weil sich der Übelstand herausstellte, daß sich unnütze, wenig beliebte Waren massenhaft in der
Bank anhäuften, während
die beliebten gangbaren
Artikel schnellen
Absatz fanden.
Außer Owen sind noch eine Reihe engl.
Socialisten zu nennen, die in
ihren
Theorien, namentlich in der Wertlehre, vielfach
Ähnlichkeit
[* 2] mit der modernen Ausbildung der socialistischen
Theorie, speciell mit
KarlMarx aufweisen;
unter ihnen sind die wichtigsten: Charles
Hall,
[* 3] The effects of civilisation on the
people in the European States (1805);
William
Thompson, An enquiry into the principles of distribution of wealth (1824);
John
Gray, A lecture on human happiness (1825);
J. F.
Bray, Labour's wrongs and labour's remedies (1839).
Von allen
Ländern hat aber
Deutschland
[* 4] die bedeutendsten theoretischen
Vertreter des S. hervorgebracht, vor allen
Karl Rodbertus
und
KarlMarx. Doch sind aus früherer Zeit noch zwei
Namen zu nennen, der
Philosoph des S.:
Johann Gottlieb
Fichte,
[* 5] und der kommunistische
Agitator: der Schneider Wilhelm Weitling.Fichte tritt in seinem 1800 erschienenen Werke «Der geschlossene
Handelsstaat» für das energischste Eingreifen des
Staates in die wirtschaftliche Ordnung ein.
Seine praktischen
Vorschläge gehen darauf hinaus, daß die
Staatsgewalt zum Betrieb von
Industrie und
Handel nur so viel
Personen
zuläßt, als die vorhandenen
Ackerbauer ernähren können, daß aber andererseits die
Ackerbauer, die
Industriellen und Handelsleute ein ausschließliches
Recht auf den Betrieb ihres
Berufszweiges haben sollen. Überdies hätte
die
Staatsgewalt die Preise aller Dinge zu bestimmen, und zwar wären diese in dem unentbehrlichsten Lebensmittel (Roggen,
Weizen) auszudrücken. - Wilhelm Weitling stiftete in der
Schweiz
[* 6] einen Kommunistenbund mit internationalen Verzweigungen
und entfaltete als
Agitator große Geschicklichkeit und
Energie.
Sein
System legte er in einer
Schrift«Garantien der
Harmonie und
Freiheit»
(Vevey 1842) dar; nach seinen
Vorschlägen soll die
Gesellschaft verpflichtet sein, jedem Mitglied die notwendigen und die nützlichen Produkte der Dienstleistungen zu liefern,
wogegen dieses zu einer gewissen Zeitarbeit (sechs
Stunden täglich) verpflichtet ist. Sodann aber hat
jedes Mitglied auch noch das
Recht, weitere Arbeitsstunden (Kommerzstunden) zu leisten, um sich dadurch auch die bloß angenehmen
Produkte oder Dienstleistungen zu verschaffen. Eine zweite
Schrift Weitlings: «Evangelium des armen Sünders», gab der
Pariser
Regierung Veranlassung zum Einschreiten. Weitling wurde über die Grenze geschafft und ging nach
London.
[* 7]
Eine ganz besondere
Stellung nimmt der theoretische
SocialistKarl Rodbertus (s. d.) ein. Er war kein socialistischer
Agitator,
in die Arbeiterbewegung hat er praktisch nicht eingegriffen; er war Gelehrter und hat sein socialistisches
System nur in rein
wissenschaftlichen Werken niedergelegt, hat aber namentlich auf die sog. Kathedersocialisten,
die einen
Teil seiner
Lehren
[* 8] acceptieren, mächtigen Einfluß ausgeübt. Rodbertus findet die gemeinsame
Ursache des Pauperismus und der Handelskrisen in der Erscheinung, daß die
Arbeiter nicht den vollen Wert ihrer
Arbeit erhalten,
sondern nur eine kleine Quote.
