Strauß,
[* 2] David Friedr., theol. Schriftsteller, geb. zu Ludwigsburg [* 3] in Württemberg, [* 4] studierte im theol. Seminar zu Blaubeuren und im theol. Stift zu Tübingen, [* 5] wurde 1830 Pfarrvikar und 1831 Professoratsverweser am Seminar zu Maulbronn, ging dann nach Berlin, [* 6] um Hegelsche Philosophie zu studieren und Schleiermacher zu hören, wurde 1832 Repetent am theol. Seminar zu Tübingen und hielt zugleich philos. Vorlesungen an der Universität. Infolge seines «Lebens Jesu» wurde S. seiner Repetentenstelle enthoben und als Lehrer an das Lyceum zu Ludwigsburg versetzt, welches Amt er schon 1836 wieder aufgab, um in Stuttgart [* 7] zu privatisieren. Im Febr. 1839 wurde S. vom Erziehungsrate zu Zürich, [* 8] hauptsächlich auf Betrieb des Bürgermeisters Hirzel, als Professor der Dogmatik und Kirchengeschichte an die dortige Universität berufen; allein diese Ernennung rief im Kanton [* 9] große Aufregung hervor, die sich durch die Pensionierung des kaum berufenen Professors nicht mehr beschwören ließ, sondern den Sturz der Regierung (6. Sept.) zur Folge hatte. Seitdem war S. wieder auf schriftstellerische Thätigkeit angewiesen. Er wurde 1848 in den württemb. Landtag gewählt, wo er eine polit.-konservative Haltung zeigte, die ihm eine Mißfallensadresse zuzog, infolge deren er im Dez. 1848 sein Mandat niederlegte. Er lebte seitdem zeitweilig in Heidelberg, [* 10] München [* 11] und namentlich in Darmstadt, [* 12] siedelte 1872 nach Ludwigsburg über und starb daselbst Vermählt war S. mit der Sängerin Agnese Schebest.
Sein Hauptwerk, «Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet» (2 Bde., Tüb. 1835; 4. Aufl. 1840), wurde für die Entwicklung der prot. Theologie epochemachend, sofern es die aussichtslosen Streitigkeiten zwischen Orthodoxie und Rationalismus über die übernatürliche oder natürliche Auffassung und Erklärung der evang. Berichte abschloß und die Notwendigkeit einer wissenschaftlich-quellenkritischen Behandlung der Evangelien erkennen ließ; und zwar gerade dadurch, daß S. durch den Mangel jeder Quellenkritik in seinem Werke dazu geführt wurde, die Geschichtlichkeit jener Berichte so gut wie völlig preiszugeben und letztere aus einer unbewußt erfolgten Mythenbildung in den urchristl. Gemeinden herzuleiten. Das Buch rief eine große litterar. und kirchliche Bewegung hervor und wurde zugleich die Hauptveranlassung zu der Spaltung der Hegelschen Schule (s. Hegel). S. suchte sich zunächst in den «Streitschriften» (3 Hefte, Tüb. 1837) mit seinen Gegnern auseinanderzusetzen, während er in seinen «Zwei friedlichen Blättern» (Altona [* 13] 1838) seine Sache von der mildern Seite darzustellen suchte.
Von einer versöhnlichen Stimmung zeugen auch die in der 3. Auflage des «Lebens Jesu» (1838) gemachten Zugeständnisse, die er aber in der 4. Auflage (1840) wieder zurücknahm. Sein zweites Hauptwerk: «Die christl. Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und in ihrem Kampfe mit der modernen Wissenschaft» (2 Bde., Tüb. 1840‒41),
enthält eine scharfe Kritik der einzelnen Dogmen in Form einer geschichtlichen Erörterung ihres Entstehungs-
und Auflösungsprozesses. Als Vorarbeit zu diesem Werke ist die
Abhandlung
«Über Schleiermacher und
Daub» zu betrachten, die
in seinen «Charakteristiken und Kritiken» (Lpz.
1839) abgedruckt ist. Ferner veröffentlichte S. «Der
Romantiker auf dem
Throne der
Cäsaren, oder Julian
der Abtrünnige» (Mannh.
1847),
welche Schrift durch die Streiflichter, die sie auf eine hochgestellte Persönlichkeit (Friedrich Wilhelm Ⅳ. von Preußen) [* 14] warf, Aufsehen erregte; «Sechs theol.-polit. Volksreden» (Stuttg. und Tüb. 1848),
«Schubarts Leben in seinen Briefen» (2 Bde., Berl. 1849),
«Christian Märklin, ein Lebens- und Charakterbild aus der Gegenwart» (Mannh. 1851),
«Leben und Schriften des Dichters und Philologen Nicodemus Frischlin» (Frankf. 1855),
«Ulrich von Hutten» (3 Bde., Lpz. 1858‒60; 6. Aufl., Bonn [* 15] 1895),
«Reimarus und seine Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes» (Lpz. 1862; 2. Aufl., Bonn 1877) und «Kleine Schriften biographischen, litterar- und kunstgeschichtlichen Inhalts» (Lpz. 1862), denen sich später eine zweite Sammlung (Berl. 1867; beide in 2. Aufl., Bonn 1877) anschloß; endlich die für die damalige Prinzessin (nachmalige Großherzogin) Alice von Hessen [* 16] gearbeitete und ihr gewidmete meisterhafte Monographie «Voltaire. Sechs Vorträge» (Lpz. 1870; 8. Aufl., Bonn 1895). Alle diese Arbeiten zeichnen sich aus durch Gediegenheit der Forschung, Beherrschung des Stoffs und Glanz der Darstellung.
