Sicilien,
Königreich beider, seit 1860 dem Königreich Italien einverleibt, umfaßte die südl. Hälfte der ital. Halbinsel und die Insel S. nebst den benachbarten kleinen Inseln, zusammen 114557,55 qkm mit (Ende 1861) 9283686 E. Das Königreich wurde eingeteilt in das Gebiet diesseit der Meerenge, auch Königreich Neapel genannt, das die jetzigen fünf Compartimenti Abruzzen und Molise, Campanien, Apulien, Basilicata, Calabrien mit insgesamt 85316,28 qkm und (1861) 7061952 E. umfaßte, und in das Gebiet jenseit der Meerenge, das Königreich S. (jetzt nur ein Compartimento), 29241,27 qkm mit (1861) 2221734 E.
Geschichte. Unteritalien, das seine erste Kultur von den Griechen empfangen (s. Großgriechenland) hatte, wurde nach der Eroberung von Tarent durch die Römer, 272 v. Chr., dem ital. Bundesstaat unter Roms Leitung einverleibt und ging allmählich im Römischen Reiche (s. Rom und Römisches Reich) auf. Ebenso wie die Insel Sicilien (s. d.) teilte auch Unteritalien im Anfang des Mittelalters die Schicksale Italiens (Odoaker, Goten, Oströmer, Langobarden). Als die griech. Kaiser in S. einen Patricius als Haupt der Civil- und Militärverwaltung einsetzten, wurde diesem auch das Land südlich von Neapel unterstellt; Neapel selbst und das Gebiet nördlich davon ward dem Bezirk des Exarchen von Ravenna zugeteilt.
Während dann S. als Provinz der Aghlabiden (s. d.) und Fâtimiden (s. d.) vollends verödete, hielten sich die Griechen auf dem Festlande, das sie nun «S. diesseit der Meerenge» hießen, ein Name, der sich in dem Ausdruck «Königreich beider S.» erhalten hat. Vor den Plünderungszügen der Sarazenen, welche bis nach Rom vordrangen und neben denen seit 857 auch die Normannen aufgetaucht waren, suchte der letzte ital. Karolinger, Ludwig II., das Festland umsonst zu schützen.
Während infolge davon Calabrien verödete, hatte schon seit Ende des 8. Jahrh. Neapel sein Verhältnis zum Oströmischen Kaiserreich gelockert; unter seinen Duces, die zugleich Erzbischöfe waren, bildete es im 9. Jahrh. den Hauptrückhalt für die Sarazenen. Als die Kraft der letztern 916 durch Papst Johann X. und Alberich I. (s. d.) einigermaßen gedämpft worden war, brach wieder ein wilder Zwist in Unteritalien zwischen den langobard. Kleinstaaten, die unter der nominellen Oberhoheit von Byzanz standen, und den Griechen aus.
Diese Zustände suchte Kaiser Otto I. 966 dazu zu benutzen, um das Festland wieder an das Reich zu bringen; er mußte aber Byzanz Apulien und Calabrien überlassen und sich mit der Wiederaufrichtung der Lehnshoheit über Capua und Benevent begnügen. Gegen das erneute Vordringen des Reichs in Unteritalien verbündete sich Byzanz mit den Arabern und schlug 982 Otto II. vernichtend bei Colonna in Calabrien. Auch der Zug Heinrichs II. (1014) führte nur zur Wiedergewinnung der langobard. Kleinstaaten, nicht zur Vertreibung der Griechen aus Apulien.
Unter den Normannen. Im 11. Jahrh. wuchs eine neue Macht, die der Normannen, empor, welche teils in byzantinische, teils in langobard. Dienste traten. Schon 1034 waren sie zu solcher Bedeutung gelangt, daß Konrad II. einen derselben, Rainulf, zum Reichsfürsten erhob, indem er ihn mit Aversa belehnte. Zur beherrschenden Macht in Unteritalien machte aber die Normannen das Geschlecht des Tancred von Hauteville, welches 1040 aus der Normandie eingewandert war. Seinen Sohn Drogo belehnte 1047 Heinrich III. mit Apulien.
Leo IX. bemühte sich, den Bruder und Nachfolger des 1051 ermordeten Drogo, Humfred, zum Abzug aus Italien zu bereden. Als dieser sich weigerte, kam es zum Kampf; Leo IX. wurde geschlagen und gefangen genommen und mußte sich beugen. Da er an Heinrich III. keinen Rückhalt gefunden hatte, beschloß er, sich einen Stützpunkt durch Belehnung der Normannen zu schaffen; er sprach ihnen alles Land zu, welches sie in Unteritalien oder S. den Arabern oder Griechen schon abgenommen hätten oder noch abnehmen würden. 1056 trat an die Spitze der Normannen der gewaltige Robert Guiscard (s. d.), der eine bedeutende Macht gegenüber dem Kaiser, Papst und den Byzantinern entfaltete.
Nach Roberts Tod (1085) teilten seine Söhne Roger und Bohemund Unteritalien unter sich. Aber Bohemund I. (s. d.) führte der erste Kreuzzug nach Syrien, wo er Fürst von Antiochien wurde (gest. 1111), und Rogers Sohn starb ohne erbfolgeberechtigte Kinder; so kam 1127 ganz Unteritalien an den Sohn von Robert Guiscards jüngstem Bruder, Rogers I. von S., Roger II. Von Anakletus II. zum König von Neapel und S. 1130 gekrönt, hatte Roger II. noch einen harten Kampf um Unteritalien zu bestehen gegen Anaklets Gegenpapst Innocenz II., von welchem er erst nach seinem Sieg 1139 vom Banne losgesprochen wurde. Er unterstützte die Welfen in Deutschland, um Konrad III. an einem Zug nach Italien zu verhindern, unterwarf wenigstens vorübergehend Korfu, machte Eroberungen an der Küste von Nordafrika und förderte das Emporblühen von Ackerbau, Gewerbe und Handel in seinem trefflich geordneten Staat.
Dieser äußern Blüte ging die geistige Entwicklung zur Seite; die Lehranstalten für Heilkunde in Salerno, für Rechtskunde in Amalfi und Neapel erwarben sich unter ihm ihren langdauernden Weltruf. Nach Rogers II. Tod (1154) sah sich sein Sohn Wilhelm I. von Kaiser Friedrich I. und von Kaiser Emanuel dem Komnenen, noch ernster aber durch die Barone, die sich mit dem Papst verbündeten, bedroht; die Barone aber wurden niedergeworfen, die Griechen aus Brindisi, das sie eingenommen, verjagt und Bari zerstört. Ein gutes Andenken hinterließ der letzte Normannenkönig, Wilhelm II. (1166-89), durch gerechte und milde Regierung.
