(lat. dies solis), der schon im vorchristl.
Altertum nach der
Sonne
[* 2] benannte erste
Tag in der Woche (s. d.).
Der S. wurde schon von den ältesten
Christen als
Tag der
Auferstehung Jesu neben dem jüd. Sabbat (s. d.)
und später an dessenStelle als Ruhetag gefeiert. (Vgl. Apokal. 1,10 [grch. hē kyriakē hēmĕra, lat.
Dominica dies,
«Tag des Herrn »], Apostelg. 20,7.) Im
Briefe des
Barnabas
(Kap. 15) und in dem
Briefe des
Plinius an den
KaiserTrajan
wird die Feier des S. als allgemeine christl.
Sitte vorausgesetzt.
Ging man früher nach beendigter
Andacht an die gewöhnlichen
Tagesgeschäfte, so untersagte (321)
Konstantin,
freilich noch mit
Beziehung auf die dem
Sonnengott gebührende Ehre, dieselben, doch sollten Feldarbeiten bei günstiger Witterung
auch am S. gestattet sein; Gerichtssachen sollten ruhen.
KaiserTheodosius der
Ältere und der
Jüngere verboten auch Schauspiel
am S.; eine
Synode von Châlons (649) fügte die Enthaltung von Feldarbeiten hinzu.
KaiserLeo III. untersagte
jede
Arbeit am
S., und nunmehr wurde die ganze
Strenge des jüd. Sabbatgebotes auf den christlichen S. angewendet.
Mit dem
Verfall des kirchlichen Lebens im Mittelalter trat auch eine mehr und mehr um sich greifende Entweihung des S. ein,
die sich in der Ausübung weltlicher
Geschäfte und in rauschenden Vergnügungen kundgab. Die deutschen
Reformatoren forderten
eine würdige Feier des S., doch ohne gesetzliche
Strenge, wogegen die
Reformierten das jüd. Sabbatgebot auf den christlichen
S. anwenden wollten. Die strengste
Sonntagsfeier hat sich in der anglikan.
Kirche, in England,
Schottland und
Nordamerika
[* 3] erhalten. Doch hat sich neuerlich in England eine Gegenwirkung geltend gemacht; so namentlich in der 1875 ins
Leben getretenen
Allgemeinen Sonntagsgesellschaft
(Sunday-League).
Über dieNamen der
S. s.
Kirchenjahr und die Einzelartikel.
(S. auch
Sonntagsarbeit und
Sonntagsfeier.) -
Das Problem der
Sonntagsfeier hat einen doppelten Charakter. Es kommt darauf an, einen
Tag zu gewinnen,
an welchem der
Mensch seinem religiösen Bedürfnis genügen kann (Sonntagsheiligung, s.
Sonntag und
Sonntagsfeier), und nicht
minder wichtig ist die Bedeutung des
Sonntags als eines Erholungstags von harter Wochenarbeit
(Sonntagsruhe).
Im Zeitalter der Fabriken, bei der heutigen Konkurrenz und Ruhelosigkeit im Erwerbsleben tritt die letztere Seite als eine
Forderung der öffentlichen Gesundheitspflege besonders hervor, während die ältere Zeit mehr aus kirchlichen Rücksichten
eine strenge
Beobachtung des
Sonntags zu erzwingen suchte. Beide Standpunkte miteinander zu vereinigen und eine vollkommenere
Feier des
Sonntags anzubahnen, lassen sich die 1861 gegründete «Gesellschaft für
Beobachtung des
Sonntags», die seit 1871 zu
einer
«Schweizer Gesellschaft für Sonntagsheiligung» geworden ist, und die 1872 vom Pastor Quistorp in
Deutschland
[* 4] begründete
«Deutsche
[* 5] Gesellschaft der
Sonntags- und Arbeiterfreunde» angelegen sein. - Durch die Gesetzgebung ist jetzt in den
meisten Kulturländern die S. erheblich eingeschränkt; entsprechend den religiösen
Anschauungen und den Volkssitten findet
man bei den verschiedenen Völkern eine mehr oder weniger streng durchgeführte
Sonntagsruhe.
