ist meist sechs (bisweilen auch nur vier) und jeder Spinnfaden besteht daher zunächst aus sechs, der Spinnwarzenzahl entsprechenden
dünnern Fäden, und jeder von diesen wieder aus so viel äußerst zarten Fädchen, wie Spinnröhrchen auf jedem Spinnfelde
stehen. Zu den S. kann man auch die
Byssusdrüse gewisser Weichtiere rechnen. (S.Muscheln.)
[* 2]
das
Lokal, in dem sich früher im Winter die weiblichen
Angehörigen eines Dorfes mit
Spindel und Kunkel
zu gemeinsamer
Arbeit einfanden, hauptsächlich auch, um sich durch
Gesang, Spiele,Erzählungen und Neckereien mit den
Burschen,
die zum Zusehen kamen, die Zeit angenehm zu vertreiben. Die S. ward dadurch zum
Mittel- und Ausgangspunkt
des ganzen geselligen Lebens des Dorfes und spielte als solcher im Mittelalter eine hervorragende Rolle.
Schon im 16. Jahrh.
ging man gegen die S. vor, da sie vielfach Gelegenheit zu geschlechtlichen Ausschweifungen gaben. Es wurde ihnen vorgeworfen,
daß sie Veranlassung zu allerlei Roheiten, Gassengeschrei, Balgereien, Gotteslästerung, Feuerschaden,
Verführung,
Unzucht, heimlichen Heiraten u. s. w. gäben. Seit dem 16. Jahrh.
sind die S. entweder ganz verboten oder wenigstens wesentlich beschränkt worden. Ihr
Abkommen ist namentlich deswegen zu
bedauern, weil
sie der Mittelpunkt der Volkstradition waren und durch sie Sage und Lied von Generation zu Generation fortgepflanzt
worden sind. -
Vgl.
Barack, Die S. nach Geschichte und Sage (in Bd. 4 der «Zeitschrift
für deutsche Kulturgeschichte», Stuttg. 1859). -
S. ist auch der
Titel eines von
Ph. F. W. Örtel begründeten Volksbuches.
Ambrosio, Marchese di, span. Feldherr, geb. 1569 zu
Genua,
[* 4] eroberte als Befehlshaber der span.
Truppen in den
Niederlanden 1604
Ostende,
[* 5] das Erzherzog
Albrecht länger als zwei
Jahre belagert hatte. Er begann dann den Kampf mit dem Prinzen
Moritz von
Oranien. Bei dem allgemeinen Friedensbedürfnis kam
es im Mai 1607 im Haag
[* 6] zwischen beiden zu einer persönlichen Unterredung, die jedoch nicht zum Ziel
führte. Erst 1609 wurde ein zwölfjähriger Stillstand geschlossen.
Als der Waffenstillstand 1621 zu Ende ging, begann S. aufs neue sich mit
Moritz zu messen, nachdem er schon 1620 gegen Kurpfalz
und die
Union rheinaufwärts gezogen, alles Land bis
Frankfurt
[* 7] und Worms
[* 8] besetzt und April 1621 im Mainzer
Accord die
Union zur Niederlegung der Waffen
[* 9] gezwungen hatte.
Moritz starb bei dem Versuche, seinen Gegner zur Aufhebung
der
Belagerung von
Breda zu zwingen; nach einer zehnmonatigen
Belagerung öffneten sich diesem im Mai 1625 die
Thore, die
Besatzung
erhielt freien
Abzug. Seine Gesundheit nötigte ihn dann, den
Befehl niederzulegen. Zwar trat er noch einmal 1630 in
Italien
[* 10] auf, wo er die Festung
[* 11]
Casale erobern wollte, starb aber schon 25. Sept. desselben Jahres zu
Castel-Nuovo di Scivia. -
Vgl.
Siret, Ambrosio S., épisode du temps d'Albert et d'Isabelle (Par. 1851).
oder Spinosa,Baruch (lat.
Benedikt),
Philosoph, geb. zu
Amsterdam,
[* 12] stammte aus
einer jüd. Familie, die sich aus
Portugal
[* 13] nach
Holland gewendet hatte. Er genoß den gewöhnlichen Unterricht der Rabbiner,
entfernte
sich aber in seinen religiösen
Ansichten frühzeitig von den jüd.
Lehren,
[* 14] und nachdem mehrere Versuche, ihn wieder
an dieSynagoge zu knüpfen, gescheitert waren, wurde er aus der Judengemeinde ausgestoßen. S. widmete
sich nunmehr gänzlich dem
Studium der Cartesianischen
Philosophie. Um seinen Lebensunterhalt zu gewinnen, lernte er das
Schleifen
optischer
Gläser.