Unter den Hohenstaufen. Gegen die Nationalpartei, welche nach ihm Tancred von Lecce an die Spitze gestellt hatte, drang der Hohenstaufe Heinrich VI., welcher 1186 Konstanze, die Tochter Rogers II. und legitime Erbin beider S. geheiratet hatte, erst nach schwerem Kampfe durch. Nach seinem frühen Tode (1197) übernahm seine Witwe die Regentschaft für ihr dreijähriges Söhnchen Friedrich; bei ihrem schon 1198 erfolgenden Tode übertrug sie die Vormundschaft über diesen dem Papst Innocenz III. Als Otto IV. Unteritalien zu gewinnen suchte, sah sich Innocenz gezwungen, auf sein zweideutiges Verhalten gegen sein Mündel zu verzichten, dem er 1212 sogar die deutsche Kaiserkrone zusprach, nachdem derselbe den Verzicht seiner Mutter auf wichtige kirchliche Rechte bestätigt hatte. 1212 nach Deutschland gezogen, kehrte er 1220 nach Unteritalien zurück, dessen dauernde Trennung von der deutschen Krone, die er 1217 seinem Söhnchen Heinrich zugewendet, er dem Papste hatte zugestehen müssen. Er stellte nun Recht und Ordnung wieder her; aufs neue blühte der Handel auf, namentlich in Palermo, das Venedig an Bedeutung erreicht hatte,
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während Trapani den Hauptplatz für die Beziehungen zu Afrika bildete; die Entwicklung der Seiden-, Sammet-, Brokat-, Woll- und Zuckerindustrie wetteiferte mit der der Landwirtschaft. Vom Hof begünstigt erhob sich eine nationale Dichtung und Geschichtschreibung; die Baukunst und Gärtnerei schwangen sich empor. Die normann. Gesetze und Verordnungen wurden 1231 gesammelt und ergänzt zum Gesetzbuch der «Konstitutionen des Königreichs S.»; diese machten das Reich zum ersten der modernen Beamten- und Parlamentsstaaten; hier zuerst wurde neben dem Klerus und Adel seit 1232 auch dem steuerkräftigen Bürgertum eine polit.
Bedeutung eingeräumt, während gleichzeitig die Macht des Adels durch Erweiterung der Rechte der Krone in betreff der Lehen eingedämmt wurde. Dabei blieb die municipale Selbstverwaltung und die eigene Verfassung der Ritterschaft bestehen. So erhielt sich denn auch trotz Friedrichs II. vieler und schwerer Kriege die Blüte des Landes, ja das wohlausgebildete Finanzwesen lieferte sogar die Mittel zur Aufstellung einer stattlichen Marine und eines starken Söldnerheers neben den Lehnstruppen.
Verbunden mit der Kraft Deutschlands drohte diese gewaltige südital. Macht die Unabhängigkeit der Städte Mittel- und Oberitaliens ebenso wie die des Papsttums zu erdrücken, weshalb sich diese zur verzweifelten Gegenwehr verbanden. Mitten in diesem Kampf starb Friedrich II. und schon nach vier Jahren erlag dessen Mühen auch sein Sohn Konrad IV. (s. d.). Aber auch Manfred (s. d.), der sich 1254 zum Regenten, 1258 zum König von S. erheben ließ und so dasselbe vom deutschen Erbe der Hohenstaufen abtrennte, vermochte keine Versöhnung mit dem Papst zu erzielen; vielmehr verhandelte dieser zuerst mit dem englischen, dann mit dem franz. König, um die südital. Staufer zu vernichten, und endlich gelang es Urban IV., Karl I. von Anjou zum Zug gegen Manfred zu bewegen. Als eben dessen Macht nach Mittelitalien sich auszudehnen begann, krönte Urban Karl im Vatikan zum König von S. Ihm erlag 1266 Manfred bei Benevent und 1268 der letzte Hohenstaufe Konradin (s. d.) bei Scurcola.
Unter den Anjou. Die staufischen Erbansprüche gingen nach Konradins Hinrichtung durch Konstanze, Manfreds Tochter, auf die schon mit Friedrich II. verschwägerten Aragonier über. Da die Anjou in Italien alle Ansprüche der Hohenstaufen aufnahmen, so hatte das Papsttum nichts durch diesen Wechsel gewonnen, und Nikolaus III. hatte denn auch alsbald Peter III. von Aragonien zu einem Angriff ermutigt. Aber ehe dieser noch entscheidende Schritte gethan, brach auf S., am zweiten Osterfeiertag 1282, ein blutiger Volksaufstand, die Sicilianische Vesper (s. d.), aus.
Palermo erklärte sich zur Republik und zog die Reichsfahne auf. Schon im August aber landete Peter III. in Trapani; Karl, der Messina belagerte, trieb die Insel durch seine Härte in die Hand seines Gegners, und seine Flotte wurde durch dessen Admiral Ruggiero di Lauria nach Verlassen S.s bei Reggio, dann bei Malta empfindlich geschlagen; ein Versuch von Karls I. Sohn, Karl II., die Ehre der Flotte herzustellen, führte zu seiner Gefangennahme bei Neapel An seiner Stelle übernahm nach Karls I. Tode Graf Robert von Artois die Regentschaft.
Die Loslösung S.s von Aragonien nach dem Tode Peters (1285) schwächte zunächst dessen Angriffskraft nicht; vielmehr schritt der Febr. 1286 zu Palermo gekrönte zweite Sohn Peters, Jakob (Jayme), alsbald zur Belagerung Gaetas. Der daraufhin mit Karl II. vereinbarte Vertrag fand von seiten Nikolaus' IV. keine Bestätigung; vielmehr krönte dieser 1289 Karl II. zum König von S., während er gleichzeitig die Erbfolge Karl Martells, des ältesten Sohnes Karls II. und Marias, der Tochter König Wladislaws, für Ungarn bestätigte, damit aber unwissentlich dem Verderben der Anjou den Weg bahnte.
Jakob, der sich in S. mit Ausdauer verteidigt hatte, auch nachdem ihn sein Bruder Alfons fallen gelassen, folgte diesem 1291 in Aragonien und ernannte seinen Bruder Friedrich zum Statthalter in S., suchte aber nach Bonifacius' VIII. Erhebung zum Papst ein Abkommen mit Karl II. zu erzielen, indem dieser S. zurückerhalten sollte gegen Überweisung von Sardinien und Corsica an Aragonien. Allein Friedrich, welcher durch eine Heirat mit der Tochter des lat. Kaisers Balduin II. abgefunden werden sollte, stellte sich nun selbst an die Spitze der Sicilianer und nahm die Krone. Es kam nun zwar zu einem Vertrag, welcher Friedrich S. auf Lebzeiten zusicherte und seiner Nachkommenschaft aus einer mit Karls II. Tochter Eleonore einzugehenden Ehe das freilich erst noch zu erobernde Sardinien zusprach; allein die Fehde brach bald von neuem los.