Ein völliges Verbot
aller und jeder S. läßt sich nicht durchführen, weil manche
ArbeitenSonntags ohne die wesentlichsten
Schädigungen kaum verhindert werden könnten. So müssen z. B. aus technischen
Gründen gewisse einmal begonnene Erhitzungs-,
Glüh-,
Brenn-, Schmelz-, Destillationsprozesse zu Ende geführt werden, wenn
das Fabrikat in der gewünschten Beschaffenheit erzielt werden soll; wenn nicht auch jedes Vergnügen verboten sein soll,
so müssen die Verkehrsmittel (Eisenbahnen, Pferdebahnen u. s. w.) im Betrieb bleiben; auch
würde es den Volksgewohnheiten der meisten
Länder, wenigstens des Kontinents, widersprechen, wenn man
auch den Betrieb der
Gastwirtschaft,
Theater
[* 6] u. s. w. verböte. Die Gesetze aller
Länder weisen daher auch Ausnahmen von dem
Verbot der S. auf.
In
Deutschland ist das Verbot der S. aus Erholungsgründen erst durch das
Arbeiterschutzgesetz,
d. i. die Novelle zur Gewerbeordnung
vom eingeführt; bis dahin war nur den Gewerbtreibenden verboten, ihre
Arbeiter zur Thätigkeit an
Sonn- und Festtagen
zu verpflichten (Gewerbeordnung §§. 1052, 126, 1363); außerdem war die Beschäftigung jugendlicher
Arbeiter von 12 bis 14 Jahren
in Fabriken, Werkstätten u. s. w. an
Sonn- und Festtagen sowie während der vom ordentlichen Seelsorger
für den Religionsunterricht bestimmten
Stunden untersagt und verfügt, daß der Lehrherr dem Lehrlinge die zu seiner Ausbildung
und zum Besuch des Gottesdienstes an
Sonn- und Festtagen erforderliche Zeit und Gelegenheit durch Verwendung zu andern Dienstleistungen
nicht entziehe.
In den Einzelstaaten bestanden, regelmäßig in Form von Polizeiverordnungen, Verbote der S. nur
aus religiösen
Gründen, d. h. zur Sicherung des Gottesdienstes gegen äußere
Störung sowie zur Heilighaltung der
Sonn- und
Festtage.
Teils wegen ihrer Buntscheckigkeit, teils wegen ihrer ungenügenden Durchführung und Unzulänglichkeit als gleichzeitiges
Arbeiterschutzmittel wurde mehrfach seit den siebziger Jahren die Einführung eines Reichsgesetzes über die
Sonntagsruhe
angestrebt. 1885 wurde eine
Enquete über die Beschäftigung gewerblicher
Arbeiter an
Sonn- und Festtagen
angeordnet, deren Ergebnisse 1887 in drei
Bänden veröffentlicht wurden.
Nach dieser
Enquete hatten von 500 156 untersuchten Betrieben mit 1 582 591
Arbeitern in
Preußen
[* 7] 58 Proz. aller Betriebe und 42 Proz.
aller
Arbeiter S. Nach Berufsabteilungen gegliedert kam S. vor: in der Großindustrie je 49,4 Proz. der
Betriebe, bei 29,8 Proz. der
Arbeiter;
im Handwerk je 42,1 Proz. der Betriebe, bei 41,8 Proz. der
Arbeiter;
im
Handel und Verkehr
je 83 Proz. der Betriebe, bei 77,6 Proz. der
Arbeiter.
