Syrische Raute - Syrische Sprache, Schrift und Litteratur
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Gesamtkirche. Die Ostsyrer entschieden sich für die
Lehre
[* 2] des Nestorius (s. d.); besonders auf pers.
Gebiet breitete sich durch
Bischof Barsumas von Nisibis und durch die von der byzant.
Staatsgewalt 489 aus
Edessa vertriebenen,
aber in
Persien
[* 3] mit Wohlwollen aufgenommenen
Lehrer der Nestorianismus ungehindert aus, und 498 auf der
Synode von
Seleucia unter dem
Patriarchen Babäus sagte sich die ganze pers.
Kirche von der orthodox-griechischen los und gewann bis ins 11. Jahrh.
im östl.
Asien
[* 4] weite
Verbreitung. (S.
Nestorianer und
Syrische Christen.)
Nach dem
Tode des Severus gab er ihm 544 in der
Person des Priesters Sergius von Tella einen Nachfolger, und von diesem Sergius
läuft die Reihe der sog. (monophysitischen)
Patriarchen von
Antiochia fort bis jetzt. Nach jenem
JakobBaradäus
erhielten die syr. (auch ägypt.)
Monophysiten den
Namen Jakobiten (s. d.). Infolge der monotheletischen Streitigkeiten des 7. Jahrh.
sonderte sich dann noch eine andere Glaubensgemeinschaft aus der allgemeinen
Kirche ab, die
Maroniten (s. d.), die sich seither
ziemlich ungeschwächt in den Wildnissen des Libanons forterhalten haben.
Gegenüber von diesen Nebenkirchen waren die
Christen des orthodox-griech. Bekenntnisses, von den andern
die Melchiten genannt, immer in der Mehrheit, und haben auch jetzt noch die Überzahl (etwa 235000) in der syr.
Christenheit. Ihr Gottesdienst findet fast ganz in der arab. Landessprache statt, aber ihre höchsten
und höhern Geistlichen sind Griechen, die nur griechisch verstehen; ebenso wird in den höhern Schulen
das
Griechische gelehrt und gepflegt. Wie vor alters, haben sie noch immer ihre zwei
Patriarchen, den von
Jerusalem,
[* 6] der
Palästina
[* 7] mit (nominell acht Bistümern und) etwa 75000 Seelen unter sich hat, aber in
Konstantinopel
[* 8] wohnt und in
Jerusalem durch einige
sog.
Bischöfe oder Vikare vertreten wird, und den weit bedeutendem von
Antiochia (mit acht Bistümern),
welcher seit 1531 in Damaskus und neuestens in
Beirut residiert. Von seinem
Sprengel wurde im 19. Jahrh.
Aleppo (Haleb) abgetrennt
und direkt dem
Patriarchen von
Konstantinopel unterstellt.
Endlich aber hat in neuerer Zeit auch die röm.-kath.
Kirche mit Erfolg sich geltend gemacht, und befestigt
sich durch die Bemühungen der Propaganda und durch den Eifer und das Geschick der Lazaristen,
Franziskaner,
Jesuiten u. s. w.
immer mehr. Wie die
Maroniten seit lange, so ist jetzt auch ein
Teil der syr. Jakobiten und der Melchiten der röm.
Kirche uniert,
jedoch mit Beibehaltung vieler ihrer kirchlichen Gebräuche (z. B.
Kommunion in beiderlei Gestalt, Zulassung
von Verheirateten zum Priestergrad) und ihrer gottesdienstlichen
Sprache
[* 9] (bei jenen der syrischen, bei diesen der arabischen),
und beide je unter einem eigenen Oberhaupt, das sich offiziell
Patriarch von
Antiochia nennt,
im übrigen unter dem Papst und
der Propaganda zu
Rom
[* 10] steht.
