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hob, oder eine durch öffentliche Erklärung gewährte, die das Recht der Freizügigkeit verlieh, jedoch den Freigelassenen einem Schutzherrn, meist dem bisherigen Herrn, überwies. Freigelassene waren durch Wergeld geschützt und konnten Eigentum für ihre Lebensdauer erwerben. Die volle Freiheit wurde erst durch die Freilassung durch den König erlangt. Mit der Eroberung Galliens mußte die große Menge der hier seit der Römerzeit gehaltenen Sklaven dem german. Staatsleben eingeordnet werden; besonders aber seit Beginn der Slawenkriege wuchs die Zahl der Unfreien außerordentlich, und es entstand ein schwunghafter Handel mit slaw. Gefangenen nach Frankreich, England, Italien, [* 2] selbst bis Konstantinopel. [* 3] (Das Wort Sklave = Slawe ging in alle europ. Sprachen über, engl. slave; frz. esclave; span. esclavo; ital. schiavo.) Mit dem Seßhaftwerden der Stämme nach der Völkerwanderung hatte der Begriff der Nation sich auf Unfreie und Freigelassene zu erweitern begonnen.
In der Merowingerzeit erhielten die Sklaven eine beschränkte Rechts- und Vermögensfreiheit, seit dem 6. Jahrh. wurde ihnen das Wergeld zugestanden. Aus ihrerZahl hoben sich langsam heraus die Zinsbauern (Liten, Lassen), die mehr und mehr als unzertrennlich von der Hufe, auf der sie angesiedelt waren, galten, und die im persönlichen Dienste [* 4] weltlicher und geistlicher Herren stehenden Knechte (pueri, ministeriales), die häufig die Schranken ihres Standes durchbrachen (s. Ministerialen). An die Klasse der Zinsbauern, mit der die der niedern Unfreien allmählich verschmolz, knüpft sich die Entwicklung zur Leibeigenschaft (s. d.), die im 13. Jahrh. abgeschlossen erscheint.
Seitdem tritt nur der eine Stand der Unfreien, die eigenen Leute, in mittelalterlichen Rechtsquellen entgegen. In England hatte unter der röm. Verwaltung die S. nach röm. Art bestanden. Bei der Besitznahme des Landes durch die Angelsachsen wurde die brit. Bevölkerung [* 5] unfrei, und der größere Teil der Besiegten baute für die Überwinder das Land. Doch war die Lage dieser Unterworfenen nicht drückend und ihr Los weit weniger hart als das der Haussklaven, die man erhandelte.
Schon in den ersten Jahrhunderten der normann. Epoche ging die S. in England in die Leibeigenschaft über. Die S. in Frankreich wurde nach der röm. Zeit durch Sklavenkauf wie durch Verwendung Kriegsgefangener als Sklaven unterhalten. Der große Sklavenmarkt von Frankreich war Lyon; [* 6] hier trafen die Sklaven aus dem Osten Deutschlands [* 7] mit den aus Spanien [* 8] fortgeführten Mauren zusammen. Am Anfange des 12. Jahrh. setzte Ludwig VI. im Machtreiche der Krone Erleichterungen der drückenden Knechtschaft durch, und der erstarkenden Königsgewalt gelang es, der S. enge Grenzen [* 9] zu ziehen. In Italien war Rom [* 10] der Mittelpunkt des Menschenhandels geblieben, von wo aus die Venetianer Christensklaven nach dem Orient verhandelten, und wohin die Spanier die Kriegsgefangenen und im Seeraub erbeuteten maur.
Sklaven zuführten. Während gegen Schluß des 13. Jahrh. S. und Sklavenhandel im christl. Europa [* 11] zu Ende ging, blieb beides auf der Pyrenäischen Halbinsel noch lange in Gebrauch. In den über ein halbes Jahrtausend andauernden Kämpfen zwischen Christen und Mauren pflegten beide Parteien ihre Gefangenen zu Sklaven zu machen und bei dem tiefen Gegensatz der Rasse und Religion mit Härte zu behandeln. Der Überfluß an maur. Sklaven war bei den Spaniern so groß, daß sie Jahrhunderte hindurch die Sklavenmärkte des südl. und westl. Europas versorgen konnten.