Nachdem nach Karls II. Tode dank der Hilfe des Papstes, sein jüngerer Sohn Robert Neapel erhalten hatte, auf welches auch Karl Martells Sohn Karobert von Ungarn Ansprüche erhob, sah sich Friedrich bald aufs neue bedroht, da Robert in kurzem von den Welfen ganz Italiens als Haupt betrachtet wurde. Friedrich nahm deshalb sofort Partei für den anrückenden Heinrich VII., mit welchem er Febr. 1312 ein Bündnis abschloß. So begann der Krieg zwischen S. und Neapel aufs neue, um sich bis zu Roberts Tode hinzuziehen.
Als Friedrich starb, folgte ihm sein vom sicil. Parlament als Mitregent schon 1322 anerkannter Sohn Pietro, unter welchem die von Friedrich mit starker Hand niedergehaltenen Adelsunruhen zum Ausbruch kamen, nachdem schon früher die Inseln Zerbi und Kerkeri an die Sarazenen verloren gegangen waren. Aber auch in Neapel hatte Roberts häufige Abwesenheit in Frankreich und im obern Italien und der fortgesetzte Kampf gegen S. und die ital. Ghibellinen innere Wirren vorbereitet.
Den Anstoß zur innern Auflösung gab der Umstand, daß Robert starb, ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen. Um seine Tochter Giovanna I. gegen Ansprüche von seiten der ungar. Anjou zu sichern, hatte er sie mit Andreas, dem jüngern Sohne Karl Martells, verheiratet. Als Andreas ermordet wurde und Giovanna sich mit Ludwig von Tarent vermählte, sah sie sich alsbald genötigt, mit diesem nach der Provence zu fliehen vor ihrem Schwager Ludwig von Ungarn. Nach schwankenden Kämpfen vermittelte endlich Clemens VI. 1352 ein Abkommen zwischen Ludwig von Ungarn und Ludwig von Tarent, ohne daß aber damit das Land zu wirklicher Ruhe gekommen wäre, weder unter Ludwigs von Tarent schwacher Regierung, noch unter der Jakobs von Mallorca, mit dem Giovanna 1362-74 in dritter Ehe vermählt war. Nach Jakobs Tode sicherte Giovanna die Thronfolge zuerst Karl III. von Durazzo zu, welchen sie mit Margarete, der Nichte Filippos, des letzten Anjou von Tarent, verehelichte, heiratete aber dann selbst 1376 in vierter Ehe Otto von Braunschweig.
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Während Karl von Durazzo, deshalb besorgt geworden, dem Rufe Urbans VI. folgte und aus Ungarn heranzog, adoptierte Giovanna Ludwig I. von Anjou. Karl aber, kräftig unterstützt von Urban, der ihn belehnt hatte, sah sich schon Juli 1381 im Besitz Neapels; die gefangen genommene Giovanna wurde erdrosselt, Ludwig I. im Kleinkrieg aufgerieben. Allein schon ging Karl III. selbst zu Grunde bei dem Versuch, seine Erbfolge nun auch in Ungarn durchzusetzen.
Seine Witwe Margarete ließ in Unteritalien ihr Söhnchen Wladislaw zum König ausrufen, während die Provence ganz in die Hände Marias von Blois, der Witwe des 1384 gestorbenen Ludwig I. und Mutter des jungen Ludwig II. geriet. Diese stellte alsbald den endlich aus seiner Gefangenschaft entronnenen Otto von Braunschweig an die Spitze einer Unternehmung gegen Neapel, welche Urban VI. begünstigte, um sich bei dieser Gelegenheit selbst Unteritaliens zu bemächtigen.
Urbans Nachfolger Bonifacius IX. unterstützte dagegen Wladislaw, den er 1390 krönte, so daß dieser endlich 1400 Herr von Unteritalien wurde und den mit Glück vorgedrungenen Ludwig II. verdrängen konnte; gegen dessen Anhänger hatte er aber bis zu seinem Tode (1414) immer wieder zu kämpfen, was ihn daran hinderte, seine Macht auch nach Ungarn auszudehnen. In ganz Mittelitalien dagegen gewann er eine beherrschende Stellung und bedrohte ernstlich wieder S. Der Krieg gegen dieses war unter Giovanna I. eingeschlafen; diese hatte schon bei ihrer Flucht vor Ludwig von Ungarn die Aragonier in S. anerkannt. 1377 entsandte Peter IV. von Aragonien seinen zweiten Sohn Martin nach S., um dasselbe wieder mit den span. Ländern zu vereinigen.
Dies gelang nicht; dagegen gelang es Martin, dem Sohn des ebengenannten Martin, sich gegen den widerspenstigen Adel zu behaupten bis zu seinem Tode Er überließ den Thron seiner zweiten Frau Bianca von Navarra; gegen diese Fremde erhoben sich sowohl die einheimischen Adligen als Wladislaw und Ludwig II.; S. aber entschied sich nun für Martins Schwestersohn, Ferdinand, den Sohn Juans von Castilien, welcher auch die Krone von Aragonien erhielt. Auf ihn folgte 1416 Alfons V., der zuerst Febr. 1420 die Insel betrat, um bald auch Neapel zu gewinnen.
Hier folgte der kraftvollen Regierung Wladislaws eine wirrenreiche Zeit unter seiner 1414 zum Thron gelangten Schwester Giovanna II. Nach ihrem Tode (1435) stritten sich René von Anjou-Provence, Herzog von Lothringen und Bar, der Brudersohn und Rechtsnachfolger des 1434 gestorbenen Ludwig III., der schon 1420 von jener die Erbfolge zugesichert erhalten hatte, und Alfons V. um Unteritalien. Dieser Krieg endete mit der Einnahme von Neapel durch Alfons, worauf auch Eugen IV. Frieden mit Alfons schloß
Unter aragonischer, spanischer und habsburgischer Herrschaft. Alfons V., der talentvollste unter den Beherrschern Neapels seit der Zeit Kaiser Friedrichs II. griff nun von hier aus kräftig ein in die ital. Angelegenheiten. Bei seinem Tode hinterließ Alfons Aragonien und S. seinem Bruder, Neapel seinem natürlichen Sohne Ferrante, und nun begann unter den unechten Aragoniern nochmals eine bewegte Zeit für Unteritalien. Ferrante erkämpfte 1458-64 sein Reich, das ihm Jean, der Sohn Renés von Anjou-Provence, streitig machte.
