Vertretung übernehmen, in
Deutschland
[* 2] die öffentliche Klage erheben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Dem mehr
oder minder weitgehenden
Anklagemonopol der S. steht andererseits in
Österreich
[* 3] die subsidiäre Privatanklage, in
Deutschland
die Befugnis des Verletzten gegenüber, wegen versagter Verfolgung auf gerichtliche
Entscheidung anzutragen. (Das Nähere
hierüber s. Privatklage.) Die Vorermittelungen werden von der S. teils selbständig
unter Mitwirkung der
Beamten der Sicherheits- und Polizeibehörden («Hilfsbeamte der S.»),
welche ihren
Anordnungen Folge zu leisten haben, teils durch Ersuchen der
Amts- oder
Bezirksgerichte geführt, teils auf
Antrag
der S. durch gerichtliche
Voruntersuchung (s. d.) erhoben. Bis zur
Erhebung der öffentlichen Klage, als welche
auch der
Antrag aufVoruntersuchung gilt, bleibt die S. Herrin des
Verfahrens; aber die erhobene Klage kann nach §. 154 der
Deutschen Strafprozeßordnung nicht mehr zurückgenommen, sondern muß durch Beschluß oder
Urteil des Gerichts erledigt werden,
während nach §. 259 der Österr.
Strafprozeßordnung dem Ankläger in strenger Durchführung desAnklageprincips der Rücktritt von der
Anklage freisteht, bis sich der Gerichtshof zur Fällung des
Urteils zurückzieht.
Anträge auf
Einstellung des
Verfahrens oder
auf Freisprechung sind der S. auch im deutschen
Strafprozeß nicht verwehrt, nur ist das Gericht nicht an dieselben gebunden.
Nach der 1896 gescheiterten Novelle zur Strafprozeßordnung sollte sie zu Gunsten des Angeklagten auch
Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses
vor der Hauptverhandlung beantragen dürfen. Auch in der Hauptverhandlung (s. d.)
erscheint die S. nur äußerlich als Partei; sie hat überall die Pflicht, die Wahrheit zu erforschen, nicht bloß zur Belastung,
sondern auch zur Entlastung des Angeklagten; sowohl nach der
Deutschen (§. 338) als nach der Österr.
Strafprozeßordnung (§§. 282, 283) ist sie befugt, Rechtsmittel zu Gunsten des Angeklagten einzulegen. Wegen der dem Generalprokurator
zustehenden Nichtigkeitsbeschwerde «zur Wahrung des Gesetzes» s.
Nichtigkeitsbeschwerde. Nach §. 483 der
Deutschen Strafprozeßordnung erfolgt auch Strafvollstreckung (s. d.) durch
die S., nach §§. 34, 401-405, 407, 408 der Österr. Strafprozeßordnung steht ihr eine gewisse Mitwirkung
dabei zu.
Nach der
Deutschen Civilprozeßordnung ist in Ehesachen (s.
Eheprozeß) und Entmündigungssachen (s. Entmündigung) die Zuziehung
der S. geboten; ebenso erfordert das ehrengerichtliche
Verfahren gegen Rechtsanwälte (s. Ehrengericht) die Mitwirkung der
S. Landesgesetzlich ist derselben ein weiterer Wirkungskreis besonders im Disciplinarverfahren und bei der
Justizverwaltung zugewiesen. Mit fast den nämlichen
Attributen ist die S. in mehrern Schweizerkantonen, in
Italien,
[* 4]
Spanien,
[* 5] Belgien,
[* 6]
Holland ausgestattet.
In dem Gesetze vom (Prosecution of offences
Act) ist auch in England ein Schritt zur
Einführung der S. geschehen.
Litteratur.Holtzendorff, Die Umgestaltung der S. (Berl. 1865);
Gneist, Vier Fragen zur deutschen Strafprozeßordnung
(ebd. 1874);
Schütze, Das staatsbürgerliche Anklagerecht (Graz
[* 7] 1876);
von Kries, Lehrbuch des deutschen Strafprozeßrechts
(Freiburg
[* 9] 1892), §. 27; Em.
Ullmann, Lehrbuch
des deutschen Strafprozeßrechts
(Münch. 1893), §§. 56 und 57;
Artikel S. im 2. Ergänzungsband zu
Stengels «Wörterbuch
des deutschen Verwaltungsrechts (Freiburg
1893).
(Medicina publica oder politico-forensis), die Wissenschaft von der Anwendung derMedizin
und ihrer Hilfswissenschaften zur Erreichung von Staatszwecken.
Sie zerfällt in die Gerichtliche
Medizin (s. d.), die Medizinalpolizei
(s.
