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Neapel [* 2] vereinigt, der Herrschaft der österr. Habsburger unterstellt wurde. Victor Amadeus ward mit Sardinien [* 3] entschädigt.
Unter den spanischen Bourbonen. Zum selbständigen Staate wurde das Königreich beider S. wieder infolge des Polnischen Thronfolgekrieges (s. d.). Nachdem nämlich Philipp V. 1734 nochmals versucht hatte, Unteritalien unter Spanien [* 4] zu bringen, kam das Königreich beider S., vermehrt um den Stato dei presidii, den größten Teil von Piombino und von Elba und einen Küstenstrich von Toscana, im Wiener Präliminarfrieden von 1735 und endgültig 1738 an Philipps V. und Elisabeth Farneses Sohn Karl III. als spanische, mit dem Hauptland unvereinbare Sekundogenitur, während Österreich [* 5] mit Toscana entschädigt wurde.
Schon die österr. Verwaltung unter Daun hatte vieles im Königreich gebessert, bedeutender war aber die Hebung des Landes, seit es wieder seinen eigenen Fürsten hatte, der mit Thatkraft und Unternehmungsgeist die Neuordnung des Staates in die Hand [* 6] nahm und insbesondere die feudalen Vorrechte wegräumte. Nachdem der Abschluß eines vorteilhaften Konkordats mit Benedikt XIV. gelungen war, wurden die Vorrechte der Geistlichkeit, ihre örtlichen Freiheiten, ihr Asylrecht und ihre dinglichen Gerechtsame beschränkt, wo nicht aufgehoben; die bischöfl.
Gerichtsbarkeit ward zu Gunsten des Staates eingedämmt, der Vermehrung der Güter der Toten Hand und der Zahl der Geistlichkeit Schranken gesetzt, der Jesuitenorden auf die Klöster beschränkt und das Inquisitionsgebäude geschlossen. Während durch Verbesserung des Zoll- und Steuerwesens die Staatseinnahmen sehr vermehrt, durch Handelsverträge und Handelsgerichte der Verkehr im Innern und nach außen wesentlich gehoben wurde, geschahen große Leistungen für die Verschönerung und den Nutzen Neapels und des Landes. Die unter Browne nochmals gegen Süden vordringenden Österreicher wies Karl III. an der Grenze seines Landes durch den Sieg von Velletri (10./11. Aug. 1744) zurück.
Als er durch den Tod seines Halbbruders Ferdinands VII., welcher kinderlos starb, auf den Thron [* 7] von Spanien berufen wurde, übergab er das Königreich beider S. seinem dritten Söhnchen, Ferdinand I. (s. d., 1759-1825), für den Tanucci zuerst bis 1767 als Haupt der Regentschaft, dann bis 1777 als erster Minister regierte. Dieser schritt namentlich der Kirche gegenüber auf der unter Karl III. eingeschlagenen Bahn weiter, hob zahlreiche Klöster auf, zog die Einkünfte unbesetzter geistlicher Stellen ein, dehnte die Befugnisse der weltlichen Gerichtsbarkeit aus, unterstellte die geistliche Censur und die Erteilung von Kirchenstrafen der Staatsaufsicht, verjagte 1767 die Jesuiten und zog ihre Güter für Schulzwecke ein. In kirchlichen Angelegenheiten beharrte auch Sir Francis Acton, den Karoline Marie (s. d.), Ferdinands Gattin, an Tanuccis Stelle brachte, ziemlich auf dessen Verfahren; neben Acton gewann steigenden Einfluß auf die Regierung, welche Ferdinand seiner Frau überließ, die berüchtigte Lady Hamilton.