Die unierten Jakobiten heißen syrische Katholiken (etwa 10000 an Zahl); ihr
Patriarch hält sich zu Haleb,
selten in Mardin, auf. Die unierten Melchiten (s. d.) heißen griechische Katholiken
und sind namentlich in den reichern und vornehmern Familien vertreten. Ihr
Patriarch sollte in Damaskus residieren, wohnt
aber meist in seinem Priesterseminar zuAin-Teraz auf dem Libanon. Die Geistlichen dieser beiden röm.-unierten
Gemeinschaften, wie auch die maronitischen, sind durch sorgfältigere
Bildung denen der ältern Gemeinschaften weit überlegen.
Auch die Missionsthätigkeit der
Protestanten (besonders der Amerikaner in
Beirut) beginnt sich in
Syrien fühlbar zu machen
und nahm, wie auch die englische, einen besondern Aufschwung als es galt, das Elend nach der syr.
Christenverfolgung durch die
Drusen
[* 11] (1860) zu mildern, der in
Syrien gegen 20000
Christen zum Opfer fielen. -
Vgl. Neale, History
of the holy Eastern Church (2 Bde., Lond.
1850);
Über die Missionsthätigkeit in
Syrien vgl. die Zusammenstellung von Ryssel im 18.
Bande der «Realencyklopadie für prot.
Theologie
und
Kirche» (2. Aufl., Lpz. 1885).
Sprache,Schrift und Litteratur. Die syr.
Sprache, ursprünglich der Dialekt von
Edessa im
westl.
Mesopotamien, durch die syr. Bibelübersetzung die
Sprache der christl.
Syrer geworden, ist ein Zweig des
Aramäischen
und gehört zu den semit.
Sprachen.
Ihre Blütezeit fällt in das 3. bis 7. Jahrh. n. Chr.;
seit der arab. Eroberung wurde sie durch das (stammverwandte)
Arabische immer mehr aus dem Leben verdrängt
und blieb nur noch
Schrift- und Gelehrtensprache.
Jetzt ist sie fast ganz ausgestorben, und nur in den nördl. Gegenden, im
GebirgeTur Abdin in
Mesopotamien, östlich und nördlich
von Mosul, in den benachbarten
Gebirgen Kurdistans und bis zur Westseite des
Urmiasees werden von
Christen (und zum
Teil auch von
Juden) aramäische Dialekte mit einer völligen Umbildung des alten
Sprachbaues gesprochen, die aber nicht direkte
Abkömmlinge des edessenischen
Syrisch sind. Die ausführlichste
Grammatik ist von A.
Th. Hoffmann
(Halle 1827; die Neubearbeitung
von Merx brach unvollendet mit Heft 2 im J. 1870 ab), die beste die «Kurzgefaßte
syr.
Grammatik» von Nöldeke (Lpz. 1880; vgl. auchDuval,
Traité de grammaire syrienne, Par. 1881),
für Anfänger brauchbar
auch die kleine
«Syr.
Grammatik mit Litteratur,
Chrestomathie und
Glossar» von Nestle (2. Aufl., Berl. 1888). Als Lexikon war
lange Zeit allein das sehr mangelhafte Wörterbuch aus dem «Lexicon Heptaglotton»
vonCastellus (hg. von Michaelis, Gött. 1788) in Gebrauch; jetzt stehen neben dem ausführlichen
Thesaurus syriacus von Payne
Smith (nur Heft 1-9, bis zum
Buchstaben Q, erschienen, Oxf. 1868-93) das handliche Lexicon syriacum
von C. Brockelmann (Berl. 1895) und das Dictionarium syriaco-latinum von J.
Brun
(Beirut 1895) zur
Verfügung. Für Gelehrte
ist auch das syr.-arab. Wörterbuch von Cardahi (2 Bde.,
Beirut 1887-91) wichtig. Die besten, mit Glossarien versehenen
Chrestomathien sind von Kirsch und
Bernstein
[* 13] (2 Bde., Lpz. 1832-36)
und Rödiger
(Halle 1838;
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3. Aufl. 1892). Für die Lexikographie sehr wichtig sind die einheimischen Lexika des BarAli und Bar Bahlul, aus welchen Gesenius
(Lpz. 1834) und Bernstein (Bresl. 1842) Proben mitgeteilt haben, ersteres lithographiert zur Hälfte hg. von G. Hoffmann (Kiel
[* 15] 1874, mit neuem Titel 1886), letzteres auf Kosten der franz. Regierung von R.Duval (bis jetzt 5 Hefte,
Par. 1888-96).