Nachdem bereits in der internationalen
Arbeiterschutzkonferenz in
Berlin
[* 8] (März 1890) die Frage der
Sonntagsruhe eingehend erörtert worden war, ohne daß jedoch Verständigung
über eine internationale Regelung erzielt worden wäre, ist nun das Verbot der S. in dem
Arbeiterschutzgesetz vom und
der Gewerbeordnungsnovelle vom geordnet. Hiernach dürfen 1) in der
Industrie, d. h. im Betrieb
von
Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten,
Brüchen und Gruben, von
Hüttenwerken, Fabriken und Werkstätten, von Zimmerplätzen
und andern Bauhöfen, von Werften und Ziegeleien sowie bei Bauten aller Art,
Arbeiter an
Sonn- und Festtagen grundsätzlich
nicht beschäftigt werden;
¶
mehr
2) im Handelsgewerbe und seit nach Novelle vom auch in Konsum- und andern Vereinen dürfen Gehilfen, Lehrlinge
und Arbeiter am Weihnachts-, Oster- und Pfingsttage überhaupt nicht, im übrigen an Sonn- und Festtagen nur fünf Stunden beschäftigt
werden; Gemeinde und weiterer Kommunalverband können die Beschäftigung noch weiter beschränken oder
ganz untersagen (§. 105 b). Die Feststellung der Stunden erfolgt durch die Polizeibehörde. Gesetzlich ausgeschlossen ist
die Sonntagsruhe für 1) Arbeiten, die in Notfällen oder im öffentlichen Interesse unverzüglich vorgenommen werden müssen;
2) Arbeiten zur Durchführung einer gesetzlich unverschiebbaren Inventur;
3) Bewachung der Vetriebsanlagen und notwendige Arbeiten für Reinigung und Instandhaltung der Betriebsanlagen;
4) Arbeiten, die zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitererzeugnissen erforderlich
sind. Durch Beschluß des Bundesrats (vgl. hierher Bekanntmachung des Reichskanzlers vom mit Nachträgen vom 20. April,26. Juni,14. Juli,
können Ausnahmen zugelassen werden für Gewerbe, in denen Arbeiten vorkommen, welche ihrer Natur nach
eine Unterlassung und Aufschub nicht gestatten, sowie für Arbeiten, die auf eine bestimmte Jahreszeit beschränkt sind oder
zu gewissen Zeiten des Jahres zu außergewöhnlich verstärkter Thätigkeit nötigen (§. 105 d). Die höhere Verwaltungsbehörde
kann S. gestatten für Gewerbe, deren Ausübung an Sonn- und Festtagen zur Befriedigung täglicher und
an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung
[* 10] erforderlich ist, sowie für Betriebe, welche ausschließlich
oder vorwiegend mit durch Wind oder unregelmäßige Wasserkraft bewegten Triebwerken arbeiten.
Die untere Verwaltungsbehörde ist befugt, vorübergehende Ausnahmen zuzulassen, wenn zur Verhütung eines unverhältnismäßigen
Schadens ein nicht vorher zu sehendes Bedürfnis der Beschäftigung eintritt. Im Handelsgewerbe kann
die Polizeibehörde eine Vermehrung der Stunden bis auf 10 gestatten in den letzten vier Wochen vor Weihnachten, sowie für
einzelne Sonn- und Festtage, an welchen örtliche Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr nötig machen.
Die Bestimmungen über Sonntagsruhe findet keine Anwendung auf Gast- und Schankwirtschaften, Verkehrsgewerbe
(doch sind neuerdings Bestimmungen über Sonntagsruhe im Güterverkehr der Eisenbahnen getroffen worden) und Aufführungen
aller Art (Musikaufführungen, Theater u. s. w.). Für jugendliche Arbeiter von 12 bis 14 Jahren ist in Fabriken die S. ganz
verboten, Lehrlingen muß die zum Besuch des Gottesdienstes erforderliche Zeit und Gelegenheit gewahrt
werden. Für Übertretung dieser auf jugendliche Arbeiter bezüglichen Vorschrift ist Geldstrafe bis 2000 M., im Unvermögensfalle
Gefängnis bis sechs Monate angedroht (§. 146, Ziff. 2); für Übertretung der besondern für Lehrlinge Geldstrafe bis 150 M.,
im Unvermögensfalle Haft bis vier Wochen (§. 148, Ziff. 9); für Übertretung derjenigen bezüglich
aller Arbeiter und des Handelsgewerbes 600 M. und im Unvermögensfalle Haft (§. 146 a).
Die Bestimmungen für das Handelsgewerbe traten in Kraft;
[* 11] die für die Industrie weil die Ermittelung
der vom Bundesrat zuzulassenden Ausnahmen (s. oben) lange Zeit in Anspruch nahm. Die zulässigen Ausnahmen
erschöpfend zu umgrenzen, war keine leichte Aufgabe,
aber sie darf in der Hauptsache als befriedigend gelöst angesehen werden.