Die innere Spaltung in Unteritalien erhielt jedoch fortwährend Nahrung durch Ferrantes Teilnahme an fast allen damaligen ital. Kriegen. Auf Ferrante I. folgte Jan. 1494 Alfons II., der alsbald angesichts des überraschend schnellen Vordringens Karls VIII. zu Gunsten seines Sohnes Ferrandino abdankte. Dieser sah sich aber durch den Ausbruch wüster Unruhen in Neapel bereits 20./21. Febr. 1495 zur Flucht nach der Insel Procida genötigt; doch die schweren Mißgriffe Karls VIII. gegen den einheimischen Adel ermöglichten Ferrandino, nach Karls Rückzug sein Reich wiederzugewinnen. Auf Ferrandino folgte der letzte und beste der Aragonier, Federigo von Altamura, Ferrantes I. jüngerer Sohn. Verraten von Spanien, das insgeheim mit Frankreich die Teilung Neapels vereinbart hatte, und von Spaniens Feldherrn Gonsalvo de Cordova, dem er sich anvertraut hatte, mußte Federigo Neapel verlassen. Er starb zu Tours; sein Stamm erlosch 1550.
Das franz.-span. Bündnis war aber von kurzer Dauer; die Franzosen mußten im Frieden von Segovia 1505 auf Unteritalien zu Gunsten Spaniens verzichten. Gegen angiovinische Ansprüche, die 1528 nochmals erhoben wurden von seiten des Grafen Vaudemont aus dem Hause Lothringen, verteidigte Unteritalien Charles de Lanoi; anfangs erfolgreich, erlag der franz. General Lautrec mit seinem Heere einer Seuche bei der Belagerung von Neapel, und nachdem Clemens VII. Neapel im Frieden von Barcelona Karl V. zuerkannt hatte, sah sich auch Frankreich zum Verzicht auf dasselbe im Damenfrieden von Cambray gezwungen.
Seitdem erschienen zwar die Franzosen noch mehrmals mit ihrer Flotte vor Neapel, es blieb aber mehr als zwei Jahrhunderte im Besitz der Spanier unter Vicekönigen. Eine innere Geschichte von Belang besitzt Unteritalien während der span. Herrschaft nicht. Außer der Erhebung von 1547 gegen die Inquisition und der von 1647, welche die Bedrückung durch Steuern hervorrief (s. Masaniello), ist der mißglückte Versuch des Vicekönigs Herzogs von Osuna (s. d.) hervorzuheben, welcher sich 1620 zum unabhängigen Herrn von Unteritalien machen wollte.
Der Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges gab in Neapel das Zeichen zur Erhebung, da man hier fürchtete, unter Philipp V., wie bisher, als ferne span. Provinz weiter zu verkümmern. Doch endete die Verschwörung, welche 1701 von Gaëtano Gambacorta und dem Sanseverinen Carlo di Sangro in Unteritalien angezettelt worden war und welche darauf zielte, das Land an die österr. Habsburger zu bringen, mit der Verjagung und Hinrichtung der Führer, deren Aufruf unter den Massen keinen Widerhall gefunden hatte.
Die Siege der Österreicher in Oberitalien (Herbst 1706) ermöglichten aber dem Grafen Daun, das Land 1707 doch den Habsburgern zu unterwerfen; auch der Papst mußte, zuletzt selbst bedroht, diese Wendung anerkennen, welche im Frieden von Utrecht (1713) und dem von Rastatt und Baden (1714) bestätigt wurde. S. wies der Friede von Utrecht Victor Amadeus II. (s. d.) von Savoyen als Königreich zu. Der Versuch, die ital. Nebenländer für Spanien wiederzugewinnen, den Philipp V., welcher sich in diesen Friedensschlüssen mit Österreich nicht verständigt hatte, 1718 auf Antrieb Alberonis machte, scheiterte an dem Widerstand der Quadrupelallianz und hatte nur zur Folge, daß auch S., wieder mit
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Neapel vereinigt, der Herrschaft der österr. Habsburger unterstellt wurde. Victor Amadeus ward mit Sardinien entschädigt.
Unter den spanischen Bourbonen. Zum selbständigen Staate wurde das Königreich beider S. wieder infolge des Polnischen Thronfolgekrieges (s. d.). Nachdem nämlich Philipp V. 1734 nochmals versucht hatte, Unteritalien unter Spanien zu bringen, kam das Königreich beider S., vermehrt um den Stato dei presidii, den größten Teil von Piombino und von Elba und einen Küstenstrich von Toscana, im Wiener Präliminarfrieden von 1735 und endgültig 1738 an Philipps V. und Elisabeth Farneses Sohn Karl III. als spanische, mit dem Hauptland unvereinbare Sekundogenitur, während Österreich mit Toscana entschädigt wurde.
Schon die österr. Verwaltung unter Daun hatte vieles im Königreich gebessert, bedeutender war aber die Hebung des Landes, seit es wieder seinen eigenen Fürsten hatte, der mit Thatkraft und Unternehmungsgeist die Neuordnung des Staates in die Hand nahm und insbesondere die feudalen Vorrechte wegräumte. Nachdem der Abschluß eines vorteilhaften Konkordats mit Benedikt XIV. gelungen war, wurden die Vorrechte der Geistlichkeit, ihre örtlichen Freiheiten, ihr Asylrecht und ihre dinglichen Gerechtsame beschränkt, wo nicht aufgehoben; die bischöfl.
Gerichtsbarkeit ward zu Gunsten des Staates eingedämmt, der Vermehrung der Güter der Toten Hand und der Zahl der Geistlichkeit Schranken gesetzt, der Jesuitenorden auf die Klöster beschränkt und das Inquisitionsgebäude geschlossen. Während durch Verbesserung des Zoll- und Steuerwesens die Staatseinnahmen sehr vermehrt, durch Handelsverträge und Handelsgerichte der Verkehr im Innern und nach außen wesentlich gehoben wurde, geschahen große Leistungen für die Verschönerung und den Nutzen Neapels und des Landes. Die unter Browne nochmals gegen Süden vordringenden Österreicher wies Karl III. an der Grenze seines Landes durch den Sieg von Velletri (10./11. Aug. 1744) zurück.