Der drohende Gang [* 8] der Französischen Revolution rief in Neapel die äußerste Strenge gegen alle Regungen zu Gunsten der von Frankreich ausgehenden Anschauungen hervor. Der Anschluß an die erste Koalition und die durch starke Rüstungen [* 9] verursachten Ausgaben brachten in kurzem die vorher blühenden Finanzen in Verwirrung. Nachdem Neapel angesichts der Siege Bonapartes in Oberitalien [* 10] sich durch den Vertrag von Brescia von der ersten Koalition losgesagt hatte, stellte Frühjahr 1798 die unter franz. Schutz eben errichtete röm. Republik, welche sich als Rechtsnachfolgerin des Papstes auch in seiner Oberlehnsherrlichkeit über Neapel betrachtete, unerfüllbare Forderungen.
Und da man Napoleons Rüstung [* 11] zum Zug nach Ägypten [* 12] gegen Neapel gerichtet glaubte, so betrieb Karoline Marie eifrig den Beitritt zur zweiten Koalition, welcher auch zu Wien [* 13] vollzogen wurde. Während nun Nelson zuerst im Hafen von Syrakus, [* 14] dann in dem von Neapel Aufnahme fand und Mack, als neapolit. General von Thugut aus Wien gesandt, erschien, ging man mit verdoppeltem Grimm gegen alles vor, was nur im geringsten den Verdacht einer Hinneigung zur Französischen Revolution erregte, und schon überschritten die Truppen die Grenze, um die Unruhe in Rom [* 15] zu ersticken.
Allein dem Einzug in Rom (29. Nov.) folgte eine Reihe von Schlappen, welche die rasch zusammengerafften Truppen unter Macks unfähiger Leitung durch Championet erlitten; schon 10. Dez. mußte in fluchtartigem Rückzug Rom, bald auch der Kirchenstaat geräumt werden, und nun drangen die Franzosen ihrerseits über die neapolit. Grenze. Nachdem sich ihnen Gaeta ohne Widerstand ergeben, floh der König und Hof [* 16] mit dem Gelde nach Palermo [* 17] (25. Dez.) und überließ die Statthalterschaft und Verteidigung des Festlandes dem Fürsten Pignatelli und Mack, welche bei der einbrechenden Verwirrung, der Erhebung der Bauern und Lazzaroni gegen die franz. Revolutionäre und der Unbotmäßigkeit der gebildeten Stände, die Schutz von den anrückenden Franzosen hofften, den Kopf verloren und einen Waffenstillstand durch Räumung von Capua und Neapel und Zahlung von 10 Mill. Frs. erkaufen wollten. Während dann Pignatelli gleichfalls nach S. floh und Mack auf der Heimreise in Oberitalien festgenommen wurde, wütete in Neapel der Pöbel, worauf Championet die Stadt im Sturm nehmen ließ; dabei erlitt er jedoch noch schwerere Verluste, als ihm schon auf dem Anmarsch das von der Geistlichkeit aufgereizte Landvolk beigebracht hatte. Nach der Einnahme Neapels wurde die königl. Herrschaft für abgeschafft erklärt und eine provisorische Regierung, dann nach dem Vorbild des vom Direktorium regierten Frankreich die Parthenopäische Republik (s. d.) aufgerichtet.
Die Erfolge der Österreicher und Russen in Oberitalien riefen aber Juni 1799 den an Championets Stelle getretenen Macdonald nach Norden, [* 18] worauf sich in Neapel das niedere Volk gegen die nur vom größern Teile des Adels und vom bessern Bürgerstand gestützte Republik erhob. Zur Unterstützung der Lazzaroni rückte Kardinal Ruffo mit den von Fra Diavolo, Mammone, Pronio und ähnlichen Räuberführern zusammengebrachten Banden gegen die Hauptstadt, welche nach tapferer Gegenwehr sich auf Zusage der Straflosigkeit und des freien Abzugs der Republikaner ergab. Allein der mit Nelson zur See zurückkehrende König glaubte sich nicht verpflichtet, diese Zusage zu erfüllen, und so begann eine wilde Verfolgung der Abgefallenen, bis Napoleons Sieg bei Marengo [* 19] zur Einstellung dieser Greuelwirtschaft zwang. Um der drohenden Wiedervereinigung seines Landes mit Spanien, das Godoy zum Verbündeten von Frankreich gemacht hatte, zu entgehen, trat Ferdinand von der zweiten Koalition nun zurück ¶
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und unterwarf sich im Frieden von Florenz [* 21] den von Napoleon auferlegten Bedingungen: Amnestierung der verfolgten Republikaner, Aufnahme eines franz. Armeekorps bei Tarent, Ausschließung der engl. Schiffe [* 22] von allen Häfen des Königreichs, Verzicht auf Elba, Piombino und den Stato dei presidii. Marie Karoline ließ sich bestimmen, während sie in Paris [* 23] einen Neutralitätsvertrag abschloß in Wien wegen ihres Beitritts zur dritten Koalition zu verhandeln, worauf der Kaiser am Tage nach dem Preßburger Frieden durch Dekret die Bourbonen in Neapel entsetzte und Saint-Cyr die Wegnahme des Königreichs befahl.
