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28. Aug. nach Portugal [* 2] gebracht, ihre Güter mit Beschlag belegt. Am traten die konstituierenden Cortes zusammen, in denen die Progressisten die Mehrheit hatten. Von allen Beschlüssen der Cortes hatten nur die volkswirtschaftlichen Maßregeln (Eisenbahnen, Telegraphen [* 3] und Banken) und die Gesetze über den Verkauf der Kirchen-, Kloster-, Stiftungs-, Gemeinde- und Staatsgüter eine weitgreifende Bedeutung. Von diesen sog. Nationalgütern wurden bis Ende 1861 für 6519 Mill. Realen (1434 Mill. M.) verkauft, großenteils in kleinern Parzellen.
Dies trug nicht wenig zur Hebung [* 4] und Verstärkung [* 5] eines selbständigen Bauernstandes bei, der bis dahin in S. nur in sehr beschränktem Maße vorhanden war. Zugleich wurden damit die Mittel für große öffentliche Bauten u. s. w. und zur Ordnung der zerrütteten Finanzen gewonnen. Dagegen zogen sich die Beratungen der Cortes über die Neuordnung der Verfassungszustände unter heftigen Parteikämpfen fast zwei Jahre lang hin. Die Abdankung des Ministers des Innern, Escosura, zog auch den Rücktritt Esparteros nach sich, worauf O'Donnell das Kabinett reorganisierte.
Die durch diesen Ministerwechsel veranlaßten ultraprogressistischen Schilderhebungen
in Madrid
[* 6] und
Barcelona
[* 7] wurden nach
blutigen Straßenkämpfen unterdrückt.
Schon mußte aber O'Donnell einem Ministerium Narvaez weichen, in welchem
der Minister des Innern, Nocedal, eine hervorragende Rolle spielte. Das
Konkordat mit dem Papst wurde 16. Okt. wiederhergestellt,
die
Jesuiten zurückgerufen, strenge Preßverordnungen erlassen, die Errungenschaften der Revolution von 1854 wieder aufgehoben.
Doch auch damit war die absolutistische Hofpartei noch nicht zufrieden. Narvaez wurde gestürzt. Es folgten rasch nacheinander das Ministerium Armero im Okt. 1857, das Ministerium Isturiz im Jan. 1858 und das Ministerium O'Donnell Die Geburt eines Prinzen von Asturien (des spätern Königs Alfons XII.) änderte nichts an dem Mißverhältnis zwischen Volk und Königin, die sich durch Sittenlosigkeit um alle Achtung gebracht hatte.
Das Ministerium O'Donnell, aus der Liberalen Union hervorgegangen, behauptete sich beinahe fünf Jahre lang. Gestützt auf eine ansehnliche Armee und Flotte, trat die span. Politik nach außen kräftig auf. Schon 1858 beteiligte sich S. bei der franz. Expedition gegen Annam (Cochinchina), wo die Mißhandlung kath. Missionare gerächt werden sollte. Nach langwierigen Händeln mit Marokko [* 8] (s. d.) erklärte es den Krieg. Im Friedensvertrage vom 26. April mußte sich Marokko zu einer Kriegskontribution von 20 Mill. Piaster und zu einer Gebietsabtretung bei Ceuta [* 9] verstehen.
Während dieses Feldzugs hatte in S. die karlistische Partei sich wieder erhoben. Der Generalkapitän der Balearischen Inseln, General Ortega, landete mit einer Truppenabteilung bei Tortosa an der Ebromündung und erhob die Fahne des Aufstandes. Auch der Graf Montemolin (Don Carlos), begleitet von seinem Bruder Fernando, von Cabrera u. a., erschien daselbst und wurde als König Karl VI. proklamiert. Aber Ortega ward gefangen und kriegsrechtlich erschossen; die beiden Söhne des Don Carlos wurden gleichfalls ergriffen und erst, nachdem sie förmlich ihren Thronansprüchen entsagt hatten, wieder in Freiheit gesetzt und über die span. Grenze gebracht. 1861 unterwarf die Dominicanische Republik, auf der vormals span. Osthälfte der Insel Haiti, freiwillig sich wieder der span. Herrschaft.