Als er durch den Tod seines Halbbruders Ferdinands VII., welcher kinderlos starb, auf den Thron von Spanien berufen wurde, übergab er das Königreich beider S. seinem dritten Söhnchen, Ferdinand I. (s. d., 1759-1825), für den Tanucci zuerst bis 1767 als Haupt der Regentschaft, dann bis 1777 als erster Minister regierte. Dieser schritt namentlich der Kirche gegenüber auf der unter Karl III. eingeschlagenen Bahn weiter, hob zahlreiche Klöster auf, zog die Einkünfte unbesetzter geistlicher Stellen ein, dehnte die Befugnisse der weltlichen Gerichtsbarkeit aus, unterstellte die geistliche Censur und die Erteilung von Kirchenstrafen der Staatsaufsicht, verjagte 1767 die Jesuiten und zog ihre Güter für Schulzwecke ein. In kirchlichen Angelegenheiten beharrte auch Sir Francis Acton, den Karoline Marie (s. d.), Ferdinands Gattin, an Tanuccis Stelle brachte, ziemlich auf dessen Verfahren; neben Acton gewann steigenden Einfluß auf die Regierung, welche Ferdinand seiner Frau überließ, die berüchtigte Lady Hamilton.
Der drohende Gang der Französischen Revolution rief in Neapel die äußerste Strenge gegen alle Regungen zu Gunsten der von Frankreich ausgehenden Anschauungen hervor. Der Anschluß an die erste Koalition und die durch starke Rüstungen verursachten Ausgaben brachten in kurzem die vorher blühenden Finanzen in Verwirrung. Nachdem Neapel angesichts der Siege Bonapartes in Oberitalien sich durch den Vertrag von Brescia von der ersten Koalition losgesagt hatte, stellte Frühjahr 1798 die unter franz. Schutz eben errichtete röm. Republik, welche sich als Rechtsnachfolgerin des Papstes auch in seiner Oberlehnsherrlichkeit über Neapel betrachtete, unerfüllbare Forderungen.
Und da man Napoleons Rüstung zum Zug nach Ägypten gegen Neapel gerichtet glaubte, so betrieb Karoline Marie eifrig den Beitritt zur zweiten Koalition, welcher auch zu Wien vollzogen wurde. Während nun Nelson zuerst im Hafen von Syrakus, dann in dem von Neapel Aufnahme fand und Mack, als neapolit. General von Thugut aus Wien gesandt, erschien, ging man mit verdoppeltem Grimm gegen alles vor, was nur im geringsten den Verdacht einer Hinneigung zur Französischen Revolution erregte, und schon überschritten die Truppen die Grenze, um die Unruhe in Rom zu ersticken.
Allein dem Einzug in Rom (29. Nov.) folgte eine Reihe von Schlappen, welche die rasch zusammengerafften Truppen unter Macks unfähiger Leitung durch Championet erlitten; schon 10. Dez. mußte in fluchtartigem Rückzug Rom, bald auch der Kirchenstaat geräumt werden, und nun drangen die Franzosen ihrerseits über die neapolit. Grenze. Nachdem sich ihnen Gaeta ohne Widerstand ergeben, floh der König und Hof mit dem Gelde nach Palermo (25. Dez.) und überließ die Statthalterschaft und Verteidigung des Festlandes dem Fürsten Pignatelli und Mack, welche bei der einbrechenden Verwirrung, der Erhebung der Bauern und Lazzaroni gegen die franz. Revolutionäre und der Unbotmäßigkeit der gebildeten Stände, die Schutz von den anrückenden Franzosen hofften, den Kopf verloren und einen Waffenstillstand durch Räumung von Capua und Neapel und Zahlung von 10 Mill. Frs. erkaufen wollten. Während dann Pignatelli gleichfalls nach S. floh und Mack auf der Heimreise in Oberitalien festgenommen wurde, wütete in Neapel der Pöbel, worauf Championet die Stadt im Sturm nehmen ließ; dabei erlitt er jedoch noch schwerere Verluste, als ihm schon auf dem Anmarsch das von der Geistlichkeit aufgereizte Landvolk beigebracht hatte. Nach der Einnahme Neapels wurde die königl. Herrschaft für abgeschafft erklärt und eine provisorische Regierung, dann nach dem Vorbild des vom Direktorium regierten Frankreich die Parthenopäische Republik (s. d.) aufgerichtet.
Die Erfolge der Österreicher und Russen in Oberitalien riefen aber Juni 1799 den an Championets Stelle getretenen Macdonald nach Norden, worauf sich in Neapel das niedere Volk gegen die nur vom größern Teile des Adels und vom bessern Bürgerstand gestützte Republik erhob. Zur Unterstützung der Lazzaroni rückte Kardinal Ruffo mit den von Fra Diavolo, Mammone, Pronio und ähnlichen Räuberführern zusammengebrachten Banden gegen die Hauptstadt, welche nach tapferer Gegenwehr sich auf Zusage der Straflosigkeit und des freien Abzugs der Republikaner ergab. Allein der mit Nelson zur See zurückkehrende König glaubte sich nicht verpflichtet, diese Zusage zu erfüllen, und so begann eine wilde Verfolgung der Abgefallenen, bis Napoleons Sieg bei Marengo zur Einstellung dieser Greuelwirtschaft zwang. Um der drohenden Wiedervereinigung seines Landes mit Spanien, das Godoy zum Verbündeten von Frankreich gemacht hatte, zu entgehen, trat Ferdinand von der zweiten Koalition nun zurück
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und unterwarf sich im Frieden von Florenz den von Napoleon auferlegten Bedingungen: Amnestierung der verfolgten Republikaner, Aufnahme eines franz. Armeekorps bei Tarent, Ausschließung der engl. Schiffe von allen Häfen des Königreichs, Verzicht auf Elba, Piombino und den Stato dei presidii. Marie Karoline ließ sich bestimmen, während sie in Paris einen Neutralitätsvertrag abschloß in Wien wegen ihres Beitritts zur dritten Koalition zu verhandeln, worauf der Kaiser am Tage nach dem Preßburger Frieden durch Dekret die Bourbonen in Neapel entsetzte und Saint-Cyr die Wegnahme des Königreichs befahl.
Weder eine demütige Gesandtschaft, noch die Aufwiegelung der Massen schützte die Bourbonen. Joseph Bonaparte und Masséna, über die Grenze gerückt, zwangen rasch den als Vicekönig zurückgelassenen Kronprinzen Franz, seinen wieder nach S. geflohenen Eltern zu folgen, worauf Joseph Bonaparte die Regierung in Neapel übernahm;
er wollte mit Milde das blutig niedergeworfene Land gewinnen;
aber Napoleon zwang den Bruder zur Härte und rief ihn endlich nach Spanien ab;
Josephs letzte Regierungshandlung war der Erlaß einer streng centralistischen Verfassung nach franz. Muster. An seine Stelle trat der rücksichtslosere Joachim Murat (s. d.), der sofort die Engländer von Capri verjagte, in den ersten zwei Jahren das Brigantentum durch den furchtbaren Manhès niederwerfen ließ, daneben aber das von Joseph begonnene Werk der innern Umbildung des Landes vollendete.
