Hafer
[* 2] und in neuerer Zeit auch Futterkräuter, Haupterwerbszweige sind
Acker-, Obst- und
Weinbau und Viehzucht.
[* 3] Die besten
Weine wachsen bei
Arbon am
Bodensee, bei der ehemaligen Kartause Ittingen, am Sonnenberg und am Ottenberg. Nach der Viehzählung
von 1896 hat der Kanton
[* 4] 3876
Pferde,
[* 5] 56 792
Stück Rindvieh, 17 306 Schweine,
[* 6] 430 Schafe,
[* 7] 8301 Ziegen, 13 374
Bienenstöcke.
Am
Untersee ist auch die Fischerei
[* 8]
(Blaufelchen, Gangfische) von Bedeutung.
Der lebhafte
Handel wird unterstützt durch die Thurgauische Hypothekenbank in Frauenfeld und die Kantonalbank in
Weinfelden,
ferner durch ein reich entwickeltes
Netz guter Landstraßen, den Dampferverkehr auf dem
Bodensee und Rhein und mehrere
Eisenbahnlinien,
die den Hauptverkehr zwischen
Deutschland
[* 11] und der
Schweiz
[* 12] vermitteln. Hauptort ist Frauenfeld, von andern
Ortschaften sind zu erwähnen
Romanshorn,
Arbon, Bischofzell,
Steckborn und Diessenhofen.
Verfassung und
Verwaltung. Die
Verfassung (zuletzt 1869 revidiert) ist demokratisch mit obligatorischem Gesetz- und Finanzreferendum,
Initiative und Abberufungsrecht. Der
GroßeRat (je 1 Mitglied auf 250 Stimmberechtigte) ist beratende und gesetzgebende, der
Regierungsrat (5 Mitglieder) vollziehende
Behörde. Beide
Räte werden vom
Volke direkt gewählt.
In den
schweiz. Nationalrat sendet der Kanton 5, in den
Ständerat 2 Mitglieder. In administrativer
Beziehung zerfällt der Kanton
in 8
Bezirke (s. oben).
An der
Spitze jedes
Bezirks steht ein Bezirksstatthalter und ein
Bezirksrat. Jeder
Bezirk besitzt ein eigenes Gericht. Oberste
Instanz ist das Obergericht mit 7 Mitgliedern.
Über Kriminalfälle urteilen die
Geschworenen. Hauptstadt ist Frauenfeld (s. d.).
Die
Staatsausgaben betrugen 1895: 1,696, die Einnahmen 1,586, die Schulden 2,873, das Vermögen 13,003 Mill.
Frs. Das Kirchenwesen
steht unter je einer
Synode und einem Kirchenrat für
Reformierte und Katholiken, welch letztere unter dem
BistumBasel
[* 13] stehen.
Für den Unterricht sorgen (1894) 187 Primärschulen mit 17 366 Schulkindern, 11 Kleinkinderschulen, 26 Sekundärschulen
mit 1101
Schülern und Schülerinnen, 1 Mittelschule (Kautonsschule in Frauenfeld), 1 Lehrerbildungsanstalt (in Kreuzlingen), 6 gewerbliche
und industrielle Schulen und 42 freiwillige und 143 obligatorische Fortbildungsschulen. Von 100 Rekruten hatten 1894: 33 die
beste
Note in mehr als zwei Fächern, 6 die schlechteste in mehr als einem Fache;
der Kanton steht in dieser
Beziehung an fünfter
Stelle. In militär.
Beziehung gehört der Kanton zum Stammbezirk der 7. Division und des 3.
Armeekorps.
Das Wappen hat zwei
goldene springende Löwen
[* 14] im vonSilber und
Grün schräg geteilten Felde.
Geschichte. Unter dem
Namen Thurgau wurde im Mittelalter die ganze nordöstl.
Schweiz, östlich vom Aargau
und nördlich von Rhätien begriffen;
schon im 9. Jahrh. aber wurde davon das Land westlich von dem Höhenzuge zwischen
Töß und
Glatt bis zur Reuß
[* 15] als Zürichgau
abgetrennt. Die Landgrafschaft Thurgau kam an die
Herzöge von
Zähringen; dann (1098) an das Haus Kyburg.