Weder eine demütige Gesandtschaft, noch die Aufwiegelung der Massen schützte die Bourbonen. Joseph Bonaparte und Masséna, über die Grenze gerückt, zwangen rasch den als Vicekönig zurückgelassenen Kronprinzen Franz, seinen wieder nach S. geflohenen Eltern zu folgen, worauf Joseph Bonaparte die Regierung in Neapel übernahm;
er wollte mit Milde das blutig niedergeworfene Land gewinnen;
aber Napoleon zwang den Bruder zur Härte und rief ihn endlich nach Spanien ab;
Josephs letzte Regierungshandlung war der Erlaß einer streng centralistischen Verfassung nach franz. Muster. An seine Stelle trat der rücksichtslosere Joachim Murat (s. d.), der sofort die Engländer von Capri [* 24] verjagte, in den ersten zwei Jahren das Brigantentum durch den furchtbaren Manhès niederwerfen ließ, daneben aber das von Joseph begonnene Werk der innern Umbildung des Landes vollendete.
Mit gleicher Grausamkeit ließ Ferdinand, den auf S. die engl. Flotte deckte, Regungen zu Gunsten der Franzosen in Messina [* 25] niederschlagen. Aber bald trat ein Zerwürfnis zwischen der Krone und dem sicil. Parlament ein, welches nach der alten Verfassung einberufen worden war, um Geld zu geben; die Adligen, die in dem Parlament den Ausschlag gaben, forderten für die Geldbewilligung bessere Besteuerung, Rechtspflege und Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit. Der Versuch der Krone, eine unbewilligte Steuer vom Lande zu erhalten, scheiterte, und nun trat der Bevollmächtigte Englands, Lord Bentinck, für das sicil. Parlament ein. Zum Generalkapitän der engl. Truppen auf S. ernannt, bewog er jetzt (Jan. 1812) Ferdinand, den Kronprinzen zum Reichsverweser zu bestellen, welcher den Fürsten von Belmonte zum ersten Minister machte und das Parlament beauftragte, über die Abstellung der bestehenden Mißbräuche und eine neue Verfassung Vorschläge vorzulegen.
Letztere wurde rasch nach engl. Muster ausgearbeitet und bot ein Zweikammersystem, Steuerbewilligungsrecht und Ministerverantwortlichkeit. Erst auf eine nochmalige ernste Drohung hin ergaben sich Marie Karoline und Ferdinand in diese Neuerungen, die dann Ferdinand, nach Neapel zurückgekehrt, wieder abschaffte. Dieses Vorgehen ermöglichte Ferdinand das Verhalten Murats. Dieser hatte, als er sich von Österreich betrogen, von England bedroht und von den kriegsmüden Italienern im Stiche gelassen sah, seine Verbindungen mit Napoleon auf Elba wieder angeknüpft und seine Waffen gegen Österreich sowie für gewaltsame Errichtung eines verfassungsmäßigen und einigen Italiens [* 26] erhoben.