Mit gleicher Grausamkeit ließ Ferdinand, den auf S. die engl. Flotte deckte, Regungen zu Gunsten der Franzosen in Messina niederschlagen. Aber bald trat ein Zerwürfnis zwischen der Krone und dem sicil. Parlament ein, welches nach der alten Verfassung einberufen worden war, um Geld zu geben; die Adligen, die in dem Parlament den Ausschlag gaben, forderten für die Geldbewilligung bessere Besteuerung, Rechtspflege und Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit. Der Versuch der Krone, eine unbewilligte Steuer vom Lande zu erhalten, scheiterte, und nun trat der Bevollmächtigte Englands, Lord Bentinck, für das sicil. Parlament ein. Zum Generalkapitän der engl. Truppen auf S. ernannt, bewog er jetzt (Jan. 1812) Ferdinand, den Kronprinzen zum Reichsverweser zu bestellen, welcher den Fürsten von Belmonte zum ersten Minister machte und das Parlament beauftragte, über die Abstellung der bestehenden Mißbräuche und eine neue Verfassung Vorschläge vorzulegen.
Letztere wurde rasch nach engl. Muster ausgearbeitet und bot ein Zweikammersystem, Steuerbewilligungsrecht und Ministerverantwortlichkeit. Erst auf eine nochmalige ernste Drohung hin ergaben sich Marie Karoline und Ferdinand in diese Neuerungen, die dann Ferdinand, nach Neapel zurückgekehrt, wieder abschaffte. Dieses Vorgehen ermöglichte Ferdinand das Verhalten Murats. Dieser hatte, als er sich von Österreich betrogen, von England bedroht und von den kriegsmüden Italienern im Stiche gelassen sah, seine Verbindungen mit Napoleon auf Elba wieder angeknüpft und seine Waffen gegen Österreich sowie für gewaltsame Errichtung eines verfassungsmäßigen und einigen Italiens erhoben.
Bei Tolentino geschlagen (2. und sah er sich zum Rückzug und 20. Mai zum Verlassen seines Reichs gezwungen. Die unter Prinz Leopold von Bourbon ihm nachgedrungenen Österreicher gaben das Land 23. Mai an Ferdinand zurück, nachdem die Reste von Murats Truppen in der Kapitulation von Casalanza auf Fortsetzung des Kampfes verzichtet hatten. Der Wiener Kongreß bestätigte mit den andern Herstellungen auch diese (8. Juni), worauf Ferdinand wieder in Neapel einzog. Piombino, Elba und den Stato dei presidii erhielt Ferdinand nicht zurück. Ein abenteuerlicher Versuch Murats, sein Königreich wiederzugewinnen, führte nur seine Verhaftung und standrechtliche Erschießung herbei. Mißtrauen verbreitete unter dem Volke das Verhalten der Regierung gegenüber dem von ihr früher großgezogenen Banditentum und dem Sektenwesen (s. Carbonari, Calderari und Decisi); das Übelste jedoch war die Unzufriedenheit im Heere,welches aus Ersparnisrücksichten sehr vermindert wurde.
Die Zahl der Unzufriedenen stieg, während die Verteidigungskraft der Regierung gegen die sich anbahnende Revolution bedeutend geringer ward. Bei der Nachricht von der span. Militärerhebung und den raschen Fortschritten der Cortesrevolution gaben einige in Nola stehende Offiziere das Zeichen zur Empörung Da der König sich nicht entschließen konnte, den allgemein beliebten G. Pepe an die Spitze der noch treuen Truppen zu stellen, so begab sich dieser 3. Juni zu den nach Avellino vorgedrungenen Aufständischen, deren Oberbefehl er übernahm.
Die von diesen verlangte span. Verfassung von 1812 sah sich Ferdinand schon 7. Juni zu verkünden, 13. Juni zu beschwören gezwungen. Die Kunde von diesem mühelosen Sieg der Aufständischen entzündete in Palermo und Girgenti wüste Pöbelerhebungen, deren man erst nach einigen Tagen Herr wurde. In Palermo wie in Messina wollte man ein eigenes Parlament haben; dies war gegen die Meinung der Konstitutionellen des Festlandes, das nun Flor. Pepe zur Unterwerfung der Insel absandte.
Pepe und sein Nachfolger Colletta stießen aber in Palermo auf so entschiedenen Widerstand, daß letzterer sich mit einer Übereinkunft begnügen mußte, welche die Frage unentschieden ließ; thatsächlich entsandte dann auch nur Messina einen Abgeordneten in das neapolit. Parlament. Dieses selbst aber, ganz unter den Druck der Carbonari geraten, lehnte die von Frankreich nahe gelegte Annahme der französischen an Stelle der demokratischem span. Verfassung ab. So stand Neapel allein gegen das Österreich Metternichs, der entschlossen war, keine Verfassung in Italien aufkommen zu lassen.
Nachdem Österreich insgeheim zu Troppau Rußlands und Preußens Zustimmung zu seinem bewaffneten Eingreifen erzielt hatte, ward von den Nordmächten ein Kongreß zu Laibach abgehalten. Zu diesem begab sich Ferdinand indem er die Stellvertretung wieder dem Kronprinzen übertrug, um das bewaffnete Einschreiten Österreichs zuzugeben. Während das Parlament diese Entscheidung des Königs für erzwungen und nichtig erklärte, strömte das Volk unter die Fahnen zur Verteidigung der Unabhängigkeit. Allein der Mangel an Geld und an Unterordnung in dem allzurasch durch Freiwillige vermehrten und durch das Carbonariwesen zersetzten Heer und der Haß der Führer, G. Pepes, Carascosas, Collettas und Filangieris, gegeneinander machte den durch den Kirchenstaat anrückenden 50000 Österreichern die Arbeit leicht.
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Nach ihrem Sieg bei Rieti rückten die Österreicher, ohne mehr ernstlichen Widerstand gefunden zu haben, 24. März in Neapel ein, um dann auch Calabrien und Apulien zu besetzen. Gegen die nicht entflohenen Carbonari und Konstitutionellen begannen Ferdinands neue reaktionäre Minister eine blutige Verfolgung. Gleichzeitig hatte das Land unter Erdbeben, dem Ausbruch des Vesuvs von 1822 und Orkanen zu leiden; die schon in den Friedensjahren 1815-20 verdoppelte Staatsschuld wuchs infolge der im ganzen 600 Mill. Frs. kostenden österr. Einlagerung und der Betrügereien der Minister. An Stelle der Österreicher, deren letzte 10000 Mann erst Febr. 1827 abzogen, setzte noch Ferdinand eine Schweizertruppe.
