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Weiterhin wird der Faden, [* 2] wie bei der Baumwoll-Ringspinnmaschine, durch eine kleine Öse, den Läufer, geführt, der auf einem Reifen, dem Ring, um die schnell rotierende Spindel läuft, um nach erfolgter Drehung auf letztere aufgewickelt zu werden.Die für die schwächer gedrehten weichern Streichgarne allgemein verwendete Feinspinnmaschine ist die Mulejenny, die in [* 1] Fig. 7 der Taf. II als Feinspinnmaschine für gemischten (Hand- und Maschinen-) Betrieb nach einer Konstruktion der Sächsischen Maschinenfabrik in Chemnitz [* 3] dargestellt ist. Dieselbe arbeitet in größern Spinnereien ganz mechanisch; alsdann erhält sie den Namen Selfactor, da sie mit der in der Baumwollspinnerei gebräuchlichen Maschine [* 4] dieses Namens bis auf die Art des Ausziehens der Fäden vollständig übereinstimmt.
In der Kammgarnspinnerei wird die zu verarbeitende Wolle gleichfalls nach dem Waschen geölt; dann erfolgt die Bildung der Bänder für die Kämmmaschinen. Hierzu bedient man sich der Walzenkarden, welche ähnlich wie diejenigen in der Baumwollspinnerei gebaut sind, aber gröbern Beschlag und mehr Reinigungsapparate (Klettenwalzen und Schlaglineale) besitzen. Das auf diesen Krempeln erhaltene Band [* 5] wird auf Spulen gewickelt und hierauf gestreckt. Die hierzu dienenden Strecken arbeiten so, daß die Bänder aus verschiedenen Wickeln zusammengeführt und durch mehrere Walzenpaare gezogen werden, von denen die nachfolgenden immer größere Geschwindigkeit als die vorhergehende besitzen.
Schließlich werden die Bänder durch einen Trichter geführt und dadurch zu einem einzigen zusammengezogen (dupliert, vereinfacht), welches dann auf einem Wickel aufgespeichert wird. Vor dem Kämmen sind die Bänder nochmals zu duplieren, d. h. zu einem Vließ von bestimmter Breite [* 6] zu vereinigen. Auf den Dupliermaschinen (auch Doubliermaschinen oder Lappingmaschinen) werden mehrere Bänder durch Druckwalzen- und Riffelwalzenpaare geführt, um unter dem nötigen Druck auf eine Walze aufgewickelt zu werden.
Das nunmehr folgende Kämmen wurde früher nur von Hand [* 7] mittels Drahtkämmen, die mit langen, spitzen Stahlzinken besetzt waren, ausgeführt; jetzt bedient man sich in Fabriken allgemein der Kämmmaschinen. Dieselben setzen sich in der Hauptsache aus drei Organen zusammen: dem Einschlag- oder Speiseapparat, dem Arbeits- oder Kammapparat und dem Ausziehapparat nebst den Mechanismen zur Bildung eines gemeinsamen Bandes und zum Entfernen der Kämmlinge, d. h. der kurzen ausgekämmten Haare. [* 8]
Die Kämmmaschinen werden in den verschiedensten Konstruktionen angewendet; dieselben sind aber immer Verbesserungen der beiden Hauptklassen dieser Maschinen, nämlich derjenigen, welche nur mit Kämmen arbeiten und deren Erfinder Edmund Cartwright ist, und derjenigen mit Zange [* 9] und Kamm, welche von Josua Heilmann erfunden sind. Taf. II, [* 1] Fig. 3 giebt eine schematische Darstellung der Arbeitsweise letztgenannter Art von Kämmmaschinen nach der Ausführung von Schlumberger & Co. in Gebweiler. [* 10]
Das Hauptorgan dieser Maschine ist die rotierende Kammwalze C, welche an zwei sich gegenüberliegenden Stellen mit Nadeln [* 11] und an zwei andern sich gegenüberliegenden Stellen mit Leder armiert ist. Der Speiseapparat A, der in [* 1] Fig. 3a in größerm Maßstab [* 12] gezeichnet ist, besteht aus den Roststäben m und n, dem mit Zähnen besetzten Speisekamm o und der aus den Teilen a und b gebildeten Zange. Das Walzenpaar EE' bildet den Abziehapparat. Der Speiseapparat zieht die Bänder von den Wickeln und nähert das heraushängende Ende, wie [* 1] Fig. 3a veranschaulicht, der Walze C, von welcher es ausgekämmt wird.
