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gerettet haben, verharrte die Kirchenlehre im wesentlichen bei den frühern Bestimmungen. Und wenn man einerseits auch Fegefeuer und Hölle immer schrecklicher ausmalte, so boten andererseits doch eine stets bereite Hilfe teils die Gnadenmittel der Kirche, teils die gesteigerte Macht der Jungfrau Maria, die selbst den, der sich dem Teufel verschrieben, aber dabei nur Gott, nicht zugleich auch ihr, abgesagt hatte, erretten, ja sogar bereits Verdammte wieder aus der Hölle erlösen konnte.
In allen diesen Vorstellungen, kirchlichen wie volksmäßigen, war Luther aufgewachsen. Indem er mit dem Katholicismus brach, verlor er auch den Glauben an die von der Kirche dargereichten Schutzmittel gegen den Teufel. Allein mit dem reinen Gottesworte in der Hand tritt er allem, was diesem widerstrebt, kühn entgegen. Und im schroffen unvermittelten Gegensatz verkörperte sich ihm alles Gottwidrige zu einer einzigen Gestalt, dem Teufel, der nun, in fast wiederum dualistischer Fassung, eine solche Bedeutung erhielt, wie er sie nie zuvor im Christentum besessen hatte.
Allerdings wird auch nach Luthers Ansicht der Teufel mit Gottes Hilfe und durch Gottes Wort überwunden, wie Christus ihn überwunden hatte; aber doch hat er eine wirkliche und sehr gefährliche Macht. Außerhalb Christus regiert der Teufel und hat das Werk Gottes im Menschen verdorben. Er verursacht die kirchlichen Mißbräuche, sucht die Wirkung des Gebets zu hindern, gefährdet Leben und Eigentum, bereitet Unglück aller Art und tötet die Menschen auf verschiedene Weise, geht aber auch Bündnisse mit ihnen ein.
Der Papst wurde für Luther zum leibhaften Antichrist, wie es vordem Mohammed und noch früher Nero gewesen war. Diese Vorstellungen gingen auch in die Bekenntnisschriften der luth. Kirche über und wurden von den spätern Dogmatikern in schulgerechte Verbindung mit den ältern theol. Bestimmungen gesetzt. Letztere begegnen im wesentlichen auch in der reform. Kirche, die jedoch den Exorcismus bei der Taufe verwarf. Nur sehr allmählich und durch angestrengten Kampf konnte der Teufelsglaube im Volksbewußtsein erschüttert werden.
Nach dem Vorgang von Spinoza, Balthasar Bekker und des Juristen Christian Thomasius verwarf die Aufklärung des vorigen Jahrhunderts den ganzen Teufels-, Dämonen- und Hexenglauben als abergläubisch, und zu Ende des 18. Jahrh. war derselbe so ziemlich überall aus dem öffentlichen Bewußtsein verschwunden. Die Kritik Schleiermachers an der Vorstellung vom Teufel hat die wissenschaftliche Unhaltbarkeit derselben gezeigt und sie vom Gebiete der Dogmatik lediglich in die christl. Kunst verwiesen als mytholog.
Hülle tiefsinniger sittlicher Ideen. Wirklich liegt dieser Vorstellung der religiös unentbehrliche Gedanke von der unheimlichen Macht der Sünde oder des Bösen zu Grunde, die, wenn auch innerhalb des Bereichs der Erlösung principiell gebrochen, sich immer wieder aufs neue auch an den Frommen versucht. Die Personifikation dieser Idee ist der kirchlichen Vorstellung überhaupt gemäß und nach Analogie zahlreicher anderer Dogmen zu beurteilen, denen dieselbe Versinnlichung einer geistigen Wahrheit zu Grunde liegt. Die neuere Orthodoxie hat sich dem Teufelsglauben wieder zugewandt. - Über Teufel und Dämonen in der Religion Zoroasters s. d. und Dêw. -
Vgl. Roskoff, Geschichte des Teufel (2 Bde., Lpz. 1869);
Wessely, Die Gestalten des Todes und des in der darstellenden Kunst (ebd. 1876);
Albers, Die Lehre vom Teufel (Straßb. 1878);
Längin, Die biblischen Vorstellungen vom Teufel (Lpz. 1890);
Graf, Naturgeschichte des (aus dem Italienischen von Teuscher, Jena 1890);
Osborn, Die Teufellitteratur des 16. Jahrh. (Berl. 1893).