bestand auf das eigentümliche Grundprincip der betreffenden Kirche zurückzugehen, andererseits die Ausbildung des Lehrbegriffs
auch über die Grenzen der symbolisch fixierten Artikel hinaus und mit Herbeiziehung der ältern dogmatischen Lehrdarstellungen
zu verfolgen. Insbesondere ist auf Veranlassung der Möhlerschen S. das Wesen des Protestantismus und sein Gegensatz zum Katholicismus,
sowie innerhalb der evang. Kirche selbst durch Schneckenburger, Zeller, Schweizer, Baur u. a. der Lehrunterschied
der luth. und reform. Kirche zum Gegenstande der sorgfältigsten Forschungen gemacht worden. Neuerdings beginnt man die S.
in den Umfang einer umfassenden Disciplin der «vergleichenden Konfessionskunde»
aufzunehmen, welche die Analogie der «vergleichenden Religionswissenschaft» auf das besondere Gebiet des
Christentums anwendet. -
Vgl. Marheineke, Christliche S. (1. Tl. u. d. T. «Das System des Katholicismus in seiner symbolischen
Entwicklung», 3 Bde., Heidelb. 1810 -14);
Bücher, öffentliche, von einer Kirche sanktionierte Schriften, die den Lehrbegriff
derselben im Unterschiede von andern kirchlichen Gemeinschaften darlegen, somit als Glaubensbekenntnisse und als Erkennungszeichen
(s. Symbol) der Gläubigen dienen. Schon früh wurde es in der christl. Kirche gebräuchlich, bei der Aufnahme in das Christentum
ein Glaubensbekenntnis ablegen zu lassen, das die Hauptlehren der christl. Religion, insbesondere den Glauben
an Vater, Sohn und Heiligen Geist aussprach, zuerst im Gegensatz zum Heiden- und Judentum, bald jedoch auch im Gegensatz zu den
innerhalb der Christenheit selbst auftretenden Gnostikern (s. Gnosis). Die theol. Streitigkeiten
der Folgezeit nötigten dann die Kirche, immer neue Bestimmungen zur Abwehr von Irrlehren in das Glaubensbekenntnis
aufzunehmen. Dadurch entstanden neue Symbole, die von den Kirchenversammlungen entworfen und sanktioniert wurden.
Drei ältere Symbole werden von allen Hauptparteien der christl. Kirche angenommen:
1) das Apostolische Symbolum (s. d.);
2) das Symbolum von Nicäa (Nicänisches Glaubensbekenntnis, 325), das auf der Synode zu Konstantinopel (381) mit einigen Erweiterungen
bestätigt wurde und daher das Symbolum Niceano-Constantinopolitanum heißt (s. Arianer);
3) das Athanasianische Symbolum (s. d.). - Die römisch-katholische Kirche betrachtet die Schlüsse aller rechtgläubigen ökumenischen
Synoden, die Schriften der Kirchenväter und
die Dekretalen der Päpste, sofern sie sich auf die Lehre und Sitte der Kirche beziehen,
als Erkenntnisquellen und Autorität für die geltende Lehre. Als eigentliche kath. Bekenntnisschriften
aber wurden seit der Reformation folgende aufgestellt:
1) Die Canones et Decreta oecumenici et generalis concilii Tridentini (s. Tridentinisches Konzil), deren unbedingte Annahme
Pius IV. allen Gläubigen anbefahl.
2) Die Professio fidei Tridentinae von Pius IV. 3) Der Catechismus Romanus ex decreto concilii
Tridentinii ad parochos.
4) Die Definitionen des Vatikanischen Konzils (s. d.) vom Universalepiskopat und unfehlbaren Lehramte des Papstes. Über die S.