Die Regierung von Ferdinands Sohn Franz I. (s. d., 1825-30) zeichnete sich nur durch die um sich greifende Zuchtlosigkeit am Hofe und die wachsende Feilheit der Beamten und des verarmten Adels aus. Ferdinand II. (s. d., 1830-59) wollte völlig Selbstherrscher sein, gestützt auf wohlgeordnete Finanzen und ein gutes Heer, unabhängig von Österreich und Frankreich, die ihm beide ihre Schutzherrschaft aufdrängten. Nachdem jedoch ein gemeinsames Vorgehen gegen Tunis (1833) und Eheschließungen engere Beziehungen Neapels mit Sardinien und mit Toscana angebahnt und die Sicilianer sich unter Ferdinands sanftem Bruder Leopold einige Jahre zufrieden gefühlt hatten, brachte die Ehe Ferdinands mit einer Habsburgerin wieder ein näheres Verhältnis zu Österreich zu Wege.
Gleichzeitig wurde Leopold aus Mißtrauen von Palermo zurückgerufen und das ganze Reich straff unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt. Als aber die schon 1835 erschienene Cholera aufs neue und viel stärker 1837 wie in Neapel so auch auf S. ausbrach, zerrissen hier alle Bande der Ordnung, und der Glaube, die Neapolitaner wollten die Sicilianer durch Massenvergiftung schwächen, erzeugte ein wildes Morden auf der Insel. Nachdem diesem Ferdinands Polizeiminister del Carretto ein Ende gemacht, wurde der letzte Rest sicil.
Selbstverwaltung vernichtet; nur die Freiheit von der Aushebung blieb S. Auf dem Festland setzte Ferdinand 1840 die Einheit von Maß und Gewicht durch und bemühte sich namentlich auch um die Verbesserung der Marine. Nachdem die Unternehmung von Cosenza (März 1844) und die der Brüder Bandiera (Juni 1844) gescheitert waren, erhob sich Aug. 1847 ein Aufstand zu Reggio; auch dieser ward niedergeschlagen. Aber das durch Pius' IX. Liberalismus angefachte Feuer ward durch die geheime Presse ebenso wie durch die beschränkten Accise- und Zollerleichterungcn und die dürftige Amnestierung geschürt; zwischen Insel und Festland ward die Empörung verabredet, S. sollte mit der Forderung seiner Verfassung von 1812 beginnen, Neapel mit dem Verlangen der seinigen von 1820 folgen.
Dem Beispiel Palermos, das sich erhob und 4. Febr. die königl. Truppen zum Abzug zwang, schlossen sich Girgenti, Catania, Caltanisetta, Trapani und Messina an. Daraufhin veröffentlichte 10. Febr. Ferdinand eine schon 29. Jan. zugesicherte Verfassung, welche der mit Serracapriola und C. Poerio ins Kabinett berufene Boselli nach franz;. Muster zugeschnitten hatte. In Neapel war darüber Jubel, in S., wo man sich um die zugesicherte Sonderstellung geprellt sah, tiefe Verstimmung.
Von dem in Palermo als provisorische Regierung waltenden Generalkomitee ward die neue Verfassung 3. Febr. verworfen und aufs neue die landeseigene von 1812 gefordert. S. war nicht weiter zu bringen als zur Annahme einer Personalunion, wogegen sich Ferdinand 22. März verwahrte; so wurde der Riß zwischen Neapel und S. nur um so tiefer. Der erfolgreiche Aufstand in der Lombardei trieb aber auch Neapel in die nationale Bewegung hinein; der König sah sich zur Berufung eines nationalen und freisinnigen Kabinetts unter Vorsitz Carlo Troyas 3. April gezwungen.
Die seit der Pariser Februarrevolution sich steigernde Aufregung schwoll infolge von Pius' IX. Allokution vom 29. April und erreichte ihren Höhepunkt in den Verhandlungen der 29. April gewählten Kammer mit dem König über den Wortlaut seiner Eidesleistung. Während derselben kam es zwischen Radikalen und Schweizern 15. Mai zu einem Barrikadenkampf in Neapel; der Sieg war auf Seite der letztern. Der König löste sofort Kammer und Nationalgarde auf und befahl G. Pepe die Zurückführung der nach Oberitalien entsandten Truppen.
Die Mehrzahl dieser entsprach dem königl. Befehl, Pepe widersetzte sich. Gleichzeitig ward die Flotte von Triest zurückgerufen. Das gefügige Ministerium, das Ferdinand nun einsetzte, berief eine neue Kammer; die Wähler sandten die alte. Aber der Rückschlag zeigte sich bereits in Gewaltthätigkeiten von Beamten, Offizieren und Polizei. Doch blieb Ferdinand vorläufig noch maßvoll und rüstete nur mit Eifer gegen S., wo das Parlament 13. April den Thron für erledigt erklärt und Ferdinand und sein Haus entsetzt hatte.
Ein Aufstand der Radikalen in Calabrien wurde blutig niedergeschlagen und die Sammlung der Truppen unter Filangieri und einer Flotte bei Reggio bewerkstelligt, während das Parlament von Palermo nach längern Verbandlungen Ferdinand, den zweiten Sohn Karl Alberts von Sardinien, unter dem Namen Karl Amadeus 11. Juni zum König wählte. Dies und Radetzkys Siege in Oberitalien bewirkten, daß in der Umgebung des Königs die Reaktionspartei völlig die Oberhand gewann.