Hierauf sticht der Vorstechkamm D in das gekämmte Ende ein, das von einem Ledersektor der Trommel C erfaßt und dem Walzenpaar EE' überliefert wird. Gleichzeitig öffnet sich die Zange und läßt ein Stück Band frei, das abgerissen und infolge einer Bewegung der Walzen EE' durch den Vorstechkamm D hindurchgezogen wird. Das aus EE' noch heraushängende abgerissene Bandende wird der Kammwalze wieder genähert und gleichfalls ausgekämmt. Alsdann wird der abgerissene Bart durch die Walzen nach einem Trichter und den Abziehwalzen befördert, wodurch die Bärte wieder zu einem zusammenhängenden Bande vereinigt werden. Die Nadeln der Kammwalze werden fortwährend mittels einer Kratzenwalze c und einer Bürstenwalze d [* 1] (Fig. 3b) gereinigt, während die Haare von erstern wiederum durch einen Hacker e abgetrennt werden.
In [* 1] Fig. 6 ist eine Kämmmaschine engl. Konstruktion nach dem Princip Cartwrights, System Noble, dargestellt. Dieselbe arbeitet nicht mit Walzenkämmen, sondern mit Ringkämmen, weshalb die ganze Maschine ringförmig angeordnet ist. Am Grunde der beiden aufrecht stehenden Spindeln rotieren zwei Kammringe, welche Zahnkränze tragen, die in einen solchen an dem sie umschließen den Kammring eingreifen, so daß sich der letztere samt den Bandwickeln um die Achse der Maschine dreht.
Die Zuführung der Wollbänder erfolgt, wie [* 1] Fig. 6a zeigt, durch eine Röhre r, welche abwechselnd den Kämmen ein Stück Band darbietet und dann durch einen Stempel s von unten emporgehoben wird, wodurch der mittels einer Leiste m festgehaltene Wollbart abreißt, so daß die Faserbärte des zugeführten Bandes ein Stück weiter hervorgezogen werden und dann über die Kämme zu stehen kommen; beim Niedergang der Röhre legen sich die Bärte wieder in die Kämme. Das Kämmen des hintern Endes der Bärte erfolgt bei der Trennung der beiden Kammringe. Weiterhin werden die Fasern durch Ausziehwalzen aus den Ringen entfernt und zu einem Bande vereinigt; an andern Stellen erfolgt das Ausheben der in den Nadelkämmen zurückgebliebenen kurzen Fasern, der Kämmlinge.
Durch [* 1] Fig. 6b ist der Aufwickelapparat veranschaulicht, welcher außer zwei Trichtern t und t1 zum Zusammenführen der Fäden aus einem Einziehwalzen- und einem Streckwalzenpaar, e bez. s, besteht, nach deren Passieren das gekämmte Band auf einen durch zwei Walzen w bewegten Wickel gebracht wird. Die von der Kämmmaschine abgezogenen Bänder (Kammzug genannt) werden auf Lisseusen oder Plättmaschinen durch Seifenbäder entfettet, durch ein Wasserbad vollständig gereinigt (wobei öfters, namentlich für den Kammzug des Handels, ein geringes Bläuen statthat) und durch dampfgeheizte Verzugswalzen mäßig entkräuselt.
Zur weitern Vorbereitung der Kammwolle für die S. werden mehrere verschiedene Vorspinnverfahren angewendet, die sich, nach den Ländern, wo sie sich vorherrschend entwickelt haben, als engl., deutsches und franz. Spinnverfahren bezeichnen lassen. Die wesentlichste Eigentümlichkeit der drei ¶
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verschiedenen Vorspinnverfahren (Vorbereitungen, Präparation) liegt darin, daß das sog. englische Verfahren zu der schrittweisen Verfeinerung der Vorgespinstfäden Maschinen mit Flügelspindeln ohne selbständige Spulendrehung (Waterprincip), das sog. deutsche Spindelbänke (Flyer), das sog. französische Streckbänke (bobinoirs) mit Würgelwerken anwendet. In Deutschland [* 14] wird heutzutage hauptsächlich das franz. Verfahren benutzt und beträgt die Anzahl der nacheinander angewendeten Streckungen (Passagen) 5-11.