Noch zu Anfang des 16. Jahrh. waren in Spanien und Portugal Tausende von Mauren Sklaven. Seit der Besitznahme der Westküste von Afrika [* 12] durch die Portugiesen und der Entdeckung von Amerika [* 13] bemächtigten sich die abendländ. Nationen des Negersklavenhandels, und in dem Zeitraume des Beginns der modernen Civilisation bildete sich mit der Überführung von Negersklaven in europ. Kolonien ein neues System der S. heraus, das mit der Kolonialwirtschaft eng verwuchs und lange umkämpft erst in unserm Jahrhundert beseitigt werden konnte.
Der Negerhandel reicht bis in die frühesten Zeiten zurück. Der Verkauf geraubter oder ertauschter Sklaven aus dem Innern Afrikas besonders nach Vorderasien hin war eine von alters her bestehende Einrichtung des afrik. Völkerlebens. Seit 1480 begannen die Portugiesen von der Küste von Guinea aus Negersklaven auszuführen; sie verwendeten sie mit Vorteil in den neu begründeten Zuckerpflanzungen der Inseln Fernando Po, Principe, Annobon und besonders St. Thomas. Seit 1506 schickten die Spanier Negersklaven in ihre amerik.
Kolonien, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Eingeborenen den ihnen auferlegten Arbeiten nicht gewachsen waren. Die eingeführten Neger erwiesen sich als sehr brauchbar; 1511 erlaubte die Handelskammer zu Sevilla [* 14] ihre direkte Einfuhr in die span. Kolonien, und 1517 wurde auf Betreiben des menschenfreundlichen Las Casas, des Beschützers und Apostels der Indianer, durch Karl V. die Verwendung der Eingeborenen in den Kolonien verboten und die Negereinfuhr als Privilegium dem Marquis de de la Bresa auf acht Jahre übertragen. Er verkaufte das Vorrecht an die Genueser, doch gelang es den Portugiesen noch vor Ablauf [* 15] dieser Frist, sich der Negereinfuhr nach Amerika zu bemächtigen.
Seit 1562 nahmen auch die Engländer an diesem Handel teil, und im Utrechter Frieden 1713 wirkten sie sich das Recht aus, auf 30 Jahre 144000 Negersklaven in die span. Kolonien einzuführen. Auch Frankreich wandte sich unter Ludwig XIII. dem Negerhandel zu und gründete zu dem Zwecke Niederlassungen an der afrik. Westküste. Der franz. Sklavenhandel wurde bedeutend, als der Englands durch den Krieg gegen die nordamerik. Kolonien lahmgelegt war. Spanien, das den Sklavenhandel den Fremden überließ, gab ihn 1784 gänzlich frei.
