Schafott. Sein Tod war groß wie sein Leben, er selbst gab dem Henker das Zeichen zum Todesstreich. Die «Letters and despatches
of Thomas Wentworth, Earl of S.» (2 Bde., Lond.
1739) gab Knowler heraus. -
Vgl. Ranke, Engl. Geschichte, vornehmlich im 17. Jahrh. (3. Aufl., 9 Bde.,
Lpz. 1877-79);
Gardiner, History of England 1603-72 (10 Bde.,
Lond. 1883-84);
Cooper, Life of Thomas Wentworth, Earl of S. (ebd. 1874).
peinliche Gerichtsbarkeit, die Ausübung der Staatshoheit zur Verwirklichung des staatlichen
Strafrechts, im Gegensatz zur Civilgerichtsbarkeit, welche den Schutz des Privatrechts zum Ziel hat. (S.
Gerichtsbarkeit.)
Den Ausgangspunkt und die Grundlage der deutschen S. bildet die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser
Karls V. von 1532 (s. Carolina). Sie ist zwei und ein halbes Jahrhundert lang die amtliche Quelle für die deutsche Rechtsprechung
in Strafsachen gewesen. Ihre letzten Spuren reichen bis zum J. 1871. Damals wurden mit der Einführung
des Reichsstrafgesetzbuches die letzten Reste gemeinen deutschen Strafrechts, welche bis dahin noch in beiden Mecklenburg, in
Schaumburg-Lippe und in Bremen bestanden, beseitigt. In Lauenburg galt dasselbe noch bis zu der im J. 1876 vollzogenen Einverleibung
in Preußen.
Die ausschließliche Geltung der Carolina hatte bereits mit dem Ende des 18. Jahrh. ihre Endschaft erreicht.
Sie wurde durch die territoriale S. verdrängt. Bis dahin durch Wissenschaft (Benedikt Carpzov, s. d.) und Praxis mühsam fortgebildet,
erfuhr sie durch letztere, welche den wechselnden Anschauungen der Zeiten folgte, sehr wesentliche Umgestaltungen in dem Thatbestande
der Verbrechen, dem System und den Mitteln der Strafen; Verhängung außerordentlicher Strafen, unkontrollierbare
Art der Zumessung führten zu einem Zustande, der von richterlicher Willkür nicht mehr weit ab war.
Die Umwandlung zur modernen S. vollzog sich in der Territorialgesetzgebung nicht ohne den Einfluß der naturrechtlichen Philosophie
und der Litteratur der Aufklärung (s. d. und Beccaria). In diesem Sinne erging das unter Joseph II. erlassene
Österr. Strafgesetzbuch vom J. 1787 und das unter Friedrich d. Gr. in Angriff genommene Preuß. Allg. Landrecht, das, 1794 publiziert,
in den 1577 Paragraphen (das Deutsche Reichsstrafgesetzbuch hat deren 370) des 20. Titels des II. Teils das Strafrecht enthält. 1813 folgte
Bayern mit seinem epochemachenden Strafgesetzbuch, wesentlich ein Werk P. I. A. Feuerbachs (s. d.). Vom Ende der dreißiger
Jahre an bis zum Beginn der fünfziger waren die deutschen Bundesstaaten im wesentlichen in den Besitz von strafrechtlichen
Kodifikationen gelangt. In Preußen kam nach 25jähriger Arbeit und nach Aufstellung von 10 verschiedenen Entwürfen
das Strafgesetzbuch vom 14. April 1851 zu stande. Knappe und scharfe Umschreibung der allgemeinen Verbrechensbegriffe und der
einzelnen Thatbestände unter Vermeidung weitgehender Kasuistik, logische Gliederung der einzelnen Materien zeichnen dasselbe
aus; die Anlehnung an die einfache, klare und bestimmte Sprache des franz. Gesetzbuches (s. unten) ist unverkennbar.