Das Feinspinnen erfolgt sowohl auf Waterspinnmaschinen, wie Taf. II, [* 13] Fig. 11 eine solche aus der Sächsischen Maschinenfabrik in Chemnitz darstellt, als auch auf Selfactors. Beide Systeme unterscheiden sich von den für die Baumwollspinnerei gebräuchlichen in der Hauptsache nur durch den wegen der Faserlänge erforderlichen Abstand und durch die Anzahl der Streckwalzen.
Halbkammgarne (Sagetten- oder Sayettgarne, Strick-, Stick- oder Tapisserie- und Strumpfwirkergarne) werden aus mittellangen Wollen meist ähnlich wie Kammgarn (s. d.), mit Hinweglassung der das Spinnen [* 15] sehr verteuernden Kämmmaschine, oder ähnlich wie Streichgarn, jedoch mit Hinweglassung des gekreuzten Auflegens erzeugt.
Sehr oft wird die Schafwolle mit Baumwolle [* 16] vermischt; es geschieht dies hauptsächlich zur Erreichung eines billigern Erzeugnisses. Diese Garne bezeichnet man mit dem Namen Vigogne. Anfänglich fügte man der Schafwolle 5, dann 10, 15 u. s. w. Prozent Baumwolle bei, heute kommen Vigognegarne vor, welche 70, 80, 90, ja 95 Proz. Baumwolle ausweisen, und nur das übrige ist Schafwolle. (Die Menge der beigemischten Baumwolle läßt sich leicht bestimmen, indem man aus einer abgewogenen Menge Vigogne die Wolle durch Kochen mit Kalilauge herauslöst.) Die in jüngster Zeit viel begehrten Imitatgarne bestehen nur aus Baumwolle. Die Herstellung dieser Garne erfolgt wie jene des Streichgarns; es wird das Spinngut ebenfalls gefärbt und vor dem Krempeln findet das benötigte Mischen der Farben und Sorten statt. Von dem Vigognegarn, ebenso wie von dem Imitatgarn verlangt man das gekräuselte und moosige Aussehen, was dem Streichgarn eigen ist, es ist in dieser Beziehung also stark abweichend von dem gewöhnlichen glatten Baumwollgarn.
Über Kunstwolle s. d.
Für viele Zwecke muß das Garn noch gezwirnt werden, d. h. zwei oder mehrere Fäden werden durch starkes Drehen zu einem einzigen vereinigt. Hierfür braucht man die Duplier- oder Zwirnmaschinen, von welchen in Taf. II, [* 13] Fig. 4 eine Konstruktion der Sächsischen Maschinenfabrik veranschaulicht ist. Auf derselben werden z. B. je vier Fäden zu einem Gezwirn zusammengedreht, welches auf eine Spule der in [* 13] Fig. 4a gezeichneten Form aufgewickelt wird. Dieses Aufwickeln erfolgt in der abgebildeten Maschine mittels des Ringmechanismus, also ähnlich wie bei den Ringspinnmaschinen; es sind indes auch viele Zwirnmaschinen im Betrieb, die auf Spindeln mit Waterflügel spulen. Mehrfarbige Garne und Noppengarne werden auf den Zwirnmaschinen durch Vereinigung verschiedenartiger Garne oder durch Einfügung besonderer Mechanismen hergestellt.
Vgl. Ganswindt, Katechismus der S.und Weberei [* 17] (Lpz. 1885);
Nieß, Die Baumwollspinnerei (2. Aufl., Weim. 1885);
Marshall, Der praktische Flachsspinner (ebd. 1888);
Hentschel, Praktisches Lehrbuch der Kammgarnspinnerei (Stuttg. 1889): E. Müller, Handbuch der S. (Lpz. 1892);
Brüggemann, Theorie und Praxis der rationellen S. (Tl. 1, Stuttg. 1897).