Infolge des
Grund- und Kapitaleigentums könnten nämlich die
Arbeiter von dem gesamten Nationaleinkommen nicht
mehr erhalten als den notwendigen
Unterhalt, während den
Grund- und Kapitalbesitzern der
ganze Rest in der Form von Grundrente
und Kapitalgewinn zufiele. Die Konsequenz dieses geringen Lohnes seien auch die Handelskrisen, denn während infolge der
immer neuen technischen Verbesserungen die Produktenmasse immer stiege, bleibe die Kaufkraft der großen
Masse der
Arbeiter immer gleich gering, so daß viele Produkte unverkauft bleiben müßten.
Rodbertus meint aber nicht, daß sofort an
Stelle dieser Rechtsordnung das Gemeineigentum an
Boden und Kapitalien treten solle;
er glaubt vielmehr, daß erst in später Zukunft, etwa in 500 Jahren, der Zeitpunkt für eine kommunistische Gesellschaftsordnung
gekommen sei; vorläufig könne es sich nur um ein
Kompromiß zwischen der bestehenden Rechtsordnung und
dem S. handeln. Der wesentliche
Inhalt der sofort ins Werk zu setzenden
Vorschläge ist folgender: Der
Staat hätte die Bestimmung
des Preises der Lohnarbeit und der Waren nicht mehr dem freien Verkehr zu überlassen, sondern sie durch ein
umfangreiches Taxsystem selbst in die
Hand
[* 9] zu nehmen.
Die Preise wären aber nicht, wie gegenwärtig, in Metallgeld, sondern in Arbeitsgeld zu bestimmen. Zu diesem Zwecke müsse
in jedem
Gewerbe der normale Zeitarbeitstag und das normale Arbeitswerk eines solchen Zeitarbeitstags festgesetzt werden;
in diesen normalen Arbeitsstunden oder
-Tagen wird auch der Preis aller Waren und Dienstleistungen festgesetzt.
Bei Waren ist nicht nur die unmittelbar verwendete
Arbeit, sondern auch der Wert der Werkzeuge
[* 10] nach dem Verhältnis der Abnutzung
anzurechnen. Da die Produktivität der
ArbeitVeränderungen unterworfen ist, folglich dasselbe
Maß normaler
Arbeit zu verschiedenen
Zeiten mehr oder weniger Produkte erzeugt, so muß der
Staat periodische Revisionen seiner Preislisten
vornehmen. Um die Cirkulation des Arbeitsgeldes in
Gang
[* 11] zu bringen, hätte der
Staat sich dessen Emission vorzubehalten, den
Arbeitgebern billigen Kredit in diesen Geldzeichen zu gewähren und Staatsmagazine anzulegen, in denen die Waren aufbewahrt
und gegen Arbeitsgeld eingetauscht werden.
Der
Vorteil, welcher aus diesen Maßregeln für die arbeitenden
Klassen entspringen würde, besteht nach
der
Absicht Rodbertus' hauptsächlich darin, daß ihnen nunmehr eine feste Quote des gesamten Nationaleinkommens (z. B.
2/10) gesichert wäre. Während gegenwärtig das Einkommen der arbeitenden
Klassen auch bei steigender Produktivität der
Arbeit immer auf dem Niveau des notwendigen
Unterhalts zurückgehalten wird, würde dasselbe in Zukunft
in gleichem
Maße wie
Kapital, Gewinn und Grundrente steigen.
Im Gegensatz zu Rodbertus ist Ferdinand Lassalle (1825-64) weniger Theoretiker des wissenschaftlichen S., sondern hervorragender
praktischer
Agitator. Die ökonomische
Theorie Lassalles, wie er sie namentlich in seinem
Buche «Herr
BastiatSchulze von
Delitzsch,
[* 12] der ökonomische Julian» (Berl. 1864) niedergelegt hat, ist im wesentlichen
andern
Socialisten, namentlich
Marx entlehnt, obwohl Lassalle sich nicht ganz an
Marx angeschlossen hat, sondern nur einige
Sätze aus dessen
Schriften benutzt hat. Lassalle eröffnete seine socialistische Agitation mit dem 1863 erschienenen «Offenen
Antwortschreiben an das Centralkomitee zur
Berufung eines allgemeinen deutschen Arbeiterkongresses», worin er
das «eherne» ökonomische Gesetz aufstellt, daß der durchschnittliche
Arbeitslohn nur auf den notwendigen Lebensunterhalt reduziert bliebe, der in einem
¶
mehr
Volke gewohnheitsmäßig zur Fristung der Existenz und zur Fortpflanzung erforderlich sei. Von dem gesamten Arbeitsertrage
werde deshalb zunächst so viel abgezogen und unter die Arbeiter verteilt, als zu ihrer Lebensfristung erforderlich sei (Arbeitslohn);
der ganze Überschuß der Produktion des Arbeitsertrags falle auf den Unternehmeranteil. Er schlägt vor, um diesem Übel
abzuhelfen, daß der Staat Arbeiterproduktivassociationen billigen Kredit gewähren solle.