B. der griech.-kath. Kirche s. Griechische Kirche.
Die evangelisch-protestantische Kirche behielt in ihrer Gesamtheit die alten drei Symbole bei. Doch stellte zunächst die lutherische Kirche
im Gegensatz zur römisch-katholischen ihre Unterscheidungslehren bestimmter zusammen. Ihre S. B. sind
zusammengefaßt im Konkordienbuch (s. d.). Vor der Entstehung desselben fanden sich in verschiedenen Ländern andere Sammlungen
von S. B. in Gebrauch, unter denen hervorzuheben sind: Corpus doctrinae Phi1ippicum (nach Phil. Melanchthon (s. d.) benannt,
auch Misnicum, Saxonicum, Wittenbergense;
Corpus doctrinae Pomeranum;
Prutenicum;
Thuringicum;
Brandenburgium;
Wilhelminum und Julium für Braunschweig (s. Corpus doctrinae).
Die luth. Gemeinden außerhalb Deutschlands, besonders in Dänemark,
Schweden und Frankreich, haben meist die Augsburgische Konfession (s. d.) angenommen.
Die reformierte Kirche hat fast in allen Ländern, wo sie besteht, eigene Bekenntnisschriften aufgestellt und kein durchaus
allgemein gültiges Symbolisches Buch. Über die verschiedenen S. B., die sich in der reform. Kirche gebildet
haben, s. Reformierte Kirche und Katechismus. Sammlungen dieser Bücher finden sich in: «Corpus et syntagma confessionum fidei,
quae in diversis regnis et nationibus ecclesiarum nomine fuerunt authenticae editae» (Genf
1654);
«Collection confessionum in ecclesiis
reformatis publicatarum », hg. von Niemeyer (Lpz. 1840).
Auch die kleinern kirchlichen Parteien, wie
die Mennoniten, Socinianer, Arminianer u. a. haben S. B. zusammengestellt, deren Autorität aber meist keine ganz bindende war.
-
Vgl. Winer, Komparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christl. Kirchenparteien (Lpz.
1824; 4. Aufl., von Ewald, 1882).
Ihrer Entstehung wie ihrem ursprünglichen Zwecke nach sind die kirchlichen Symbole im Protestantismus nur
Zeugnisse und Bekenntnisse des Glaubens einer bestimmten Zeit; da man aber in den theol. Streitigkeiten alle Lehrer der Kirche
auf ihren Wortlaut verpflichtete, so kam man schon zu Ende des 16. Jahrh. dazu, ihnen eine
unbedingte Autorität beizulegen. Die Voraussetzung hierbei war ihre völlige Übereinstimmung mit der
Heiligen Schrift, deren authentische Auslegung die Symbole sein sollten. Doch enthielten jene Symbole neben den religiösen Grundsätzen
des Protestantismus auch theol. Lehrsätze und Erörterungen, deren Wert mit der Weiterentwicklung der dogmatischen Vorstellungsform
des Reformationszeitalters streitig werden mußte. Man begann deshalb im 18. Jahrh. sich von
dieser Fessel loszumachen und half sich eine Zeit lang mit der Auskunft, daß die Geistlichen auf
mehr
die Symbole verpflichtet werden müßten, nicht weil (quia), sondern insoweit (quatenus) sie mit der Heiligen Schrift übereinstimmten,
und der Rationalismus (s. d.) fand in dieser Formel das Mittel, über die Symbole völlig hinwegzukommen, ohne ihr Ansehen zu
bestreiten. Die jurist. Betrachtung derselben als förmlicher Glaubensgesetze mußte aber immer wieder das Recht
der freiern Richtung in der prot. Kirche bedrohen. Zwar hatte Schleiermacher (s. d.) ihren Wert darauf zurückgeführt,
daß sie nur die eigentümlichen Grundsätze der evang. Kirche im Unterschiede von der katholischen ausdrückten, und sich
energisch gegen ihre Geltung als dogmatische Lehrnorm erklärt; aber die Reaktion im Kirchenwesen drängte seit dem dritten
Decennium des 19. Jahrh. immer entschiedener auch auf Wiederherstellung der theol. und kirchlichen
Autorität der Bekenntnisse.