Die Schrift der Syrer hat in ihrer ältesten (Majuskel-) Gestalt, dem Estrangelo (d. i. στρογγὑλη, Rundschrift;
[* 16] Schriftprobe
s. Tafel: Schrift II, 10), die größte Verbreitung unter den verschiedenen Völkern Asiens gefunden, denn aus ihr stammt die
kufische der Araber, die Zend- und Pehlevischrift der Sassaniden, die uigurische der Türken, die mongolische
und die Mandschuschrift.
Von einer syr. Litteratur in vorchristl. Zeit hat man weder Nachrichten noch Reste. Aber in den
ersten Jahrhunderten n. Chr. entwickelte sich mit Anlehnung an griech.
Werke eine vielseitige Schriftstellerei, die sich vorzüglich auf christl.-theol. Litteratur, Bibelübersetzung
und Erklärung, Dogmatik, Martyrologien und Liturgien erstreckte, die aber auch Geschichte, Philosophie, Medizin und Naturwissenschaften
umfaßte. In diesen letztern Gebieten wurden die Syrer wieder die Lehrer der Araber im 8. und 9. Jahrh. und haben im allgemeinen
als Vermittler der Kultur einen großen Einfluß auf die geistige Gestaltung des Orients ausgeübt. Auch
hat sich herausgestellt, daß der syr. Text im Mittelalter weit verbreiteter Legenden die Quelle
[* 17] aller anderweitigen Bearbeitungen
ist. Der letzte klassische Schriftsteller der Syrer ist Barhebräus (s. d.), gest. 1286.
Aus den ersten drei christl. Jahrhunderten hat man fast nur die ältern Bibelübersetzungen,
besonders die Peschita (richtiger Peschittha, Ausgaben der ganzen Bibel
[* 18] in der Pariser und Londoner Polyglotte 1645 und
1657, Lond. 1823-26 und Mosul 1887-92, 3 Bde.;
des Alten Testaments z. B. von Lee, Lond. 1823 u. 1824, von der amerik. Mission in Urmia 1852, von Ceriani, Mail. 1876-83; Neues Testament
von Watts, Lond. 1816, und Bagster, ebd. seit 1828, auch Urmia 1846 und Neuyork
[* 19] seit 1868), die das Muster
der Sprache wurde. Von ältern Übersetzungen der vier Evangelien hat W. Cureton Bruchstücke (Lond. 1858) und AgnesSmith-Lewis
einen vollständigen, von ihr im Sinaikloster 1892 entdeckten Text veröffentlicht (syrisch und, auch separat, in engl. Übersetzung,
Lond. 1894). In ihre Blütezeit trat die syr. Litteratur
von der Mitte des 4. Jahrh. an, besonders durch den berühmten Lehrer und Theologen der rechtgläubigen Kirche Ephräm (s. d.)
den Syrer, dem sich weiterhin namentlich Maruthas, Bischof von Maiperkat (um das J. 400), Rabulas, Bischof von Edessa (gest.
435), Isaak von Antiochia (gest. etwa 460), Josua der Stylite (Anfang des 6. Jahrh.) anschließen. Von
da ab sind noch hervorzuheben unter den Nestorianern der Metropolit Ebed Jesu von Nisibis (gest. 1318); unter den Jakobiten
oder Monophysiten Philoxenus, Bischof von Mabbogh oder Hierapolls (485-519), Jakob von Sarug (gest. 521), Johannes von Ephesus
(gest. bald nach 585), Jakob von Edessa (gest. 708), Dionysius von Tellmahre (gest. 845), Dionysius
Barsalibi (gest. 1171), endlich Gregorius Barhebräus.