Bedeutung in der Geschichte
der S. hat das preuß. Strafgesetzbuch dadurch
erlangt, daß es die Grundlage für das Reichsstrafgesetzbuch wurde. Die erste amtliche Anregung zu diesem Gesetz hatte der
auf Antrag des Abgeordneten Lasker gefaßte Beschluß des konstituierenden Reichstags des Norddeutschen Bundes gegeben, unter
die der Bundesgesetzgebung unterliegenden Angelegenheiten auch das Strafrecht aufzunehmen. So kam der
Art. 4, Nr. 13, der Bundesverfassung zu stande, welche im Entwurf das Strafrecht der gemeinsamen Gesetzgebung noch nicht unterstellt
hatte. Im Laufe von 2 Jahren wurden 3 Entwürfe ausgearbeitet.
Nicht ohne lebhafte Debatten, namentlich wegen Beibehaltung der Todesstrafe, kam das Gesetz zu stande. Es trägt das
Datum des 31. Mai 1870 und trat zunächst am 1. Jan. 1871 in Kraft. Ein Jahr später, nachdem inzwischen das Deutsche Reich gegründet
war, hat es als Strafgesetzbuch für dasselbe (Reichsstrafgesetzbuch) in dessen ganzem Umfange Geltung erlangt. Eine umfassende
Reform kam 1876 durch die Novelle vom 26. Febr. zu stande, welche namentlich die Zahl der Antragsdelikte (s. d.)
verminderte; andere folgten 1877, 1880, 1888, 1891, 1893, 1894, 1896 (hierdurch Art. 34 des Einführungsgesetzes zum Bürgerl.
Gesetzbuch).
Das Reichsstrafrecht geht dem Landesstrafrecht vor. Letzteres ist nur in besondern Vorschriften in Kraft geblieben: einzelne
Polizeistrafgesetze, Vereins- und Versammlungsrecht, Forstdiebstahl. Neben dem Reichsstrafgesetzbuch bestehen, sich
auf die mannigfachsten Gebiete erstreckend, eine große Zahl strafrechtlicher Nebengesetze des Reiches, von denen die neuesten
mit der Socialpolitik zusammenhängen. Sie enthalten im allgemeinen nicht hohe Strafbestimmungen.
Hierher gehören die Gesetze über Nachdruck und verwandte Gebiete; die Zoll- und Steuergesetze (Brau-, Salz-, Tabak-, Branntwein-,
Zucker-, Stempelsteuer), die Gewerbeordnung mit ihren Novellen, das Handelsgesetzbuch, das Sprengstoffgesetz,
die Gesetze, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kranken-,
Unfall- ^[Beistrich fehlt] Alters- und Invaliditätsversicherung, das Impf-, Nahrungsmittel-, Rinderpest-, Viehseuchen-, Reblaus-
und Weingesetz, die Gesetze, betreffend Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen, mit Butter, Käse, Schmalz und deren
Ersatzmitteln und betreffend Verwendung gesundheitsschädlicher Farben, das Vogelschutzgesetz, die Patent-,
Marken-, Musterschutz-, Münzgesetze, das Gesetz zur Bekämpfung des unlautern Wettbewerbs, das Börsen- und das Depotgesetz,
das Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte, die Seemanns- und Strandungsordnung, die Not- und Lotsensignalordnung, die
Verordnungen zur Verhütung des Schiffszusammenstoßes und über das Verhalten nach einem Zusammenstoß, das Gesetz, betreffend
die Schiffsmeldungen bei den Konsulaten des Deutschen Reichs und das zum Schutz der unterseeischen Telegraphenkabel, der internationale
Vertrag, betreffend die Regelung der Fischerei in der Nordsee, das Gesetz, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe
und das Gesetz, betreffend die Verpflichtung deutscher Kauffahrteischiffe zur Mitnahme hilfsbedürftiger Seeleute, das Auswanderungs-
und das Sklavenraubgesetz, das Post-, Telegraphen-, Binnenschiffahrts-, Flößerei- und das Preßgesetz,
das Militärstrafgesetzbuch, das Rayongesetz, das Gesetz über die Kriegsleistungen, gegen den Verrat militär.
mehr
Geheimnisse und über den Schutz der Brieftauben u. s. w. (S. auch Strafrecht.)