Während das neapolit. Parlament vertagt wurde (5. Sept.), begann die Beschießung Messinas, das Filangieri, der 6. Sept. über den Faro gegangen war, überwältigte und niederbrannte, um dann gegen Palermo vorzudringen. Als sich die Insel von Sardinien, England und Frankreich im Stich gelassen sah, löste sich das Parlament auf, und die Unabhängigkeitsregierung legte ihre Gewalt in die Hand des Municipalrats nieder. Dieser vereinbarte 9. Mai mit Filangieri die Unterwerfung auf Bedingungen, die Ferdinand nicht erfüllte. Selbst Filangieri, welcher trotzdem die Statthalterschaft übernahm, ward 1854 entfernt, als er die Insel durch Milde zu gewinnen suchte. Indessen war die ergänzte neapolit. Kammer auf den einberufen, ihren Beschlüssen aber die Bestätigung verweigert worden, worauf sie aufgelöst wurde. Ein Teil der Abgeordneten floh; gegen die Gebliebenen und sonstige Mißliebige begann das alte Spiel gerichtlicher Scheinverhandlungen; furchtbar waren besonders zwei Riesenprozesse gegen die angeblichen Anstifter der Unruhen vom und die Mitglieder des Einheitsbundes. Die Macht der Polizei wurde durch Einsetzung von Überwachungs-, sog. Skrutiniumskommissionen außerordentlich erweitert; das Ausland meinte man durch Hinweis auf die milden Gesetze, Begnadigungen und
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menschlichen Vorschriften für die Gefängnisse zu täuschen. Thatsächlich herrschte schamlose Willkür und Grausamkeit unter der fanatischen und habgierigen Richter- und Beamtenschaft. Dieselbe Verderbtheit durchzog das Zoll- und Steuerwesen wie die Verwaltung; das Ausland suchte man über den Stand der Finanzen durch amtliche Lügen irrezuführen. Diesem aber öffnete Gladstone die Augen. Das schon vorher gespannte Verhältnis zu England verschlimmerte sich hierdurch und noch mehr durch die russenfreundliche Haltung Neapels während des Krimkrieges.
Diese veranlaßte auch Napoleon, Cavours Klagen gegen Neapel auf dem Pariser Kongreß von 1856 zur Erörterung zu bringen. Napoleon ging auf diese Beschwerden Sardiniens um so bereitwilliger ein, als eine wenn auch nicht starke Partei in Unteritalien Umtriebe für Lucien Murat machte. Da Ferdinand den Vorstellungen Englands und Frankreichs Gehör verweigerte, wurden die Gesandten abberufen; der König schiffte 1857 eine größere Anzahl der polit. Sträflinge nach Amerika ein, die aber nach England entkamen, wo sie mit Begeisterung aufgenommen wurden; im übrigen jedoch schien er, gestützt auf die Ostmächte, der Entrüstung Europas, welche Cavour und die Flüchtlinge unabhängig schürten, ungestraft zu trotzen. Allein während neue Unruhen, zuerst die Erhebung Bentivegnas in S. (1856), dann der Angriff des Soldaten Milano auf Ferdinand, endlich der von Mazzini angestiftete Zug Pisacanes nach Sapri, schreckliche Explosionen in Neapel und ein furchtbares Erdbeben (Dez. 1857) in der Gegend östlich von Palermo das Königreich heimsuchten, griff die Fäulnis im Beamtentum und Heer immer mehr um sich. So war der Staat reif zum Zusammenbruch, als Ferdinand an den Folgen der ihm von Milano beigebrachten Wunde starb.
Seinem Sohne Franz II. (s. d.) fehlte die Erfahrung wie Thatkraft und die Zähigkeit, um des Vaters Platz auszufüllen. Zudem verlor er seine festeste Stütze, die Schweizerregimenter, welchen ihre Kantone, des Schimpfes endlich satt, ihren Schutz entzogen und die sich nun unter Meuterei auflösten. Da Frankreich und England, deren Gesandte nach Ferdinands Tod zurückgekehrt waren, sich gegenseitig an einer Einmischung in Unteritalien und S. verhinderten, sah sich Cavour durch Franz' II. Zurückweisung in die Notlage versetzt, einen Angriff der durch die Abtretung von Savoyen und Nizza gegen ihn erbitterten Bewegungspartei auf S. Vorschub zu leisten, damit sie sich nicht gegen ihn selbst wende. So konnte Garibaldi (s. d.) seinen berühmten Zug der Tausend unternehmen. Am in Marsala gelandet, entriß er ganz S. bis zum 28. Juli den Neapolitanern.
Franz suchte zu spät Rückhalt an Victor Emanuel, ward aber von Cavour nur hingehalten. Gleichzeitig hatte er die Verfassung von 1848 wieder in Kraft gesetzt; aber das Land glaubte den Bourbonen nicht mehr. Garibaldi, glücklich nach Calabrien übergesetzt, fand weder bei den Truppen noch von seiten der Behörden nennenswerten Widerstand; das Land begrüßte ihn als Erlöser. So konnte er schon 7. Sept. in Neapel einziehen, von wo Franz nach Gaeta geflohen war. Während der Diktator Garibaldi, immer mehr in die Hände seiner republikanischen Umgebung geraten, die Einrichtung einer geordneten Verwaltung in S. und Unteritalien unter den von ihm ernannten Prodiktatoren Mordini und Pallavicino durch unmittelbare Verfügungen störte und die Angliederung des unter Victor Emanuels Namen gewonnenen Landes an dessen Reich hinausschieben wollte, bis auch Rom und Venetien genommen sein würden, leistete der Rest von Truppen, der Franz geblieben, am Volturno Garibaldis weiterm Vordringen tapfer Widerstand. So sahen sich Cavour und Victor Emanuel gezwungen, selbst einzugreifen, um Garibaldi vor seinen Freunden wie vor seinen Feinden zu retten.
Trotz Österreichs drohender Haltung rückte Victor Emanuel durch den Kirchenstaat, in dem Lamoricière nur kurzen Widerstand leistete, nach der neapolit. Grenze, die er ohne Kriegserklärung überschritt, wie er erklärte, um die freie Abstimmung des Südens zu schützen. Diese fand 21. Okt. statt und ergab in Neapel und S. 1302074 und 432053 Stimmen für unmittelbare Eingliederung in Victor Emanuels Reich, gegenüber 10312 und 667 republikanisch-partikularistischen und bourbonischen Stimmen.
Willig beugte sich Garibaldi der Erklärung des Landes für den König, an dessen Seite er 26. Okt. in Neapel einzog. Nachdem Capua 2. Nov. von den Piemontesen und Garibaldinern genommen war, besuchte Victor Emanuel Palermo und nahm Besitz von dem Lande. Franz, eine Zeit lang noch von der franz. Flotte geschützt, dann auch von dieser verlassen, mußte nach tapferer Gegenwehr Gaeta räumen; bald darauf fielen auch die Citadelle von Messina (12. März) und zuletzt die Bergfeste Civitella del Tronto, die sich noch für ihn gehalten. Schon vorher war, ungeachtet der Einsprachen des Bourbonen, die Einverleibung des Landes in das Königreich Italien vom ersten ital. Parlament beschlossen und von Victor Emanuel bestätigt worden. Doch hatte die ital. Regierung noch einen schweren Kampf mit dem von Franz II. und von den Ultramontanen Frankreichs und Belgiens unterstützten Brigantentum, und daß die Folgen span. und bourbon. Mißwirtschaft noch keineswegs gehoben sind, zeigt das Fortwuchern der Camorra (s. d.) und Mafia (s. d.).
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