Das wissenschaftliche
Studium der
Optik brachte ihn mit mehrern Physikern und Naturforschern in
Verbindung. Nachdem es den
Juden gelungen war, bei dem Magistrat von
Amsterdam seine
Verbannung zu erlangen, bezog er erst das Landhaus
eines Freundes, ging dann nach Rheinsburg bei
Leiden,
[* 15] darauf nach Voorburg bei Haag, bis er endlich auf Bitten seiner Freunde
sich im Haag selbst niederließ. Später erhielt er von dem Kurfürsten von der Pfalz einen Ruf an die
Universität zu
Heidelberg.
[* 16] Doch schlug er das Anerbieten aus. S. starb an der Schwindsucht. Ihm ward im
Haag ein Bronzestandbild errichtet.
Von seinen
Schriften hat S. selbst nur zwei herausgegeben: «Renati Descartes Principia philosophiae» (Amsterd.
1663),
eine
Darstellung der CartesianischenPhilosophie, wozu die «Cogitata metaphysica» den
Anhang bilden,
und den «Tractatus theologico-politicus» (Hamb.
1670), worin er den
Begriff der Offenbarung sowie den Ursprung der
Bücher des Alten
Testaments einer Kritik unterwirft und
die Denkfreiheit gegenüber der positiven
Religion verteidigt. Nach seinem
Tode gab Jarig Jellis seine
«Opera posthuma» (1677)
bloß mit der Bezeichnung
B. D. S. heraus. Sie enthalten außer einer hebr.
Grammatik das Hauptwerk des
S., die «Ethica ordine geometrico demonstrata», die beiden unvollendeten
Abhandlungen «Tractatus politicus» und
«De intellectus emendatione» sowie eine Anzahl wertvoller
Briefe.
Wichtig für das Verständnis des
S. und seines Bildungsganges ist der neu aufgefundene «Tractatus
de Deo et homine» geworden (hg. von
van Vloten, Amsterd. 1862; deutsch von Sigwart, 2. Ausg., Freib. i. Br.
1881).
Vgl. darüber Sigwart,S.s neu entdeckter
Traktat (Gotha
[* 17] 1866),
und
Trendelenburg, über die aufgefundenen Ergänzungen
zu
S.s Werken (in den «Histor. Beiträgen zur
Philosophie», Bd. 3, Berl.
1867).
Gfrörer (Stuttg. 1830) und
Bruder (3
Bde., Lpz. 1843-46); die vollständigste
ist die von
van Vloten und Land (2. Aufl., 3 Bde.,
Haag 1895). Deutsche
[* 19]
Übersetzungen von
S.s «Sämtlichen Werken» (5 Bde.,
Stuttg. 1841; 2. Aufl., 2 Bde.,
ebd. 1872) besorgten
BertholdAuerbach,
[* 20] der das Leben
S.s auch zum Gegenstande eines
Romans wählte, und
Kirchmann (in der «Philos.
Bibliothek», 2 Bde., Lpz.
1872). - Die Hauptquelle über
S.s Leben ist die freilich sehr befangene
Biographie von Colerus (holländisch Amsterd. 1705;
französisch 1706; deutsch Frankf. a. M. 1733; neue Ausg.
in dem von Ginsberg herausgegebenen «Briefwechsel des S.»,
Lpz. 1876); außerdem haben es
Lucas (Amsterd. 1719), H. F. von Diez (Dess. 1783), Philippson
(Braunschw. 1790), Samtes (Par. 1842), Brunschwigg (ebd. 1894) und
Bolin (S. Ein Kultur- und Lebensbild, Berl. 1894) beschrieben.
Die
Lehre
[* 21] des S. ist ein Pantheismus (s. d.), hervorgegangen aus dem Gegensatz
der denkenden und der ausgedehnten
Substanz in der
Philosophie des Descartes. (Vgl. H. Ritter, über den
Einfluß
¶
mehr
des Cartesius auf die Ausbildung des Spinozismus, Lpz. 1816; Sigwart, Über den Zusammenhang des Spinozismus mit der Cartesianischen
Philosophie, Tüb. 1810.) Der Mittelpunkt des Systems ist der Satz: Es giebt nur eine unendliche Substanz (Gott) mit unendlichen
Attributen, von denen der Mensch nur zwei, nämlich das Denken und die Ausdehnung,
[* 23] erkennen kann. Aus der
Unendlichkeit der einen Substanz muß Unendliches auf unendliche Weise folgen, und zwar mit Notwendigkeit, daher der Zweckbegriff
vollkommen wegfällt und unter die Vorurteile des menschlichen Verstandes gerechnet wird.
Gott oder die eine, unteilbare Substanz ist die innere (immanente), nicht äußere (transiente) Ursache alles dessen, was ist
und geschieht; die Welt ist die Selbstdarstellung Gottes, die keine andere sein kann, als sie ist. Das Endliche ist eine beschränkte,
begrenzte Modifikation der AttributeGottes, die Körper des Attributs der Ausdehnung, die Geister des Attributs des Denkens. Zwischen
den Modifikationen des Denkens und der Ausdehnung besteht kein ursächlicher Zusammenhang, sondern ein
vollkommener Parallelismus, darin gegründet, daß beide Attribute Seiten der einen, unendlichen Substanz sind.