Für die Kirchengeschichte wichtig sind die von Assemani herausgegebenen «Acta martyrum orientalium et occidentalium» (syrisch
und lateinisch, 2 Bde., Rom 1748),
sowie
die «Acta martyrum et sanctorum», syrisch von P. Bedjan (bis jetzt 6 Bde.,
Par. 1890-96),
wozu das anonyme Martyrologium (1865, hg. von Wright) kommt und die «Auszüge aus syr. Akten pers. Märtyrer»,
hg. von G. Hoffmann in den «Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes» (Lpz. 1880); ferner: «Ancient Syriac documents» (von
Cureton und Wright, Lond. 1864),
die «Chronique de Josué le Stylite» (syrisch und französisch, hg. von
Martin, Lpz. 1876; syrisch und englisch von Wright, Cambr. 1882);
die Kirchengeschichte des Johannes von Ephesus (deren 3. Buch hg. von Cureton, Oxf. 1853; englisch von Payne Smith, ebd. 1860;
deutsch von Schönfelder, Münch. 1862; Fragmente daraus und seine «Heiligenbiographien» hg.
von Land im 2. Bande seiner «Anecdota syriaca», Leid. 1868; lateinisch von van Douwen und von Land, Amsterd.
1880);
das um 600 verfaßte Chronicon Edessenum (syrisch und deutsch vonL. Hallier, Lpz. 1892),
die «Annalen» des Dionysius
von Tellmahre (Buch 1, von Tullberg, 1850; Buch 4, von Chabot, 1895),
die «Mönchsgeschichten» desThomas, Bischof
von Marga seit 840 (syrisch und englisch von Budge, 2 Bde., Lond. 1893),
des Barhebräus«Chronicon syriacum» (syrisch und lateinisch
von Bruns und Kirsch, 2 Bde., Lpz.
1789; syrisch von P. Bedjan, Par. 1890) und «Chronicon ecclesiasticum» (syrisch und lateinisch von Abbeloos und Lamy, 1872-77).
Für die Geschichte der christlichen Litteratur sind von Bedeutung Curetons «Spicilegium syriacum» (syrisch
und englisch, Lond. 1855),
mehrere von de Lagarde edierte Werke, wie «Didascalia apostolorum» (Lpz.
1854),
«Reliquiae juris ecclesiastici» (ebd. 1856),
«Titri Bostreni contra Manichaeos bibli quatuor» (Berl.
1859), sowie viele andere Übersetzungen, zum Teil im Originale verloren gegangener griech. Schriften, wie die
(von R. Harris im Sinaikloster aufgefundene) der Apologie des Aristides (syrisch und englisch, Cambr. 1891), u. a. In die
dogmatischen Kämpfe der Syrer führen uns hinein die Werke von Ephräm, Rabulas, Isaak von Antiochien, des Monophysiten Philoxenus
von Mabbogh und der Nestorianer Elias, Bischof von Nisibis (gest. 1049; sein arabisch geschriebenes Buch«Beweis der Wahrheit des Glaubens» deutsch vonL. Horst, Colmar
[* 20] 1886) und Ebed Jesu. In der Bibelauslegung haben sich ausgezeichnet:
Ephräm, Jakob von Edessa, der sich auch um die Feststellung eines korrekten Bibeltextes bemühte, Daniel von Salah (8. Jahrh.),
Dionysius Barsalibi (gest. 1171; englisch Dublin
[* 21] 1672), Salomo von Basra (um 1222; sein Sammelwerk «Die
Biene»
[* 22] syrisch und englisch hg. von Budge, Oxf. 1886),
Eine «Patrologia syriaca» (Bd.
1: Aphraates, Par. 1894-95) ist im Erscheinen begriffen.
Die Poesie der Syrer ist fast nur kirchlich und liturgisch, meist ohne hohen Schwung, in etwas steifer Form; doch findet sich
wirkliche Poesie in den Resten der gnostischen Lieder, wie bei Bardesanes, der der älteste Hymnendichter ist. Nach ihm ist
der bedeutendste Dichter Ephräm (s. d.); sonst sind zu nennen: Cyrillonas (syrisch hg. von Bickell in der «Zeitschrift der
Deutschen Morgenländischen Gesellschaft», Bd. 27),
Baläus (syrisch hg. von Overbeck in «Sancta Ephraemi Syria etc. opera», Oxf. 1865),