Die Küstenbevölkerung, vorzüglich auf der Nordseite, unterhält wenig Bodenkultur, aber
Handel mit
Maskat und
Sansibar
[* 2] und
verproviantiert
Ostindienfahrer und Walfischfänger.
Tamarida, an der Nordküste, der Hauptort mit 100 E., Residenz des
Sultans
von S., hat die beste
Reede. -
Schon im
Altertum war S. (Dioscorida) wegen seiner
Lage am Eingang des
RotenMeers Handelsstation. Seit 1507 gehörte die
Insel den Portugiesen, dann dem Imam von
Maskat, hierauf dem
Sultan von Keschin; 1835 erwarben
sie die Engländer und benutzten sie zur Kohlenniederlage, gaben sie wegen des fiebererzeugenden
Klimas auf, besetzten sie
jedoch 1878 wieder und erklärten sie 1886 für ihrenBesitz. -
Vgl. Schweinfurth, Das
Volk von S. (in
«Unserer Zeit», 1883).
griech.
Philosoph, geb. 470
v. Chr. zu
Athen,
[* 3] Sohn des Bildhauers Sophroniskus und der
Hebamme Phänarete, war
anfangs selbst Bildhauer, erkannte aber dann als seinen wahren
Beruf die
Philosophie, der er mit vollem
Glaubenan sich selbst
seine ganze Zeit widmete. Spätere geben ihm den Anaxagoreer
Archelaus zum
Lehrer, er selbst nennt, halb
scherzend, den
Sophisten Prodikus seinen
Meister. Die
Schriften der ältern
Philosophen kannte er gründlich, doch schlug er
eigene Wege ein.
Nach der
Darstellung des
Plato und
Xenophon lebte er ohne
Geschäft, arm und bedürfnislos, auch vom Staatsleben
sich möglichst fern haltend; er suchte den Handwerker in der Werkstatt, den jungen Vornehmen auf den Übungsplätzen auf,
war auf allen Gassen zu finden, unersättlich die Leute,
Städter und Fremde, ins Gespräch zu ziehen, sie, falls sie irgendein
Wissen zu besitzen glaubten, zu prüfen, zur Rechenschaft zu nötigen, zur Selbsterkenntnis zu zwingen.
Er hat seine Vaterstadt nicht verlassen, außer einmal zu den Isthmischen
Spielen und dreimal im Kriegsdienst; in den Kämpfen
bei Potidäa 432, Delium 424 und
Amphipolis 422 zeichnete er sich durch persönliche Tapferkeit aus. An öffentlichen Angelegenheiten
beteiligte er sich zweimal pflichtmäßig, beidemal trat er ungerechten Forderungen, einmal des
Demos,
das andere
Mal der Oligarchen unerschrocken entgegen. In S. vereinigt sich eine in der Griechenwelt vielleicht einzige Ursprünglichkeit
und
Tiefe des Innenlebens mit einer höchst hervorstechenden Sonderbarkeit der äußern Erscheinung und Umgangsweise; er
zeigt eine wunderbare Gabe der Unterredung, große Fähigkeit,
Gedanken im andern zu erzeugen, ihn auf
sich selbst, auf seine eigene Innenwelt hinzulenken, alles in der ironischen
Maske dessen, der vom andern lernen will und
bei diesem die «Weisheit», die ihm selber mangle, voraussetzt.
Dies alles machte ihn den
Besten seiner Zeit anziehend, der Menge verhaßt.
Verdacht wurde ihm auch der
Anhang, den er bei
der vornehmen
Jugend, bei Männern wie Kritias und
Alcibiades fand, mehr noch die freie Kritik der athenischen
Demokratie, vollends
die Unabhängigkeit seiner religiösen
Anschauungen. Man fühlte instinktiv, daß die geistige Wiedergeburt, auf die er, ein
echter philos.
