erhaben zu liegen (Schattenlöcher). Das Restloch oder Schnürloch, zu dessen Herstellung man sich eines besondern Werkzeugs,
des Nestloch- oder Schnürlochstechers, bedient, gehört zur sog. englischen S., die ganz durchbrochen
oder licht ist und bei der die
Stiche so dicht aneinander liegen, daß sie das Aussehen eines feinen Schnürchens erhalten
(Cordonnierstich). Im Gegensatz zu letzterer steht die französische S., bei der
Blumen und
Blätter hoch
und dicht gearbeitet werden.
Die Kunst des Stickens, insbesondere die Goldstickerei, soll von den Phrygiern erfunden worden sein; doch findet man sie
bei allen Kulturvölkern schon seit den frühesten
Zeiten in Gebrauch. Zu
HomersZeiten standen die Frauen
Sidons in dem Rufe, geschickte Stickerinnen zu sein.
Bei den Griechen galt Pallas
Athene
[* 2] als die Erfinderin dieser Kunst; doch
steht fest, daß dieselbe durch die
Perser nach
Griechenland
[* 3] gelangte. Durch
Attalus Ⅲ., König von Pergamon,
[* 4] gest. 133
v. Chr.,
wurden die
Römer
[* 5] mit der Goldstickerei bekannt; erst unter den byzant.
Kaisern war die Silberstickerei üblich. Berühmt waren gegen Ende des 10. Jahrh. die
englischen, von Benediktinermönchen gefertigten S.
(Opus anglicanum). Von den deutschen
Klöstern gewann St.
Gallen, St.
Emmeran
in
Regensburg,
[* 6] diejenige am Rhein und an der Donau bald hohen Ruhm. Doch blieb bis ins 12. Jahrh.
der Einfluß der
Byzantiner und Sarazenen bemerkbar. Im Mittelalter diente die Stickkunst vorzugsweise
der
Kirche, indem sie die
Paramente auf das reichste ausstattete.
Die Nonnenklöster beherbergten die besten Werkstätten, bis gegen Ende des 13. Jahrh. die
S. ein bürgerliches
Gewerbe wurde. Die höchste
Blüte
[* 7] erlangte sie in
Burgund unter
Herzog Philipp dem
Guten. In weiterer Ausbildung wendete sie sich der Reliefstickerei zu, indem sie
Watte unterlegte und ihre
[* 1]
Figuren bildnerisch
zu formen suchte. Das 16. Jahrh. kam von der
[* 1]
Figurenstickerei ab und
wendete neben der Applikationsstickerei, welche es mit feinem
Farbensinne pflegte, die
Perlen- und Schnurstickerei mit Vorliebe
an. Es waren nun vorzugsweise weltliche Zwecke, Gewänder, später Möbelstoffe, die mit S. geziert wurden.
Die letztern kamen im 18. Jahrh. in großartigster
Weise zur Verwendung, so daß ganze Zimmereinrichtungen in Stickkunst ausgeführt
wurden, ebenso wie man sie zur Dekoration der
Kirchen verwendete. Die Leinenstickerei, früher vielfach für kirchliche Zwecke
verwendet, wurde nun vorzugsweise eine Hauskunst, indem teils in Kreuzstich, teils in Plattstich, teils
farbig (blau, rot, schwarz), teils weiß auf weiß (mit Leinen,
Seide,
[* 8]
Bändern,
Borten oder
Schnüren) zierliche Ornamente
[* 9] geschaffen
wurden. Zu Anfang unsers Jahrhunderts hatte die Stickkunst einen tiefen
Stand erreicht.
Dank der kunstgewerblichen
Bewegung seit den sechziger Jahren sind aber alle alten
Techniken wieder aufgenommen
worden und werden in umfassender
Weise sowohl für kirchliche als profane Zwecke geübt. Die S. in Musselin
(Weißstickerei)
wird in der
Schweiz
[* 10] und in
Sachsen
[* 11] in großer
Ausdehnung
[* 12] fabrikmäßig betrieben, wobei man sich teils der
Handarbeit, teils
der
Stickmaschine
[* 13] (s. d.) bedient. Die Maschinenstickerei tritt
überall da mit
Vorteil an die
Stelle der Handstickerei, wo es sich um die Massenproduktion gleichartiger Erzeugnisse handelt
und wo demnach die künstlerischen Forderungen mehr zurückstehen.
Vgl.
PeterQuentel, Musterbuch für Ornamente und Stickmuster (1527‒29; neue
Ausg., Lpz.
1882);
Joh. Sibmacher,
NeuesStick- und Spitzenmusterbuch (1604; neue Ausg. in 60 photolithogr.
Blättern,
Berl. 1881);
Bock,
[* 14] Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters (3 Bde.,
Bonn
[* 15] 1856‒71);
[* 13] Einrichtung zur mechan. Herstellung vonStickerei (s. d.). Man unterscheidet zwei
Systeme von S., je nach der mit denselben hauptsächlich erzeugten Stichart: die Plattstichstickmaschinen und die Kettenstichstickmaschinen
oder
Tambouriermaschinen.
