welches Amt er aber schon im Juli wieder verlor. Bisher hatte T.u.H. als Mitglied der böhm. Landtage
sich der nationalen Partei angeschlossen und selbst in die litterar. Bewegung der Czechen mit den Schriften «Über den gegenwärtigen
Stand der böhm. Litteratur und ihre Bedeutung» (Prag 1842) und «Die Stellung der Slowaken in Ungarn» (ebd.
1843) eingegriffen, in denen er die histor.-polit. Individualität der Czechen verteidigte. Eine ganz andere Richtung schlug
er ein, als er 28. Juli 1849 im Ministerium Schwarzenberg das Portefeuille des Kultus und Unterrichts übernahm, das er auch in
den folgenden Ministerien behielt.
Als Unterrichtsminister wirkte er im Kabinett Bach in hervorragender Weise als Regenerator des österr.
Schulwesens, organisierte die Gymnasien und die Hochschulen nach deutschen Mustern und berief an die Universitäten zahlreiche
ausgezeichnete Lehrkräfte aus Deutschland. Als Kultusminister schloß er das Konkordat mit der Römischen Kurie ab (18. Aug. 1855,
aufgehoben 1870) und verschaffte dadurch der Kirche sehr großen Einfluß auf die Schule. Da nach dem
Diplom vom 20. Okt. 1860 das Ministerium für Kultus und Unterricht aufgehoben ward, trat u. H. in den Ruhestand. Im Frühjahr 1861 von
dem Wahlkörper der Fideïkommißbesitzer in den neu gebildeten böhm. Landtag gewählt, stellte
er sich auf die Seite der mit den Nationalen verbündeten Feudalpartei und galt bald neben dem Grafen
Clam-Martinitz als deren Haupt. Im April desselben Jahres berief ihn der Kaiser auch in das Herrenhaus, in dem er Führer
der äußersten Rechten wurde und sich 1867 auf das entschiedenste gegen den Ausgleich mit Ungarn und die staatsrechtliche Spaltung
Österreichs aussprach. 1871 unterstützte er die Hohenwartsche Föderativpolitik im böhm.
Landtage, trat aber aus demselben aus, als das verfassungstreue liberale System siegte, huldigte dann der Abstinenzpolitik
und wurde, auch als die Czechen nach siebenjährigem Fernbleiben wieder in den Präger Landtag eintraten, mit den andern Feudalen
des Großgrundbesitzes nicht wiedergewählt; erst 1883 wurde er wieder in den böhm.
Landtag gewählt. Er starb 17. Dez. 1888. -
Vgl. Frankfurter, Graf Leo Thun-Hohenstein (Lpz. 1895);
Helfert, Graf Leo Thun (im «Österreichischen
Jahrbuch», Wien 1891-97).
Fluß in Elsaß-Lothringen, entspringt im Bezirk Oberelsaß am großen Ventron in den Vogesen,
nahe der franz. Grenze, durchfließt das St. Amariner Thal, teilt sich bei Sennheim in zwei Arme, von denen sich der eine bereits
unterhalb Ensisheim in die Ill ergießt, während der andere, alte Thur oder Mühlbach genannt, sich in der Nähe
von Colmar mit der Ill vereinigt.
Der Lauf der Thur beträgt bis Ensisheim 55, bis Horburg 88 km.
linker Nebenfluß des Rheins, entspringt bei Wildhaus (1004 m) im Bezirk Obertoggenburg des schweiz. Kantons St.
Gallen, durchfließt das Toggenburg, gelangt durch das Hügelland nach Bischofszell, wo ihr rechts die Sitter zugeht, fließt
dann in breitem Thale durch den Thurgau,
in welchem sie links die Murg empfängt, und das züricherische Weinland
dem Rhein zu, den sie, 123 km lang, durch einen Korrektionskanal bei Ellikon (348 m) erreicht.
Ihr Gebiet umfaßt 1783 qkm.
hinter lat. Pflanzennamen Abkürzung für Gustav Thuret (spr. türeh), geb. 23. Mai 1817 zu Paris,
gest. 10. Mai 1875, arbeitete besonders über Meeresalgen und entdeckte die geschlechtliche Fortpflanzung
der Rhodophyceen und
Phäophyceen.
in der histor. Rangordnung der 17., dem Flächeninhalt nach der 12., der Einwohnerzahl nach der 11. Kanton
der Schweiz, bildet den nordöstlichsten Teil des Landes, grenzt im N. an das Großherzogtum Baden, den Unter-
und Bodensee, im S. an St. Gallen und im W. an Zürich
und hat eine Fläche von 1004,7 qkm.