Bei Tolentino geschlagen (2. und sah er sich zum Rückzug und 20. Mai zum Verlassen seines Reichs gezwungen. Die unter Prinz Leopold von Bourbon ihm nachgedrungenen Österreicher gaben das Land 23. Mai an Ferdinand zurück, nachdem die Reste von Murats Truppen in der Kapitulation von Casalanza auf Fortsetzung des Kampfes verzichtet hatten. Der Wiener Kongreß bestätigte mit den andern Herstellungen auch diese (8. Juni), worauf Ferdinand wieder in Neapel einzog. Piombino, Elba und den Stato dei presidii erhielt Ferdinand nicht zurück. Ein abenteuerlicher Versuch Murats, sein Königreich wiederzugewinnen, führte nur seine Verhaftung und standrechtliche Erschießung herbei. Mißtrauen verbreitete unter dem Volke das Verhalten der Regierung gegenüber dem von ihr früher großgezogenen Banditentum und dem Sektenwesen (s. Carbonari, Calderari und Decisi); das Übelste jedoch war die Unzufriedenheit im Heere,welches aus Ersparnisrücksichten sehr vermindert wurde.
Die Zahl der Unzufriedenen stieg, während die Verteidigungskraft der Regierung gegen die sich anbahnende Revolution bedeutend geringer ward. Bei der Nachricht von der span. Militärerhebung und den raschen Fortschritten der Cortesrevolution gaben einige in Nola stehende Offiziere das Zeichen zur Empörung Da der König sich nicht entschließen konnte, den allgemein beliebten G. Pepe an die Spitze der noch treuen Truppen zu stellen, so begab sich dieser 3. Juni zu den nach Avellino vorgedrungenen Aufständischen, deren Oberbefehl er übernahm.
Die von diesen verlangte span. Verfassung von 1812 sah sich Ferdinand schon 7. Juni zu verkünden, 13. Juni zu beschwören gezwungen. Die Kunde von diesem mühelosen Sieg der Aufständischen entzündete in Palermo und Girgenti wüste Pöbelerhebungen, deren man erst nach einigen Tagen Herr wurde. In Palermo wie in Messina wollte man ein eigenes Parlament haben; dies war gegen die Meinung der Konstitutionellen des Festlandes, das nun Flor. Pepe zur Unterwerfung der Insel absandte.
Pepe und sein Nachfolger Colletta stießen aber in Palermo auf so entschiedenen Widerstand, daß letzterer sich mit einer Übereinkunft begnügen mußte, welche die Frage unentschieden ließ; thatsächlich entsandte dann auch nur Messina einen Abgeordneten in das neapolit. Parlament. Dieses selbst aber, ganz unter den Druck der Carbonari geraten, lehnte die von Frankreich nahe gelegte Annahme der französischen an Stelle der demokratischem span. Verfassung ab. So stand Neapel allein gegen das Österreich Metternichs, der entschlossen war, keine Verfassung in Italien [* 27] aufkommen zu lassen.
Nachdem Österreich insgeheim zu Troppau [* 28] Rußlands und Preußens [* 29] Zustimmung zu seinem bewaffneten Eingreifen erzielt hatte, ward von den Nordmächten ein Kongreß zu Laibach [* 30] abgehalten. Zu diesem begab sich Ferdinand indem er die Stellvertretung wieder dem Kronprinzen übertrug, um das bewaffnete Einschreiten Österreichs zuzugeben. Während das Parlament diese Entscheidung des Königs für erzwungen und nichtig erklärte, strömte das Volk unter die Fahnen zur Verteidigung der Unabhängigkeit. Allein der Mangel an Geld und an Unterordnung in dem allzurasch durch Freiwillige vermehrten und durch das Carbonariwesen zersetzten Heer und der Haß der Führer, G. Pepes, Carascosas, Collettas und Filangieris, gegeneinander machte den durch den Kirchenstaat anrückenden 50000 Österreichern die Arbeit leicht. ¶