Reformator, hinarbeitete, das Bestehende in seiner
Wurzel
[* 4] angriff, und fühlte sich, der ungeheuren
Macht seiner Persönlichkeit gegenüber, gewissermaßen im
Stande der
Notwehr.
Der
KomikerAristophanes hatte sich in den
«Wolken» (423) seiner charakteristischen
Maske bedient zu einem sehr ernst gemeinten
Angriff auf unsittliche
Sophisten und freigeisterische Naturforscher; das hing ihm nach, obgleich er mit
beiden nichts gemein
hatte. Zur
Katastrophe aber führte erst die demokratische Reaktion nach dem
Sturze der
Oligarchie der Dreißigmänner.
Die
Anklage, die ein Dichter Meletus, ein Volksredner Lykon und ein Gerber und Staatsmann Anytus 399 einreichten, lautete,
daß
S. an die
Götter, die der Stadt gelten, nicht glaube, andere neue Gottheiten einführe und die
Jugend verderbe.
Der erste Klagepunkt bezog sich darauf, daß S. sich ein
«Dämonium» zuschrieb, d. h. eine ihm allein
zu teil werdende göttliche Warnstimme; der Vorwurf, daß er die
Jugend verderbe, zielte auf seinen Einfluß bei den vornehmen
Jünglingen. Man hatte wahrscheinlich nur die
Absicht, den S. gründlich zu demütigen und zum Schweigen zu bringen. Der
Spruch, der auf schuldig lautete, erfolgte nur mit geringer Stimmenmehrheit, und noch stand es ihm selbst frei, eine
milde
Strafe zu beantragen; er durfte die
Verbannung wählen, ja man hätte ihn wohl gegen eine bloße Geldbuße freigegeben
unter der einzigen
Bedingung des Schweigens.
Allein mit ungebrochenem
Stolz erklärte er, von dem durch Gott ihm auferlegten
Beruf nicht lassen zu können
und den
Tod auch der
Verbannung vorzuziehen. So erfolgte die
Verurteilung zum
Tode. Noch 30
Tage durfte er in ungestörtem Verkehr
mit den Freunden im Kerker leben, bis das Festschiff von Delos (während dessen
Abwesenheit kein
Urteil vollstreckt werden
durfte) zurückkam; es wäre ein
Leichtes gewesen, ihn sicher über die Grenze zu schaffen, er wies den
ungesetzlichen
Vorschlag der Freunde mit Entrüstung zurück und nahm den Giftbecher.
Als den
Inbegriff seiner «Weisheit» erklärt S. selbst in
Platos«Apologie des S.», die wohl als die am meisten authentische
Urkunde seinerPhilosophie gelten kann, sein
Wissen, daß er nichts wisse. Diese Selbstbesinnung ist ihm
die wahre menschliche Weisheit, im Unterschied von der übermenschlichen, die die
Weisen vor ihm erreicht zu haben wähnten.
Die
SokratischePhilosophie besteht daher wesentlich in dem kritischen
Verfahren, der Prüfung alles vermeinten
Wissens auf seine
Zulänglichkeit.
Solche Prüfung setzt ein
Bewußtsein davon voraus, was zum wahren
Wissen gehört; dieses
Bewußtsein spricht
sich aus in den beiden
Sokratischen Verfahrungsweisen der Induktion
[* 5] und der
Begriffsbestimmung. Wahres
Wissen ist ein solches,
das auf dem sichern
Begriff der Sache beruht, der Prüfstein des wahren
Begriffs aber ist die allseitige Bewährung durch das
induktive
Verfahren. Vorzüglich wandte S. seine Methode an auf das sittliche
Wissen, während er auf Naturerklärung verzichtete.
Tugend ist
Wissen; den rechten
Begriff vom Guten, Gerechten u. s. w. haben und gut, gerecht u. s. w.
sein ist
Eins.
