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Im Orient enthalten die S. meist Sprüche des Ko- rans. Die S. selbst werden nach den vorgestellten Gegenständen, nach ihrem Material, oder nach der Größe u. s. w. eingeteilt. Die Form der S. ist in der Regel rnnd, doch war z. V. im Mittelalter eine fast dreieckige Form nicht ungewöhnlich. Der Zweck der S. war ursprünglich, einer Urkunde oder Schrift mehr Glaubwürdigkeit zu geben als durch bloße Unterschrift. Zu diesem Zwecke wurde das S. ursprünglich auf die Urkunde gedrückt, fpäter an einer Schnur oder einem Pergamentstreifen, die durch die Urkunde gezogen wurden, angehängt und in der Schrift selbst dies erwähnt.
Auch diente das S. zum Verschließen von Briefen u. s. w., also zur Sicherheit. War das S. in einer besondern Kapsel, um es vor Beschädigung zu schützen, eingeschlossen oder in Metall ausgedrückt, so nannte man dies eine Bulle (s. d.). Einfache Schutzkapseln von Holz [* 2] kamen im 16., solche von Eisen [* 3] im 17. Jahrh. auf. Um die S. vor Verfälschung zu bewahren, wurde oft ein Gegen- oder Sekretsiegel (contra^Filwm) auf den Nucken des größern S. gedruckt, und dieser kleinern S. bediente man sich in der Folge bei min- der wichtigen Ausfertigungen.
Die Aufbewahrung der Staats- und Regentensiegel war in der Regel einem der höchsten Beamten anvertraut, oder es waren dazu eigene Beamte bestellt, wie bei den griech. Kaisern die Logotheten, bei den Merowin- gern die Referendarien, bei den Karolingern und den spätern Kaisern und Königen die Kanzler (s. d.). Im alten Deutschen Reiche hatte der Kurfürst von Mainz [* 4] als Erzkanzler die Reichssiegel zu verwahren, die von ihm dem Rcichsvicekanzlcr ausgehändigt wur- den.
Auch in Frankreich war der Kanzler ursprüng- lich Bewahrer der Reichssiegel. Da aber das Kanz- leramt dem, der einmal damit bekleidet war, nicht genommen werden konnte, so wurde, wenn ein Kanzler in Ungnade siel, ein eigener (^aiäs äes sceaux ernannt, der in Rang, Amtskleidung und Amtsbefugnissen jenem gleichstand. Der Groß- siegelbewahrerin Frankreich hatte, wie im alten Deutschen Reiche der Kurfürst von Mainz bei den Reichskanzleien, die Ernennung aller Kanzleibeamten (01i3.nc6ii6ri68) in ganz Frankreich.
Alle Erlasse im Namen des Königs mußten ihm zum Siegeln vorge- legt werden. Später sank der Name Grohsiegelde- wahrer zum bloßen Titel des Iustizministers herab. In England sind seit der Königin Elisabeth die Ämter des Lord-Kanzlers von England und des Großsiegelbewahrers (I^orä Keeper ok tlw l^reat 86^1) in der Regel vereinigt. (S. I^orä ^Iiancelior.) Für das kleine königliche S. besteht noch ein eigener Beamter, I^orä I ol tlw ?riv^ 86a1, meist I,0i'ä?riv^ 3ea1 genannt. (S. Siegelkunde.) Siegel, Heinr., Jurist, geb. zu Ladcnburg in Baden, [* 5] studierte zu Bonn [* 6] und Heidel- berg, habilitierte sich 1853 in Gießen [* 7] und wurde 1857 außerord., 1862 ord.
Professor des Rechts in Wien. [* 8] Von der dortigen Akademie der Wissenschaf- ten 1861 zum korrespondierenden, 1862 zum wirk- lichen Mitglied ernannt, wirkte er 1875-90 als deren Generalsekretär. 1891 wurde er ins Herren- haus berufen. Außer zahlreichen in den Sitzungs- berichten der Wiener Akademie veröffentlichten Unter- suchungen erschien von ihm «Das deutsche Erbrecht nach den Rechtsqucllen des Mittelalters» (Hcidelb. 1853),
«Geschichte des deutschen Gerichtsverfahrens» (Bd. 1, ebd. 1857),
«Das Versprechen als Verpflick- tungsgrund» (Berl. 1873),
«Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte» (ebd. 1886; 3. Aufl. 1885). Mit K. Tomaschek gab er als Bd. 1 der «Osterr. Weis- tümer» heraus: «Die Salzburgischen Taidinge» Siegelbaum, s. si^Maria. KWien 1870). Siegelbewahrer, s. Siegel und Kanzler. Siegelcylinder, Siegelsteine, Cylinder- gemmen, die bei den alten Assyrern, Babyloniern und Persern üblichen kleinen Steincylinder aus Onyx, Sardonyr, Jaspis, Achat, [* 9] I^api3 I^axuli, mit eingravierten Inschriften oder [* 1] Figuren, die beson- ders zum Siegeln benutzt, dann aber auch als Amu- lette getragen wurden.