Als 1863 Renans «Leben Jesu» erschien, ließ S. eine Neubearbeitung seines ersten Hauptwerkes «Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet» (Lpz. 1864; 8. Aufl., Bonn 1895) erscheinen, die bald in mehrere fremde Sprachen übersetzt wurde. An der weitern, polemisch bewegten Litteratur über das Leben Jesu beteiligte sich S. unter anderm mit der Schrift «Der Christus des Glaubens und der Jesus der Geschichte» (Berl. 1865),
die gegen Schleiermachers «Leben Jesu», und einer zweiten: «Die Halben und die Ganzen» (ebd. 1865),
die gegen Schenkel und Hengstenberg gerichtet war. Um dieselbe Zeit erschien auch sein geistvoller Vortrag über «Lessings Nathan der Weise» (Berl. 1865; 3. Aufl., Bonn 1877).
Sein letztes Werk «Der alte und der neue Glaube. Ein Bekenntnis» (Lpz. 1872; 14. Aufl., Bonn 1895) lieferte den Beweis, daß S. ebenso, wie 30 Jahre zuvor Ludwig Feuerbach, aus dem Hegelschen Lager [* 17] in dasjenige des Materialismus übergegangen war. Es giebt teils eine Polemik gegen die religiöse Weltanschauung, teils den Aufbau einer materialistischen Weltbetrachtung. Dieselbe stützt sich auf die Naturwissenschaft, schließt sich der Darwinistischen Hypothese an und setzt an die Stelle des religiösen Trostes den ästhetischen Optimismus, der in der künstlerischen Produktion und dem künstlerischen Genuß die Erhebung über die Leiden [* 18] der Wirklichkeit findet.
Der Flut von Erwiderungen, die auch dies Buch fand, setzte S. ein «Nachwort als Vorwort» (Bonn 1873) entgegen. Bald nach seinem Tode wurde unter Redaktion seines Freundes E. Zeller die Herausgabe seiner «Gesammelten Schriften» (12 Bde., Bonn 1876‒78) begonnen, die unter Ausschluß der specifisch theol. und dogmatischen Schriften neben seinen Hauptwerken besonders die von ihm hinterlassenen «Litterar. Denkwürdigkeiten» und die formvollendeten «Gedichte» enthalten. Auch «Ausgewählte Briefe» von S. (Bonn 1895) gab Zeller heraus. –
Vgl. E. Zeller, David Friedrich S. in seinem Leben und seinen Schriften geschildert (Bonn 1874);
Lang, David Friedrich S. (Lpz. 1874);
Hausrath, David Friedrich S. und die Theologie seiner Zeit (2 Bde., Münch. 1876‒78);
ders., in den «Kleinen Schriften religionsgeschichtlichen Inhalts» (Lpz. 1883);
Schlottmann, David S. als Romantiker des Heidentums (Halle [* 19] 1878). ¶
[* 20] ^[Abb. 1. Straußenjagd.]
[* 20] ^[Abb. 2. Afrikanischer Strauß (Struthio camelus). Länge 2,42 m.] ¶
[* 21] ^[Abb. 1. Amerikanischer Strauß (Rhea [* 22] americana. Länge 1 m.]
[* 21] ^[Abb. 2. Emu (Dromaeus Novae Hollandiae). Länge 1 m.]
[* 21] ^[Abb. 3. Helmkasuar (Casuarius galeatus). Länge 1,54 m.]
[* 21] ^[Abb. 4. Kiwi (Apteryx australis). Länge 0,67 m.] ¶
Strauß,
[* 2] Friedrich Adolf, prot. Theolog, geb. zu Elberfeld, [* 24] studierte in Berlin, wurde daselbst Hilfsprediger an der Hof- und Domkirche und nach einer Reise in den Orient 1847 Militärpfarrer der zweiten Gardedivision, mit der er 1848 an dem Feldzug in Schleswig [* 25] teilnahm, 1858 Professor an der Universität, 1870 Hofprediger an der Hof- und Garnisonskirche zu Potsdam [* 26] und 1872 Superintendent;
er starb Unter seinen Schriften sind zu nennen: «Sinai und Golgatha» (Berl. 1847; 11. Aufl., Lpz. 1882),
eine Beschreibung seiner Reise in das Heilige Land;
das Prachtwerk «Die Länder und Stätten der Heiligen Schrift» (130 Holzschnitte und verschiedene Tafeln mit erläuterndem Text, Stuttg. 1861; 2. Aufl., Lpz. 1877),
das er gemeinschaftlich mit seinem Bruder Otto herausgab;
«Liturgische Andachten» (Berl. 1850; 4. Aufl. 1886),
«Die Liturgie des evang. Hauptgottesdienstes» (ebd. 1853),
«Erklärung der Vaticinia Zephanjae» (ebd. 1843),
«Trost am Sterbelager» (2. Aufl., ebd. 1874).
Zur Unterstützung der deutsch-evang. Anstalten im Heiligen Lande veranlaßte er 1852 die Stiftung des Jerusalemvereins und gab 1856-71 die Zeitschrift desselben heraus: «Neueste Nachrichten aus dem Morgenlande».
Sein Bruder Otto S., ebenfalls prot. Theolog, geb. zu Berlin, wurde daselbst 1854 Inspektor des Domkandidatenstifts, bereiste 1856-57 Italien [* 27] und den Orient, wurde dann Divisionsprediger in Posen [* 28] und 1865 Pfarrer an der Sophienkirche in Berlin. S. hat sich durch eine Reihe liturgischer und kirchenhistor. Schriften bekannt gemacht.