Bei den Plattstichstickmaschinen wird die Leistungsfähigkeit durch die große Zahl der gleichzeitig
nach demselben
Muster hergestellten Einzelstickereien, bei den
Tambouriermaschinen durch die hohe Arbeitsgeschwindigkeit bedingt.
Die erste brauchbare Plattstichstickmaschine erfand Josua Heilmann in
Mülhausen
[* 21] im Elsaß 1829. Diese
Maschinen, deren schematischer Querschnitt in
[* 1]
Fig. 1 auf
Tafel: Stickmaschinen gegeben ist, während
[* 1]
Fig. 11 die äußere
Ansicht
der
Maschine
[* 22] zeigt, beruhen auf der unmittelbaren Nachahmung der
Handarbeit;
doch findet nicht das Fortsetzen der
Nadeln
[* 23] von
Stichpunkt zu Stichpunkt statt, sondern die entsprechende
Einstellung des
Stoffes in die fest bleibende
Laufbahn der
Nadeln.
Der
Stoff ist hierbei auf einem senkrecht stehenden ausbalancierten
Rahmen aufgespannt, der in seiner Ebene
allseitig verschiebbar ist. Die dem zu stickenden
Muster entsprechende Verschiebung des Rahmens erfolgt mittels eines Pantographen
oder
Storchschnabels in der
Weise, daß ein
Stift an dem längern
Arm desselben auf eine
Schablone, die das
meist sechsfach vergrößerte
Muster darstellt, und zwar auf die Endpunkte des jedem Stickfaden entsprechenden Schraffierstrichs
aufgesetzt wird, während der kürzere
Arm die auf das wirkliche
Maß des Stickfadens reduzierte
Bewegung auf den
Rahmen überträgt.
Wie
[* 1]
Fig. 1 der genannten
Tafel ersehen läßt, sind zu beiden Seiten des in dem
Rahmen R mittels der
¶
mehr
Spannwalzen a aufgezogenen Stoffes zwei Stickwagen, der Vorderwagen V und der Hinterwagen H, angeordnet. Beide Wagen lagern
mit Laufrädern b so auf horizontalen Laufschienen c, daß sie normal zur Stoffebene bewegt werden können. Die hierzu dienenden
Bewegungsmechanismen bestehen für jeden Wagen aus zwei Riementrieben d, e, f, deren Treib- und Leitscheiben
(d, e) an den Enden der Wagenführungen gelagert sind. Der Antrieb geht bei der Handstickmaschine von einer Kurbel
[* 25] aus, die
der den Pantographen führende Sticker dreht, und wird von dieser mittels auswechselbarer Radvorgelege auf die Triebscheiben
d so übertragen, daß stets nur ein Wagen sich von dem Stoff entfernt und sich diesem wieder nähert,
während der andere dicht am Stoff steht. Die Lineale g der Wagen, die horizontal und gleichlaufend zur Stofffläche gerichtet
sind, tragen reihenweise angeordnete kleine Zangen h, welche die kurzen doppelspitzen Sticknadeln
[* 24]
(Fig. 2) erfassen. Die Anzahl
der gleichzeitig arbeitenden Nadeln schwankt bei den üblichen Maschinengrößen in einer Maschine zwischen 200 und 700 Stück,
so daß bei jeder Wageneinfahrt je ein Stich in einer gleichen Anzahl einzelner Musterfiguren gebildet wird. Da ferner ein
geübter Sticker in der Stunde etwa 200 Stiche oder Wageneinfahrten machen kann, so vermag eine derartige S. in dieser Zeit
im Mittel etwa 100000 Einzelstiche zu liefern.
Die Zangen werden einzeln durch kleine Blattfedern geschlossen, dagegen reihenweise geöffnet durch Rundstäbe i, die oberhalb
der obern Zangenschenkel excentrisch gelagert sind und bei entsprechender Drehung die Zangenschenkel abwärts drücken. Das
Öffnen und Schließen der Zangen geschieht stets, wenn beide Wagen dicht am Stoff stehen, derart, daß
mit dem Offnen der Zangen des einen Wagens gleichzeitig der Schluß der Zangen im andern Wagen erfolgt. Hierdurch findet ein
Austausch der bei dieser Wagenstellung im Stoff steckenden Sticknadeln statt, so daß sie vom Vorderwagen an den Hinterwagen
oder umgekehrt übergeben werden.
Der Impuls für die Zangenöffnung geht gleichzeitig mit dem Umstellen des Treibscheibenvorgeleges für
die Wagenbewegung von dem Fuße des Arbeiters aus und wird mittels Zugstangen k auf die Excenterwellen i übertragen. Bei dem
Einfahren des Vorderwagens V werden die in den Zangen desselben festgeklemmten Nadeln sämtlich zu gleicher Zeit bis zum Öhr
durch den Stoff gestoßen. Sie treten hierbei in die offenen, dicht am Stoff stehenden Zangen des Hinterwagens
H ein und werden nach erfolgter Übertragung auf dieselben bei der nun stattfindenden Ausfahrt dieses Wagens nebst den an
ihnen befestigten Stickfäden durch den Stoff gezogen.
