wegen ihres streng religiösen Charakters mehr kirchliche Sekten als socialökonomische Gründungen. Neuerdings hatte Hertzka
ebenfalls die
Absicht, ein socialistisches Gemeinwesen (Freiland) in
Afrika
[* 2] zu gründen, doch scheiterte der
Plan, bevor die
Expedition am Zielpunkt angelangt war.
Litteratur.Eine reichhaltige Übersicht über die gesamte Litteratur des S. giebt das Werk von Stammhammer,
Bibliographie des
S. und
Kommunismus
(Jena
[* 3] 1893). -
Der christliche Socialismus ist keine
Abart des S. in dem oben definierten
Sinne, daß er eine auf die Kollektivierung der
Produktionsmittel oder überhaupt gegen das Privateigentum gerichtete Partei ist, sondern er bezeichnet
die
Richtung, welche im Gegensatz zur
Socialdemokratie vom Standpunkt des
Christentums tiefgreifende socialchristl.
Reformen
zu Gunsten der Schwachen und Besitzlosen fordert, über die Forderungen im einzelnen gehen die Meinungen auseinander. Im
evang.
Deutschland
[* 11] wurde der christliche S. begründet von Victor Aimé Huber (s. d.)
und
Johann Hinrich Wichern (s. d.); weitere Ausbreitung erlangte
er erst mit dem
Wachsen der socialen Mißstände seit dem Beginn der siebziger Jahre, wo das
Buch des Pfarrers Todt, «Der radikale
deutsche
S. und die christl. Gesellschaft» (Wittenb. 1877; 2.
Aufl.
1878), den Anstoß zur
Begründung der Christlich-socialen Partei (s. d.) durch
Stöcker gab, die nach einem zeitweiligen Rückgang
einen neuen Aufschwung nahm und sich von
Berlin
[* 12] aus über ganz
Deutschland verbreitete.
Besondere Pflege findet die Idee des christlichen S. auch in den 1882 durch den
Bergmann Fischer und den
LehrerBischof begründeten
Evangelischen Arbeitervereinen (s. d., Bd.
17), die gegenwärtig in
Deutschland etwa 80000 Mitgliederzählen. Ein 1892 aufgestelltes Programm, das
durch ein
Kompromiß zwischen dem von dem Pfarrer
Naumann in
Frankfurt
[* 13] a. M. geführten linken Flügel und dem unter Leitung
des
LicentiatenWeber in
München-Gladbach stehenden rechten Flügel zu stande kam, fordert: Ausgestaltung der staatlichen
Arbeiterversicherung
und der Arbeiterschutzgesetzgebung durch Kürzung der Arbeitszeit, Einschränkung der Frauen- und
Kinderarbeit sowie der
Nachtarbeit, Einführung obligatorischer Fachgenossenschaften, Sicherung des vollen Koalitionsrechts für die
Arbeiter sowie
Einführung von Arbeitervertretungen in den einzelnen Fabriken.
Vorsitzender des Gesamtverbandes der evangel. Arbeitervereine
ist Pastor Werth in
Schalke
[* 14] (Westfalen).
[* 15] Die Ausschußsitzungen des Gesamtverbandes finden regelmäßig jährlich im Anschluß
an die Versammlungen des 1890 von
StöckerundWeber begründeten
Evangelisch-socialenKongresses (s. d.,
Bd. 17) statt. Diese Versammlungen fanden 1890-93 in
Berlin, 1894 in
Frankfurt a. M., 1895 in
Erfurt
[* 16] statt. -
Vgl. Weder, Die
Behandlung der socialen Frage auf evang. Seite
(Halle 1888);
Göhre, Die evangelisch-sociale
Bewegung, ihre Geschichte und ihre
Ziele (Lpz. 1896).
Berichte über die Verhandlungen der evang.-socialen
Kongresse (Berl. 1890 fg.); die Zeitschrift «Die
Hilfe», hg. von
FriedrichNaumann (Frankf. a. M. 1894 fg.).
In England sind die ersten Begründer des christlichen S. die Geistlichen F. D.
Maurice und Charles Kingsley, die im
Verein
mit dem
Advokaten Ludlow eine Zeitschrift
«ChristianSocialist» (1850-51),
dann ein «Journal of
Association» (1852)
herausgaben und eine Gesellschaft zur Förderung der Arbeiterassociationen ins Leben riefen. -
Vgl. darüberL.Brentano,
Die christl.-sociale
Bewegung in England (Lpz. 1883).
Auch die
katholische Kirche versucht die
sociale Frage in christl.
Sinne zu lösen, wie denn
Leo XIII. 1891 in einer Encyklika
über die
Arbeiterfrage die hauptsächlichsten Punkte erörterte, in denen ein Eingreifen des
Staates zu
empfehlen sei. In
Deutschland war es besonders der
Bischof Ketteler (s. d.) von Mainz,
[* 17] der durch seine
Bücher «Die
Arbeiterfrage
und das
Christentum» (Mainz 1864) und «Die Arbeiterbewegung und ihr Streben
im Verhältnis zu
Religion und Sittlichkeit» (ebd. 1869) Aufsehen erregte; gegenwärtig wirken in christl.-socialem
Sinn vornehmlich Professor Hitze (s. d.), Oberdörffer, Stötzel und Dasbach.
Es besteht ein ausgebreitetes geschlossenes kath.
Vereinswesen unter
Bauern, Handwerkern,
Arbeitern,
Gesellen u. s. w. In
Österreich
[* 18] stehen an der
Spitze der christl.-socialen
Bewegung, die dort eine starke antisemit. Färbung hat, der Prinz
Alois Liechtenstein
[* 19] (s. d.) und der
AdvokatLueger. In
Belgien
[* 20] bestehen ähnliche Organisationen. -