Die Vereinigten Staaten [* 10] von Amerika [* 11] konnten wegen des Bürgerkrieges im eigenen Lande dagegen ebensowenig einschreiten wie gegen die Expedition nach Mexiko, [* 12] an der neben Frankreich und England sich auch S. durch Konvention vom beteiligte. Bereits 8. Dez. erschien ein von Habana [* 13] abgeschicktes span. Geschwader vor Veracruz und nahm diese Stadt nebst den Hafenforts ohne Schwertstreich in Besitz. Dann folgte eine größere span. Streitmacht unter dem Oberbefehl des Generals Prim. Die Spanier und Engländer wollten jedoch den franz. Eroberungsplänen nicht dienen und verständigten sich mit der mexik. Regierung. Prim schiffte seine Truppen in Veracruz wieder ein. Eine Spannung innerhalb der Liberalen Union hatte die Auflösung des Ministeriums O'Donnell zur Folge, das abdanken mußte, unter O'Donnell sich neu bildete, aber schon 26. Febr. wieder zurücktrat.
Seitdem begann in S. eine Periode voll polit. Schwankungen und zügelloser Parteikämpfe. Die reaktionären Ministerien Miraflores (März 1863), Arrazola (Jan. 1864) und Mon (März 1864) lösten sich rasch ab. Am bildete Narvaez wieder ein Moderadokabinett. Sofort wurde Maria Christina nach zehnjähriger Verbannung wieder nach Madrid berufen. Das neu erworbene Santo [* 14] Domingo hatte sich bereits wieder gegen die span. Herrschaft erhoben. Alle Versuche S.s, die Insel wiederzuerobern, scheiterten.
Mit Zustimmung der Cortes wurde die span. Oberhoheit über Santo Domingo aufgegeben. Ein Zwiespalt mit Peru, [* 15] infolgedessen ein span. Geschwader die Chincha-Inseln occupierte, wurde durch den Frieden vom beigelegt. Am mußte Narvaez vor der allgemeinen Unzufriedenheit zurücktreten. Marschall O'Donnell wurde Ministerpräsident und Marschall Serrano Generalkapitän von Madrid. Damit begann ein Umschwung in liberaler Richtung. Die Presse [* 16] erhielt größere Freiheit, ein neues Wahlgesetz ermäßigte den Census bis auf die Hälfte, der Verkauf der Kirchengüter ward wieder energisch aufgenommen. Gleichzeitig gab es neue Händel mit den südamerik. Republiken. Wegen angeblicher Verletzung der Neutralität während des span.-peruan. Zwiespaltes hatte S. von Chile [* 17] (s. d.) Genugthuung gefordert. Peru, Ecuador und Bolivia schlossen mit Chile ein Bündnis gegen S. Eine brit.-franz. Vermittelung wurde von den verbündeten vier Republiken abgelehnt.
Die Neuwahlen vom verschafften der Regierung eine große Mehrheit. Der Aufstand des Generals Prim scheiterte an der geringen Beteiligung des Volks, und der Militäraufstand vom in Madrid wurde von O'Donnell niedergeschlagen. Die Cortes bewilligten auf Antrag des Ministeriums die Suspendierung der konstitutionellen Garantien. Am 11. Juli verabschiedete die Königin Isabella das Ministerium O'Donnell, und Narvaez bildete ein Moderadokabinett, in dem Gonzalez-Brabo das Innere übernahm. Die neue Regierung war bemüht, durch die strengsten militär. und polizeilichen Maßregeln die Anarchie zu bändigen. Aber als im Dezember die Cortes zusammentraten, erhob sich eine heftige ¶
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Opposition gegen das Militär- und Polizeiregiment des Marschalls Narvaez. Darauf ließ dieser in der Nacht vom 29. bis 30. Dez. eine Anzahl Deputierter, darunter den Präsidenten der Zweiten Kammer, Rios Rosas, verhaften und aus dem Lande schaffen. Dasselbe Schicksal traf den Präsidenten des Senats, Marschall Serrano, weil er in einer Audienz bei der Königin Vorstellungen erhoben hatte. Viele andere hervorragende Persönlichkeiten, darunter O'Donnell, entflohen ins Ausland. Ein königl. Dekret vom löste die Cortes auf. Es gelang der Regierung, die Neuwahlen nach Wunsch zu leiten, und bewilligten die neuen Cortes dem Ministerium Narvaez Straflosigkeit für alle angeordneten Maßregeln.