Gerade die genaue, möglichst erschöpfende Aufzählung der Sonntags erlaubten Arbeiten ist der Vorzug des deutschen Sonntagsgesetzes.
Ungefähr 10 Proz. sämtlicher in produktiven Gewerben beschäftigten Arbeiter gehört, abgesehen von den einzelnen Saisonindustrien,
solchen Industrien an, für die der Bundesrat Ausnahmen bewilligt hat. Die Ausnahmen erstrecken sich bei zahlreichen Industriezweigen
nur auf einige Monate im Jahr; dabei sind in der Regel nur gelegentliche Arbeiten, keineswegs der ganze Betrieb freigegeben;
auch ist in zahlreichen Fällen die Beschäftigung von Arbeiternnur für einen Teil des Sonntags, vielfach
nur für einige Stunden erlaubt. Zu bemerken ist, daß andererseits das Verbot der Beschäftigung von Arbeitern durch kaiserl.
Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats noch auf andere Gewerbe ausgedehnt und auch landesgesetzlich S. weitergehend verboten
werden kann (§. 105 g und h), sowie daß im Handelsgewerbe und in Konsum- und andern Vereinen, soweit
Arbeiter nicht beschäftigt werden dürfen, auch in offenen Verkaufsstellen (seitens der Gewerbeinhaber selbst) ein Gewerbebetrieb
nicht stattfinden darf (§. 41 a). Auch der Hausierhandel und ambulante Gewerbebetrieb am Orte ist, außer Darbieten von Lustbarkeiten,
an Sonntagen verboten (§. 55 a). Gestiegen ist der Verkauf von Eßwaren, Cigarren u. s. w.
(insbesondere auch durch Automaten) in Wirtschaften; denn diese können, weil für sie Sonntagsruhe nicht gilt, Waren, die
zum Betrieb des Gewerbes gehören (nicht also z. B. Schokolade) und zum Genuß auf der Stelle bestimmt sind, uneingeschränkt,
also auch durch Automaten verkaufen, während sonst für Automaten als Betriebsbestandteil die Bestimmungen
über Sonntagsruhe gelten. Doch machte sich gegen dieses Recht der Wirte Frühjahr 1896 im Reichstag eine Agitation bemerkbar.
In Österreich,
[* 12] durch Novelle zur Gewerbeordnung vom eingeführt, ist die Sonntagsruhe derzeit durch Gesetz vom 16. Jan. und
für den Hausierhandel vom geregelt. Hiernach hat an Sonntagen alle gewerbliche Arbeit zu ruhen,
von welcher Regel jedoch gewisse allgemeine Ausnahmen gelten, so z. B. für die an den Gewerbelokalen
und Werksvorrichtungen vorzunehmenden Säuberungs- und Instandhaltungsarbeiten, die persönlichen, nicht öffentlich vorgenommenen
Arbeiten des Gewerbeinhabers ohne Verwendung eines Hilfsarbeiters u. s. w. Die Regierung
kann bei Gewerben, bei denen ihrer Natur nach Unterbrechung des Betriebes oder Aufschub derArbeit unthunlich
oder bei denen der Betrieb an Sonntagen im Hinblick auf die Bedürfnisse der Bevölkerung oder des öffentlichen Verkehrs erforderlich
ist, die Arbeit auch an Sonntagen (Ministerialverordnung vom 24. April und gestatten.
Die Ausnahmen sind so zahlreich, daß sie das Gesetz zum großen Teil illusorisch machen. Unter Umständen
ist den durch S. betroffenen Arbeitern Ersatzruhe an Wochentagen zu gewähren. BeimHandel ist der Sonntagsbetrieb höchstens
für sechs Stunden gestattet; unter bestimmten Voraussetzungen kann diese Zeit eingeschränkt oder erweitert werden. Nach Anordnung
des Handelsministers vom Jan. 1896 ist auch den Gehilfen der Fiaker und Einspänner ein Ruhetag wöchentlich
zu gewähren. - In Ungarn
[* 13] ist durch den XIII. Gesetzartikel vom J. 1891 die gewerbliche
¶