Diese Produktivassociationen sollten durch einen Assekuranz- und Kreditverband vereinigt sein. Zu den Vorschüssen an die Arbeiterassociationen
erachtete Lasalle für ganz Deutschland vorläufig 100 Mill. Thlr. für genügend. Auf Grund dieses Lassalleschen Programms
wurde am in Leipzig
[* 14] der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gegründet, für den Lassalle unermüdlich
agitierte und große Agitationsreisen unternahm; ein frühzeitiger Tod (Aug. 1864) setzte dieser Thätigkeit jedoch bald ein
Ende, ohne daß der Verein es zu einer sehr zahlreichen Mitgliederzahl gebracht hatte. (S. Socialdemokratie.)
Von allen socialistischen Denkern hat aber keiner je solchen maßgebenden Einfluß in allen Kulturländern
erlangt als KarlMarx. Marx hatte sich schon 1847 in Brüssel
[* 15] dem internationalen Kommunistenbunde angeschlossen und in dessen
Auftrag mit Engels das «Kommunistische Manifest» verfaßt, welches die Grundlage der weitern marxistischen Agitation und der
meisten heutigen socialdemokratischen Parteien ist. In dem großen Werke «Das Kapital», dessen erster Band
[* 16] 1867 erschien,
dessen zweiter und dritter Band 1881 und 1891 von Engels herausgegeben wurde, hat Marx die Hauptgrundzüge seiner gesamten ökonomischen
Weltanschauung niedergelegt; dieses ist die Quelle
[* 17] fast des gesamten modernen wissenschaftlichen S. und ist die «Bibel
[* 18] der Arbeiterklasse»
genannt worden. Die wichtigsten SätzeMarx' sind bereits oben (S. 9) mitgeteilt worden. Auf Grund der Marxschen
Principien war die Eisenacher Partei in Deutschland neben der Lassalleschen Partei (s. Socialdemokratie) hervorgetreten, und
erst 1875 kam es zu einer Einigung in Gotha,
[* 19] wo ein Programm festgesetzt wurde, das beiden Parteien gerecht zu werden versuchte.
Doch immer mehr gewann die Marxsche Richtung die Oberhand, und die Lassalleschen Ideen wurden allmählich
ganz aufgegeben.
1875 bereits hatte sich Marx in einem Brief energisch gegen die Lassallesche Theorie und dessen praktische Vorschläge der Socialreform
gewandt; dieser Marxsche Brief wurde 1891 veröffentlicht. Darin warf Marx vor allem Lassalle vor, daß er im Gegensatz zum
kommunistischen Manifest und zum frühern S. die Arbeiterbewegung vom engsten nationalen Standpunkte statt
vom internationalen Standpunkte gefaßt habe. Auch das Lassallesche «eherne Lohngesetz» erklärt Marx für falsch;
daß der
Arbeitslohn nur auf den notwendigen Lebensunterhalt reduziert sei, das sei nicht die Grundlage der Kritik der heutigen
Gesellschaftsordnung;
und selbst wenn bewiesen sei, daß das nicht richtig sei, oder wenn Einrichtungen
getroffen würden, den Lohnsatz zu erhöhen, so könne dadurch noch nicht das Übel mit der Wurzel
[* 20] entfernt sein;
der theoretische
Ausgangspunkt müsse die Lehre
[* 21] vom Mehrwert sein, d. h. die Lehre, daß der Arbeitslohn nicht das sei, was er zu sein scheine,
nämlich der Wert oder Preis der Arbeit, sondern nur eine maskierte Form für den Wert oder Preis der
Arbeitskraft;
daß das ganze
kapitalistische Produktionssystem sich darum drehe, diese Gratisarbeit zu verlängern durch Ausdehnung
[* 22] des Arbeitstags oder durch Entwicklung der Produktivität oder größere Spannung der Arbeitskraft, daß also das System der
Lohnarbeit ein System der Sklaverei sei, die im selben Maße härter werde, wie sich die gesellschaftlichen
Produktivkräfte der Arbeit entwickeln, ob nun der Arbeiter bessere oder schlechtere Zahlung empfange.