Die folgenreichste der Entwicklungen, die aus der Negereinfuhr hervorgingen, wurde diejenige in den engl. Kolonien Nordamerikas. Hier entstand und befestigte sich die S. mit der Kultur der Baumwolle [* 16] in erster Linie, dann des Zuckers und des Reis; sie wuchs mit der Bedeutung, die diese Produkte im wirtschaftlichen Leben der Südstaaten gewannen. 1620 landeten die ersten Sklaven in Jamestown (Virginien), 1621 wurde die erste Baumwolle in Amerika gebaut. 1620-1740 sind nach Bancroft 130000, 1740-76 300000, nach Carey im ganzen 333000 Sklaven in die 13 Kolonien eingeführt. Der Widerstand, den die S. in den nördl. Staaten, deren wirtschaftliche Verhältnisse die freie Arbeit verlangten, von Anfang an fand, konnte ihre wachsende Ausbreitung nicht hindern. Seit 1727 waren es vornehmlich die Quäker, die diesen Widerstand thatkräftig vertraten; sie verboten unter sich den Sklavenhandel, entließen 1751 ihre Neger und stifteten 1774 die Pennsylvanische Gesellschaft, die eine erfolgreiche ¶
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Wirksamkeit entfaltete. Aber das bei der Unabhängigkeitserklärung der Union erlassene Verbot der Sklaveneinfuhr mußte 1787 auf Andringen der Südstaaten bis zum J. 1808 zurückgenommen werden. Der Census von 1790 ergab in den vier Plantagenstaaten Virginien, Georgia, Nord- und Südcarolina eine Sklavenbevölkerung von 567527, in den neun übrigen Staaten von 40370 Personen. Der außerordentliche wirtschaftliche Aufschwung in den folgenden zwei Jahrzehnten trieb die Südstaaten zu immer erneuten Anstrengungen, sich die S. zu sichern. Da mit dem J. 1808 das Sklaveneinfuhrverbot in Kraft [* 18] trat, deckten einige Staaten ihren Bedarf an Sklaven für die nächsten Jahre im voraus; so führte Carolina allein zwischen 1801 und 1808 40-50000 Sklaven ein, und die Folge des Verbots war ein um so schwunghafterer Menschenhandel der sklavenhaltenden Staaten untereinander und die eigenartige Einrichtung der Sklavenzüchtung, die, im Großen betrieben und mit System geübt, die Staaten bald in sklavenzüchtende und sklavenabnehmende trennte.
Das Bestreben, sich gefährlicher Elemente zu entledigen, ließ die Sklavenhalter an einem Unternehmen sich beteiligen, das die Überführung und Ansiedelung freier Neger in Afrika bezweckte und die Entstehung der Negerrepublik Liberia [* 19] (s. d.) 1822 zur Folge hatte. Der Gegensatz zwischen der freien Arbeit des Nordens und dem Sklavenwesen des Südens wurde immer mehr ein principieller und gestaltete sich zu einem immer offener werdenden Ringen um die Suprematie in der Union.
Der Hader erhob sich stets mit erneuter Heftigkeit, wenn bei der Aufnahme eines Gebietes in den Staatenverband der Union die Frage, ob dem neuen Staate die Erlaubnis zum Sklavenhalten zu geben sei, zur Entscheidung stand. Das Missouri-Kompromiß (s. d.) verbot 1820 nördlich von 36° 30' nördl. Br. die S. für immer. Indessen war es offenbar, daß durch diesen Vertrag die Gegensätze nur überbrückt waren und die Entscheidung nur hinausgeschoben wurde. In Europa war es vor allem England, das die Sklavenfrage aufnahm und durch seine Initiative auf die übrigen Mächte wirkte.
Männer wie Sidmouth und Wellesley forderten seit 1783 im engl. Parlament die Abschaffung der S., wenn auch noch gegen überlegene Gegnerschaft; doch kam 1784 ein Gesetz zum Schutze der Sklaven in den brit. Kolonien zu stande. Es belegte die Ermordung eines Sklaven mit Todesstrafe und schränkte das Züchtigungsrecht ein. Durch Clarksons Bemühungen trat 1787 das African-Institution ins Leben, das sich der Unterdrückung der Negersklaverei mit Energie widmete. Seit 1788 kämpfte der edle Wilberforce (s. d.), von Pitt, Fox, Smith u. a. unterstützt, im brit. Parlament für die Befreiung der Sklaven.
Indessen scheiterte ein 1792 auf Unterdrückung des Sklavenhandels gerichteter Beschluß des Unterhauses an dem Widerstände des Oberhauses, und nachdem das unvermittelt erlassene Befreiungsdekret der franz. Nationalversammlung die Katastrophe auf Haïti [* 20] (s. d.) herbeigeführt hatte, waren, als 1796 der unermüdliche Wilberforce seinen Antrag abermals einbrachte, auch die Freunde der Neger geneigt, die tiefeingreifende Reform auf eine ruhigere Zeit zu verschieben.