Seit 1264 besaß als dessen
Erbe das Haus Habsburg den größten
Teil des jetzigen Thurgau 1417 wurde Landgericht und
Blutbann im
T. vom
Kaiser dem Hause
Österreich
[* 16] genommen und der Stadt Konstanz
[* 17] verpfändet; 1460 rissen die Eidgenossen
in den
Kriegen mit
Österreich das Land völlig
an sich und ließen es durch Landvögte als «Gemeine Herrschaft» verwalten,
aber erst 1499 kam das Landgericht an die Eidgenossen. Im 16. Jahrh. kam die
Reformation in einer ganzen Anzahl Gemeinden
zum
Durchbruch.
Nach
Auflösung der alten Eidgenossenschaft 1798 wurde aus den thurgauischen Vogteien ein Kanton der
Helvetischen Republik
gebildet; bei der Einführung der Mediationsverfassung 1803 trat in die
Rechte eines selbständigen Kantons ein und gab sich
eine repräsentativ-demokratische
Verfassung mit beschränkter Stimmberechtigung und Wählbarkeit. Im April 1831 wurde eine
neue, in demokratischem
Sinne weiter entwickelte
Verfassung vom
Volke angenommen, jedoch die repräsentativ-demokratische
Staatsform beibehalten und auch durch die Revisionen von 1837 und 1848 nicht wesentlich geändert.
Tiefer eingreifende
Veränderungen brachte die demokratische
Bewegung von 1868, die zur
Verfassung vom führte und
durch die
Annahme des
Referendums und die
Initiative eine rein demokratische
Staatsform an die
Stelle der
repräsentativen setzte (s. oben). Im Sonderbundskriege 1847 stand in der Reihe der bundestreuen
Kantone, hob 1848 seine Klöster auf bis auf eins und erklärte sich bei den
Abstimmungen von 1872 und 1874 über Revision
der Bundesverfassung für dieselbe.
Vgl.
Häberlin-Schaltegger, Geschichte des Kantons Thurgau von 1798 bis 1849 (Frauenf.
1872);
Häberlin, Der Kanton in seiner Gesamtentwicklung von 1849 bis 1869 (ebd. 1876);
Pupikofer, Geschichte
des Thurgau (2. Aufl., 2 Bde.,
ebd. 1886-89);
Rahn, Die mittelalterlichen
Architektur- und Kunstdenkmäler des Kanton Thurgau (Zür. 1895-97).
alte Stadt in Unteritalien, 443
v. Chr. unter der Leitung vonAthen
[* 18] in der Nähe von
Sybaris
gegründet, dessen Einwohner nach Thurii übersiedelten.
Die Stadt gelangte bald zu großer
Blüte,
[* 19] wurde aber seit der Mitte
des 4. Jahrh.
v. Chr. durch
Angriffe der Lukaner sehr geschwächt. 194
v. Chr. sandten die
Römer
[* 20] eine lat.
Kolonie dahin, welche
den
Namen Copia erhielt, der aber den ältern griech.
Namen nicht zu verdrängen vermochte.
Das
Volk der
Thüringer wird zuerst zu Anfang des 5. Jahrh. bei
Vegetius Renatus erwähnt. Dann erscheinen
sie unter den Verbündeten
Attilas. Ihr
Name ist von dem der alten Hermunduren abzuleiten. Doch sind sie nicht einfach Nachkommen
derselben, sondern Reste der
Semnonen, besonders der
Angeln¶
mehr
und Warnen, haben sich mit den Hermunduren zu dem neuen Stamme der Thüringer vereinigt. Abgesehen von einem kleinen linksrhein.
Gaukönigtum, das 491 durch Chlodwig unterworfen wurde, erstreckte sich ihr Reich von der niedersächs. Tiefebene südwärts
bis gegen die Donau hin. Ihr letzter König Hermanfried (s. d.) suchte gegen
den Frankenkönig Chlodwig Schutz im Anschluß an Theodorich d. Gr., mit dessen Nichte Amalaberga er sich
vermählte. Nach der Schlacht bei Burgscheidungen wurde sein Reich vernichtet.