Als Narvaez starb, übernahm Gonzalez-Brabo den Vorsitz im Kabinett, hatte aber als Nichtmilitär fast die ganze Armee gegen sich. Im Juli sollte ein großer Militäraufstand ausbrechen. Der Minister ließ daher 7. Juli die bedeutendsten Generale nach den Canarischen Inseln abführen und sogar den in Sevilla [* 19] residierenden Schwager der Königin, Herzog von Montpensier, aus S. ausweisen. Isabella glaubte sich an Napoleon III. noch inniger als bisher anschließen zu müssen, und verabredete mit ihm eine Zusammenkunft auf den 18. und 19. Sept. in den beiden Grenzorten Biarritz und San Sebastian.
Während die Königin in San Sebastian verweilte, brach die Revolution aus. Die verbannten Generale wurden von den Canarischen Inseln abgeholt und trafen, mit Prim, 18. Sept. im Hafen von Cadiz [* 20] ein; Konteradmiral Topete schloß sich mit der ganzen Flotte an sie an, ein erstes Manifest forderte das Volk zum Sturze der Regierung auf, ein zweites von Prim verkündete die Volkssouveränität. Cadiz, ganz Andalusien traten bei, Serrano rückte mit den abgefallenen Truppen gegen Madrid vor, schlug 29. Sept. bei Alcolea die königl. Truppen unter Novaliches, worauf alle größern Städte, auch Madrid, sich für die Revolution erklärten.
Nun gab Isabella, welche Gonzalez-Brabo entlassen und 22. Sept. General Concha (s. d.) zum Ministerpräsidenten ernannt hatte, ihre Sache verloren, trat 30. Sept. nach Frankreich über, von wo aus sie einen Protest gegen die Revolution veröffentlichte, und nahm 6. Nov. ihren Aufenthalt in Paris. [* 21] Durch Napoleon bewogen, dankte sie förmlich zu Gunsten ihres Sohnes Alfons ab. Andererseits veranlaßte der Sturz Isabellas die Nachkommenschaft des Don Carlos, ihre Ansprüche auf den span. Thron [* 22] zu erneuern. Der Infant Juan verzichtete zu Gunsten seines ältesten Sohnes Don Carlos, Herzog von Madrid, der seitdem als Kronprätendent (Karl VII., geb. auftrat.
Während des Interregnums und unter König Amadeus. Am 3. Okt. zog Serrano mit seinen siegreichen Truppen in Madrid ein. Die Regierungsjunta der Hauptstadt betraute ihn mit der Bildung eines provisorischen Ministeriums. Die verschiedenen Revolutionsjunten lösten sich auf. Durch ein Dekret der Regierung vom 12. Okt. wurde der Jesuitenorden, 19. Okt. viele Klöster aufgehoben; in betreff des Schulwesens, der Gemeindeordnung, der Presse, des Versammlungsrechts u. s. w. ergingen liberale Verfügungen und Zusagen.