Jede Erkenntnis ist adäquat (vollkommen), deren Ursachen im erkennenden Wesen selbst liegen, inadäquat (unvollkommen), soweit
sie durch außer ihm liegende Ursachen bestimmt ist. Deswegen sind die Erkenntnisse Gottes adäquat, weil er alles in sich faßt.
Die des menschlichen Geistes sind nur insofern adäquat, als ihre Ursachen in ihm selbst (als Modifikation Gottes) liegen; inadäquat
aber, insofern er in seinem Erkennen durch andere Modifikationen Gottes bestimmt ist. (Vgl. J. H. Loewe, über S.s Gottesbegriff
und dessen Schicksale, im Anhang zu seinem Werke: Die Philosopbie Fichtes, Stuttg. 1862.) Der menschliche
Geist ist die Idee des Leibes und seiner Affektionen, denn der Geist und der Leib ist dasselbe, einmal unter dem Attribut des
Denkens, das andere Mal unter dem Attribut der Ausdehnung gedacht.
Ebenso sind die Affekte des Geistes (Neigungen, Begehrungen, Leidenschaften) nur die Ideen von Zuständen des
Körpers (corporis affectiones), die seine Macht zu handeln vermehren oder vermindern. Der Geist strebt wie jedes Ding in
seinem Sein und Wirken zu beharren; alles, was ihn darin fördert, ist gut, was ihn hemmt, übel. Seligkeit ist nicht der
Lohn der Tugend, sondern diese selbst, und nicht deshalb sind wir selig, weil wir unsere Affekte bändigen,
sondern dadurch, daß wir selig sind, wird uns die Selbstbeherrschung möglich. Die Liebe zu Gott ist der Ausdruck der Freude,
die uns aus seiner Erkenntnis zuwächst. Eigentlich ist die Liebe des Menschen zu Gott die unendliche Selbstliebe, womit Gott
sich selbst liebt, nicht insofern er unendlich ist, sondern insofern er sich in der Form des menschlichen
Geistes darstellt.
Mit vollkommener Deutlichkeit tritt der Mangel jeder von der Begehrung unabhängigen Bestimmung über den sittlichen Wert
oder Unwert des Wollens in der Rechtslehre des S. hervor. Macht ist ihm Recht; jeder hat so viel Recht, als
er Macht hat; was auch immer jeder nach den Gesetzen seiner Natur thut, thut er kraft seines Rechts, und Verträge und Versprechungen
sind nur so lange gültig, als der, welcher sie brechen kann, es seinem Vorteile angemessen findet, sie nicht zu brechen.
Der Staat ist daher dem S., wie dem Hobbes, nur der Notbehelf gegen die Nachteile, die
der uneingeschränkte
Gebrauch seines natürlichen Rechts bei der Feindseligkeit der Menschen untereinander für jeden Einzelnen, der allemal schwächer
ist als die Gesamtheit der übrigen, herbeiführen würde; nur daß S. nicht, wie Hobbes, eine unbedingte Unterwerfung unter
die Staatsgewalt verlangt, sondern diese davor warnt, den Gesamtvorteilen der ihr Unterworfenen entgegenzutreten,
weil sie in diesem Falle von ihrem natürlichen Rechte Gebrauch machen würden. - Durch die leidenschaftslose Ruhe und Nüchternheit
seiner Darstellung, durch den eng geschlossenen Zusammenhang seiner Beweise, durch die großartige Resignation, mit der er in
allem, was ist und geschieht, eine Reihe von Naturerfolgen sieht, an denen sich nichts ändern läßt
und über deren Wertunterschiede sich zu härmen für den denkenden Menschen sich nicht der Mühe lohne, hat S. von jeher
die Bewunderung der philos. Welt auf sich gezogen. Auf die Gestaltung der deutschen Philosopbie gewann er in der Periode nach
Kant großen Einfluß.
Vgl. noch F. H. Jacobi, über die Lehre des S. in Briefen an Mendelssohn (Bresl. 1786; neue Aufl. 1789);
Herder, Gott, einige
Gespräche (Gotha 1787; 2. Aufl. 1800), ein Versuch, die Lehre des S. der des Leibniz zu nähern; Sigwart, Der Spinozismus
historisch und philosophisch erläutert (Tüb. 1839);
van der Linde, S., seine Lehre und deren erste Nachwirkungen
in Holland (Gott. 1862);
van Vloten, Baruch d'Espinoza, zijn leven en schriften (Amsterd. 1862);
Kuno Fischer, Geschichte der
neuern Philosophie, Bd. 1, Abteil. 2 (4.
Aufl., Heidelb. 1897);