssaft (s. Chylus) tritt durch die Darmwandung in den Körper der Tier über und bildet
da, wo eine Leibeshöhle vorhanden ist, das Blut (s. d.), das sich entweder frei zwischen den Organen und zum Teil durch deren
Zusammenziehungen oder durch die der Hautmuskulatur bewegt, oder aber in besondern Röhren
[* 30] (Gefäßen)
und durch besonders entwickelte pumpenartige Muskelstellen derselben (Herz, s. d.) angetrieben verläuft. Meist sind Gefäße
von zweierlei Art vorhanden, solche, die das Blut vom Herzen weg-, und solche, die es ihm wieder zuführen (Arterien und Venen,
s. Kreislauf des Blutes).
[* 31]
Beide ArtenGefäße geben entweder durch sehr feine Gefäßchen (Haargefäße, s. d.) ineinander über,
dann ist das Gefäßsystem ein vollkommen geschlossenes, oder aus den Arterien ergießt sich das Blut in die Leibeshöhle oder
in wandungslose zwischen den Organen gelegene Räume (Blutsinus) und sammelt sich aus diesen wieder in die Venen, dann ist
das Gefäßsystem nicht geschlossen. Bei geschlossenen Gefäßsystemen wird der Chylus durch besondere sog. Lymphgefäße oder
Saugadern (s. Lymphe) dem Blutkreislauf
[* 32] zugeführt.
Alle Tier brauchen zum Leben Sauerstoff, den sie in die ernährende Flüssigkeit mit der äußern Luft fortwährend
aufnehmen, geben aber die gleichfalls mit aufgenommene unbrauchbare Kohlensäure ab. Diesen Gasaustausch
nennt man Atmung (s. d.) oder Respiration. Die im Wasser atmenden Tier entnehmen
den Sauerstoff der in diesem enthaltenen Luft, nicht der Substanz des Wassers selbst. Bei kleinen, namentlich das Wasser bewohnenden
Tier (Protozoen, Rädertieren, Larven der verschiedensten Formen u. s. w.) kann die
Atmung auf der ganzen Körperoberfläche vor sich gehen und hier finden sich meist in verschiedenem
Umfange und verschiedener Anordnung Wimperapparate, die den über den Körper weggehenden Wasserstrom und damit die Zufuhr
von atmosphärischer Luft fortwährend erneuern.
Sonst vollzieht sich die Atmung durch besondere Atmungswerkzeuge, die bei Wassertieren als Kiemen (s. d.),
bei Landtieren als Tracheen
[* 33] (s. d.) und Lungen (s. d.) bekannt sind. AußerGas (Kohlensäure) sondert der
tierische Körper auch mehr oder weniger flüssige, unbrauchbare oder schädliche Stoffe ab. Bei niedersten Formen wirkt gleichfalls
die ganze Körperoberfläche in diesem Sinne, meist aber finden sich hierzu besondere Exkretionsorgane (Drüsen, s. d.), wie
Schweißdrüsen, Malpighische Gefäße, Nieren u. s. w. Durch die Ernährung geschieht das Wachstum der
Tier, das sich bei jüngern Individuen durch Zunahme an Umfang, Gewicht und Differenzierung des Körpers, bei erwachsenen durch
Ersatz der verbrauchten Substanzen oder Ersatz verloren gegangener Teile (s. Reproduktion), durch Ablagerung von Reservestoffen
und durch die Fortpflanzung zu erkennen giebt. Meist, aber durchaus nicht immer, schließt das individuelle Wachstum
mit dem Eintritt der Fortpflanzungsfähigkeit ab.
Die Körpergestalt der Tier ist entweder eine nicht bestimmte, individuellen Schwankungen unterliegende (bei den sog.
Amorphozoen, Amöben, Schwämmen u. s. w.), oder sie ist eine bestimmte, feste. In letzterm Falle
kann sie asymmetrisch sein, d. h. keine durch den Körpermittelpunkt gelegte Ebene teilt den
Körper in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften (Infusorien, parasitische Krebse, die Schollen u. s. w.),
oder aber sie ist symmetrisch und zwar bilateral- oder radiärsymmetrisch.
Bilateralsymmetrische Tier können nur durch eine Ebene in zwei spiegelbildlich gleiche Teile zerlegt werden, radiärsymmetrische
verhalten sich verschieden. Bei ihnen gruppieren sich gleich entwickelte Körperteilstücke (Antimeren) in größerer Zahl um
eine Achse und es kommt darauf an, ob diese Zahl eine gerade oder ungerade ist. Übrigens geht die radiäre
Symmetrie in die bilaterale über (Seewalzen, Herzigel, Rippenquallen) und auch bei bilateral symmetrischen Tier finden
sich Anklänge an die radiäre Symmetrie (Tentakelkränze von Räder- und Moostieren, Kopffüßern u. s. w.). Im übrigen richtet
sich die Gestalt der Tier nach der Lebensweise, namentlich nach der Art und Schnelligkeit, mit
der, und nach dem Medium, in dem sie sich bewegen;
hurtige Tier sind schlank spindelförmig von Rumpf;
sind sie dabei Landbewohner,
so sind sie hochbeinig, häufig mit Reduktion der Zehenzahl;
langsame, auf dem Boden lebende Land- und
Wassertiere sind flach und breit, in der Erde hausende walzenförmig u. s. w.
Die maximale Größe der Tier ist sehr schwankend und kann von einigen Tausendstel Millimetern (Infusorien) bis 30 m (der nordische
Finnwal) betragen. Sie hängt von außerordentlich vielen Umständen (z. B. Masse und Art der Nahrung, Beschaffenheit des Aufenthaltsortes,
Art der Bewegung u. s. w.) ab. Die kleinsten wie die größten lebenden Tier finden sich
im Wasser. Der innige Zusammenhang der Fortpflanzung und das Wachstum der Tier ergiebt sich aus einer Reihe von Erscheinungen,
namentlich der ungeschlechtlichen Fortpflanzung. Bei Protozoen kommt es vor, daß das betreffende Individuum bis über die
Maximalgröße wächst und dann ohne weiteres in zwei gleiche Teile zerfällt oder sich mit einer Kapsel
umgiebt (sich encystiert), innerhalb derer es in eine größere Anzahl von Stücken zerfällt, die nach Sprengung der Kapsel
ausschwärmen. Auch Süßwasserschwämme und
¶