Oberflächengestaltung und Bewässerung. Der Thurgau ist ein freundliches Hügelland. Von den Ufern des Boden-
und Untersees steigt das Land allmählich zu den Sandsteinhöhen und Plateaus des Seerückens (717 m) und des Ottenbergs
(671 m) auf, an deren Südfuß sich das breite ebene Thal des Thur anlegt. Jenseit desselben werden die Hügelzüge etwas höher
und die Nagelfluhkuppen des obern Murgthals, welche im äußersten Süden des Kantons gegen das Hörnli
(1135 m) ansteigen, zeigen den Charakter der Voralpen. Die nördl. Hälfte gehört zum unmittelbaren
Gebiete des Rheins; die südliche wird von der Thur und ihren Zuflüssen Sitter und Murg bewässert. Unmittelbar zum Bodensee
fließen Goldach, Steinach u. s. w. Vom Boden- und Untersee gehören bedeutende Strecken zum Kanton. Im Innern
finden sich nur einige kleine Seen.
Bevölkerung. Der Kanton hatte 1860 eine Wohnbevölkerung von 90 080, 1870: 93 202, 1880: 99 231, 1888: 104 678 (51 626 männl., 53 052 weibl.)
E., d. i. 104 E. auf 1 qkm und eine Zunahme 1880-88 von 3,35 Proz.,
darunter 74 219 Evangelische, 30 210 Katholiken, 57 Israeliten und 192 andere;
ferner 18070 bewohnte Häuser
mit 22 760 Haushaltungen in 212 Gemeinden. Im Kanton geboren sind 80 465, in der übrigen Eidgenossenschaft 15 602, im Auslande
8611;
Bürger ihrer Wohngemeinde sind 43 221, einer andern Gemeinde des Kantons 32 403, eines andern Kantons 19 014,
Ausländer 10 040. Der Muttersprache nach sind 104 078 Deutsche, 195 Franzosen, 271 Italiener, 61 Romanen und 73 andere.
Von
je 1000 erwerbsthätigen Personen entfielen auf Gewerbe 457, Landwirtschaft 407, Handel 55, Verkehr 39, Wissenschaft, Kunst,
Verwaltung 35. Die Zahl der Geburten (einschließlich der Totgeburten) betrug 1894: 2840, der Eheschließungen
707, der Sterbefälle 2304. Der Kanton zerfällt in 8 Bezirke:
Bezirke
Einwohner
Evangelische
Katholiken
Israeliten
Andere
Arbon
15383
11375
3982
6
20
Bischofszell
13696
10479
3170
1
46
Diessenhofen
3766
2752
972
28
14
Frauenfeld
14910
11063
3808
5
34
Kreuzlingen
15409
11548
3803
16
42
Münchwilen
15157
7013
8142
-
2
Steckborn
11436
7514
3917
-
5
Weinfelden
14921
12475
2416
1
29
Landwirtschaft. Von der Fläche sind 847,1 qkm, d. i. 84,31 Proz., produktives Land, 201,1 Waldungen, 627,9 Acker-, Garten-, Wiesen-
und Weideland und 18,1 Weinberge. Von dem unproduktiven Lande sind 131 qkm Seen, 9,3 Städte, Dörfer und
Gebäude, 8,2 Flüsse und Bäche, 3,8 Schienen- und Straßenwege, 5,3 Felsen, Schutthalden u. s. w. Das Klima ist mild; der Boden
ergiebig und wohl angebaut; das ganze Land bildet einen einzigen großen Obstgarten. Angebaut werden Weizen, Roggen,
mehr
Hafer und in neuerer Zeit auch Futterkräuter, Haupterwerbszweige sind Acker-, Obst- und Weinbau und Viehzucht. Die besten
Weine wachsen bei Arbon am Bodensee, bei der ehemaligen Kartause Ittingen, am Sonnenberg und am Ottenberg. Nach der Viehzählung
von 1896 hat der Kanton 3876 Pferde, 56 792 Stück Rindvieh, 17 306 Schweine, 430 Schafe, 8301 Ziegen, 13 374 Bienenstöcke.
Am Untersee ist auch die Fischerei (Blaufelchen, Gangfische) von Bedeutung.
Industrie und Gewerbe ernährten 45,7 Proz. der Bevölkerung; die Industrie erstreckt sich auf Stickerei (1895: 2005 Arbeiter),
Weißweberei (1140), Schuhwarenfabrikation (910), Buntweberei (642), Seidenweberei (614), Maschinenbau (507), Baumwollspinnerei
(418), Cement-, Ziegel- und Thonwarenfabrikation (410), Strickerei (320), Werkzeugfabrikation (318) u. s. w.
Der lebhafte Handel wird unterstützt durch die Thurgauische Hypothekenbank in Frauenfeld und die Kantonalbank in Weinfelden,
ferner durch ein reich entwickeltes Netz guter Landstraßen, den Dampferverkehr auf dem Bodensee und Rhein und mehrere Eisenbahnlinien,
die den Hauptverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz vermitteln. Hauptort ist Frauenfeld, von andern
Ortschaften sind zu erwähnen Romanshorn, Arbon, Bischofzell, Steckborn und Diessenhofen.