Durch Gewichte belastete Drähte m, die vor den Zangen ausgespannt sind, regeln hierbei die Endspannung
der Fäden, also den Anzug der Stiche. Auf die jetzt stattfindende Verschiebung des Stickrahmens R in der Richtung und um die
Länge eines Stiches folgt die Einfahrt des Hinterwagens H und das Durchstechen des Stoffes an der neu eingestellten Stichstelle.
Hiermit gleichzeitig findet aber auch das Einlegen der Nadeln in die offenen Vorderzangen statt, so daß
nach dem Wechsel des Zangenschlusses diese die Nadeln erfassen und wahrend der nun folgenden Ausfahrt des Vorderwagens V nebst
den Fäden durch den Stoff ziehen.
Die Plattstichstickmaschine dient in erster Linie zur Herstellung von verzierenden Streifen für Damenkleider und Wäsche,
von
Tüllspitzen und Kragen, Manschetten u. s. w., findet aber auch zum Besticken von Tischdecken, farbigen
Kleiderstoffen, Hausschuhen, Hosenträgern u. s. w. ausgedehnte Verwendung. In neuester
Zeit ist das Arbeitsgebiet der Maschine durch die Herstellung der sog. Ätzspitzen (s. d.) erheblich erweitert worden. Die
Maschinen werden, um größere Vielseitigkeit der Muster zu erzielen, mit einem sog. Festonnierapparat
und mit einem Bohrapparat versehen. Ersterer dient dazu, den zum Umrändern von Zackenmustern erforderlichen Festonstich zu
erzeugen; mit dem letztern werden die durch das Muster verlangten Durchbrechungen im Stoff hergestellt. In den
[* 24]
Fig. 4-6 ist die
Bildung des Festonstichs veranschaulicht. Während durch die Verschiebung des Stoffrahmens der Stichpunkt a
[* 24]
(Fig. 4) in die Nadelbahn eingestellt wurde und der den Faden
[* 26] f haltende Vorderwagen einführt, senkt sich die Festonniergabel
g, dem Wege 1, 2, 3 folgend, herab und gelangt dadurch, den Stickfaden in der Nähe des Stoffes nach rechts ablenkend, in
die durch
[* 24]
Fig. 5 dargestellte Stellung. Der Vorderwagen sticht die Nadel bei a durch den Stoff und, während
sie der Hinterwagen durchzieht und der Stoffrahmen so verstellt wird, daß der neue Stichpunkt b
[* 24]
(Fig.
6) in die Nadelbahn zu liegen kommt, folgt die Gabel g dem Wege 3, 4, 5. Sie gelangt hierdurch, den Stickfaden zu einer Schleife
legend, in die Stellung der
[* 24]
Fig. 6 und steigt nun nach dem Ausgangspunkt 1 empor, während der Hinterwagen
den Stoff bei b durchsticht und der durch den ausfahrenden Vorderwagen angezogene Faden die Fadenschleife fängt und bindet.
Der Bohrapparat
[* 24]
(Fig. 3) besteht aus je einer längs der Nadelreihe liegenden Schiene a, welche
mit vierschneidigen Stahlspitzen (Bohrern) b versehen und mittels Scharniers so angebracht ist, daß durch Vorklappen der
Schiene vor jede Nadel ein solcher Bohrer
[* 27] zu liegen kommt. Um ein Zurückweichen des Stoffes zu verhüten, liegt hinter dem
Stoff, den Bohrern gegenüber, eine zur Aufnahme der letztern mit Vertiefungen versehene Schiene c (Bohrlatte).
Sobald der Vorderwagen mit den Bohrern gegen den Stoff fährt, werden an den durch den Storchschnabel
[* 28] fixierten Stellen die gewünschten
Durchbrechungen hergestellt, die dann noch umstickt werden müssen. Durch Zurückklappen der beiden Schienen ist der
Bohrapparat außer Thätigkeit zu setzen.
Die durch Elementarkraft angetriebenen Maschinen ähneln in ihrer Konstruktion den mit Schiffchen arbeitenden
Doppelsteppstich-Nähmaschinen. Eine solche Schiffchenstickmaschine führt auf einem Wagen in zwei Reihen je 112 Nähmaschinennadeln
und auf der andern Seite des Stoffes an feststehenden Trägern ebenso viele Schiffchen, welche die Bindung der von den Nadeln
in den Stoff eingeführten Fäden auf der hintern Stoffseite zu bewirken haben. Wie bei den S. für Handbetrieb,
ist auch hier der zu verzierende Stoff in einem senkrecht stehenden Rahmen ausgespannt und wird vom Sticker durch einen Storchschnabel
bewegt. Die Bewegung des Nadelwagens erfolgt mittels Excenter,
[* 29] die an einer längs der ganzen Maschine liegenden Welle sitzen.
Die Schiffchen werden durch zwei Excenter und ein Hebelwerk dirigiert und zwar so, daß je nach Wunsch
durch Einrücken des betreffenden Excenters Plattstich oder Steppstich gebildet wird. Die Schiffchenstickmaschine, die 6-10
mal so rasch als die Handmaschine arbeitet, eignet sich besonders
¶