Hygieine), die Medizinalordnung oder das Medizinalwesen (s. d.) und das Militärmedizinalwesen
(s. Sanitätswesen). -
Vgl. außer den Lehrbüchern von
Henke,
Mende und Krahmer und den ältern encyklopäd.
Werken von Siebenhaar
und
Most besondersKraus und Pichler, Encyklopäd.
die ausdrückliche Weigerung oder die thatsächliche Unfähigkeit des
Staates, seine rechtlich unzweifelhaften
Schuldverbindlichkeiten zu erfüllen. Der S. kann erfolgen durch
Einstellung der
Zahlungen auf unbestimmte Zeit,
durch völlige Lossagung von der Schuld, so daß die Staatsgläubiger
Kapital und
Anspruch auf
Zinsen vollständig verlieren,
durch Herabsetzung des Zinsfußes ohne Zustimmung der
Gläubiger und ohne diesen die sofortige Rückzahlung des
Kapitals anzubieten,
durch zu hohe, also den Zinsfuß herabsetzende
Besteuerung der Zinscoupons, durch die
Zahlung der
Zinsen in
einer verschlechterten Münze oder in einem schlechten Papiergelde, durch die Herabsetzung des Wertes des Staatspapiergeldes
oder durch die massenhafte
Ausgabe unterwertiger Scheidemünze.
Wenn man beim
Bankrott (s. d.) in
Bezug auf die moralische Verwerflichkeit einen Unterschied machen kann, so ist der S. wohl
noch verwerflicher als der Privatbankrott. Zudem schädigt der S. den Kredit des
Staates.
SolideStaatsverwaltungen
müssen deshalb auf
Erhaltung desGleichgewichts zwischen Einnahmen und
Ausgaben Bedacht nehmen. Indes sind doch Umstände denkbar
und möglich, welche den S. unvermeidlich machen, z. B. wenn ein großer, unglücklicher
Krieg dem
Staat die besten Einnahmequellen abgeschnitten hat.
Staatsbeamter - Staats
* 12 Seite 65.214.
Selten übrigens entschließt sich ein civilisierter
Staat zu einer offen ausgesprochenen Repudiation
(s. d.) seiner Schulden; man begnügt sich in den schlimmsten Fällen gewöhnlich
damit, die
Zahlung der
Zinsen faktisch einzustellen und läßt den
Gläubigern die Hoffnung auf ein künftiges
Arrangement. Eine
Besteuerung der
Coupons oder die Einlösung derselben in entwertetem Papiergeld ist formell eigentlich nur den
auswärtigen
Gläubigern gegenüber ein S. Der S. ist in der Geschichte nicht selten. Selbst in
Preußenbez.
Brandenburg
[* 11] ist
S. vorgekommen (1693
Einstellung der Zinsenzahlung für die Schulden des
Großen Kurfürsten, 1806 ebenfalls
Einstellen der
Zinszahlung). In
Österreich wurden im dritten Viertel des 17. Jahrh. die
Zahlungen verweigert; 1811 führte die
fortdauernde Entwertung zu einem förmlichen
Bankrott. Viel häufiger noch kam der S. in
Spanien und
Frankreich vor (in
Spanien¶
mehr
z. B. 1575, 1596, 1605, 1668; in Frankreich 1615, 1638, nach dem TodeLudwigs XIV., zur Zeit des Lawschen Systems, 1764, 1770,
1797). Die einfache Lossagung von der Schuld ist in neuerer Zeit bei einigen amerik. Freistaaten vorgekommen (s.
Repudiation), ferner 1850 in Dänemark
[* 13] in Bezug auf die Anleihen, die von der durch den DeutschenBund eingesetzten
Bundesregierung in Schleswig-Holstein
[* 14] aufgenommen waren. Der S. in der Türkei
[* 15] 1875 hatte zur Folge, daß in Konstantinopel
[* 16] ein Administrationsrat der Gläubiger eingesetzt wurde, welchem die Verwaltung und direkte Einkassierung der für den Dienst
der auswärtigen Schuld abgetretenen Einkünfte übertragen wurde. In der neuesten Zeit sind wiederum
verschiedene mittel- und südamerik. Staaten (z. B. Argentinien) und in Europa
[* 17] Portugal und Griechenland
[* 18] ihren Anleiheverpflichtungen
nicht nachgekommen, und Italien erhöhte die Couponsteuer seiner Anleihen. Auch Serbien
[* 19] hat Zahlungsschwierigkeiten. -
Vgl. Meili,
Der S. und die moderne Rechtswissenschaft (Berl. 1895).