Ihre Größe wechselt zwi- schen 0,i5 bis 10 cm. Die eingravierte Schrift ist meist Keilschrift, doch finden sich auch phöniz. und aramäische Schriftzeichen; die [* 1] Figuren haben ent- weder symbolische oder mytholog. Bedeutung. Treten beide Gravierungen gemeinschaftlich auf, so ist in der Regel die eine Hälfte mit [* 1] Figuren geziert, die andere freigelassen, um auf dieser die Namensbe- zeichnung des Besitzers des S. in Keilschrift anzu- bringen. Die Gravierungen sind natürlich verkehrt, damit sie im Abdruck richtig erscheinen. Zum Siegeln waren die S. mit einer Handhabe versehen, so daß sie, um ihre Achse drehbar, in Wachs oder weichen Thon abgerollt werden konnten und so der Abdruck in einem Viereck [* 10] zur Geltung kam. Berühmte Stücke sind der S. des Darms I., des Muschisch-Ninib (in der assyr. Stadt Tarbis gefunden), des Ur-Ba'u von Ur (3000v. Chr.), des Dungi von Ur (aus Nippur). -
Vgl. Menant, (^linärkä orientaux äu cadinet i-oM dos mkäiuiikL a la Havo (Haag [* 11] 1878);
ders., 1^68 piei'res Arave68 ä6 la Haute-^8i6.
Tl. 1: Iincli'68 äs 1a, (^1ia1ä66 (Par. 1883); Fischer und Wiedemann, über babylon. Talismane (Stuttg. 1881); Pinches,Uad^1onian and ^.88^lian cvlinäer- 86al8 (Lond. 1885); Horn und Stcindorsf, Sassani- dische Siegelsteine (mit 6 Taf., Verl. 1891).
Siegelerde, s. Volus. Siegelgebühren (frz. äroitg äs 8C6au), in Frankreich und Elsaß-Lothringen [* 12] eine Abgabe für die Verleihung von Adelstiteln, Städtewappen, für Namensänderungen und gewisse Dispense. Siegelgenoffen, s. Siegelmäßigkeit. Siegelkunde oder Sphragistik (vom grch. 8pIn-aFi8, Siegel), die Kenntnis der Siegel (s. d.), im besondern der Urkundensiegel. -
Vgl. die Werke von Heineccius, Manni, Gercken und Vüsching, Gro- tefends Über Sphragistik (Bresl. 1875) und Seylers Geschichte der Siegel (Lpz. 1894).
Siegellack, eine zum Zusiegeln von Briefen und Paketen dienende Masse, die hauptsächlich aus harzigen Stoffen besteht, und zwar der feinere aus Schellack und Terpentin, oft unter Zusatz von Storar, Tolubalsam, Venzoeharz, wodurch er wohl- riechend wird, der geringere bloß aus Kolophonium mit etwas Terpentin. Außerdem setzt man dem S. noch erdige Körper zu, wie Kreide, [* 13] Zinkweiß, Baryt- weih; diese Körper verhindern das zu schnelle Ab- tropfen des S. Ferner sind die meisten Siegel- lacksorten noch gefärbt.
Roter S. ist in den feinsten Sorten durch Zinnober, [* 14] in den geringern durch Mennige und rotes Eisenoxyd gefärbt. Anders ge- färbte Sorten erhält man durch Zusatz von Grün- span, Chromgelb, Ultramarin, gebranntes Elfen- bein. Die Stangengestalt erhält der S. durch Gie- ßen in Formen. Die Portugiesen sollen den E. in Ostindien [* 15] kennen gelernt und in Europa [* 16] verbreitet haben, woher sich auch der Name Spanisches Wachs, wie man den S. früher oft nannte, erklärt. ¶