Während die pietistische Gläubigkeit nur an die Hauptartikel der Bekenntnisse sich halten wollte, regte sich allmählich
eine immer mächtigere konfessionalistische Strömung, die, von den herrschenden kirchenpolit. Mächten gefördert, besonders
seit 1850 in den meisten Landeskirchen Deutschlands die Oberhand gewann. Die Vermittelungstheologie fügte
sich meist unter allerlei stillen oder doch zweideutig ausgesprochenen Vorbehalten, und in einigen Gegenden schritt man zur
Verschärfung der in der Aufklärungszeit fast überall gemilderten Verpflichtungsformeln.
Dennoch konnte man den Widerspruch des symbolischen Lehrbegriffs und des modernen Bewußtseins nur künstlich verdecken und
sah sich an den meisten Orten genötigt, in der Handhabung der Bekenntnisautorität eine sog.
milde Praxis eintreten zu lassen, welche die Verpflichteten von dem persönlichen Belieben ihrer kirchlichen Obern abhängig
machte. Die freiere prot. Theologie der Gegenwart hat aufs entschiedenste die Abschaffung des Symbolzwangs gefordert und die
Bedeutung der Symbole darein gesetzt, daß sie als die Geschichtsurkunden des ursprünglichen Protestantismus
das eigentümliche religiöse Bewußtsein der prot.
Kirche in urkräftiger Frische, aber in einer durch die damalige Zeitbildung bedingten, nicht unabänderlich gültigen
theol. Form enthalten, daher man sich wohl in ihren religiösen Gehalt zu vertiefen habe, an ihre dogmatische Vorstellungsform
aber nicht gebunden werden könne. Während in der Schweiz diese Ansicht zu kirchlicher Geltung durchgedrungen
ist, ist seit 1892 in Deutschland ein heftiger Streit über die Bindung der heutigen evang. Kirche an die Formeln des Apostolischen
Symbolums entbrannt.
Nachdem im Frühjahr 1892 der württemb. Pfarrer Schrempf wegen seiner offenen Erklärung, das Apostolische Symbolum
in seiner Amtsführung ferner nicht gebrauchen zu können, seines Amtes entsetzt worden war, wurde eine Äußerung von Adolf
Harnack über den Widerspruch der Geltung des Symbolums mit den Ergebnissen der histor.-theol. Forschung bekannt, und von ihm
sodann in einer Broschüre «Das apostolische Glaubensbekenntnis» (27. Aufl., Berl. 1896) des
nähern vertreten.
Obwohl die Broschüre in ihrem Bericht über die Entstehung des Symbolums nur Dinge vorbrachte, die in der wissenschaftlichen
Theologie längst feststanden, erregte sie bei orthodoxen Geistlichen und Laien doch Aufsehen. Die kirchliche Agitation
rief eine starke Tages- und Broschürenlitteratur hervor und erlangte eine bedeutende Verschärfung des kirchlichen Gebrauchs
des Apostolischen
Symbolums durch Herstellung einer neuen Agende für die preuß. Landeskirche im J. 1894.
Vgl. Schleiermacher, Über den eigentlichen Wert und das bindende Ansehen S. B. (im «Reformations-Almanach»
für 1819; auch im 5. Bde. der «Sämtlichen
Werke», Abteil. 1, Berl. 1846, S. 423-454);
Johannsen, Die Anfänge des Symbolzwangs unter den deutschen
Protestanten (Lpz. 1847);
Lipsius, Bekenntnis und Bekenntnisverpflichtung (in: «Glaube und Lehre», Kiel 1871);
Beyschlag, Der
neueste Streit über das Apostolicum (in den «Deutsch-Evangelischen Blättern», 1892, S. 765-787);
Heinr. Holtzmann, Bekenntnismäßigkeit
und Lehrfreiheit in der evang.-prot.
Kirche (in der «Prot. Kirchenzeitung», 1892, Nr. 45-48); von Soden, Und Frieden auf
Erden. Ein Wort zum Streit ums Apostolicum (Berl. 1892); Bornemann, Der Streit um das Apostolicum (Magdeb. 1893); Achelis, Zur
Symbolfrage (Marb. 1893).
Von orthodoxer Seite: Cremer, Zum Kampf um das Apostolicum (Berl. 1892). Dagegen Harnack, Antwort auf die Streitschrift D.
Cremers (Lpz. 1892).