Verfassung und Verwaltung. Die Verfassung (zuletzt 1869 revidiert) ist demokratisch mit obligatorischem Gesetz- und Finanzreferendum,
Initiative und Abberufungsrecht. Der Große Rat (je 1 Mitglied auf 250 Stimmberechtigte) ist beratende und gesetzgebende, der
Regierungsrat (5 Mitglieder) vollziehende Behörde. Beide Räte werden vom Volke direkt gewählt. In den
schweiz. Nationalrat sendet der Kanton 5, in den Ständerat 2 Mitglieder. In administrativer Beziehung zerfällt der Kanton
in 8 Bezirke (s. oben).
An der Spitze jedes Bezirks steht ein Bezirksstatthalter und ein Bezirksrat. Jeder Bezirk besitzt ein eigenes Gericht. Oberste
Instanz ist das Obergericht mit 7 Mitgliedern. Über Kriminalfälle urteilen die Geschworenen. Hauptstadt ist Frauenfeld (s. d.).
Die Staatsausgaben betrugen 1895: 1,696, die Einnahmen 1,586, die Schulden 2,873, das Vermögen 13,003 Mill. Frs. Das Kirchenwesen
steht unter je einer Synode und einem Kirchenrat für Reformierte und Katholiken, welch letztere unter dem
Bistum Basel
stehen.
Für den Unterricht sorgen (1894) 187 Primärschulen mit 17 366 Schulkindern, 11 Kleinkinderschulen, 26 Sekundärschulen
mit 1101 Schülern und Schülerinnen, 1 Mittelschule (Kautonsschule in Frauenfeld), 1 Lehrerbildungsanstalt (in Kreuzlingen), 6 gewerbliche
und industrielle Schulen und 42 freiwillige und 143 obligatorische Fortbildungsschulen. Von 100 Rekruten hatten 1894: 33 die
beste Note in mehr als zwei Fächern, 6 die schlechteste in mehr als einem Fache;
der Kanton steht in dieser Beziehung an fünfter
Stelle. In militär. Beziehung gehört der Kanton zum Stammbezirk der 7. Division und des 3. Armeekorps.
Das Wappen hat zwei
goldene springende Löwen im von Silber und Grün schräg geteilten Felde.
Geschichte. Unter dem Namen Thurgau wurde im Mittelalter die ganze nordöstl. Schweiz, östlich vom Aargau
und nördlich von Rhätien begriffen;
schon im 9. Jahrh. aber wurde davon das Land westlich von dem Höhenzuge zwischen Töß und Glatt bis zur Reuß als Zürichgau
abgetrennt. Die Landgrafschaft Thurgau kam an die Herzöge von
Zähringen; dann (1098) an das Haus Kyburg.
Seit 1264 besaß als dessen Erbe das Haus Habsburg den größten Teil des jetzigen Thurgau 1417 wurde Landgericht und Blutbann im
T. vom Kaiser dem Hause Österreich genommen und der Stadt Konstanz verpfändet; 1460 rissen die Eidgenossen
in den Kriegen mit Österreich das Land völlig an sich und ließen es durch Landvögte als «Gemeine Herrschaft» verwalten,
aber erst 1499 kam das Landgericht an die Eidgenossen. Im 16. Jahrh. kam die Reformation in einer ganzen Anzahl Gemeinden
zum Durchbruch.
Nach Auflösung der alten Eidgenossenschaft 1798 wurde aus den thurgauischen Vogteien ein Kanton der Helvetischen Republik
gebildet; bei der Einführung der Mediationsverfassung 1803 trat in die Rechte eines selbständigen Kantons ein und gab sich
eine repräsentativ-demokratische Verfassung mit beschränkter Stimmberechtigung und Wählbarkeit. Im April 1831 wurde eine
neue, in demokratischem Sinne weiter entwickelte Verfassung vom Volke angenommen, jedoch die repräsentativ-demokratische
Staatsform beibehalten und auch durch die Revisionen von 1837 und 1848 nicht wesentlich geändert.
Tiefer eingreifende Veränderungen brachte die demokratische Bewegung von 1868, die zur Verfassung vom 28. Febr. 1869 führte und
durch die Annahme des Referendums und die Initiative eine rein demokratische Staatsform an die Stelle der
repräsentativen setzte (s. oben). Im Sonderbundskriege 1847 stand in der Reihe der bundestreuen
Kantone, hob 1848 seine Klöster auf bis auf eins und erklärte sich bei den Abstimmungen von 1872 und 1874 über Revision
der Bundesverfassung für dieselbe.
Vgl. Häberlin-Schaltegger, Geschichte des Kantons Thurgau von 1798 bis 1849 (Frauenf.
1872);
Häberlin, Der Kanton in seiner Gesamtentwicklung von 1849 bis 1869 (ebd. 1876);
Pupikofer, Geschichte
des Thurgau (2. Aufl., 2 Bde.,
ebd. 1886-89);
Rahn, Die mittelalterlichen Architektur- und Kunstdenkmäler des Kanton Thurgau (Zür. 1895-97).