Über die rechte Erkenntnis hat keine andere Macht in uns Gewalt, weder
Lust noch Unlust,
weder
Begierde noch
Furcht; niemand thut bewußt Unrecht, sondern nur aus mangelnder Erkenntnis. Besinnung, Erkenntnis ist
die eigentümliche Kraft
[* 6] der Seele, auf die Seele kommt für den
Menschen alles an, alles Seelische aber auf Besinnung (phronêsis),
wofern es zum Guten ausschlagen soll. Das Gute ist
Eins mit dem Nützlichen, worunter S. nicht das versteht,
was zu einem andern Zweck nützt, sondern wozu alles nützt, was wahrhaft nützt. Am Leben und seinen
Gütern liegt nichts,
sondern daran allein, daß man recht thue. S. weiß nicht,
ob derTod ein Übel, daß aber unrecht thun ein Übel und Schade,
ist, ein weit größeres als unrecht
¶
mehr
leiden, das weiß er. Den bestimmten Inhalt der sittlichen Pflichten wußte S. nicht abzuleiten; er scheint ihn positiven Instanzen
zu entnehmen, wenigstens betont er aufs stärkste den Gehorsam gegen den Staat und sein Gesetz, wiewohl er von den irdischen
Richtern und Gesetzen an die im Hades, d. i. an das ewige Gericht des Sittengesetzes appelliert und erklärt,
Gott mehr als den Menschen zu gehorchen. Das irdisch Gesetzliche ist ihm nicht ohne weiteres das Gerechte, aber es ist ihm
geheiligt durch das ewige Sittengesetz, dessen Vertreter es sein will und, soweit es unter irdischen Bedingungen möglich ist,
auch wirklich ist.
Analog ist seine Stellung zurReligion. Die Hoffnung der Unsterblichkeit soll nicht die Voraussetzung der
sittlichen Überzeugung bilden; S. erklärt nicht zu wissen, was uns nach dem Tode erwartet; daß aber Rechtthun schlechthin
gut, Unrechtthun übel für uns ist, das weiß er. Doch hegt er, eben auf Grund seiner sittlichen Überzeugung,
die Hoffnung auf ein Jenseits. Von der Gottheit ist er überzeugt, daß, was sie über uns beschließt, schlechthin gut sein
muß; daß dem Gerechten niemand etwas anhaben kann, da Gott ihn nicht verläßt; daß, wer auf das Gute baut, nicht betrogen
ist, und geschehe ihm hier das Äußerste. In solchem Sinne erklärt er: ich glaube an Götter wie keiner
meiner Ankläger. Der Vertreter jener höhern Richter und Gebieter ist ihm jene warnende Stimme, sein Dämonium. Der teleologische
Monotheïsmus, den Xenophon ihm beilegt, ist wahrscheinlich nicht sokratisch, sondern dem Antisthenes (s. d.) entlehnt, von
dem er auf die Stoiker überging.
S. hat keine Schriften hinterlassen, wohl aber eine Reihe bedeutender Schüler, die ihrerseits philos.
Schulen von sehr verschiedenen Tendenzen gründeten. (S. Sokratiker.) Am tiefsten hat zweifellos Plato ihn begriffen, der in
einigen seiner Schriften, welche die Sokratische Gesprächsmanier nachahmen, fast reiner Sokratiker ist, in nahezu allen aber
das Beste, was er mitzuteilen weiß, dem S. in den Mund legt. Aber auch andere Sokratiker verfaßten «Sokratische
Gespräche», wobei auch sie sich die Freiheit nahmen, dem S. ihre eigenen Ansichten unterzuschieben. Erhalten sind uns davon
die «SokratischenDenkwürdigkeiten» des Xenophon.
Vgl. Schleiermacher, über den Wert des S. als Philosophen (in den «Gesammelten Werken», Abteil.
III, Bd. 2, Berl. 1838);
Brandis, Grundlinien der Lehren
[* 8] des S. (im «Rhein. Museum», I, 1827);