Der nördl. Teil fiel den Sachsen zu, der südliche, die Maingegend, den Franken (Ostfranken); der Name Thüringen blieb nur an dem von
der Werra und Saale, dem Harz und dem ThüringerWalde begrenzten Landstrich haften. Unter den spätern
Merowingern erhoben sich in Thüringen, vermutlich als Schützer des Landes gegen die andringenden Sorben, eigene Herzöge; König Dagobert
I. erkannte in dieser Würde um 630 den Ratolf an, der nur noch dem Namen nach die Oberherrlichkeit des Frankenreichs ertrug.
Seine Nachfolger nahmen ihren Sitz zu Würzburg,
[* 25] aber Anfang des 8. Jahrh. erlosch das Herzogtum, und
die Bekehrung zum Christentum, besonders die Thätigkeit des Bonifatius, knüpfte Thüringen enger an das Fränkische Reich.
Thüringen wurde im 8. Jahrh. von fränk. Grafen verwaltet und bildete seit Karl d. Gr. den Ausgangspunkt für die Unterwerfung
der Sorben. 805 wird Madalgaud als ein über Thüringen gesetzter Königsbote genannt, der zu Erfurt
[* 26] saß, und dessen Amtsbezirk bis
an den Main reichte; mit der Zeit wurden aus den mit außerordentlichen Vollmachten bekleideten Königsboten Markgrafen; der
erste namentlich genannte Vorsteher der Thüringischen Mark war Thakulf (849), der 873 starb. Sein Nachfolger
Ratolf unterwarf 874 im Verein mit Erzbischof Liutbert von Mainz
[* 27] die empörten Sorben an der Mulde.
Diesem folgte der Babenberger Poppo, dem jedoch König Arnulf 892 die herzogl. Würde entzog, um sie auf den ostfränk. Grafen
Konrad, den Vater des nachherigen Königs Konrad I., zu übertragen. Nachdem dieser sie bald freiwillig
niedergelegt hatte, erhielt sie Burchard (s. d.), der 908 gegen die Ungarn
[* 28] fiel. Unter ihm erhob sich das auf das Amt der Grenzverteidigung
gestützte thüring. Herzogtum zu größerer Geltung als je zuvor, aber er erhielt keinen Nachfolger. Otto der Erlauchte, Herzog
von Sachsen, dehnte nun seine Gewalt auch über aus; sein Sohn Heinrich befestigte seine Macht über Thüringen durch
Vermählung mit Hatheburg, der Tochter des reichen Grafen Erwin, machte Merseburg
[* 29] zum Hauptstützpunkt und hielt sich mit
Erfolg gegen die Angriffe des Königs Konrad I.
Durch diese Verbindung mit Sachsen sowie durch die Vorschiebung der deutschen Ostgrenze, die ihm die Bedeutung
einer Grenzmark raubte, verlor Thüringen seine selbständige Stellung. In kirchlicher Beziehung stand Thüringen unter der Mainzer Kirche,
die hier reichen Besitz hatte. Nach der Ermordung des Markgrafen Elkehard I. von Meißen,
[* 30] 1002, der auch zum Herzog von Thüringen erhoben
war, wurde das Haus der Grafen von Weimar
[* 31] das mächtigste im Lande. Mit den Grafen Wilhelm IV. (1039-62)
und Otto (1062-67), die zugleich die markgräfl.
Würde von Meißen bekleideten, erlosch das Haus Weimar. Um von dem Erzbischof Siegfried von Mainz die Belehnung mit den mainzischen
Lehen zu erhalten, hatte Otto versprochen, die Thüringer zur Zahlung des verabscheuten Zehnten an die Mainzer
Kirche zu zwingen. Dieser Zehntstreit kam 1073 auf
einer Synode zu Erfurt unter Teilnahme König Heinrichs IV. im wesentlichen
zu Gunsten des Erzbischofs zum Austrag; infolgedessen schloß sich ein Teil der thüring. Herren den aufständischen Sachsen
gegen Heinrich IV. an.