Auch die außerdeutsche S. hatte sich seit dem zweiten Drittel des Jahrhunderts stetig fortentwickelt. Sämtliche europ.
Staaten, mit Ausnahme von England und einigen Schweizerkantonen, besitzen jetzt Kodifikationen; von den außereurop.
Kulturvölkern haben die meisten S. neuern Datums, welche sich überwiegend an europ. Vorbilder anlehnen.
Die außerdeutsche S. sondert sich in 3 Gruppen: I. Staaten mit vorwiegend german. Recht, II. Staaten mit vorwiegend roman.
Recht, III. Staaten mit andern Rechten.
I. Zur ersten Gruppe gehören:
1) Österreich und Fürstentum Liechtenstein, Strafgesetzbuch vom 27. Mai 1852, eine Revision des Strafgesetzbuches vom 3. Sept. 1803,
das wiederum eine verbesserte Ausgabe des Josephinischen Gesetzbuches vom 2. April 1787 ist, durch Einzelgesetze vielfach ergänzt
und geändert, im Strafsystem gemildert (Kerkerstrafe mit Eisen und körperlicher Züchtigung). Seit 30 Jahren ergebnislose
Gesetzgebungsarbeit, neuester, wesentlich dem Deutschen Strafgesetz nachgebildeter, aber infolge Rücktritts des Ministeriums
Taaffe unerledigt gebliebener Entwurf von 1889 und 1893. 2) Südosteuropäische Staatengruppe: Kroatien
und Slawonien mit Österr.
Strafgesetzbuch, desgleichen Bosnien und Herzegowina (seit 1881), Ungarn mit dem dem Deutschen nachgebildeten Strafgesetzbuch
von 1878, Serbien mit dem dem Preuß. Strafgesetzbuch von 1851 nachgebildeten Strafgesetzbuch von 1860, Griechenland mit dem
dem Bayr. Gesetzbuch nachgebildeten Strafgesetzbuch von 1833. (Türkei und Rumänien gehören zur zweiten
Hauptgruppe.) 3) Die deutschen Schutzgebiete, in denen das Deutsche Strafgesetzbuch und die sonstigen Bestimmungen
der deutschen Strafgesetze Geltung haben (Gesetz vom 19. März 1888). 4) Die Schweiz. Sie hat kein einheitliches Bundes-Strafrecht,
es gelten 22 kantonale Strafgesetzbücher, einige Kantone haben gar kein geschriebenes Strafrecht; die
Vorarbeiten für eine einheitliche S. sind bis zu einem von Professor Stooß verfaßten und einer Expertenkommission beratenen
Vorentwurf von 1896 gediehen, der, dem ital. Strafgesetz nachstrebend, zum Teil die Anschauungen moderner Kriminalpolitik zu
verwirklichen vorschlägt.
5) Holland und Niederländisch-Indien, ersteres mit dem Strafgesetzbuch vom 3. März 1881 (bis dahin galt
franz. Recht), einem Produkt des nationalen Rechtsbewußtseins, zugleich dem aufs beste ausgearbeiteten Ausdruck zeitgenössischer
Wissenschaft; letzteres mit einem Strafgesetzbuch von 1866 für Europäer (neuer Entwurf von 1891) und einem Strafgesetzbuch
von 1872 für Inländer.
6) Der skandinavische Norden. Ein Strafgesetzbuch von 1812 gilt mit Abänderungen von 1866, 1874,
1889, 1890 in Norwegen, wo übrigens der Entwurf eines neuen ausgearbeitet ist, eins von 1864 mit Abänderungen in Schweden;
Dänemark besitzt ein Strafgesetzbuch von 1866, Finland ein solches vom 19. Dez. 1889, welches 1. April 1894 in Kraft trat.
7) Staatengruppe mit englischem Recht (England, Indien, Australien, Malta, Canada, Nordamerika). A. England.