Ferner aber wendet sich
Marx gegen die Lassalleschen Produktivassociationen mit Staatskredit; auf Grund seiner materialistischen Geschichtsphilosophie
glaubt Marx überhaupt nicht daran, daß durch irgend ein von Menschen ausgeklügeltes «System» die sociale Frage
gelöst werden könne, sondern mit Naturnotwendigkeit müßten wir in den socialistischen Staat hineinwachsen. Nur die radikale
Umwälzung alles Bestehenden, d.h. die völlige Beseitigung alles Privateigentums an Grund und Boden und an Kapitalien und
die Ersetzung desselben durch das Gemeineigentum der produzierenden Gemeinschaft, könnten endgültig
zum Ziele führen. Den Marxschen Principien entsprechend ist daher das Erfurter Programm formuliert (s. S. 2 fg.).
Der Agrarsocialismus will nicht wie die übrigen socialistischen Parteien eine Beseitigung des Privateigentums überhaupt,
sondern nur des privaten Grundeigentums bez. des privaten Grundrenteneinkommens. Die Bodenverstaatlicher betonen vielmehr
ausdrücklich, daß sie für Aufrechterhaltung des Privatkapitals, der freien Konkurrenz und der Gewerbefreiheit
eintreten; die Wurzel aller socialen Not erblicken sie im Grundeigentum. SeitdemThomas Spence in seinem 1775 zu Newcastle
[* 23] gehaltenen
Vortrag «The meridian sun of liberty» die sociale Frage durch die Bodenverstaatlichung als lösbar erklärte, hat es in den
meisten Ländern, namentlich aber in Amerika,
[* 24] England und Deutschland, nie an wichtigen Vertretern dieser
Idee gefehlt.
Der eifrigste, erfolgreichste und geistvollste der ganzen Richtung ist zweifellos der Amerikaner Henry George (s. d.), der
die rührigste Propaganda entfaltet. Sein Hauptwerk ist: «progress and poverty»
(1879). Er erkennt jedem Mensch ein angeborenes Recht auf die Mitbenutzung der Natur zu, aber er beschränkt
dieses Recht auf den Grund und Boden, während die Produkte menschlicher Arbeit nach seiner Ansicht ohne Ungerechtigkeit von den
Produzenten angeeignet werden könnten. So wie die deutschen Socialisten meist in dem mobilen Kapital und im Kapitalzins die
Wurzel alles wirtschaftlichen Unheils erblicken, so ist nach Henry George umgekehrt das Grundeigentum und
die Grundrente die Ursache des Pauperismus, der Krisen, des ehernen Lohngesetzes.
Der Staat soll nach George die Grundrente ohne Entschädigung der Eigentümer sich aneignen, was am besten durch eine die Grundrente
ganz erschöpfende Besteuerung geschehen könne, welche dann die Aufhebung aller übrigen Steuern ermöglichen
würde. George hat eine sehr große Anzahl begeisterter Anhänger geworben, die sein System verbreiten. In England ist besonders
AlfredRussel Wallace für die Bodenverstaatlichung eingetreten; Wallace unterscheidet sich dadurch von George, daß er das Grundeigentum
nicht ohne Entschädigung der bisherigen Besitzer aufheben will. Seine Hauptschrift ist betitelt: «Land
nationalization, its necessity and its aims» (1882). In Deutschland ist, nachdem bereits früher Gossen («Entwicklung der Gesetze
des menschlichen
¶