Während dieser Kriege trat ein von bescheidenen Anfängen aus aufblühendes Geschlecht hervor, dem es
gelang, sich zur Führerschaft des ganzen Stammes aufzuschwingen. Ahnherr desselben ist GrafLudwig der Bärtige aus einem frank.
Geschlecht und ein Lehnsmann des Mainzer Stuhls. Er erwarb durch seine Gemahlin Cäcilie Sangerhausen
[* 32] und starb 1056. Sein Sohn
Ludwig (s. d.) der Springer förderte die Entwicklung seines Hauses durch seine Vermählung mit der Witwe
des ermordeten Pfalzgrafen Friedrich von Sachsen.
Ihm folgte 1123 sein gleichnamiger Sohn (gest. 1140), der von Kaiser Lothar 1130 die Würde eines Landgrafen von Thüringen erhielt,
die zuerst GrafHermann I. von Winzenburg besessen, dessen Sohn Hermann II. wegen begangenen Mordes aber
verloren hatte. Nun erst gelangte Thüringen zur Einheit und zu einer lebendigen innern Entwicklung. Zu Mittelhausen hielt der Landgraf
jährlich dreimal im Namen des Kaisers Gericht, außerdem gab es noch vier Dingstühle: zu Gotha,
[* 33] Thomasbrück, Weißensee und
Buttelstädt.
Unter den Städten T.s hob sich besonders Erfurt und im Schutz der Wartburg Eisenach.
[* 34] Ludwig II. (s. d.),
der Eherne (1140-72), mehr durch die Sage als die Geschichte berühmt, stiftete die Klöster Georgenthal und Ichtershausen.
Sein Sohn Ludwig III. (s. d.), der Milde (1172-90), schloß sich, dem bisherigen Bunde mit Heinrich dem Löwen entsagend, der
Bekämpfung desselben an. Der Lohn für diesen Parteiwechsel war 1180 die Verleihung der durch Adalberts vonSommerschenburgTod erledigten sächs. Pfalzgrafenwürde, auf die er jedoch 1181 zu Gunsten seines BrudersHermann verzichtete.
Seine Fehde mit Markgraf Otto (s. d.) von Meißen schlichtete der Kaiser. Da er bei seinem Tode 1190 keine Nachkommen hinterließ,
folgte ihm sein BruderHermann I. (s. d., 1190-1217), der gegen Markgraf Albrecht von Meißen, die Erzbischöfe
Konrad von Mainz und Adolf von Köln
[* 35] u. a. zahlreiche Fehden führte und durch den Wankelmut, mit dem er während des Doppelreichs
bald die staufische, bald die welfische Partei ergriff, Thüringen wiederholt zum Schauplatz des Krieges machte.
Sein jugendlicher Sohn Ludwig IV. (s. d.), der Heilige, der Gemahl der heil. Elisabeth, beendete als Vormund
seines Neffen Markgraf Heinrich des Erlauchten die in Meißen und Osterland ausgebrochenen Unruhen, starb aber schon zu
Otranto an der Pest. Für seinen erst vierjährigen Sohn Hermann II. führte dessen Oheim Heinrich Raspe (s. d.) die
Vormundschaft, der die Landgräfin-Witwe Elisabeth von der Wartburg verstieß und nach HermannsTode 1241 selbst als Landgraf
folgte. Obgleich von Friedrich II. zum Reichsverweser bestellt, ließ er sich doch durch die päpstl. Partei verleiten, als
Gegenkönig aufzutreten.
Nachdem mit Heinrich Raspes Tode der Mannsstamm Ludwigs des Bärtigen erloschen war, ergriff
Markgraf Heinrich (s. d.) der Erlauchte von Meißen auf Grund seiner Abstammung von Jutta, einer Tochter Hermanns I., sowie der von
KaiserFriedrich II. erhaltenen Eventualbelehnung von der Landgrafschaft Besitz und behauptete sich in dem nun ausbrechenden
sog. Thüringer Erbfolgestreite sowohl gegen den
¶