Bedenklich waren die republikanischen Kundgebungen im Süden des Landes, die in Xeres, Cadiz und Malaga [* 23] blutige Konflikte hervorriefen. Auf Cuba war ein blutiger Aufstand ausgebrochen. Die Finanzen S.s waren in größter Zerrüttung. Am wurde für die einzuberufenden konstituierenden Cortes ein auf dem allgemeinen Wahlrecht beruhendes Wahlgesetz verkündigt. Während Prim, Serrano, Topete u. s. w. sich für die konstitutionelle Monarchie aussprachen, suchten insbesondere Orense und Castelar für eine demokratische Föderativrepublik Propaganda zu machen.
Bei den Wahlen wurden von 351 Abgeordneten kaum 30 Isabellisten (Alfonsisten), Karlisten und Klerikale, etwa 60-70 Republikaner, zumeist aber monarchisch gesinnte Progressisten und Demokraten gewählt. Am 3. März wurde von den Cortes ein Ausschuß von 15 Mitgliedern erwählt, um den Entwurf einer neuen Staatsverfassung auszuarbeiten, der dann 6. April in den Cortes zur Beratung kam. In der Schlußabstimmung vom wurde die neue Verfassung, welche die monarchische Regierungsform beibehielt, mit 214 gegen 56 republikanische Stimmen angenommen und 6. Juni feierlich verkündigt, auch von den Mitgliedern der Exekutive beschworen.
Unmittelbar darauf wurde der Entwurf eines Regentschaftsgesetzes von dem Verfassungsausschuß eingebracht und nach kurzer Verhandlung angenommen. Am 15. Juni wählten die Cortes mit 193 gegen 45 Stimmen den Marschall Serrano zum Regenten des Königreichs bis zur Wiederbesetzung des Throns. Am 18. Juni leistete Serrano den Eid als Regent, zugleich erfolgte eine Modifikation des Kabinetts, in dem Prim Präsidentschaft und Kriegswesen und damit die eigentliche Regierungsmacht übernahm.
Darauf suchte die span. Regierung einen Kandidaten für den erledigten Thron zu gewinnen. Serrano, Topete und die Liberale Union waren für den Herzog von Montpensier, der den Verschwörern die ersten Geldmittel gegeben hatte und jetzt seinen Wohnsitz wieder in Sevilla nahm. Aber Prim und die Progressisten waren gegen diesen. Auch Napoleon III. bot alles auf, um die Thronbesteigung eines Orleans zu verhindern. Andererseits ward die Idee einer «Iberischen Union» zwischen S. und Portugal unter Dom Ferdinand mit größter Entschiedenheit von den Portugiesen zurückgewiesen.
Nun wurden Verhandlungen in Florenz
[* 24] angeknüpft, wo man den zweiten Sohn oder den Neffen Victor Emanuels II., den Herzog Amadeus
(s. d.) von Aosta oder den Herzog Thomas von Genua,
[* 25] im Auge
[* 26] hatte. Aber erstere Kandidatur wollte der ital.
König nicht gestatten, weil sein ältester Sohn damals noch keine Nachkommenschaft besaß, und gegen die zweite war die
Mutter des Prinzen. Aus diesen unsichern Zuständen suchten die Karlisten und Republikaner Gewinn zu ziehen. Der Prätendent
Karl VII. erhob einen Aufstand in den Provinzen, fand aber wenig Anhang; die zerstreuten Banden wurden binnen kurzer Zeit (Juli
bis August) von den Regierungstruppen auseinander gesprengt. Wegen neuer republikanischer Schilderhebungen
hatte der Regent
bereits 21. Juli den Kriegszustand über ganz S. verhängt. Die Aufständischen wurden auf allen Punkten geschlagen,
die Städte Barcelona, Saragossa,
[* 27] Valencia
[* 28] genommen. Bis Ende Oktober war die Ruhe überall wiederhergestellt, und setzten
die Cortes die suspendierten konstitutionellen Garantien wieder in Kraft.
[* 29]
Unter diesen Umständen schien der Herzog von Montpensier an Aussichten zu gewinnen. Ein von Castelar und der republikanischen Partei ¶