England mit Irland besitzt zwar noch kein allgemeines Strafgesetzbuch, nichts destoweniger beruhen die meisten Strafbestimmungen
und ein großer Teil der Definitionen der Delikte heute nicht mehr auf Gewohnheitsrecht (Common Law), sondern auf vielen einzelnen
Gesetzen (Statute
Law), unter welchen die fünf Consolidation Acts von 1861 hervorragen, welche Diebstahl,
Unterschlagung, Raub, Untreue u. s. w., Sachbeschädigung, Fälschung, Falschmünzerei, Mord, Körperverletzung, Sittlichkeitsverbrechen,
Verleumdung behandeln.
Freilich sind diese Einzelgesetze nicht eben glücklich abgefaßt. So vermag Stephen, der bedeutendste aller engl. Kriminalisten
und der Verfasser des Entwurfs einer Strafrechtskodifikation von 1878, von dem Diebstahlsgesetz des J. 1861 zu sagen, es sei
«eins der verwickeltsten, schwerfälligsten und auf den ersten
Blick trostlos unverständlichsten Erzeugnisse gesetzgeberischer Thätigkeit, welchen ich je begegnet bin. Es besteht
aus 123 Artikeln und ist, wie ich glaube, beinahe ebenso umfangreich wie das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich».
Und doch beruht die Definition des Diebstahls wie des Mords noch auf Gewohnheitsrecht. Daß eine ziemlich
frei schaffende Rechtsprechung dritte Rechtsquelle ist (Case Law), erscheint hiernach als selbstverständlich. Der 1879 dem
Parlament vorgelegte Entwurf Stephens scheiterte, weil sich keine der polit. Parteien für eine Reform interessierte, die sich
nicht in leicht verständlichen Schlagworten zusammenfassen ließ. Es fehlt in England eben der Einfluß einer entsprechenden
strafrechtlichen Wissenschaft. In Schottland gelten nicht einmal die Konsolidationsgesetze von 1861; hier herrschen Gewohnheitsrecht
und Gerichtsgebrauch fast noch ausschließlich. B. In Indien gilt das Strafgesetzbuch von 1860, bei dessen Abfassung Stephen
wesentlich beteiligt war; es bildet die Grundlage für das Strafgesetzbuch für Singapur und die Straits Settlements (vom 9. Aug. 1871).
C. Engl. Recht liegt auch den Strafgesetzbüchern der engl. Kolonien in Australien (aus den J. 1876, 1883, 1886) zu Grunde. D.
Die Vereinigten Staaten von Amerika, deren Strafrecht sich wesentlich an das englische anlehnt, besitzen keine erschöpfende
gemeinsame S. Einzelne Staaten haben den Versuch einer Kodifikation gemacht, voran Neuyork mit dem 1. Dez. 1882 in
Kraft getretenen, später mehrfach abgeänderten Strafgesetzbuch, dessen Systematik und Einzelbestimmungen nicht unangefochten
geblieben sind.
II. Zur zweiten Gruppe gehören:
1) Frankreich mit dem Code pénal Napoleons vom J. 1810, hervorragend durch seine technische Vollendung: Bündigkeit der Sprache,
Schärfe des Ausdrucks und Klarheit des Systems. Durch eine Reihe von Gesetzen sind wesentliche Änderungen
herbeigeführt (s. Code Napoléon). Seit 1887 ist eine Reform der S. in Vorarbeit. Der Entwurf einer im Justizministerium gebildeten
Kommission liegt fertig vor. In den franz. Kolonien ist der Code pénal seit 1877, 1878 und 1880 eingeführt. In Belgien gilt
er in der vereinfachten und verbesserten Form des Code pénal belge von 1867, welcher wiederum noch vereinfacht 1888 im
Kongostaat und, wenig modifiziert, 1879 in Luxemburg eingeführt ist. Unverändert oder fast unverändert ist das franz.
Gesetz in Monaco (1875) und in Rumänien (1874) in Kraft, während in der Türkei und in Bulgarien (ein
Entwurf Stoilows nach holländ.-ungar. Muster von 1888 ist nicht Gesetz geworden) das im Geiste franz. Rechts verfaßte türk.
Gesetzbuch (The Ottoman Penal Code vom 28. Zilhidžé 1274, d. i. von 1858: Übersetzung von Walpole 1888) gilt, wozu jedoch
in Bulgarien ein dem gleichen russ. Gesetz