Nachdem Fox die Sklavenfrage wieder vor das Parlament gebracht hatte, gelang es endlich 1807 den von der öffentlichen Meinung unterstützten Ministern, bei beiden Häusern den Abolition act of slavery durchzusetzen, wonach der brit. Negerhandel mit dem aufhören mußte. Seitdem ist England unausgesetzt bemüht gewesen, nicht nur die übrigen seefahrenden Nationen zu dem gleichen Schritte zu bewegen, sondern auch die gleichmäßige Durchführung des Verbots auf völkerrechtlichem Wege zu sichern.
Nachdem es feine überlegene Stellung im Kriege gegen das Napoleonische Frankreich benutzt hatte, in den Bündnis- und Friedensverträgen mit Schweden [* 21] (1813), mit Portugal, Spanien, Dänemark [* 22] und den Niederlanden (1814) sich dahin gehende Zusagen machen zu lassen, mußte Frankreich, das seit den Ereignissen auf Haïti die S. in den Kolonien wieder gestattet hatte, im Pariser Frieden vom sich verpflichten, seine Bemühungen mit denen Englands zu vereinigen, um die Unterdrückung des Sklavenhandels von allen Mächten der Christenheit aussprechen und ihn so allgemein aufhören zu lassen.
Gleichwohl war es gerade das Verhalten Frankreichs, das auf dem Wiener Kongreß nur eine principielle Erklärung der Mächte gegen den Sklavenhandel zu stande kommen ließ. Die beiden folgenden Versuche, einen wirksamen Zusammenschluß zu erreichen, scheiterten; sowohl der Kongreß zu Verona [* 23] 1822 als auch die Londoner Konferenzen verliefen für die Abolitionsbestrebungen ergebnislos. Die Ursache des Mißerfolgs war der von England erhobene und in den Verträgen mit Portugal, Spanien und den Niederlanden 1817 und 1818, wenn auch nur für ein begrenztes Seegebiet durchgesetzte Anspruch auf gegenseitige Einräumung eines Rechts zur Durchsuchung verdächtiger Schiffe [* 24] und auf Aburteilung der aufgebrachten schiffe durch gemischte Kommissionen.
Den nachhaltigsten Widerstand fand England aber gerade bei derjenigen Macht, deren Mitwirkung zur Erreichung des Ziels unentbehrlich war, bei den Vereinigten Staaten. [* 25] Diese schienen bereits gewonnen, als von den Vertretern beider Staaten ein Vertragsentwurf unterzeichnet wurde, der von den bisherigen Verträgen wesentlich nur darin abwich, daß jedem Teile die Aburteilung der aufgebrachten Schiffe seiner Flagge durch sein Gericht vorbehalten blieb, zu welchem Zwecke sie von den Kreuzern des andern Teils in bestimmte Heimatshäfen zu führen waren.
Die Ratifikation dieses Vertrags scheiterte indes an dem Widerspruch, der sich im amerik. Senat erhob. Dagegen wurde der Entwurf von 1824 die Grundlage der und zwischen England und Frankreich geschlossenen Verträge. Spanien hatte 1817 gegen eine Entschädigung von 400000 Pfd. St., Portugal 1823 gegen die Summe von 300000 Pfd. St. auf den Sklavenhandel ganz verzichtet; gleichwohl wurde er insgeheim von Spaniern, Portugiesen und auch Franzosen fortgesetzt, und die Wachsamkeit der brit. Regierung, die von ihrem vertragsmäßigen Rechte, die Seepolizei zu üben, Gebrauch machte, fruchtete wenig, da die Aburteilung der aufgebrachten Schiffe vor den gemischten Kommissionen meist vereitelt werden konnte. Nach der Losreißung der span. Kolonien Südamerikas vom Mutterlande war hier die Abschaffung der S. erfolgt, Brasilien [* 26] verbot durch Verträge von 1820 und 1830 den Sklavenhandel. Aber das Verbot wurde erst viel später wirksam, und die Sklaveneinfuhr dauerte fort. In England waren seit 1823 auf Buxtons Anregung neue Reformen zu Gunsten der brit. Sklaven durchgesetzt, und 1831 gab die Regierung alle Kronsklaven ohne Entgelt frei. In der ¶